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Werkzeuge

Valentin Dessoy

Quer denken – Prozesse beschreiben

Organisationen und Unternehmen müssen flexibel sein, um in einer dynamischen Umwelt anschlußfähig zu bleiben. Funktional und hierarchisch gegliederte Organisationen sind dazu nur begrenzt in der Lage. Multizentrische Netzwerkstrukturen sind eher geeignet, um Ressourcen und Potentiale zu entfalten und Innovation zu befördern.

In solchen Strukturen rücken Geschäftsprozesse in den Mittelpunkt des Interesses. Hierüber geschieht Steuerung und Entwicklung, die Gestaltung der Organisation. Der Artikel beschreibt in einfacher Form, wie sich Geschäftsprozesse analysieren und darstellen lassen.

Was sind Geschäftsprozesse?

Ein Geschäftsprozess ist eine klar abgegrenzte, standardisierte (regelhafte) Abfolge von Tätigkeiten und Entscheidungen, die aufeinander bezogen sind und schrittweise von eindeutig benannten Akteuren bzw. Instanzen ausgeführt werden, um ein bestimmtes organisatorisches Ziel (Output) zu erreichen.

Geschäftsprozesse beschreiben den regelhaften (standardisierten, verbindlich vorgegebenen/ vereinbarten) Austausch (den Fluss, die Transformation) von Materie, Energie oder Information zwischen (Teil-)Systemen. Im Gegensatz zum Projekt wird ein Geschäftsprozess wiederholt durchlaufen werden. Er kann Teil eines anderen (übergeordneten) Geschäftsprozesses sein oder seinerseits (untergeordnete) Geschäftsprozesse enthalten bzw. diese anstoßen.

Geschäftsprozesse gehen häufig über funktionale Systemgrenzen (Referate, Abteilungen, Einrichtungen, Organisationen) hinweg und verknüpfen sich zu Wertschöpfungsketten in einem Dienstleistungsnetzwerk.

Prozesse analysieren und Ebenen differenzieren

Ausgangspunkt einer Prozessbeschreibung ist eine systematische Prozessanalyse. Im Kern geht es dabei um die Frage: „Wer macht was, wann und womit?“. Geht man dieser Frage nach, wird man feststellen, dass sich betrieblichen Prozesse auf unterschiedlicher (Abstraktions-)Ebene, also in unterschiedlicher Detailtiefe darstellen lassen.

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Man beginnt Prozessbeschreibungen in der Regel mit einer Darstellung (Interpunktion) der sog. Prozesslandschaft. Sie beschreibt die Kernprozesse (die zentralen Prozessbereiche) auf der Primärebene der Dienstleistungserbringung (z.B. in der Pastoral die Grundfunktionen Martyria, Diakonia, Leiturgia), auf der Sekundärebene der Steuerungsprozesse (z.B. Budgetplanung und -steuerung, Personaleinsatz und -führung) sowie auf der Tertiärebene  der Unterstützungsprozesse (z.B. Personalentwicklung, Produktentwicklung).

Die Kernprozesse (Prozessbereiche) wiederum enthalten die Geschäftsprozesse im engeren Sinn. Im Prozessbereich „Personaleinsatz und -führung“ lassen sich beispielsweise u.a. folgende Geschäftsprozesse verorten:

  • Zuteilung von Aufgaben und Projekten im, Rahmen der Jahresplanung
  • Einführung, Durchführung und Evaluation von Mitarbeitergesprächen
  • Planung, Durchführung und Nachbereitung von Dienstgesprächen.

Geschäftsprozesse lassen sich u.U. nochmals untergliedern, indem die einzelnen Arbeitsschritte im Detail beschrieben werden. In diesem Fall spricht man vom Workflow bzw. Micro-Flow. Wie differenziert Prozessbeschreibungen vorgenommen werden sollten, ist nach pragmatischen Gesichtspunkten (Erkenntnisinteresse, Zweck, Arbeitsaufwand) zu entscheiden.

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Prozesse beschreiben

Prozesse lassen sich in unterschiedlicher Form beschreiben. Die grafische Darstellung erfolgt in Form von Flow-Charts (Flussdiagrammen) und ist besonders anschaulich. Die Teilschritte des Prozesses werden systematisch in ihrer Abfolge und Vernetzung dargestellt. Dabei werden i.d.R. die Zeichen (Sinnbilder, Codes) nach DIN 66001 benutzt (s. Kasten oben).

Beispiel:

In der folgenden Abbildung ist die einfachste Variante der Aufnahme (Buchung) eines Hotelgastes beschrieben. Nicht berücksichtigt sind eine  evtl. vorherige Anmeldung oder elektronische Buchung, die Information über Zimmerpreise etc. oder auch die Schlüsselübergabe und die weitere Einweisung des Hotelgastes im Anschluss an die Buchung.

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Der Vorteil von Prozessbeschreibungen mit Hilfe von Flow-Charts ist ihre hohe Anschaulichkeit und Einprägsamkeit, die sich aufgrund der grafischen Darstellung ergibt. Nachteil ist der erhebliche Arbeitsaufwand, der mit der Erstellung und insbesondere mit der Aktualisierung (Pflege) solcher Beschreibungen verbunden ist, selbst wenn nur einzelne Prozesselemente justiert werden müssen.

Eine Alternative zur grafischen Beschreibung von Geschäftsprozessen ist die tabellarische Darstellungsform. Sie kann auch sehr gut mit EXCEL durchgeführt werden. Die folgende Abbildung zeigt die Grundstruktur der Darstellung. Pro Zeile wird jeweils ein einzelner Prozessschritt eingetragen. In der Kopfzeile finden sich die Merkmale (Aspekte), anhand derer die Einzelprozesse (Schritte) nacheinander zu spezifizieren sind.

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Zunächst wird der jeweilige Prozessschritt benannt (Spalte 2 „Prozess-Schritt“) und nummeriert (Spalte 1 „Nr.“), um sich darauf im weiteren Verlauf der Beschreibung beziehen zu können. So ist es beispielsweise bei Entscheidungen (also unterschiedlichen Möglichkeiten der Weiterarbeit im Prozess) erforderlich, in der Spalte 5 „weiter“ die Nummer des auf die jeweilige Entscheidungsalternative folgenden Prozessschrittes anzugeben.
Es ist sinnvoll, zu spezifizieren, um welchen Prozessschritt es sich jeweils handelt (Spalte 4 „Art“). Folgende Differenzierung hat sich bewährt:

S = Start
Anstoß für den Prozess, z.B. Eingang einer Beschwerde (in der Prozessbeschreibung Beschwerdemanagement).

T = Tätigkeit
Einzeltätigkeit, die komplett in der Hand des Akteurs liegt, z.B. „Antrag ausfüllen“ oder „Stellenausschreibung formulieren“.

U = Unterprozess/Schnittstelle
Unterprozesse (vordefinierte Prozesse, Unterprogramme) umfassen wiederum selbst mehrere Einzeltätigkeiten und ggf. Entscheidungen, fassen diese zusammen. Ihre Verwendung ist dann sinnvoll (vereinfachen die Beschreibung), wenn solche Unterprozesse in unterschiedlichen Prozessen zur Anwendung kommen, z.B. die Information oder auch Konsultation bzw. Entscheidung (seitens) von Gremien oder Antrags- und Genehmigungsverfahren.

Schnittstellen markieren die In-Gang-Setzung eines anderen (an anderer Stelle beschriebenen) Prozesses, der im Zusammenhang der aktuell vorliegenden Prozessbeschreibung nicht weiter verfolgt wird. Beispiel: im Rahmen des Beschwerdemanagements geht es primär darum, die Kommunikation mit dem unzufriedenen Kunden herzustellen und unmittelbar Abhilfe zu schaffen. Dieser Vorgang kann in einem Prozess beschrieben werden. Eine Beschwerde kann jedoch auch Anlass sein, bestimmte Standardvorgänge (Prozesse) zu überprüfen und zu justieren. Das wäre dann ein Vorgang, der im Rahmen des Qualitäts- bzw. Prozessmanagements eine Rolle spielt und dort im Detail beschrieben wird. Innerhalb der Prozessbeschreibung des Beschwerdemanagements würde dieser Vorgang nur summarisch als Unterprozess „Überprüfung des Prozessdesigns“ aufgeführt.

E = Entscheidung
Entscheidungen sind dort angesagt, wo sich Prozesse verzweigen, also unterschiedliche Handlungsalternativen ergeben. Beispiel: Angebot eines Dienstleisters wird angenommen/abgelehnt. Hieraus folgen unterschiedliche Handlungsstränge.

A = Abschluss
Abschluss des Prozesses, z.B. bei einem Einstellungsverfahren nach dem Gespräch zum Ende der Probezeit.

In Spalte 2 „Akteur“ werden die Person(en) oder Instanz(en) benannt, die für den jeweiligen Prozessschritt konkret operativ zuständig sind (Wer macht genau diese Tätigkeit?).

In der Spalte 6 „Input/Output“ werden die (1) Dokumente bzw. Vorgaben benannt, die für diesen Prozessschritt benötigt werden bzw. bindend sind (Input: z.B. strategische Ziele, Fortbildungsordnung, Dienstvereinbarung im Rahmen eines Mitarbeitergesprächs). Darüber hinaus werden hier (2) die Ergebnisse festgehalten, die an dieser Stelle des Prozesses erzeugt werden (Output: z.B. eine Zielvereinbarung zum Ende des Mitarbeitergesprächs, Haushaltsplan zum Ende der Haushaltsplanung).

Spalte 7 „Erläuterung“ dient dazu, den jeweiligen Prozessschritt ggf. zu erläutern, etwa Anforderungen oder Einschränkungen zu benennen (z.B. „gesetzliche Vorgaben §§ … beachten“) oder auch die Tätigkeit genauer zu beschreiben.

Wenn ein/e „Unterprozess/Schnittstelle“ vorliegt, wird in Spalte 8 „Details“ hierzu die jeweilige Fundstelle im Prozesshandbuch benannt, in der dieser detailliert beschrieben ist.

Beispiel:

Das oben grafisch dargestellte Beispiel einer Hotelbuchung ist nachfolgend tabellarisch beschrieben. Der Vorteil liegr darin, jederzeit ohne großen Aufwand Veränderungen oder Ergänzungen vornehmen zu können.

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Der Sinn von Prozessbeschreibungen

Qualifizierte Prozessbeschreibungen dienen der Standardisierung von Vorgehensweisen in einer Organisation. Durch die Reflexion, Optimierung, Fixierung und Vereinbarung von Routinen werden Verfahren und Abläufe transparent und der kontinuierlichen Überprüfung und Verbesserung zugänglich gemacht.

Die Erstellung von Prozessbeschreibungen ist dann angezeigt und sinnvoll, wenn Abläufe in der  Organisationspraxis intransparent, konflikthaft oder ineffizient (redundant) sind. In großen Teams oder Netzwerken, die eine geringe oder umgekehrt eine hohe strukturelle Komplexität aufweisen und flexible Kooperationen erfordern, dienen Prozessbeschreibungen dazu, sich über gemeinsame Vorgehensweisen zu verständigen, diese verbindlich zu vereinbaren, kontinuierlich zu überprüfen und zu optimieren. Wenn neue hauptberufliche oder ehrenamtliche Mitarbeiter/innen hinzukommen und eingearbeitet werden müssen, können Prozessbeschreibungen sehr hilfreich sein und die Einarbeitung wesentlich erleichtern und beschleunigen.

Darüber hinaus sind Prozessbeschreibungen unabdingbare Voraussetzung und zentraler Baustein von Qualitätsmanagementverfahren.

Erstellung eines Prozesshandbuches

Prozessbeschreibungen werden daher sinnvoller Weise systematisch in einem Prozesshandbuch abgelegt, aus dem die Verfahrensweisen in der Organisation eindeutig hervorgehen. Das Ordnungssystem (Kapitel, Nummerierung) muss im Blick auf die jeweilige Organisation entwickelt und bestimmt werden.

Das Prozesshandbuch umfasst neben den Prozessbeschreibungen sämtliche Basisdokumente, die das Vorgehen in der Organisation normieren (Satzung, Geschäftsordnung, Leitbild, Unternehmensstrategie, Arbeitsfeld-/Stellenbeschreibungen, Dienstvereinbarungen, Anleitung zum Mitarbeitergespräch, …).

Es ist sinnvoll, die Pflege des Prozesshandbuches strukturell bzw. personell zu verorten, um die Aktualisierung und damit die gewünschten Effekte dauerhaft sicher zu stellen.

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