012022

Foto: Marga Santoso/Unsplash

Statements

Andreas Hack

Was treibt Firmeninhaber*innen zu mehr ökologischer Nachhaltigkeit?

Eine normative Motivationsperspektive

Der aktuelle Sachstandsbericht des Weltklimarats1 belegt eindrücklich, dass wir uns in der entscheidenden Dekade befinden: alle Schritte zur ökologischen Nachhaltigkeit, die jetzt getan oder unterlassen werden, sind entscheidend für die Zukunft der Menschheit. UN-Generalsekretär Antonio Guterres wirft in diesem Zusammenhang den Staaten der Welt «kriminelles Versagen» beim Klimaschutz vor.

Doch sind es nur Staaten oder individuelle Menschen allein, die für den Klimaschutz aktiv werden müssten? Vorsichtige Studien zeigen, dass die Hälfte aller weltweiten Emissionen auf das Konto der unzähligen kleinen und mittleren Unternehmen geht.2 Für Deutschland wissen wir, dass es sich hierbei zum größten Teil um Familienunternehmen handelt, die dem Einfluss von familiär verbundenen Eigentümergruppen unterliegen.3

Wir wissen, dass nicht nur instrumentelles Abwägen, sondern insbesondere auch normative Gründe zu nachhaltigem Handeln führen können.

Daher wäre es wichtig, die vielen Firmeninhaber*innen dafür zu gewinnen, mehr für den Klimaschutz zu tun, beziehungsweise sich stärker für ein nachhaltiges Wirtschaften zu engagieren.

Die klassische Sichtweise der Nationalökonomie, und die Position vieler liberaler und libertärer Politiker*innen, ist hier eindeutig: Firmeninhaber*innen werden sich aus wirtschaftlichem Eigennutz in Zukunft deutlich nachhaltiger verhalten. Aus instrumentellen Gründen, also um die eigenen Gewinne zu steigern, wird in nachhaltigere Technologien, Produktionsweisen, Materialen oder Lieferketten investiert. Man muss der unsichtbaren Hand des Marktes (vielleicht unterstützt durch kleine staatliche Verhaltensschubser und moralisch-verbalen Druck) nur freien Lauf lassen. Problem gelöst!

Aus verhaltenswissenschaftlicher Perspektive springt dieses Denken aber deutlich zu kurz. Wir wissen, dass nicht nur instrumentelles Abwägen, sondern insbesondere auch normative Gründe zu nachhaltigem Handeln führen können. Konkret: das eigene Unternehmen nachhaltig umzubauen, weil es das Richtige ist, und nicht, weil es einen potenziellen wirtschaftlichen Nutzen generiert. Eine aktuelle Studie der Universität Bern (Schweiz) und der Universität Witten/Herdecke könnte diesen Einfluss erstmals empirisch belegen.4 Je stärker die normative Nachhaltigkeitsmotivation der Firmeninhaber*innen, desto stärker wird das eigene Unternehmen auch wirklich nachhaltig umgebaut.

Je stärker die Familie finanziell-wirtschaftliche Interessen verfolgt, desto geringer die normative Nachhaltigkeitsmotivation, je stärker die sozio-emotionalen Interessen, desto höher die normative Nachhaltigkeitsmotivation.

Es gilt also auch, die normative Dimension des nachhaltigen Handelns in den Blick zu nehmen und diese optimal zu fördern. In erster Linie sind die Eigentümerfamilien dafür natürlich selbst verantwortlich. Es zeigt sich, dass diejenigen Eigentümerfamilien, die ein hohes sogenanntes sozio-emotionales Interesse an ihrem Unternehmen zeigen, eine deutlich höhere normative Nachhaltigkeitsmotivation an den Tag legen.5 Unter sozio-emotionalen Interessen werden so unterschiedliche Orientierungen wie die Reputation des Unternehmens, die Identifikation der Eigentümerfamilie mit den Werten des Unternehmens oder die emotional-bindenden Beziehungen zu Mitarbeiter*innen und anderen Stakeholdern des Familienunternehmens verstanden. Bedeutet: Je stärker die Familie finanziell-wirtschaftliche Interessen verfolgt, desto geringer die normative Nachhaltigkeitsmotivation, je stärker die sozio-emotionalen Interessen, desto höher die normative Nachhaltigkeitsmotivation. Die Eigentümerfamilie muss sich also von innen heraus für diese Punkte interessieren. Hier gilt es, den Diskurs in der Familie zu verschieben, weg von einer rein rational wirtschaftlichen, hin zu einer stärker gemeinwohlorientierten, kooperativen und emotionalen Sichtweise.

Zu vermuten wäre nun, dass die Jungen, also die Nachfolgergenerationen in Familienunternehmen, diese Diskursverschiebung anstoßen. Überraschenderweise, anders als zum Beispiel bei „fridays for future“, so belegt es eine aktuelle empirische Untersuchung,6 sind es gerade die älteren familieninternen Geschäftsführer*innen, die eine hohe normative Nachhaltigkeitsorientierung an den Tag legen. Und die jungen CEOs, so die Studie, agieren eher gemäß einer wirtschaftlich-instrumentellen Sichtweise. Warum könnte das so sein? Familieninterne Nachfolger*innen müssen sich wahrscheinlich noch als Manager*innen beweisen. Und gutes Managementverhalten wird auch in Familienunternehmen oft noch über kurzfristig-wirtschaftlichen Erfolg belegt. Hier sind die älteren Familienangehörigen in der Verantwortung, ihre Sprösslinge auf die sozio-emotionalen Werte der Eigentümerfamilie hinzuweisen und das Managementverhalten an diesem Zielsystem zu bemessen.

Es scheint, als würde der wahrgenommene Druck des Staates als Gängelung wahrgenommen, die zu einer aversen „Jetzt-erst-recht-nicht“–Reaktion führt mit den bekannten Auswirkungen: geringere normative Nachhaltigkeitsmotivation gleich weniger nachhaltiges Firmenverhalten.

Was kann nun der Staat tun, um die normative Nachhaltigkeitsmotivation von Firmeninhaber*innen zu fördern? Viele Interventionen zielen darauf ab, moralischen Druck aufzubauen, an die besondere Verantwortung der Firmeninhaber*innen zu appellieren, aber immer die unternehmerische Freiheit zu unterstreichen und von Vorgaben oder Verboten abzusehen. Welche Auswirkungen hat diese staatliche Vorgehensweise in der Praxis? Erste empirische Ergebnisse zeigen, dass wahrgenommener politischer Druck die Nachhaltigkeitsmotivation der Firmeninhaber*innen zerstört.7 Je höher der wahrgenommene staatliche Druck, desto geringer die Nachhaltigkeitsmotivation. Interessanterweise wirkt der wahrgenommene Druck von anderen Stakeholdergruppen, wie der von Mitarbeitenden oder von Kund*innen, durchaus positiv auf die normative Nachhaltigkeitsmotivation. Es scheint, als würde der wahrgenommene Druck des Staates als Gängelung wahrgenommen, die zu einer aversen „Jetzt-erst-recht-nicht“–Reaktion führt mit den bekannten Auswirkungen: geringere normative Nachhaltigkeitsmotivation gleich weniger nachhaltiges Firmenverhalten.

Unterstützen also diese Ergebnisse die Sichtweise, der Wirtschaft möglichst freie Hand zu geben und auf die Wirkungen der instrumentellen Nachhaltigkeitsmotivation zu bauen? Mitnichten. Ja, Familienunternehmen werden wahrscheinlich freiwillig und ohne äußeren Druck nachhaltiger. Verhaltensänderungen im Allgemeinen und auch für Firmeninhaber*innen und deren Familienunternehmen im Speziellen erfordern aber lange Zeiträume. Wenn wir die Prognosen des Weltklimarates ernst nehmen und von einem nur noch (sehr) kurzen Handlungszeitraum ausgehen, bleibt uns aber nicht mehr viel Zeit.

… die Zeit drängt.

Daher: So ungerne wir es hören und so wenig wir es uns trauen auszusprechen, aber wissenschaftlich gesehen stehen die Zeichen auf deutliche regulatorische und klare Staatseingriffe in Form von Vorgaben und Verboten zur Förderung des Umbaus einer nachhaltigen Wirtschaftsweise. Denn die Zeit drängt.

  1. IPCC (2022). Climate Change 2022: Mitigation of Climate Change. https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg3/; zugegriffen am 29.4.2022.
  2. Calogirou, C., Sørensen, S.Y., Larsen, P.B., Alexopoulou, S. (2010). SMEs and the Environment in the European Union. European Commission, Brussels.
  3. Stiftung Familienunternehmen (2021). Daten, Fakten, Zahlen zur volkswirtschaftlichen Bedeutung von Familienunternehmen. https://www.familienunternehmen.de/de/daten-fakten-zahlen; zugegriffen am 29.4.2022.
  4. Ernst, R. A., Gerken, M., Hack, A., & Hülsbeck, M. (2022a). Family firms as agents of sustainable development: A normative perspective. Technological forecasting and social change, 174, 121135.
  5. Ernst, R. A., Gerken, M., Hack, A., & Hülsbeck, M. (2022a). Family firms as agents of sustainable development: A normative perspective. Technological forecasting and social change, 174, 121135.
  6. Ernst, R. A., Gerken, M., Hack, A., & Hülsbeck, M. (2022b). The multifaceted impact of CEO tenure on corporate sustainability performance – evidence from family firms. Working Paper, University of Witten/Herdecke and University of Bern.
  7. Ernst, R. A., Gerken, M., Hack, A., & Hülsbeck, M. (2022c). SMES’reluctance to embrace corporate sustainability: The effect of stakeholder pressure on self-determination and the role of social proximity. Journal of cleaner production, 335, 130273.

futur2 möglich machen

Hinter der futur2 steht ein Verein, in dem alle ehrenamtlich arbeiten.

Für nur 20 € pro Jahr machen Sie als Mitglied nicht nur die futur2 möglich, sondern werden auch Teil eines Netzwerks von Leuten, die an der Entwicklung von Kirche und Gesellschaft arbeiten.

» MEHR ERFAHREN