Sorgt euch (aber bitte nicht um euch selbst) – Perspektiven für eine „caring church“
Endlich wieder in einem „richtigen“ Buchladen. Es ist viele Jahre her, aber die Erinnerung an die Zeit ist stark, als hier großartige Kinderbücher gekauft wurden, zahllose Buchgeschenke für Freund_innen, spannende Krimis für den Urlaub. Dank einer top sortierten Fachabteilung für Philosophie, Psychologie und Soziologie konnte man stets auch beruflich vom Know-how der Inhaberin und ihres Teams profitieren. Seitdem wurden die Besuche in dem kleinen, aber feinen Geschäft rar. Als es letztlich wieder einmal so weit war, fielen die großen Lücken in den Buchregalen schmerzlich ins Auge.
„Wie läuft das Geschäft?“ – Diese Frage kennt jede_r Unternehmer_in – und hasst sie in Zeiten vermehrter Konkurrenz, sinkender Nachfrage, steigender Ausgaben und rückläufiger Gewinne. Es schmerzt und braucht Zeit, zu realisieren, dass die einmal so überzeugende Geschäftsidee nicht mehr recht funktionieren mag. Der einen fällt dann ein, wie man aus früher Bewährtem und jetzt für Kund_innnen scheinbar uninteressant Gewordenem wieder ein „gutes“ Geschäft machen kann; dem anderen bleibt nur der Rückzug vom Markt.
Es macht für uns Sinn, Kirche als „Unternehmung“ und hier insbesondere Kirchengemeinden als deren „Filialen“ vor Ort in den Blick zu nehmen.
„Wie läuft das Geschäft?“ – Irgendwas sperrt sich dagegen, diese Frage auch den Verantwortlichen für die so vielen und unterschiedlichen kirchlichen Angebote zu stellen. Kaum jemand hier agiert aus kommerziellen Motiven, Wettbewerbsdenken scheint den meisten fremd. Aber wenn Vergleiche bekanntlich häufig auch hinken: Es macht für uns Sinn, Kirche als „Unternehmung“ und hier insbesondere Kirchengemeinden als deren „Filialen“ vor Ort in den Blick zu nehmen. Dass solches „Gemeindegeschäft“ nicht nur in der Krise steckt, sondern oftmals bereits „Konkurs“ anmelden musste bzw. dies absehbar tun muss, ist bekannt und beschrieben.1
Die nachfolgende Skizze setzt hier nicht den Versuch entgegen, die Gemeindeidee wieder zu vitalisieren.2 Vorgeschlagen wird vielmehr ein „Geschäftsmodell“, das – was paradox anmuten mag und soll – nicht selbstbezüglich den kirchlichen Erfolg anstrebt („lebendige Gemeinde“), sondern Ziel und Zweck allen Handelns in der Sorge der Anderen um die Anderen sieht – und dieses Sorgeengagement aus dem Selbstverständnis einer „caring church“ heraus selbstlos-subsidiär zu unterstützen versucht.3
1. Raus aus der Problemtrance
Wer lösungsorientiert denkt, handelt und mehr oder weniger professionell berät, weiß um die Wirkung, die erzielt werden kann, wenn nicht mehr bzw. nicht ausschließlich das im Zentrum steht, was nicht (mehr) gelingt oder was (noch) nicht den eigenen Vorstellungen und Wünschen entspricht, sondern die Aufmerksamkeit sich richtet auf das bereits Erreichte, den erzielbaren Kompromiss, die zweitbeste Lösung etc. Schon mancher Knoten ist geplatzt und manches Wendemanöver in Sackgassen geglückt, wo positive Umdeutungen von „halb leer“ zu „halb voll“ gewagt wurden.
Solch Einmaleins systemisch-lösungsorientierter Beratung4 lohnt auch den Einsatz in der Neujustierung christlich-kirchlicher Praxis. Dabei sollen die Augen keineswegs verschlossen werden vor der jetzt seit Jahrzehnten bereits und immer schneller voranschreitenden „Erosion der Gnadenanstalt“5 und der inzwischen die Gesellschaft auszeichnenden religiösen Indifferenz und Säkularität.6 Im Gegenteil: Wenn ich mich aus der „Problemtrance“ löse, in die ich unweigerlich gerate, wenn ich mich ausschließlich mit dem „Niedergang“ verfasster Kircheninfrastruktur beschäftigte, hat mehr und anderes eine Chance, wahrgenommen und gewürdigt zu werden – nicht zuletzt die Vielzahl und Vitalität von „Alltags-Kommunitäten“ in Nachbarschaften, Quartieren, Vereinen, Unternehmen, Familien etc. Dort sind, wendet man sich ihnen denn mit wirklich „brennendem Interesse“ zu, beeindruckende Beispiele von Lebensglauben und Lebenssinn bzw. dem Ringen, um ebendiese Alltagskräfte des Mitmenschlichen zu entdecken.7 Und dort konturiert sich durch Exploration und Lernen eine diesem dem Alltag der Menschen dienende Pastoral, der es nicht um Strukturerhalt oder Strukturoptimierung geht, sondern um eine ebendiese Strukturdebatten irritierende, weil selbst-, absichts- und bedingungslose Haltung der Pastoralität, die am Pastoralstil Jesu und seinem radikalen Interesse am Gegenüber Maß zu nehmen versucht.8
2. Caring community, caring church
„Caring Communities“ bzw. „Sorgende Gemeinschaften“ sind Gruppen von Menschen, die sich wechselseitig verantwortlich füreinander fühlen und in denen entsprechend die Sorge um- und füreinander zumindest gemeinsam geteilter Anspruch, meist auch praktizierte Realität ist. Worum genau sich gesorgt und in welcher Weise dieses Sorgeengagement gelebt wird, ist höchst divers: Besuche und Begegnungen gemäß dem Motto „Miteinander statt Einsamkeit“, Unterstützung ambulanter Pflegedienste im Versorgungsauftrag, gemeinschaftliches Gärtnern, multikulturelle Koch-Workshops, selbstorganisierte Trauergruppen, Lebensmittel-Sharing und vieles mehr. Dabei gilt, was Daniela Händler-Schuster und Robert Sempach die beiden Brennpunkte im Begriffspaar „caring communitiy“ nennen: „Die gegenseitige Fürsorge schafft Verbundenheit und Gemeinschaft.“9
Wie gelingt Pastoral vor Ort zu konkreten und authentischen Formen von Compassion und Vernetzung im Sozialraum, wie beherzt und risikofreudig praktiziert sie „Kompliz_innenschaft“ als Modell kirchlicher Präsenz?
Spannend ist zu beobachten, welche Grade von Gemeinschaftsbildung, Verbindlichkeit und Verlässlichkeit die verschiedenen Sorgegemeinschaften für sich entwickeln – und ob/wie sie sich mit anderen Sozialraumakteur_innen vernetzen. Ebenso spannend – und nicht selten ernüchternd – ist dabei der Blick auf kirchliche und hier insbesondere kirchgemeindliche Akteur_innen: Wie gelingt Pastoral vor Ort zu konkreten und authentischen Formen von Compassion und Vernetzung im Sozialraum,10 wie beherzt und risikofreudig praktiziert sie „Kompliz_innenschaft“ als Modell kirchlicher Präsenz?11 Wo Christ_innen und ihre Kirchengemeinden nicht außen vor bleiben, sondern sich „unterhaken“, wenn Sorgebedarfe und Sorgebereitschaften geteilt werden, wird für alle Beteiligten und Beobachter_innen fassbar, was die Konzilsmaxime von der Kirche in der Welt von heute heißen kann.12
Solche „guten Nachbarschaften“ können kirchliche Pastoral im Übrigen vor, wie Rainer Bucher es formuliert, „heilloser Heilungs- und Sorgeanmaßung“ bewahren, wenn sie denn konsequent partizipativ und transparent eingegangen werden. Zudem, so Bucher, müssten drei theologische Prinzipien regulativ greifen: Ekklesiologisch gelte, dass es in der Sorge „wirklich um den selbstlosen Dienst der Kirche am Menschen geht und nicht, wie versteckt auch immer, um kirchliche Machtentfaltung an einem ihrer letzten verbliebenen Orte“; christologisch sei immer wieder gegen die Illusion das Wort zu ergreifen, „es gäbe ein Leben vorbei an Leid, Kreuz und Tod“; um schließlich gnadentheologisch Zeugnis zu geben, „dass Gott es ist und nur er und in völliger Freiheit und aus seiner reinen Gnade und in völliger Unverfügbarkeit, der Hilfe und Beistand, Heil und Heilung schenkt.“13
3. Community building und community organizing
Aber wie entstehen solche sorgenden Gemeinschaften? Kann man ihre Entstehung begünstigen oder gar initiieren? Hilfreich ist hier ein Blick auf das Konzept des „community building“ aus dem angelsächsischen Sprachraum. Dieser Begriff enthält eine Ambiguität, die sich aus seiner Verwendungsgeschichte ergibt: Aus den Sozialwissenschaften bzw. konkret der Sozialen Arbeit stammend, bezeichnet er ursprünglich ein Praxisfeld, dem es um den Aufbau, die Erhaltung und Verbesserung von Gemeinschaften in einer bestimmten geografischen Region, zu einem bestimmten Bedarf oder in einem gemeinsamen Interesse zu tun ist.14 Zunehmend findet sich der Begriff aber auch für ein Set von Techniken, die auf den Aufbau und Erhalt von starken Beziehungen zwischen Anbieter_innen und Kund_innen (nicht zuletzt im digitalen Bereich15) zielen und mithin zum Feld des Marketing gehören. Beide Verwendungsformen sind nicht klar voneinander abgrenzbar und stellen eher die Pole eines Bedeutungsspektrums dar. Gemeinsam ist ihnen, dass sie auf einen engen Zusammenhang zwischen „in Gemeinschaft sein“ und „gemeinsam handeln“ verweisen. Während an dem einen Ende des Spektrums die Gemeinschaft selbst schon der Zweck des community building zu sein scheint, ist am anderen Ende der Aufbau einer Gemeinschaft weniger Ziel, sondern eher Mittel, um einen im Konsens getragenen Zweck zu erreichen. Freilich schwingt selbst von einem Ende des Kontinuums gedacht, das jeweils andere immer noch mit: Selbst dort, wo Gemeinschaft als Selbstzweck begriffen wird, wird doch immer noch unterstellt, dass eine gute Gemeinschaft Sozialkapital darstellt, welches die Mitglieder zu konstruktivem Handeln befähigt. Umgekehrt wird jeder noch so zweckbezogene Aufbau von Gemeinschaft nicht leugnen können, dass der Zweck eben nur in Gemeinschaft überhaupt erreichbar und sie deshalb immer schon in den Zweck eingeschrieben ist. Folgt man diesem Gedankengang, kann man Gemeinschaft eigentlich nur performativ verstehen. Anders formuliert: Handeln stiftet Gemeinschaft – auch wenn freilich nicht jedes kollektive Handeln in gleicher Weise gemeinschaftsstiftend wirkt.
„Community organizing“ will Bürger_innen ermutigen und unterstützen, in ihrem Umfeld ungewöhnliche Koalitionen zu wagen und sich so zu vernetzen, dass sie ihre Interessen und Anliegen wirkmächtiger vertreten können.
„Community organizing“ will Bürger_innen ermutigen und unterstützen, in ihrem Umfeld ungewöhnliche Koalitionen zu wagen und sich so zu vernetzen, dass sie ihre Interessen und Anliegen wirkmächtiger vertreten können. Aus den USA kommend und dort mit dem Namen des Bürgerrechtlers Saul David Alinsky verknüpft, hat dieses sozialarbeiterische und nicht zuletzt auch politische Bildung verfolgende Handlungskonzept auch in Europa Fuß gefasst. In Deutschland dürfen Leo Penta bzw. das von ihm gegründete Deutsche Institut für Community Organizing (jetzt: Community Organizing Deutschland) als Hauptakteure genannt werden; sie bauen „Bürgerplattformen“ auf und beziehen dabei kirchliche bzw. religiöse Gemeinschaften selbstverständlich in ihre Vernetzungsinitiativen mit ein.16
4. Dimensionen von Gemeinschaft
Um auszuleuchten, was kollektives Handeln auszeichnen muss, um gemeinschaftsstiftend wirken zu können, lohnt sich ein Blick auf das für viele so vertraut erscheinende Handlungskonzept der Themenzentrierten Interaktion (TZI). Für die TZI wird Interaktion in Gruppen bekanntlich durch vier Faktoren bestimmt: „Ich“ (also die Individuen, aus denen die Gruppe besteht), „Wir“ (das Zusammenspiel dieser Individuen in der Gruppe, also die Gestalt ihrer Verbundenheit), „Es“ (der Zweck bzw. die Aufgabe der Interaktion) und „Globe“ (d. h. die Umstände und Bedingungen, unter denen die Gruppe arbeitet).17 Auch wenn dieses Modell von Ruth Cohn aus der Arbeit mit therapeutischen Gruppen heraus entwickelt wurde, besteht doch der Anspruch, letztlich jede Art von Gruppenprozess modellieren zu können.18 Von entscheidender (und häufig in der Rezeption übersehener) Bedeutung ist dabei, dass die vier Faktoren von gleicher Wichtigkeit sind und daher für eine gelingende Gruppeninteraktion stets in ein Gleichgewicht gebracht werden müssen.19
Ein stabiler Gemein-Sinn muss stets sowohl die grundlegenden Bedürfnisse des Einzelnen wie die Mechanismen des Zusammenwirkens der vielen Eigen-Sinne berücksichtigen und immer neu austarieren.
Bezieht man dieses Vier-Faktoren-Modell auf die oben diskutierte Frage nach gemeinschaftsstiftendem Handeln, ist es der Faktor des „Es“, der das Handlungsziel der Gemeinschaft beschreibt.20 Wenn das „Es“ einer Gruppe nicht hinreichend klar ist, gerät sie in Schwierigkeiten. Ein von bürgerschaftlichem Engagement getragener Verein wird z. B. große Probleme bekommen, wenn der Vereinszweck im Rahmen von Veränderungsprozessen unklar oder gar obsolet wird. Da alle vier Faktoren unauflösbar verschränkt sind, werden sich diese Bestimmungsschwierigkeiten des „Es“ (wenn auch nicht immer zur gleichen Zeit und in gleichem Ausmaß) auf alle drei anderen Faktoren auswirken: Die Mitglieder der Gruppe werden sich weniger zugehörig fühlen (Ich), Strukturen und Prozesse werden unter Stress geraten (Wir) und ab einem bestimmten Punkt werden sich auch Schwierigkeiten in der Außendarstellung ergeben (Globe), die sich etwa auf die Netzwerkbeziehungen oder die Einwerbung von Spenden negativ auswirken können.
Um ein klareres Verständnis dafür zu entwickeln, wie ein nachhaltig (sorge-)gemeinschaftsstiftendes „Es“ aussehen kann, ist es notwendig, auch „Ich“ und „Wir“ im Blick zu behalten, um zu ergründen, wie sie mit dem „Es“ (wir wollen es im Folgenden als „Gemein-Sinn“ bezeichnen) und dem Organisationsumfeld („Globe“) zusammenhängen. Hier nur so viel: Ein stabiler Gemein-Sinn muss stets sowohl die grundlegenden Bedürfnisse des Einzelnen wie die Mechanismen des Zusammenwirkens der vielen Eigen-Sinne berücksichtigen und immer neu austarieren.
5. Schritte voran, wo scheinbar kein Fortschritt mehr möglich ist
Um hier nicht nur über Gemeinschaften zu theoretisieren bzw. an die Bildung von Sorgegemeinschaften zu appellieren, sei auf Konzepte aus der Persönlichkeits- und Organisationsentwicklung hingewiesen, die aus unserer Sicht hilfreich sein können, um die komplexe Bildung von Gemein-Sinn zu unterstützen. Dabei wollen wir dafür werben, dass es nicht reicht, diesen Sinn vorauszusetzen oder zu hoffen, dass er im gemeinsamen Tun schon manifest wird. Gerade in Zeiten, in denen tradierte Sinnkonstrukte sich ausgesprochen kritischen Fragen ausgesetzt sehen, sind Prozesse der Selbstvergewisserung individuellen und kollektiven Sinns wichtige Investitionen in den Zusammenhalt von Organisationen. Dabei darf das konkrete (Sorge-)Handeln natürlich nicht zu kurz kommen; notwendig ist vielmehr eine Verschränkung von konkretem Handeln und sinnhaft-strategischer Reflextion.
Wir sind davon überzeugt, dass Veränderung eine durch Störungen in die Wege geleitete Erweiterung des Selbstkonzeptes braucht; deshalb ist solchen Störungen methodisch Raum zu geben
Dabei ist aus unserer Erfahrung der entscheidende Punkt für personale und organisationale Entwicklungsprozesse mit nachhaltigen Fortschritten dort, wo Konzepte und theoretische Überlegungen nicht mehr weiterführen und gerade hierdurch Raum dafür entsteht, tiefere Interaktionsebenen in den Blick zu nehmen. Genau dies wird mit dem berühmten Störungspostulat der TZI angesprochen.21 Eine Störung hat deshalb Vorrang, weil sie das Prozessmoment ist, an dem tieferliegende emotive, motivationale oder sinnbezogene Fragen prägnant werden. Wenn es gelingt, sie einzubeziehen, kann sich nachhaltige Veränderung ergeben. Wir sind davon überzeugt, dass Veränderung eine durch Störungen in die Wege geleitete Erweiterung des Selbstkonzeptes braucht; deshalb ist solchen Störungen methodisch Raum zu geben – selbstverständlich auch im Kontext von Pastoral und hier nicht zuletzt im von vielerlei tiefgreifenden Störungen behafteten Feld der Kirchengemeinden, die für viele Menschen solche Vergemeinschaftungen längst haben obsolet werden lassen.
6. Von der Individuation zum Gemein-Sinn
Im letzten Abschnitt haben wir schon angedeutet, dass ein stabiler Gemein-Sinn immer auch die individuellen Sinnstrukturen einschließen muss. Gemeinschaft muss Raum für die individuelle und inter-individuelle Selbst-Orientierung bieten, da die Suche nach Eigen-Sinn zu Gemein-Sinn führen kann.
Genau diese Erfahrung findet sich häufig in psychotherapeutischen und selbsterfahrungsbasierten Gruppenprozessen: Teilnehmende arbeiten in der Gruppe an ihren individuellen Themen. Auch wenn andere Gruppenmitglieder nicht aktiv in diese Prozessarbeit einbezogen sind, indem sie etwa eigene Beobachtungen oder Erfahrungen beisteuern, beschreibt die große Mehrzahl diese Arbeit dennoch als bewegend und in Bezug auf eigene Themen als hilfreich, da man sich in den Erfahrungen und Prozessen der Anderen oftmals wiedererkennt. In vielen Fällen scheint es dabei leichter, die Schwierigkeiten, Leiden und Leistungen der je anderen anzuerkennen als die eigenen.
Wäre es nicht auch ein Plus von Glaubensgemeinschaften, wenn sie sich hier als ein undogmatisches, offenes und vom radikalen Interesse am Gegenüber geprägtes Sinn-Forum verstünden?
Der Mythenforscher Joseph Campbell geht in seinem erstmals 1949 veröffentlichten Hauptwerk „The Hero with a Thousand Faces“ der archetypischen Grundstruktur von Mythen und Heldenerzählungen nach und weist für sie ein konsistentes Muster aus.22 Dieser sogenannte „Held_innenreise-Zyklus“ wurde von vielen Therapeut_innen und Coaches zu einem Seminarkonzept für Selbsterfahrung weiterentwickelt.23 Dabei ist die Annahme leitend, dass die gemeinsame Reflektion auf individuelle Sinnstrukturen immer auch zur Reflextion auf eine geteilte Sinndimension beiträgt. Außer in solchen Selbsterfahrungsgruppen oder in gruppentherapeutischen Kontexten gibt es jedoch selten Raum für derartige gemeinsame Sinnexplorationen. Wäre es nicht auch ein Plus von Glaubensgemeinschaften wie beispielsweise Kirchengemeinden oder den mit ihr vernetzten Sorge-Gemeinschaften, wenn sie sich hier als ein undogmatisches, offenes und vom radikalen Interesse am Gegenüber geprägtes Sinn-Forum verstünden? Raum für den im weitesten Sinne spirituellen Eigen-Sinn zu bieten, kann zugleich eine Investition in Gemein-Sinn sein – darf aber selbstverständlich dafür nicht verzweckt werden!
7. Gemeinschaft stiften
Für die Arbeit an einem gemeinsam geteilten und gemeinschaftsstiftenden Sinn (wer mag, darf hier natürlich auch von „purpose“ sprechen) gibt es inzwischen eine Vielzahl von gut entwickelten methodischen Formaten, jedes davon mit Stärken und Schwächen, welche sie für unterschiedliche Rahmenbedingungen unterschiedlich anempfehlen. Genannt seien an dieser Stelle beispielhaft der „Golden Circle“ von Simon Sinek24 und verschiedene Methoden, die auf der Ikigai-Philosophie des japanischen Kulturraums beruhen.25
Anforderungen an eine „caring church“ unterscheiden sich gar nicht so stark von denen, welche sich agile Unternehmen ausgesetzt sehen.
Ein weiterer interessanter Ansatz für die Suche nach der gemeinsamen Sinndimension einer Gruppe ist die „Theory U“. Vom deutschen Wirtschaftswissenschaftler Otto Scharmer entwickelt, ist sie zugleich Theorie wie Praxiskonzept für die (Weiter-)Entwicklung von Organisationen.26 Ihre besondere Kraft liegt darin, dass sie einerseits ein methodisches Repertoire für die Gesamtheit von Veränderungsprozessen bietet und andererseits die Frage nach dem Sinn als den Kernpunkt solcher Prozesse ausweist.
Egal auf welchem methodischen Weg man sich auf die Suche nach Gemein-Sinn macht, das Entscheidende ist, dass die Mühe der Ebene nicht gemieden wird. Gerade dort, wo durch einen guten etablierten Kanon des Geglaubten der Gemein-Sinn schon verbürgt scheint, ist die Versuchung groß, sich die Anstrengung einer Selbstversicherung zu ersparen. Doch ist das Bemühen um den Gemein-Sinn, der Prozess der Sinnsuche, genauso wichtig (wenn nicht wichtiger) wie dessen Ergebnis. Solch fortgesetzte Suche nach Gemein-Sinn ist ein Stabilitätsanker für Gemeinschaften, für den es Zeit- und sonstige Ressourcen einzuplanen gilt, ohne dabei den Blick auf das praktische (Sorge-)Tun zu verlieren. Hierin unterscheiden sich die Anforderungen an eine „caring church“ gar nicht so stark von denen, welche sich agile Unternehmen ausgesetzt sehen. Sie sind gleichermaßen aufgefordert, ihr Tun immer wieder in Bezug zu ihren normativen Prämissen zu setzen und dabei einen in beide Richtungen zielenden Abgleich vorzunehmen.
8. Haltung er-leben: Die „Inner Developement Goals“
In den letzten beiden Absätzen haben wir versucht, komplementäre Strategien zur Bildung, Unterstützung und Rekalibrierung von Gemein-Sinn zu skizieren, welche wir in Anknüpfung an den ersten Abschnitt dieses Beitrags zugleich als Handlungsziel von Gemeinschaften wie auch als deren Stabilitätsanker betrachten. Gleich ob die Sinnsuche vom individuellen Sinn ausgeht oder direkt am Gemein-Sinn anknüpft, gemeinsam ist ihnen, dass ihre starke Prozessbetonung die Beteiligten vor große Herausforderungen stellen. Die Kontextbedingungen von Gruppenprozessen wie etwa die zur Verfügung stehenden Zeit- und Geldressourcen, die Freiheitsgrade in den institutionellen Entscheidungswegen oder die unterschiedlichen Vorerfahrung der Gruppe mit solchen Prozessen führen zudem dazu, dass nicht jede Gruppe von sehr offenen Prozessszenarien profitieren kann. In vielen Fällen hilft ein Orientierung gebender Bezugsrahmen deshalb gerade in den frühen Prozessphasen, um der Gruppe Sicherheit zu geben und die Bereitschaft für eine Sinndiskurs öffnende gemeinsame Arbeit zu fördern.
Wissen alleine scheint nicht zu reichen, um Menschen ins Handeln zu bringen.
Ein derartiges Rahmenkonstrukt können die im Kontext der Bildung für nachhaltige Entwicklung formulierten „Inner Development Goals“ (IDG) sein. Das Konzept der IDGs wurde von der 2020 in Stockholm gegründeten Non-Profit-Initiative „Inner Development Goals“ erarbeitet, um das Knowledge-Action-Gap im Bereich von Nachhaltigkeit zu schließen. Die von den Vereinten Nationen formulierten und 2016 beschlossenen Nachhaltigkeitsziele (SDG) werden bekanntlich von einer großen Mehrheit der internationalen Akteure geteilt. Auch die Pfade hin zu diesen Zielen sind, jedenfalls in den Grundzügen, hinreichend bekannt. Trotzdem zeichnet sich ab, dass diese Nachhaltigkeitsziele voraussichtlich um ein Beträchtliches verfehlt werden. Wissen alleine scheint nicht zu reichen, um Menschen ins Handeln zu bringen. Die IDGs beruhen deshalb auf der Annahme, dass es neben dem unerlässlichen Wissen um Wirkzusammenhänge auch bestimmter Haltungsfaktoren bedarf, um die Lücke zwischen Wissen und Handeln zu schließen.
Das aus dieser Erkenntnis heraus entwickelte „IDG Framework“ umfasst insgesamt 23 Transformationskompetenzen in fünf Kategorien (1. Sein: Beziehung zu sich selbst, 2. Denken: Kognitive Fertigkeiten, 3. Beziehung: Fürsorge für andere und die Welt, 4. Zusammenarbeiten: Soziale Kompetenzen, 5. Handeln: Wandel vorantreiben). Diese Transformationskompetenzen sorgen nicht nur dafür, dass Menschen individuell und kollektiv befähigt werden, komplexe Herausforderungen zu bewältigen, sondern überdies ein sinnerfülltes, nachhaltiges und selbstbestimmtes Leben zu führen.27
Solche Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie die ihnen zugrundeliegenden Haltungen und Werte sind nicht einfach gegeben, sondern erlernbar. Der Begriff des Lernens mag bei Haltungsmerkmalen irritieren und muss sicherlich anders gefasst werden als bei klassischen Lernmodellen. Nach der hier vertretenen Ansicht geht es darum, sich zu den jeweiligen Haltungsmerkmalen in Beziehung zu setzen, ihnen eigene Bedeutung zu verleihen und sie so in einem je ganz eigenen Sinne zu entfalten. Dieses etwas andere Konzept des Lernens verlangt neben kognitiver Reflexion eben auch Anteile von Selbsterfahrung, welche den Bogen von der oben besprochenen Heldenreise bis hin zu Konzepten wie der Theorie U schließen kann. In den IDGs steht für Prozesse der Sinnsuche eine normative Systematik zur Verfügung, welche einerseits Orientierung vermittelt und andererseits hinreichend flexibel ist, um einen offenen Prozess von Sinnfindung und Gemeinschaftsbildung-zu stützen – selbstverständlich auch in kirchlichen Kontexten.
9. Zwischenbilanz
In unserem Beitrag finden sich unzählige Male die Stichworte „Gemeinschaft“ und „Gemein-Sinn“, weniger oft „Sorge“. Es sollte aber deutlich geworden sein, dass es um Letztere primär geht: um die Sorge umeinander und füreinander. Dieses Sorgegeschehen steht im Mittelpunkt unseres Plädoyers für (Sorge-)Gemeinschaftsbildung, hier kann sie unseres Erachtens ihren Gemein-Sinn und damit ihr „Nutzenversprechen“ und ihre ganz spezifische „Leistung“ finden und einlösen. Wenn in diesem Zusammenhang (und keinesfalls losgelöst davon!) von „Gemeinde“ gesprochen wird, dann weil wir für diese ins Abseits geratene kirchliche Sozialform eine Zukunft sehen, wenn (und nur dann!) sie mutige Schritte hin zur Vernetzung, ja Vergesellschaftung mit nicht-kirchlichen Sorge-Akteur_innen und Sorge-Organisationen geht und diesen eine verlässliche Partnerin wird. Wir sehen Gemeinden aufgefordert zum Gestaltwandel hin zur selbstlosen, gemeinwohlorientierten, sorgeaktiven Sozial-Pastoral! Dabei ist klar, dass dieser Transformationsprozess zumeist nicht bei Null beginnt, häufiger als vielleicht gedacht, sogar bereits als vollzogen gelten darf; diese Ungleichzeitigkeiten gilt es gründlich zu explorieren und zu reflektieren.28 Ein unersetzlicher christlich-kirchlicher, weil jesuanischer Beitrag im Sorgegeschehen kann dabei das Aushalten der Dialektik von Sorge für Menschen in ihren konkreten Nöten einerseits und dem Ernstnehmen der eindringlichen Mahnung: „Sorgt euch nicht …“ (vgl. Mt 6,25-33) andererseits sein.29
Übrigens: Beim eingangs beschriebenen Besuch der Buchhandlung fand sich die „Streitschrift für ein neues Wir“ von Jan Skudlarek. Der Titel lautet schlicht, einfach und doch nicht trivial: „Wenn jeder an sich denkt, ist nicht an alle gedacht“.30
- Einschlägig hierzu: Sellmann, Matthias (Hg.) (2013): Gemeinde ohne Zukunft? Theologische Debatte und praktische Modelle. Freiburg/Br.: Herder.
- Vgl. zu den konzeptionellen Grundlagen solcher (Re-)Vitualisierung und ihren Umsetzungsversuchen jüngst: Zimmer, Miriam; Gendig, Cyra (Hg.) (2024): Space for Grace. Neue Formen von Kirche in Belgien, den Niederlanden und Deutschland. Eine Reise zu wegweisenden Projekten. Würzburg: Echter.
- Besten Dank an Rainer Bucher für die Prägung des Begriffs „caring church“ und seine theologische Füllung; vgl. Bucher, Rainer (2021): Caring church. Einige Überlegungen zu Macht und Pastoral in kapitalistischen Zeiten. In: Reimer Gronemeyer, Patrick Schuchter und Klaus Wegleitner (Hg.): Care – vom Rande betrachtet. In welcher Gesellschaft wollen wir leben und sterben? Bielefeld: Transcript, S. 231–244.
- Zum Beispiel: Schlippe, Arist von; Schweitzer, Jochen (2009): Reframing: „Stroh zu Gold spinnen“. In: Dies., Systemische Interventionen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 76–82.
- Ebertz, Michael N. (1998): Erosion der Gnadenanstalt? Zum Wandel der Sozialgestalt der Kirche. Frankfurt/Main: Knecht.
- Vgl. zur aktuellen Bedeutung bzw. Irrelevanz von evangelischer und katholischer Kirche in Deutschland die 2023 veröffentlichten Ergebnisse der 6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung: https://kmu.ekd.de/ [Abruf: 24.9.2024].
- Schon diese Andeutung dürfte genügen, um vielen Leser_innen die Verwurzelung der Ausführungen in der „pastorale d’engendrement“ und dem Werk von Christoph Theobald zu verdeutlichen; als Referenzen hierfür mögen an dieser Stelle genügen: Theobald, Christoph (2018): Brennendes Interesse am Alltag der Menschen. in: Ders., Hören, wer ich sein kann. Einübungen. Ostfildern: Matthias-Grünewald, S. 183–198; Feiter, Reinhard (2019): Die Ernte ist groß … Zugänge zur pastorale d’engendrement. In: euangel – Magazin für missionarische Pastoral: https://www.euangel.de/ausgabe-1-2019/frei-geben-zeugende-pastoral/zugaenge-zur-pastorale-dengendrement/ [Abruf: 24.9.2024].
- Feeser-Lichterfeld, Ulrich (2023): Pastoral und Pastoralität – ein kritischer Abgleich und notwendiger Perspektivwechsel. In: Rainer Bucher, Rainer Krockauer und Johann Pock (Hg.): Theologie als Werkstatt. Offene Baustellen einer praktischen Theologie. Münster: Lit, 153-162.
- Händler-Schuster, Daniela; Sempach, Robert (2023): Caring Communities als gemeindebezogene Ressource. In: Daniela Händler-Schuster und Helmut Budroni (Hg.): Gemeinde- und Familiengesundheitspflege. Lehrbuch für die ambulante Pflege. Bern: Hogrefe, S. 141–156: S. 145.
- Hillebrand, Bernd; Sehrig, Jürgen (2023): Soziale Arbeit und Pastoral – neu verbunden. Auf dem Weg zu einer sozialraumorientierten Vernetzung. Ostfildern: Grünewald.
- Beck, Wolfgang (2024): Sprung in den Staub. Elemente einer risikofreudigen Praxis christlichen Lebens. Ein Essay. Ostfildern: Grünewald.
- Vgl. Feeser-Lichterfeld, Ulrich; Hobelsberger, Hans (2023): Pflege und Seelsorge: zwei Perspektiven, ein Anliegen?! Ein Transferprojekt im Interesse umfassender Sorge um ältere und alte Menschen. In: Wege zum Menschen 75 (4), S. 280-291: https://doi.org/10.13109/weme.2023.75.4.280 (Abruf: 24.9.2024).
- Alle Zitate aus: Bucher, Rainer (2021): Caring church. Einige Überlegungen zu Macht und Pastoral in kapitalistischen Zeiten. In: Reimer Gronemeyer, Patrick Schuchter und Klaus Wegleitner (Hg.): Care – vom Rande betrachtet. In welcher Gesellschaft wollen wir leben und sterben? Bielefeld: transcript Verlag, S. 231–244.
- Vgl. zur Orientierung den Eintrag in der englischsprachigen Wikipedia: https://en.wikipedia.org/wiki/Community_building [8.9.2024].
- Zum Beispiel: https://digital-business.at/blog/community-building-2/ [8.9.2024].
- Vgl. Penta, Leo; Meier, Tobias (2020): Eine verpasste Chance? Einige Thesen zur Kirche aus der Sicht des Community Organizing . In: futur2 – Zeitschrift für Strategie und Entwicklung in Kirche und Gesellschaft (2): https://www.futur2.org/article/eine-verpasste-chance-einige-thesen-zur-kirche-aus-der-sicht-des-community-organizing%e2%80%af/ [24.9.2024]; Meier, Tobias; Penta, Leo; Richter, Andreas (Hg.) (2022): Community Organizing. Eine Einführung. Weinheim: Beltz; Meier, Tobias (2024): Community Organizing und kommunale Religionspolitik in der postsäkularen Stadt. Münster: Waxmann.
- Vgl. Kügler, Hermann (2017): The Four-Factor Model of TCI. In: Mina Schneider-Landolf, Jochen Spielmann und Walter Zitterbarth (Hg.): Handbook of Theme-Centered Interaction (TCI). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 101–107.
- Cohn, Ruth C.; Farau, Alfred (1987): Gelebte Geschichte der Psychotherapie. Zwei Perspektiven. 2. Aufl. Stuttgart: Klett-Cotta; S. 343f.
- Matzdorf, Paul; Cohn, Ruth C. (1987): Themenzentrierte Interaktion. In: Raymond J. Corsini (Hg.): Handbuch der Psychotherapie. Band 2. 2. Auflage. Weinheim: Beltz, S. 1272–1314, hier: S. 1274. Obgleich diese Gleichrangigkeit oft als normative Setzung missverstanden wird, ist sie zunächst rein deskriptiv gemeint: Jeder der Faktoren ist für eine gelingende Interaktion gleich wichtig. Daraus lässt sich dann mittelbar im Sinne einer Klugheitsregel die normative Forderung ableiten, allen Faktoren gleiche Aufmerksamkeit zu schenken, um eine gelingende Interaktion zu gestalten.
- Das „Es“ hat Parallelen zum „purpose“, welcher in wirtschaftswissenschaftlichen Diskursen aktuell eine zunehmend wichtigere Rolle spielt (vgl. Alberg-Seberich, Michael; Feldmann, Derrick (2022): Das neue Corporate Social Mind. Warum Haltung alles ist – und wie Unternehmen sozialen Wandel bewirken. München: Redline) sowie dem von Simon Sinek als Ausgangspunkt allen sinnstiftenden Handelns benannten „Why“ (Sinek, Simon (2014): Frag immer erst: warum. Wie Topfirmen und Führungskräfte zum Erfolg inspirieren. München: Redline).
- Vgl. Hoffmann, Sarah G. (2017): The Disturbance Postulate. In: Mina Schneider-Landolf, Jochen Spielmann und Walter Zitterbarth (Hg.): Handbook of Theme-Centered Interaction (TCI). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 95–100.
- Campbell, Joseph (2022): Der Heros in tausend Gestalten. Berlin: Insel Verlag.
- So etwa Rebillot, Paul; Kay, Melissa (2011): Die Heldenreise. Das Abenteuer der kreativen Selbsterfahrung. Wasserburg: Eagle Books.
- Vgl. Fußnote 20.
- Das Konzept lässt sich im Deutschen frei als „Lebenssinn“ übersetzen und stammt aus der japanischen Ratgeber Literatur (vgl. z. B. Mogi, Ken’ichirō (2018): Ikigai. Die japanische Lebenskunst. Köln: DuMont). Naturgemäß zielen die entwickelten Methoden, so etwa die „Blume der Lebensfreude“, zunächst eher auf das Individuum, lassen sich aber ohne größere Probleme auf Gruppenprozesse übertragen. Tatsächlich findet sich in der einschlägigen Literatur (z. B Esyun, Hamaguchi; Shumpei, Kumon; Creighton, Mildred R. (1985): A Contextual Model of the Japanese: Toward a Methodological Innovation in Japan Studies. In: Journal of Japanese Studies 11 (2), S. 289-321) der Hinweis, dass in Japan Identität, anders als im Westen, eher durch die Beziehung zum anderen gedacht wird.
- Vgl. Knöss, Karl-Heinz (2015): Von der Zukunft her führen mit Hilfe von Otto Scharmers „Theorie U“. In: futur2 – Zeitschrift für Strategie und Entwicklung in Kirche und Gesellschaft (1): https://www.futur2.org/article/von-der-zukunft-her-fuehren-mit-hilfe-von-otto-scharmers-theorie-u/ [24.9.2024].
- Peter, Brigitte; Heyer, Martin (2023): Empowerment für Klima & Co.– mit den Inner Development Goals. Bonn: Wissenschaftsladen Bonn, S. 10: https://wilabonn.de/images/PDFs/IDG-Weiterbildung/231211Modul-Handbuch-online.pdf [24.9.2024].
- Vgl. Feeser-Lichterfeld, Ulrich; Krockauer, Rainer (2021): Explorative Diakonie. Ein Werkstattbericht. In: Christiane Koch, Hans Hobelsberger und Thomas Droege (Hg.): Mehr als Leitbilder. Ansprüche an eine christliche Unternehmenskultur. Freiburg i. Br.: Herder, S. 143–156.
- Feiter, Reinhard (2012/2022): Von Sorge und Sorglosigkeit. Zum 170jährigen Bestehen der Ordensgemeinschaft Schwestern von der Göttlichen Vorsehung [Vortrag am 3.11.2012], abgedruckt in: Heidkamp, Monika; Kranemann, Daniela; Prakacin, Elisa; Vilain, Clarissa (Hg.) (2022): Abweichen. Von einer Praxis, die findet, was sie nicht gesucht hat. Münster: Aschendorff, S. 401–406.
- Skudlarek, Jan (2023): Wenn jeder an sich denkt, ist nicht an alle gedacht. Streitschrift für ein neues Wir. Stuttgart: Tropen.