022024

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Konzept

Maximilian Bühler

Hybride Kirche in Gestalt eines Großevents. Ein zukunftsfähiges Handlungsmodell?

1. Arbeit an der „nächsten Kirche“ zwischen Defuturisierung und Futurisierung

„Jede Weltvereinfachung hat ihre Lebenslüge.“1
Odo Marquard

Die Süddeutsche Jährliche Konferenz (SJK) der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK), der ich als ordinierter Pastor angehöre, hat sich selbst im Frühsommer 2022 einen „Change-Prozess“ verordnet.2 Initiiert durch einen mit großer Mehrheit gefassten Beschluss, sollten organisationale Struktur, das Profil hauptamtlicher Dienstgruppen, Finanzierung, Standortentwicklung und die Rolle der Ehrenamtlichen grundlegend überdacht werden. Der Leidensdruck sei so groß, die Perspektivlosigkeit des bestehenden Systems so deutlich, dass sich etwas ändern müsse, sonst – so das latente Bedrohungsszenario – kollabiere das System früher oder später. Die prognostische „Defuturisierung“3 des Bestehenden wurde zum Pushfaktor, der eine Veränderung unausweichlich zu machen schien.4 Gleichzeitig wurde der Reformprozess von einer Welle der Begeisterung und des Aufbruchswillen getragen, die als Pullfaktor auf den Entscheidungsprozess wirkte. Aufs Neue und Innovative wurde – spätmoderne-typisch – die Hoffnung gesetzt, um der Defuturisierung eine Futurisierung der EmK-SJK entgegensetzen zu können. 1000 verrückte neue Ideen, neue regiolokale Struktur in Großbezirken,5 neue pastorale Rollenbeschreibungen, ein neuer Claim; darin liege Zukunft.

Was ich aus eigener Erfahrung schildere, dürfte keine Besonderheit der EmK sein, sondern eine Situation beschreiben, wie sie viele etablierte Kirchen kennen. Aus den unzähligen Diskussionsrunden und Gesprächen, an denen ich teilnahm, habe ich wiederholt einen Satz in unterschiedlicher Variation von Kolleg:innen wie Ehrenamtlichen gehört; ein Satz, der sich mir nachhaltig eingeprägt hat: „Wie das werden soll, das kann ich mir nicht vorstellen!“ Oder: „Das sprengt mein Vorstellungsvermögen.“ Dieser Satz ist Ausdruck eines konstitutiven Problems von Zukunftsprozessen, -prognosen und -forschung, das sich in unserer hochkomplexen, beschleunigten und volatilen Welt noch verschärft hat. Was noch nicht ist, ist nur im Modus der antizipierenden Imagination. Eschatologisch gewendet, ist das Reich Gottes Gegenwart und zugleich noch in, mit und unter der Welt verborgen. Und unsere Imaginationskraft – so unterschiedlich sie ausgeprägt sein mag – gewinnt ihr Roh(bild)material aus dem bereits existierenden Fundus an Bildern, Narrationen und Theorien6, wie Reiches-Gottes-Vorstellungen auf Metaphern dieser Erfahrungswelt rekurrieren. Je radikaler nun der Bruch, desto schwerer fällt es Menschen, sich ausgehend vom Jetzt vorzustellen, wie die Zukunft werden soll. Wie soll ein multiprofessionelles Team über hunderte Kilometer verstreut kooperieren? Wie sollen Pastor:innen regional leiten und zugleich lokal im Nahraum begleiten? Wie funktioniert eine Netzwerkgemeinde aus vielfältigen Knotenpunkten, deren klassisches Zentrum – der Sonntagsgottesdienst – nur noch von einem Teil als Kern wahrgenommen wird? Wie soll sich Kirche finanzieren, wenn die klassischen regelmäßigen Mitgliedschaftsbeiträge zurückgehen?

Je radikaler der Bruch, desto schwerer fällt es Menschen, sich ausgehend vom Jetzt vorzustellen, wie die Zukunft werden soll.

Wenn ich im Folgenden Gedanken über die „die nächste Kirche“ (Strategiekongress 2024) zu entwickeln trachte, so haben auch diese notwendig Modellcharakter. Denn ein Modell im Werden, das noch nicht ist, kann nur „in der Konstruktion eines fiktiven Gebildes […] sowie in der Übertragung der Eigenschaften dieses Gebildes auf einen komplexeren Wirklichkeitsbereich [bestehen]“7. Das nachfolgende Handlungsmodell ist damit eine imaginierte Konkretionsform vielfältiger Möglichkeiten von der nächsten Kirche und ist in seiner vereindeutigenden Komplexreduktion im Grenzwert immer auch „Lebenslüge“. Es ist ein mögliches Modell, das kontextuell einer spezifischen Perspektive entspringt (s.u. zu den methodistisch-ekklesiologischen Hintergründen). Und es ist ein mögliches Modell, denn das Geschäft mit der Zukunft bringt notgedrungen die Dimension der Unsicherheit, im schlimmsten Fall der orakelnden Glaskugelschau, mit sich.8 Und doch ist dieses Vorgehen der einzige Weg, an einem „systematische[n] Verbessern des Vorstellenkönnens“9 dessen zu arbeiten, was Kirche sein kann.10 Das geschieht in der Hoffnung, dass es mit unserer aller Verunsicherung in Resonanz treten kann.

2. Gegenwartsprobleme, Kriterien und Zielbestimmung

Ein konkretes Handlungsmodell, das ein zukunftsweisendes Agieren der kirchlichen Organisation darstellt, entsteht nicht im luftleeren Raum, sondern setzt einige denkerische Vorarbeit voraus. Denn es operationalisiert Ziele, die eine Organisation – wie in meinem Fall die EmK-SJK – umzusetzen versucht. Neu ist daher, zuerst zu fragen, wozu Kirche bzw. eine konkrete Gemeinde in Zukunft eigentlich existiert – jenseits von allgemeinen theologischen Plattitüden (wie Kommunikation des Evangeliums, Bau am Reich Gottes usw.). Bevor also ein Handlungsmodell skizziert werden kann, müssen die Ziele erarbeitet werden. Und diesen Zielen wiederum, die sich meist in zu visionären Bildern verdichteten Narrationen ausdrücken, sind Wertentscheidungen inhärent. Was soll eine ‚nächste Kirche‘ auszeichnen? Welche Organisationsgestalt und -kultur soll sie prägen? Die Beantwortung dieser Fragen sind nur in Auseinandersetzung mit der eigenen Tradition möglich, sonst drohen die Sachziele disruptiv mit der Organisationskultur zu brechen. Dies würde suggerieren, dass Kirche ex nihilo neu entstünde.11

Gleichzeitig entspringen diese Ziele dabei immer auch einer kritischen Auseinandersetzung mit der empirischen Wirklichkeit, die eine Neujustierung von Zielen auslösen. Herkommend aus der evangelisch-methodistischen Tradition haben mich in meinem Modell zunächst vier Kriterien einer zukunftsfähigen (methodistischen) Kirche geleitet, die sich je in ein konkretes Ziel(bild) des Handlungsmodells übersetzen lassen.

a. Konnexialität

Die EmK zeichnet sich durch eine konnexiale Ekklesiologie aus.12 Dieser „Grundsatz [… der] Verbundenheit“ bedeutet, dass Kirche „sich in organisatorischer Verbundenheit ihres Aufeinanderangewiesenseins bewusst ist“13 und sie dieses Bewusstsein in ihrer Kirchenverfassung verbindlich ins Werk setzt.

Wie Universitäten „im Kampf um den Status der Exzellenz“ sind, so kämpfen auch Gemeinden um Sichtbarkeit und Anerkennung mit dem Ergebnis von Win-Lose-Konstellationen.

Die zentrale Einheit von Kirche ist dementsprechend nicht die möglichst autarke Gemeinde, sondern die Jährliche Konferenz, die am ehesten einer Synode ähnelt. Die einzelnen Bezirke schließen sich hier unter einer gemeinsamen Verfassung zusammen, um (u.a.) Ressourcen und Risiken zu teilen. Die Jährlichen Konferenzen bilden wiederum Zentralkonferenzen und diese entsenden Delegierte in die Generalkonferenz.
Auf dem Kriterium der Konnexialität zu beharren, ist kein blinder Traditionalismus. Vielmehr birgt der methodistische Konnexionalismus eine zukunftsfähige Kirchenstruktur in Reaktion auf die negativen Seiten der spätmodernen Singularisierungslogik (Reckwitz). Denn diese bewirkt das Entstehen von Singularisierungsmärkten. Wie Universitäten „im Kampf um den Status der Exzellenz“14 sind, so kämpfen auch Gemeinden um Sichtbarkeit und Anerkennung mit dem Ergebnis von Win-Lose-Konstellationen. Entgegen der (kongregationalistischen) Tendenz, dass jede Gemeinde im Wettbewerbsmodus für sich kämpft und auf ihre eigene Selbstverwirklichung wettet,15 schließen sich konnexial denkende Gemeinden verbindlich zusammen, um zukunftsfähig zu werden. Dies ermöglicht einzelne Krisenfacetten der Kirchen unserer Zeit effizienter zu adressieren, da einzelne Gemeinden schlechter gerüstet sind, die Herausforderungen zu bewältigen. In ein Ziel übersetzt: Die ‚nächste EmK-Kirche‘ schafft es durch ihre konnexiale Verbindlichkeit, Ressourcen zu bündeln, um neben und innerhalb der ‚klassischen‘ Gemeindearbeit innovative Projekte zu initiieren (vgl. die Kollektensammlung des Paulus als Bsp. für konnexiale Unterstützung trotz Differenzen; 2Kor 8f).

Die ‚nächste EmK-Kirche‘ schafft es durch ihre konnexiale Verbindlichkeit, Ressourcen zu bündeln, um neben und innerhalb der ‚klassischen‘ Gemeindearbeit innovative Projekte zu initiieren

Die zuletzt steigende Anzahl an Neugründungsprojekten und FreshX-Projekten in der EmK zeugt von der Bereitschaft, personale und finanzielle Ressourcen gemeinsam zu investieren, wodurch Erwartungssicherheit in der unsicheren Startphase gesichert ist. Neugründungsprojekte wie in Metzingen (www.emk-metzingen.de) oder Turn-Around-Prozesse wie in Dreieich (www.emk-darmstadt-dreieich.de), wo um Kindergarten und Musicals neue Gestalten von Kirche entstanden sind, wären nie realisierbar gewesen ohne die finanzielle und personelle Unterstützung anderer Gemeinden.16

Tiefergehende Probleme einer konnexialen Kirchenstruktur tun sich dann auf den zweiten Blick selbstverständlich auf: wie verbindliche Strukturen geschaffen werden können, die Innovationen ermöglichen und sie nicht mit ihrem administrativ-theologischen Ballast bremsen.17 Diese Probleme können hier nicht gelöst werden und sind ohnehin konstitutiv und damit auf Dauer gestellt.18 Entscheidend ist zunächst, dass innerhalb der Konnexio genügend flexible Spielräume für neue Gestalten von Kirche entstehen. Um eine bloße Addition an Feldern zu vermeiden, die nicht getragen werden können, ist „Loslassen und Beenden“ zu erlernen und zu praktizieren.19

b. Heterogenitätskompetenz – Umgang mit dem Fremden

Aus dem Konnexiogedanken könnte das Missverständnis abgeleitet werden, die ‚nächste Kirche‘ könnte sich in Gestalt eines Franchise-Unternehmens mit Filialen organisieren.20 Dem ist eine mehrdimensionale Heterogenität entgegenzusetzen, mit der auf drei Ebenen kybernetisch kompetent umgegangen werden muss. Erstens gleichen sich die untereinander verbundenen Gemeinden nicht. Um gegenseitige Unterstützung dennoch zu gewährleisten, ist eine Verbindlichkeit trotz und in der Verschiedenheit notwendig. Es wird unterstützt, obwohl das zugrundeliegende Kirchenbild oder Handlungsmodell fremd erscheint. Diese Begegnung mit dem Fremden ist aber zugleich Motor für Reform und Irritation der eigenen (vermeintlichen) Selbstverständlichkeiten.

Zweitens ist – gegen den Homogenitätsgedanken des Church-Growth Movement – die Heterogenität der Gemeinden ad intra zu fördern und zu navigieren. Eine zukunftsfähige EmK-Kirche besteht nicht aus homogenen Inseln, in der sich Gleich und Gleich gesellen, sondern sie ist ein kohäsionsgenerierendes Netzwerk21, in welchem die unterschiedlichen kulturellen Hintergründe, Vielfalt der Lebensformen und Biografien ausgehalten werden.

Eine zukunftsfähige Gemeinde hat kein Zentrum, in das die Menschen von der Peripherie durch Evangelisation geführt werden sollen.

Schließlich, drittens, ist eine heterogene Beteiligungs- und Mitgliedschaftsform einzukalkulieren.22 Eine zukunftsfähige Gemeinde hat kein Zentrum, in das die Menschen von der Peripherie durch Evangelisation geführt werden sollen. Vielmehr ist sie ein Netzwerk, in welchem unterschiedliche Cluster miteinander verbunden sind – auch als projektbezogen arbeitende23 „Gemeinden auf Zeit“24.

Die argumentative Setzung von Heterogenität als Kriterium und Ziel25 ist – die zukünftige Kirche wird dies schon schmerzlich erfahren haben – kein naiver Lobgesang auf die Vielfalt. Dies unterscheidet alteritätstheoretisch geschulte Heterogenitäts- von Pluralitätsparadigmen.26 Die Andersartigkeit (ἕτερος) der Gemeinden wie der Gemeindezugehörigen untereinander produziert ständig Fremdheitserfahrungen (ξένος), wie die Zunahme an Migration besonders deutlich zeigt.

Das bloß Andere wird in der Konfrontation zum – qualitativ zu unterscheidenden – Fremden, indem es die Ordnung empfindlich stört.27 Kohäsion und Verbindlichkeit werden zu Herausforderungen für künftige (EmK-)Gemeinden und ihre Leitenden. Doch nur wenn es gelingt, diesbezüglich fähig zu werden, wird die Kirche der Zukunft einen Beitrag zur Kohäsion der Gesellschaft leisten, weil sie Netzwerke heterogener Relationen ermöglicht, und nur dann wird es ihr gelingen, in ihrem Netzwerk offene Anknüpfungspunkte für Fremde zu schaffen (vgl. Mt 25,34–36).28

c. Zivilgesellschaftliche und soziale Vernetzung der Kirche – Hybridität der Kirche

Ein Problem vieler EmK-Gemeinden besteht in ihrer mangelnden sozialräumlichen Vernetzung mit relevanten zivilgesellschaftlichen Akteur:innen. Ein Spiegel dessen ist der Befund einer Umfrage, die im Rahmen des Reformprozesses durchgeführt wurde.29 Obwohl primär die Hoch- und Höchstverbundenen zu den Antwortenden gehört haben, gaben nur 50% an, der Kommune würde ohne die Gemeinde etwas fehlen. Netzwerktheoretisch betrachtet, ist zu mutmaßen, dass viele EmK-Gemeinden zu wenig heterogene Verbindungen haben, die sie mit anderen relevanten zivilgesellschaftlichen Akteur:innen, Unternehmen und deren Netzwerken verbinden. Dies ist in der Sichtbarkeitsökonomie, in der wir leben, fatal. Denn selbst wenn die Gemeinde interessante Angebote macht, bleiben diese unsichtbar und die Passung in den Sozialraum bleibt ungewiss.

Die ‚nächste Kirche‘ ist Kirche und Klettern, Kirche und Repaircafé, Kirche und Musical, Kirche und Hindernislauf, Kirche und Taylor Swift, Kirche und Tanzparty oder Theaterpädagogik – Kirche in neuer Gestalt.

Zukunftsfähige EmK-Gemeinden fragen sich mithin im Blick auf jedes ihrer Handlungsfelder, wie sie dabei mit anderen Akteur:innen kooperieren können, um Synergien auszuloten und Sichtbarkeit für ihre Angebote zu schaffen.30 Dadurch erfährt und lernt die ‚nächste Kirche‘ überhaupt erst, was ihre Umgebung beschäftigt (Kontextualität) und welche evangeliumsgemäße Rolle sie darin spielen kann.

Die ‚nächste Kirche‘ versucht Menschen somit dort zu begegnen, wo diese schon sind. Sie ist, wie mein akademischer Lehrer Fritz Lienhard betont, hybride Kirche: Eine hybride Kirche beschränkt sich nicht – im Geiste der Theorie funktionaler Differenzierung – auf die religiöse Funktion der Kontingenzbewältigung mittels traditioneller Formen, sie ist vielmehr Kirche in Gestalt von Aktivitäten, „die sowohl zu religiösen als auch zu anderen gesellschaftlichen Bereichen gehören“31. Die ‚nächste Kirche‘ ist Kirche und Klettern, Kirche und Repaircafé, Kirche und Musical, Kirche und Hindernislauf, Kirche und Taylor Swift, Kirche und Tanzparty oder Theaterpädagogik – Kirche in neuer Gestalt.

d. Diakonizität und Liturgizität

In der Reaktion auf ihre Umgebung agiert Kirche konsequent diakonisch und also mit einem Fokus auf die Bedürfnisse und die Bedürftigen, denen sie aufmerksam zuhört, um mit ihnen das soziale Miteinander zu gestalten. Die jüngste KMU VI hat erneut gezeigt,32 dass dies auch die Erwartung der spätmodernen Menschen an Kirche ist: sich für Arme, Kranke, Schwache, für die Schöpfung und für Gerechtigkeit einzusetzen.

Wenn Kirche sich künftig konsequent in ihrem Handeln diakonisch ausrichtet – was vielerorts schon geschieht, wie exemplarisch die wachsende Zahl an Mittagstischen, Kleidermärkten, Arbeit mit Geflüchteten usw. zeigt –, lässt sie sich dabei nicht von einer bloßen Nachfrage steuern, sondern sie realisiert darin auch ihren biblisch verbürgten Auftrag. Von einer Selbstzentriertheit auf den eigenen Organisationserhalt befreit, richtet sie ihr Augenmerk konsequent auf ihre Nächsten (Lk 10,25–37). Die der Kirche inhärente Heterogenität, die soziale Verschiedenheit in ihrer Umgebung wird so zudem auf ihre Ungleichheitsdynamiken hin durchsichtig.

Eintreten in die Gottesgegenwart schärft Menschen den Blick für die Ungerechtigkeit und stärkt sie in ihrem Einsatz für die Bedürfnisse anderer.

Die diakonische Existenz der Gemeinden ist dabei chiastisch verschränkt mit ihrer liturgischen. Die ‚nächste Kirche‘ gewinnt die „spirituelle Basis“33 aus stimmigen Gottesdiensten, die sie an ganz unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten feiert. Das Eintreten in die Gottesgegenwart schärft Menschen den Blick für die Ungerechtigkeit und stärkt sie in ihrem Einsatz für die Bedürfnisse anderer. Vice versa darf der Gottesdienst keine Emigration aus der Welt sein, vielmehr gewinnt er aus der Welt seine Lebensthemen und führt – wie es besonders beim Abendmahl als Akt des Essens und Sattwerdens deutlich wird – dorthin zurück.

3. Konkretion eines möglichen Handlungsmodells: Großevents als hybride Form der Kirche

Wie lassen sich nun diese Zielbestimmung nach einer diakonischen, zivilgesellschaftlich vernetzten, heterogenitätssensiblen und konnexialen Kirche in Gestalt eines konkreten Modells operationalisieren? Die crux besteht darin, dass es zum einen konkret genug sein muss, um in der Praxis umsetzbar zu sein (dabei droht mangelnde Übertragungsmöglichkeit), und abstrakt genug, um situationsübergreifend anwendbar zu sein (es droht mangelnde Applikabilität). Zum anderen muss das Modell an Bestehendes anknüpfen (drohende Banalität) und zugleich das Bestehende überschreiten (drohender Utopismus). Aufgrund dieser Spannungsfelder stehen für das Handlungsmodell mehrere Cases im Hintergrund, an denen aber lediglich illustriert werden soll, was modellhaft fallübergreifende Strategien der Kirchen- und Gemeindeentwicklung sein können.

10.000 Besucher:innen, 2400 Läufer:innen, ein Hindernisparcours von 10 km mit mehr als 20 Hindernissen, die nur als Teams überwunden werden können, viel Schlamm, rund 300 Ehrenamtliche, 40 Kooperationspartner:innen aus der Wirtschaft, dem sozialdiakonischen und kirchlich ökumenischen Bereich – das ist MudMates.34 Es ist ein Hindernislauf für Teams von mindestens vier Personen, der am 21.09.2024 schon zum dritten Mal in Metzingen stattgefunden hat. Entstanden ist MudMates heraus aus der neu gegründeten EmK-Gemeinde Metzingen mit rund 90 Kirchengliedern und heraus aus der im ehemaligen Gottesdienstraum eingerichteten H3-Kletterhalle. Zentraler Knotenpunkt der Gemeinde ist Pastor Bernd Schwenkschuster.35

Das Event muss den Begabungen und Leidenschaften der organisierenden Kirchengemeinden entspringen. Das kann auch eine Leidenschaft für Popmusik von Adele oder ein Weihnachtsmusical sein.

Dieses Sportevent stand – nebst anderen Projekten – hauptsächlich Pate für die nachfolgenden Überlegungen zu einem zukunftsweisenden Handlungsmodell. Es unterscheidet sich zunächst grundlegend von allen kirchlichen Beteiligungen an sportlichen Events, weil Kirche hier selbst maßgeblich organisierende Initiantin und Partnerin des Events ist und nicht das Religionssystem zu einem bestehenden Sportevent hinzufügt, in dem z.B. zu dessen Anlass ein Gottesdienst gefeiert wird. Das macht dieses Ereignis zu einer hybriden Form von Kirche. Das vorzustellende Handlungsmodell zielt mithin auf ein (nicht notwendig sportives) Großevent, bei dem sich eine Gemeinde36 auf Zeit bildet, an der projektbasiert viele Menschen und Organisationen beteiligt werden.

Das (fiktiv-modellhafte) Event entwickelt sich nicht aus utilitaristischem Kalkül, wodurch eine Kirche(ngemeinde) (im Folgenden abgekürzt K[g]) ein Event instrumentell nutzt, um etwas Bestimmtes zu erreichen (Gemeindewachstum etc.). Auf diesem Wege ließe sich niemals die Begeisterung erreichen, von der es getragen wird und werden muss, um zu funktionieren. Vielmehr muss das Event den Begabungen und Leidenschaften der organisierenden K(g) entspringen. Das kann auch eine Leidenschaft für Popmusik von Adele oder ein Weihnachtsmusical sein.37 Entscheidend ist, dass es hybrid ist und also religiöse Metaphern, Sprache oder auch nur sich religiös-identifizierende Menschen in Zusammenhang mit einem anderen System bzw. einer anderen Praxisform bringt.

Mittelbar erreicht eine K(g) dadurch fünf entscheidende Ziele. Erstens macht die K(g) zunächst die Erfahrung, dass sie ein für viele Menschen relevantes, öffentlichkeitswirksames Event auf die Beine stellen kann (Selbstwirksamkeit). Zweitens entsteht während der Vorbereitung und des Events ein sozialpsychologisch entscheidendes Zusammengehörigkeitsgefühl, gemeinsam an etwas Bedeutsamem zu arbeiten. Dies lässt eine Gemeinde auf Zeit entstehen. In dieser Gemeinde auf Zeit kommt es – anders als in v.a. aus homophilen Bindungen aufgebauten (Kern)Gemeinden – zu „religiös heterogenen Alltagskontakte[n]“. Diese Großevents – und gerade auch die Vorbereitungszeit – schaffen „soziale Schnittstellen zwischen unterschiedlichen Communities“. Diese „bieten […] die Chance, dass sich Individuen unterschiedlicher religiöser Hintergründe über ihre Glaubensüberzeugungen miteinander austauschen.“38 Drittens erleben Menschen aus kirchenfernen Communities Kirche in einer ungewöhnlichen Gestalt. Es entsteht Singularitätskapital, das sich paart mit einer positiven Grundstimmung des Events. Voraussetzung für die heterogenen Kontakte ist – viertens –, dass durch das hybride Event – je nach Größe – ein enormes Aufmerksamkeitskapital entsteht, das in der Sichtbarkeitsökonomie unserer Zeit von erheblicher Bedeutung für Organisationen ist.39 Schließlich– und das gelingt bei MudMates geradezu mustergültig – entsteht durch das Event ein enormes Netzwerkkapital.40 Für die Durchführung eines solchen Großevents sind Partner:innen aus dem wirtschaftlichen, politischen, sozialdiakonischen und ökumenischen Umfeld unverzichtbar. So ist MudMates bspw. ohne das Bauunternehmen Leonhard Weiss undenkbar, weil schweres Gerät zum Bau der Hindernisse erforderlich ist. Und ebenso braucht es einer Kooperation mit der Stadt/Kommune, deren Zustimmung für die Nutzung großer Flächen und Streckensperrung vonnöten ist. Bedarfe in der Umsetzung wirken hier für die K(g) kreatorisch im Blick auf das Netzwerk; unter der Bedingung, dass Menschen fähig sind, diese Netzwerke zu bauen (s.u. zu den notwendigen Kompetenzen).

Das Event muss mithin auf ein von einer breiten Zielgruppe geteiltes Bedürfnis nach herausgehobenen Erlebnissen reagieren – sei es sportlich, musikalisch etc. –, das Momente des Transzendierens ermöglicht.

Entscheidend für das Gelingen eines Events ist, dass die eigenen Leidenschaften in Resonanz treten mit Trends und Bedürfnissen von Menschen, die mithin aufmerksam zu diagnostizieren sind. MudMates ist ja nicht der erste Hindernislauf dieser Art (vgl. z.B. Mudmasters), sondern diese Form der sportlichen Herausforderungen spricht Menschen gegenwärtig besonders an. Selbiges gilt für Orte, an denen Taylor Swifts Musik zu hören ist. Das Event muss mithin auf ein von einer breiten Zielgruppe geteiltes Bedürfnis nach herausgehobenen Erlebnissen reagieren – sei es sportlich, musikalisch etc. –, das Momente des Transzendierens ermöglicht. Menschen suchen nicht nur irgendein Erlebnis, sondern ein Erlebnis, durch das in besonderer Art und Weise das Alltägliche, die körperliche Grenze oder (durch Musik) das Vorfindliche überschritten wird. Es entsteht Gemeinschaft in einer besonders prägnanten Situation, weil man den Parcours gemeinsam gemeistert hat oder weil man im Zusammenklang aus Musik und Textauslegung in eine Anderswelt gelangt ist.

Menschen bewältigen den Parcours gemeinsam, leiden gemeinsam, freuen sich gemeinsam. Es zählt nicht, wer der:die Schnellste ist, sondern das Ankommen aller ist das Ziel.

Der Religionssoziologie Hubert Knoblauch unterschied sinnvollerweise zwischen kleinen, mittleren und großen Transzendenzen.41 Nicht jede Transzendenzerfahrung ist dabei eine religiöse Gottesbegegnung. Der Witz dieser Großevents liegt vielmehr darin, dass sie nicht schon religiös-christlich prägnant gemacht sind, sondern dass eine Deutungsmöglichkeit besteht. Bei MudMates wird dies darin sichtbar, dass Zusammenhalt, Inklusion oder Klimaneutralität zentrale Werte sind. Das Überwinden von Hindernissen ist metaphorisch geladen und spielt auf die Hindernisse des Lebens an. Als ich selbst als Volunteer mithalf – nicht zuletzt um ethnographisch Eindrücke zu sammeln –, fragte jemand, was die Sieger gewinnen würden. Sofort begann ein Ehrenamtlicher zu erläutern, dass hier nicht das Gewinnen im Zentrum steht, sondern gemeinsam anzukommen und niemanden zurückzulassen. Das Event wurde durchsichtig auf die Werte hin, durch die es getragen wird. Im Falle von MudMates nehmen insbesondere Firmen, Vereine, Freundeskreise usw. teil, für die dies eine Art Teambuilding ist. Menschen bewältigen den Parcours gemeinsam, leiden gemeinsam, freuen sich gemeinsam. Es zählt nicht, wer der:die Schnellste ist, sondern das Ankommen aller ist das Ziel. Selbiges gilt für das Volunteer-Team, durch das Menschen sich einbringen können, um Teil von MudMates zu werden (symbolisiert durch das kostenlose T-Shirt). All diese Aspekte können für sich religiös gedeutet werden, müssen sie aber nicht. Sie sind Anknüpfungspunkte für religiöse Kommunikation und Deutungen. Andere mögliche Großevents werden je für sich prüfen müssen, worin der Erlebnischarakter liegt und worin die kleinen und mittleren Transzendenzen liegen.

Diese Events dürfen nicht instrumentalisiert werden, um Gemeindewachstum zu erzeugen oder Menschen vom christlichen Glauben zu überzeugen.

Nach meiner Wahrnehmung wurde eine dezidiert religiöse Glaubenspraxis während MudMates nicht zentral gesteuert, aber sie fügte sich in Gestalt kleiner Formen wie z.B. das Gebet vor dem Abbau ein, um die Dankbarkeit über wenige Verletzungen am Vortag in ein anderes Licht zu rücken. Das Gebet bettete sich ins gemeinsame Arbeiten ein, wird nicht als Gottesdienst zusätzlich zum Event gefeiert. Oder es kommt – wie mir der Organisator Bernd Schwenkschuster berichtete – zu religiösen Gesprächen beim gemeinsamen Arbeiten.42 Dass diese Ereignisse möglich sind, darf nicht ins Kalkül kippen. Diese Events dürfen nicht instrumentalisiert werden, um Gemeindewachstum zu erzeugen oder Menschen vom christlichen Glauben zu überzeugen. Diese Instrumentalisierung würde gerade die Hybridität gefährden.43 In welcher Gestalt und wie umfassend religiös kommuniziert wird, wäre für MudMates selbst zu erforschen. Generell gilt aber: Diakonische Großevents, in denen wie auch bei MudMates Inklusion, Empowerment und gesellschaftlicher Zusammenhalt im Zentrum stehen, werden zum Ernst- und Testfall des postulierten Chiasmus aus Liturgie und Diakonie: dass das Handeln mit und für die Menschen immer zugleich aus dem Dienst Gottes an den Menschen lebt (vgl. 2.d.).

Es ist diese Hybridität, die Deutungsoffenheit und die entstehende Sichtbarkeit, die das Event auch anziehend für Partner:innen aus anderen gesellschaftlichen Systemen macht. Es entsteht eine Win-Win-Situation. Während die K(g) das Event gar nicht ohne Partner:innen durchführen kann – weil die Hybridität es mit sich bringt, dass die erforderlichen Ressourcen nicht genuin in der Kirche verfügbar sind – und also die Unterstützung der Partner:innen zu gewinnen versucht, können andere Akteur:innen dort durch ihre Teilnahme einen Marketing-Effekt erzielen und am entstehenden Netzwerkkapital und dem sozialen Kapital partizipieren. Das schließt dezidiert auch das Entstehen kleiner und mittlerer Transzendenzen ein; indem im Falle von MudMates bspw. die Azubis von Leonhard Weiss im Rahmen ihrer Ausbildung ein besonderes Teamevent erleben.

Die Ressourcen, die in der Durchführung eines Großevents notwendig sind, sind natürlich beträchtlich – sowohl in Gestalt menschlicher Fähigkeiten und Arbeitskraft als auch in finanzieller Hinsicht. Eine eigene Arbeitsgruppe zum Bereich Fundraising und Finanzierung (Steuerfragen/Finanzadministration) sind eine notwendige Voraussetzung. Diese kümmern sich um das entsprechende Startkapital, die Kooperation mit Sponsor:innen und die saubere finanzielle Abrechnung. Auf diese Bereiche gehe ich nicht näher ein, weil das selbstverständlich und in der betriebswirtschaftlichen Literatur bearbeitet ist. Stattdessen möchte ich zwei andere Aspekte des Bereichs Kompetenzen/Ressourcen diskutieren, weil sie mir pastoraltheologisch und kybernetisch relevant erscheinen.

Die projektbezogene Form des Events und dessen Verknüpfung mit einer Freizeitaktivität kommt der Motivation Ehrenamtlicher entgegen.

Zum einen sind diese Großevents nur mit einem beträchtlichen Einsatz Ehrenamtlicher leistbar. Eine Bezahlung eines großen Teils der Mitarbeiter:innen hätte zur Folge, dass die Gewinnmarge höher sein müsste und dadurch insgesamt höhere Teilnahmegebühren entstünden (Ticketpreise, Verpflegung usw.). Überdies würde dies das Entstehen einer Gemeinde auf Zeit unterminieren. Um dies alles zu vermeiden, ist eine Beteiligung Ehrenamtlicher notwendig. Die projektbezogene Form des Events und dessen Verknüpfung mit einer Freizeitaktivität kommt der Motivation Ehrenamtlicher entgegen. Ihr Engagement wird zeitlich begrenzt, umfasst keine auf Dauer gestellte Verantwortung und es impliziert häufig eine Selbstwirksamkeitserfahrung für die Helfer:innen.

Um das einmal im Blick auf MudMates zu konkretisieren, können die Beteiligten dort z.B. ihre Leidenschaft fürs Handwerken und Basteln ausleben, wenn die Hindernisse geplant und aufgebaut werden. Laut Organisator Bernd Schwenkschuster beteiligen sich deshalb überproportional viele Männer an der Vorbereitung von MudMates (nicht hingegen bei der Teilnahme am Hindernislauf). Woher kommen nun die Ehrenamtlichen? Wie werden diese angeworben? Im Blick auf MudMates ist auffällig, dass zum Gelingen der Konnexionalismus entscheidend ist. Verbindliche ehrenamtliche Mitarbeit wird insbesondere auch aus angrenzenden Gemeinden, durch ökumenische Kooperationen und durch (über-)regionale Akteur:innen (z.B. das Kinder- und Jugendwerk der EmK) gewonnen. Selbstverständlich stoßen Ehrenamtliche auch auf anderen Wegen hinzu (Netzwerkkapital), das dürfte jedoch selten ausreichen, weil Schlüsselstellen durch hochengagierte Mitarbeiter:innen besetzt werden müssen. Daran wird sichtbar, warum der Konnexionalismus in seiner Verbindlichkeit eine zukunftsweisende Grundstruktur von Kirche sein dürfte (s.o. 2.).

Pastoraltheologisch wird um die neuen pastoralen Bilder wie die des Social Entrepreneurs oder der Pionierin gegenwärtig heftig gestritten.

Zum anderen setzen diese an Trends orientierten Großevents spezifische Leitungspersönlichkeiten voraus, die entsprechende Kompetenzen mitbringen. Diese könnte man als Social Entrepreneurs bezeichnen. Diese genaue Definition dieser Funktionsbezeichnung ist zwar innerhalb der Wirtschaftswissenschaft umstritten,44 er ist für die Pastoraltheologie aber weiterführend, weil er als Metapher neue Aspekte pastoraler Identität greifbar macht.

Roger/Osberg zählen fünf Eigenschaft von Social Entrepreneurs auf, die als Blaupause dazu dienen, entscheidende Kompetenzen zu benennen, die für dieses Handlungsmodell unersetzbare Voraussetzungen erscheinen. Social Entrepreneurs sind erstens „inspired to alter the unpleasent equilibrium“45 (in unserem Fall die mangelnde Reichweite von Kirche). Sie bringen also eine ansteckende Leidenschaft mit. Sie sind – zweitens – kreativ darin, alternative Ansätze zu entwickeln, d.h. sie beobachten aufmerksam die Trends und haben die Fähigkeit, in Response eine neue Form von Kirche zu imaginieren. Drittens sind Social Entrepreneurs „Macher:innen“ („take direct action“46). Sie lassen sich mithin nicht von möglichen Vorbehalten bremsen, zögern nicht, sondern sind eher bereit auszuprobieren und im Zweifel zu scheitern (Kann eine Gemeinde ein Event mit 10.000 Besucher:innen stemmen?). Stoßen sie auf vorprogrammierte Widerstände oder sind unsichere Wege zu beschreiten, zeichnen sie sich – viertens und fünftens – sowohl durch Mut aus, Risiken einzugehen, als auch durch Standhaftigkeit, angesichts von Scheitern nicht gleich aufzugeben. Diese personalen Eigenschaften und Kompetenzen sind, mögen sie auch unterschiedlich stark ausgeprägt sein, für die Organisation eines solchen Großevents einer K(g) unumgänglich.

Kirche und Theologie müssen sich im Blick auf Qualifikation, Berufsbilder und kirchlichen Vergemeinschaftungsformen einer Sowohl-als-auch-Logik verschreiben.

Pastoraltheologisch wird um die neuen pastoralen Bilder wie die des Social Entrepreneurs oder der Pionierin gegenwärtig heftig gestritten, wie sich aktuell an Greifensteins Reaktion auf den Studiengang Pionier Ministries in Jena zeigt.47 Trotz aller berechtigter Einwände Greifensteins, dass diese neuen Berufsbilder und Qualifikationswege nicht zu einer Entwertung wissenschaftlicher Kernkompetenzen, anderer Pfarrbilder und in Sonderwelten führen dürfen,48 zeichnet sich m.E. ab, dass Kirche und Theologie sich im Blick auf Qualifikation, Berufsbilder und kirchlichen Vergemeinschaftungsformen einer Sowohl-als-auch-Logik verschreiben müssen.

Social Entrepreneurs sind Produkte von Schwellen, entstehen in Krisenzeiten,49 sie sind also Symptom einer neuen gesellschaftlichen Wirklichkeit, lassen sich also nicht verhindern, ihre Rolle und Funktion sind vielmehr konstruktiv einzubinden. Gerade – und hier verweise ich nochmal auf den Heterogenitätsgedanken – das Nebeneinander unterschiedlicher Berufsbilder ist zwar unbequem, aber zukunftsweisend. Das lässt sich im Übrigen auch am vorliegenden Case zeigen. Denn wird eine falsche Alternative von traditioneller Parochialgemeinde und projektorientierter Gemeinde auf Zeit von Pfarrer:in und Pionier:in erzeugt, lässt sich das Großevent gar nicht realisieren, weil beide Communities resp. beide Pastor:innenbilder, verbunden durch ein gemeinsames Netzwerk, aufeinander angewiesen sind.

Will Kirche sich von der Kirchensteuer resp. der Primärfinanzierung durch monatliche Mitgliedschaftsbeiträge lösen, müssen sich diese Großevents selbst tragen, gerade auch im Blick auf die entstehenden Personalkosten.

Schlussendlich zur Finanzierung: Durch Großevents generieren K(g) immer auch Einnahmen, sei es durch Ticketverkauf, Verpflegung, Fundraising usw. In der Regel müssen Materialien angeschafft werden, die bei der K(g) und damit als Werte verbleiben. Will Kirche sich von der Kirchensteuer resp. der Primärfinanzierung durch monatliche Mitgliedschaftsbeiträge lösen, müssen sich diese Großevents selbst tragen, gerade auch im Blick auf die entstehenden Personalkosten. Kirche darf darin aber nicht zur Profit-Organisation werden, es drohen sonst performative Selbstwidersprüche zu den kommunizierten Werten. Preise werden mithin immer so zu kalkulieren sein, dass in der Gesamtbilanz nur geringe Gewinnmarschen erzielt werden, die das Fortführen der Arbeit gewährleisten.

4. Ein selbstkritisches Schlusswort: notwendige Relativierungen

Kirchenreformprozesse, Strategiepapiere, Modelle zukunftsweisender Formen von Kirche und der Austausch über Best-Practice-Beispiele haben Hochkonjunktur. Dies ist Ausdruck eines Organisationsreflexes angesichts disruptiver Veränderungen im religiösen Feld. Das Bestehende, so die Diagnose, hat keine Zukunft, Hoffnung liegt im Neuen und einer Flucht nach vorne. Im Schatten all dieser organisatorischen Bemühungen werden immer auch die Gefahren dieser Emphase des Neuen und die Grenzen der Steuerbarkeit sichtbar.50 Es ist sicherlich keine Alternative, sich angesichts der Veränderung in die Nostalgie vergangener Zeiten zu flüchten. Doch im Gestus der Überlegenheit aufzutreten, dass Kirche einfach nur anders (gesteuert) werden müsste, dann ließe sich der Gesamttrend schon umkehren, ist auch eine „Lebenslüge“, die auf „Weltvereinfachung“ basiert. Denn Handlungsmodelle sind keine Patentrezepte, sind keine Erfolgsgaranten, ihre Anverwandlung keine bloße Applikation, sondern von Kontingenzen und Scheitern durchzogen. Wer in diesem einseitigen Duktus in die Zukunft der Kirche denkt, sitzt – darauf hat der Philosoph Gransche zu Recht hingewiesen – dem Missverständnis auf, als seien Modelle selbst identisch mit der Wirklichkeit. Wer diesem Missverständnis einer durch Modelle und Berechnungen vorangetriebenen „Vorstellensexpansion“ folgt, leistet vor allem „Realitätsverdopplung“, denn:

„Die eine Realität folgt aus den Formeln und Modellen und sie leitet, mehr und mehr Voraussicht versprechend, das Handeln. Vollzogen wird das Handeln dann jedoch in einer anderen Realität, die mit Formeln und Modellen immer unvollständig und unterkomplex beschrieben werden kann.“51

Innovationsglaube, der „Fetisch des Neuen“52, kann dann schlimmstenfalls zu einem Verfügbarmachen führen. Die Realisierung eines Handlungsmodells ist aber, soll es in concreto realisiert werden, von Unwägbarkeiten durchzogen. Für hybride Großevents als Form von Kirche gibt es keine Erfolgsgarantie. Es sich zu eigen zu machen, es experimentell auszuprobieren, birgt immer das Risiko des Scheiterns und unkalkulierbarer Nebeneffekte. Vollmundig von einem Handlungsmodell einer nächsten Kirche zu sprechen, verspricht daher immer auch zu viel. Die Zukunft der Kirche ist eben gerade creatura verbi dei und nicht creatura operis humani. Das gilt theologisch wie futurologisch.

Eine zukunftsfähige Kirche braucht beides: die Experimentierfreude, Neues zu entwickeln, um an der Erweiterung unseres Vorstellungsvermögens zu arbeiten. Zugleich ist Demut und Selbstbegrenzung vonnöten.

Es zeigt sich, dass aus dem Handeln-Müssen/-Wollen, ohne die Konsequenzen sicher voraussagen zu können, ein Spannungsfeld werden muss. Eine zukunftsfähige Kirche braucht beides: die Experimentierfreude, Neues zu entwickeln, um an der Erweiterung unseres Vorstellungsvermögens zu arbeiten. Zugleich ist Demut und Selbstbegrenzung vonnöten angesichts allzu überschwänglicher Versprechen, die Kirche mit dem nächsten Strategiepapier zu retten. Denn die implizite Abwertung des Bestehenden und Traditionellen als rückwärtsgewandt ist ebenso eine unterkomplexe Deutung, die lediglich eine weitere Investition von Ressourcen in unnötige Deutungsmachtkonflikte zur Folge hat. Nur durch Selbstrelativierung kann die Lebenslüge der jeweiligen Position markiert werden: dass im Streit um die Zukunft der Kirche immer beide (un)recht haben. Kommt es dazu nicht, treten die jeweiligen Parteien in den Reformprozessen mit Absolutheitsansprüchen auf, die gerade ihre jeweilige Lebenslüge zu verdecken suchen.

Im Konflikt um die Kirchenentwicklung könnte deshalb ein kybernetisch abgewandeltes Diktum Karl Barths zum Grundsatz werden: dass wir in der Kirchenentwicklung Kirche bauen sollten, ohne es zu können, um dann beides – unser Sollen und unser Nicht-Können – zu „wissen und eben damit Gott die Ehre [zu] geben“53. Diese rhetorische Abrüstung und Selbstrelativierung sind Bedingung für einen Gesprächsraum – einen Third Space –, ehrlich über Verlust und Hoffnung zu sprechen; was zu lassen und was zu machen ist. Unter diesen Vorzeichen können neue Handlungsmodelle in der Realität erprobt werden, um sich unterwegs davon überraschen zu lassen, was daraus entstehen kann.

  1. OdoMarquard, Apologie des Zufälligen. Philosophische Studien, Stuttgart 2013, 85.
  2. Einblick in den Reformprozess und die Arbeit der Handlungsfelder bekommt man unter www.emk-sjk-change.de [16.08.2024].
  3. BrunoGransche, Vorausschauendes Denken. Philosophie und Zukunftsforschung jenseits von Statistik und Kalkül (Edition panta rei), Bielefeld 2015. Dem korrespondiert in den Volkskirchen der Abschied von der Parochie/Lokalgemeinde. Vgl. KarlGabriel, Thesen zur Zukunft von Gemeinden als Basisstruktur des Christlichen, in: LS 70 (2019), 315–320.
  4. Hierin wird die zusätzliche Funktion der Prognostik deutlich: Es ging nicht nur darum, ob die Zukunft stimmt, sondern dass die Prognosen „‘Handlungen selektieren und legitimieren‘“ (Liessmann, Zukunft kommt! Über säkularisierte Heilserwartungen und ihre Enttäuschung. Wien/Graz/Klagenfurt, 50, zitiert nach: Reinhold Popp, Zukunftsforschung auf dem Prüfstand, in: Ders. (Hrsg.), Zukunft und Wissenschaft. Wege und Irrwege der Zukunftsforschung (Zukunft und Forschung Ser 2), Berlin, Heidelberg 2012, 1–24, 7).
  5. Vgl. zum Konzept des Regiolokalen Michael Herbst, Aufbruch im Umbruch. Beiträge zu aktuellen Fragen der Kirchentheorie (BEG 24), Göttingen/Bristol, CT 2018, 114–125.
  6. Deswegen zitiert Popp zu Recht affirmativ Liessmann mit der Einsicht: Wir „‘[…] können Zukunft nicht erleben, wir können nur unseren gegenwärtigen Erfahrungshorizont als Erwartungshorizont ausmalen‘“. Liessmann, Zukunft kommt! Über säkularisierte Heilserwartungen und ihre Enttäuschung. Wien/Graz/Klagenfurt, 28 zitiert nach Popp, Zukunftsforschung (s. Anm. 4), 19.
  7. PaulRicœur, Stellung und Funktion der Metapher in der biblischen Sprache, in: Ders./EberhardJüngel (Hrsg.), Metapher. Zur Hermeneutik religiöser Sprache (EvTh.S), München 1974, 45–70, 52.
  8. Vgl. zum Umgang mit der Zukunft zwischen wissenschaftlicher Berechnung, utopischer Modellierung und Orakeln Popp, Zukunftsforschung (s. Anm. 4). Das (Deutungs-)Geschäft mit der Zukunft operiert in besonderer Weise mit „Lizenz zur Kontingenz“ (Philipp Stoellger, Deutungsmachtanalyse. Zur Einleitung in ein Konzept zwischen Hermeneutik und Diskursanalyse, in: Ders. (Hrsg.), Deutungsmacht. Religion und belief systems in Deutungsmachtkonflikten (HUTh 63), Tübingen 2014, 1–85, 23). Damit führt das Zukunftsgeschäft notwendig auch an die Grenzen des wissenschaftlich solide Belegbaren. Das sei hier ausdrücklich markiert, macht das Unterfangen an sich nicht weniger spannend oder sinnvoll, allerdings weniger belastbar.
  9. Gransche, Vorausschauendes Denken (s. Anm. 3), 17.
  10. Dass es ein Handlungsmodell ist, setzt die Praxis in ein besonderes Absichtsverhältnis zur Theorie (vgl. Bernd Schröder, In welcher Absicht nimmt die Praktische Theologie auf Praxis Bezug? Überlegungen zur Aufgabenbestimmung einer theologischen Disziplin, in: ZThK 98 (2001), 101–130.). Die forschungsgeschichtlich interessierten Theolog:innen wird dies unschwer an die handlungstheoretische Formatierung der Praktischen Theologie bei Karl-Fritz Daiber erinnern. Karl-Fritz Daiber, Grundriss der Praktischen Theologie als Handlungswissenschaft. Kritik und Erneuerung der Kirche als Aufgabe, München/Mainz 1977. Das theoretische Handlungsmodell will nicht bloß Kriterien guter oder schlechter Praxis benennen oder sich auf Wahrnehmung begrenzen. Vielmehr soll Praktische Theologie „als Handlungswissenschaft“ den „Vollzug kirchlichen Lebens und Arbeitens mit […] steuern“: „1. Durch die kritische Analyse, 2. Durch die Entwicklung von realitätsbezogenen Utopien, 3. Durch den Entwurf von überprüfbaren Handlungsmodellen.“ (Karl-Fritz Daiber, Kirchenleitung und Kirchenplanung, in: Ferdinand Klostermann/Rolf Zerfaß (Hrsg.), Praktische Theologie heute, München/Mainz 1974, 539–553, 546). Gegenüber einer Praktischen Theologie, die eine zu große Nähe zur Praxis bis in die konkrete Umsetzung hinein scheute (der Haupteinwand dürfte darin bestehen, dass – und Daiber war hier selbst immer wieder skeptisch – Praktische Theologie zu einer Techniklehre verkommt und sich in einer Kasuistik von Handlungsanweisungen verliert), formulierte Daiber die Kritik, dass „[t]heoretische Einsichten […] belanglos [bleiben], wenn sie nicht in praktikable Arbeitsformen umgesetzt werden können“ (Daiber, Grundriss der (s. Anm. 10), 89); freilich nicht an kritischer Empirie und kriterialen Bedingungen vorbei (z.B. ekklesiologischen oder empirischen Bedingungen). Kirchentheoretisch betrachtet, perspektivieren Handlungsmodelle Kirche als betriebswirtschaftlich denkende Non-Profit-Organisation, die sich durch praktisch-theologisch entwickelte Handlungsmodelle selbst zu steuern sucht. Vgl. zur Kirche als Organisation Eberhard Hauschildt/Uta Pohl-Patalong, Kirche (Lehrbuch praktische Theologie 4), Gütersloh 2013; Jan Hermelink, Kirchliche Organisation und das Jenseits des Glaubens. Eine praktisch-theologische Theorie der evangelischen Kirche, Gütersloh 2011, 89–103. Inwiefern dann (Selbst-)Steuerung von Organisationen möglich ist, wird freilich je nach Organisationstheorie unterschiedlich beantwortet. Vgl. hierzu Markus Pohlmann, Organisationssoziologie. Eine Einführung, München 32024, 153–185.

  11. „Auch Sachziele sind durch Tradition geprägt und können nicht kurzfristig dadurch geändert werden, dass die Leitung der Organisation veränderte Vorstellungen entwickelt.“ Hauschildt/Pohl-Patalong, Kirche (s. Anm. 10), 196.
  12. Vgl. Thomas Edward Frank, Polity, Practice, and the Mission of the United Methodist Church, Nashville, TN 2006, 51–55.118–124.
  13. Ulrike Schuler, Chancen und Grenzen freikirchlicher Organisationsstrukturen im ökumenischen Prozess. Kongregationalismus und Konnexionalismus, in: Holger Eschmann/Jürgen Moltmann/Ulrike Schuler (Hrsg.), Freikirche – Landeskirche. Historische Alternative – gemeinsame Zukunft? (Theologie interdisziplinär Bd. 2), Neukirchen-Vluyn 2008, 36–56, 44–45. Vgl. zum Konnexionalismus auch Medienwerk der Evangelisch-methodistischen Kirche, Berufen zu Liebe und Lobpreis. Das Wesen der christlichen Kirche in methodistischer Erfahrung und Praxis. Konferenzpapier der Britischen Methodistischen Kirche 1999 (EmK-Forum 19), Stuttgart 2000, 83–93.
  14. AndreasReckwitz, Das Ende der Illusionen. Politik, Ökonomie und Kultur in der Spätmoderne, Berlin 92021, 224.
  15. Vgl. zu den Gefahren der Selbstverwirklichungskultur, die nicht nur für Subjekte, sondern auch für Organisationen gilt, a. a. O., 219–232.
  16. Vgl. zur Rolle der Organisation und die lange Entwicklungszeit bis zur Eigenständigkeit Achim Härtner, Pionierplätze. Neue Ausdrucksformen von Kirche in den Niederlanden – ein Vorbild für Deutschland?, in: ThBeitr 50 (2019), 211–218, 215–216.
  17. Diese Diskussion wird unter dem Stichwort Mixed Method resp. Ambidextrie intensiv diskutiert. Vgl. exemplarisch zuletzt Sabrina Müller, Eine kurze Geschichte der Mixed Economy of Church: kybernetische Chance oder Stolperstein?, in: PTh 109 (2020), 1, 5–18; Sandra Bils, Der schwierige Sprung von der Erprobung in den Regelbetrieb, in: PrTh 59 (2024), 3, 152–159.
  18. Keine Kirche kann allein als Bewegung existieren. Folglich ist das Wechselspiel aus Normalisierung/Routinisierung und Innovation konstitutiv. Das Subsidiaritätsprinzip wird diesbezüglich vermehrt aufgegriffen, um das richtige Maß an Freiheit und Verbundenheit zu beurteilen; allerdings ohne dass das schon durchdacht oder gar in organisatorische Strukturen umgesetzt wäre.
  19. In der Auslegung des Kirchenrechts wird hier bisweilen in der EmK mit viel Pragmatismus verfahren, um diese Spielräume zu ermöglichen. Vgl. zur Problematik des Überdehnens überkommener Formen, anstatt auch radikale Neubeginne zu wagen Uta Pohl-Patalong, Nicht länger vorsichtig weiterentwickeln und dehnen, in: PrTh 59 (2024), 3, 140–146. Vgl. zum Verlust und Abschied auch meine metaphorologische Auslegung des Karfreitags als Sterbemomente von Kirche URL: https://static1.squarespace.com/static/63d24dc052e44e268ba62f94/t/65b8c2bcd77e851503ef1099/1706607296203/Woche+6+-+A3+28+Seiten.pdf, S. 22f. In ähnlicher Richtung hat Andreas Reckwitz soziologisch auf die Korrespondenz von Fortschritt/Innovation und Verlust hingewiesen. Vgl. Andreas Reckwitz, Auf dem Weg zu einer Soziologie des Verlusts, in: Soziopolis: Gesellschaft beobachten (2021), URL: https://www.soziopolis.de/auf-dem-weg-zu-einer-soziologie-des-verlusts.html.
  20. Vgl. zu diesem Trend Hauschildt/Pohl-Patalong, Kirche (s. Anm. 10), 214. M.E. ist das auch in manchen Pfingstgemeinden zu beobachten (z.B. Hillsong oder ICF).
  21. Ich verstehe mit Armin Nassehi, Soziologie. Zehn einführende Vorlesungen, Wiesbaden 2008, 78–81 und Boris Holzer, Netzwerke, Bielefeld 22010, 98–104 Netzwerk als eigene soziale „Ordnungsform“, ja ein „soziales Muster“. Netzwerke – querliegend zu Interaktion und Organisation – sind lose Koppelungen von Adressen, die Interaktion resp. Organisationen anbahnen und erleichtern kann. Netzwerke sind mithin weniger stark geregelte Verknüpfungen, die sich bei Bedarf aktivieren lassen und durch die Aktivierung erhalten bleiben (gegen Teile der Netzwerkforschung, die darin eine bloß analytische Perspektive sehen).
  22. Die Evangelisch-methodistische Kirche kennt ein Mitgliedschaftssystem jenseits des binären 0/1 von drinnen und draußen. Menschen können in unterschiedliche Nähe-Distanz-Verhältnisse zur Kirche treten (Freunde, Kirchenzugehörige, Kirchenangehörige, Kirchenglieder).
  23. Vgl. zum projektorientierten Denken unserer Zeit Andreas Reckwitz, Die Gesellschaft der Singularitäten. Zum Strukturwandel der Moderne, Berlin 62022, 191–195.
  24. Vgl. zu diesem Begriff Peter Bubmann/Kristian Fechtner/Birgit Weyel, ‚Gemeinde auf Zeit‘. Empirische Wahrnehmung punktuell-situativer Formen evangelischer Kirche und ihre sozialitätstheoretische Reflexion, in: Birgit Weyel/Peter Bubmann (Hrsg.), Kirchentheorie. Praktisch-theologische Perspektiven auf die Kirche (VWGTh 41), Leipzig 2014, 132–144.
  25. Darin denke ich in eine ähnliche Richtung, wie es Fechtner Kristian Fechtner, Gemeinde, in: Ders. (Hrsg.), Späte Zeit der Volkskirche. Praktisch-theologische Erkundungen (PTHe 101), Stuttgart 2010, 85–100, 95–100 schon Ausgang der 90er entfaltet hat, allerdings mit dem Zusatz, dass ich auch das Unbequeme der Heterogenität und die zugrundeliegende Netzwerkstruktur mitbedenken möchte.
  26. Vgl. Bernhard Grümme, Offen für alle? Pastoraltheologische Annäherungen an Heterogenität, in: ZThP 37 (2017), 91–101.
  27. BernhardWaldenfels, Grundmotive einer Phänomenologie des Fremden, Frankfurt am Main 62006.
  28. In diesem Sinne verstehe ich die Neuausrichtung der EmK als „Kirche in Begegnung“ (vgl. die Website Aufbruch spüren, URL: https://aufbruchspueren.de/info-1 [06.09.2024].
  29. Die Ergebnisse der Umfrage sind online einsehbar unter URL: https://www.emk-sjk-change.de/fileadmin/user_upload/materialien-downloads/praesentationen/22-auswertungsbericht-umfrage-gemeinde.pdf [09.09.2024].
  30. Vgl. Adrian Micha Schleifenbaum, Kirche als Akteurin der Zivilgesellschaft. Eine zivilgesellschaftliche Kirchentheorie dargestellt an der Gemeinwesendiakonie und den Fresh Expressions of Church (APTLH 97), Göttingen 2021.
  31. Aus dem noch unveröffentlichten Manuskript Lienhard, Fritz: Die Zukunft der Evangelischen Kirchen. Bereits erschienen ist die französische Fassung. Vgl. Fritz Lienhard, L’avenir des églises protestantes. Évolutions religieuses et communication de l’Évangile, Genève 2022.
  32. Vgl. Frage 81 im Elektronischen Anhang 2, Tabellenanhang mit Grundauszählung, in: Evangelische Kirche in Deutschland (Hrsg.), Wie hältst du’s mit der Kirche? Zur Bedeutung der Kirche in der Gesellschaft: erste Ergebnisse der 6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung, Leipzig 2023.
  33. Thesenpapier des Ausschusses Liturgie und Diakonie der Liturgischen Konferenz (EKD), 7, URL: https://www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/Thesenpapier%20des%20Ausschusses%20Liturgie%20und%20Diakonie%20%e2%80%93%20eine%20Orientierungshilfe%20der%20Liturgischen%20Konferenz.pdf> [07.09.2024].
  34. Vgl. zu weiteren Infos und bildlichen Eindrücken die MudMates Website, URL: www.mudmates.de [22.09.2024].
  35. Impulsgeber für das Event war nicht er allein, sondern eine Reihe anderer Akteur:innen aus Kirchengemeinde und H3.
  36. Ob von einer Gemeinde auf Zeit gesprochen werden kann, dürfte je nach Kriterien hochumstritten sein. Vgl. zu den Grundkriterien Hauschildt/Pohl-Patalong, Kirche (s. Anm. 10), 275–284.
  37. Vgl. die Website zum Musical-Projekt, URL: https://www.weihnachten-neu-erleben.de/das-projekt/ [22.09.2024].
  38. Zitate Felix Roleder, Die relationale Gestalt von Kirche. Der Beitrag der Netzwerkforschung zur Kirchentheorie (PTHe 169), Stuttgart 2020, 67–68.
  39. Vgl. Reckwitz, Die Gesellschaft (s. Anm. 23), 147–154.
  40. Vgl. Holzer, Netzwerke (s. Anm. 21), 14–22.
  41. Vgl. Hubert Knoblauch, Populäre Religion. Auf dem Weg in eine spirituelle Gesellschaft, Frankfurt 2009.
  42. Lienhard nannte dies eine „Geschirrspültheologie“, weil sich diese gemeinsame Gesprächsebene und das Finden einer gemeinsamen Sprache eben gerade im Zusammenhang gemeinsamen Arbeitens ergeben. Vgl. Fritz Lienhard, Theologie der Milieus, Leipzig 2019, 107–109.
  43. Deshalb darf dieses Handlungsmodell auch nicht missverstanden werden als Teilstrategie von Gemeindeaufbau; gar in dem Sinne, dass das Großevent nur der Vorhof zur eigentlichen Kirche sei. Vgl. kritisch im Blick auf das instrumentelle Denken im Gemeindeaufbau Fechtner, Gemeinde (s. Anm. 25), 89–90.
  44. Es ist umstritten, wie dieser Begriff „Social Entrepreneuer“ genau zu verstehen ist (vgl. Roger L. Martin/Sally Osberg, Social Entrepreneurship: The Case for Definition, in: Stanford Social Innovation Review (2007), 29–39; Francesca Petrella/Nadine Richez-Battesti, Social Entrepreneur, Social Entrepreneurship and Social Enterprise: Semantics and Controversies, in: Journal of Innovation Economics & Management 14 (2014), 2, 143–156. Insbesondere in der FreshX-Bewegung wurde dieser Begriff rezipiert. Vgl. Michael Volland, The Minister As Entrepreneur, London 2015.
  45. Roger L. Martin/Sally Osberg, Social Entrepreneurship (s. Anm. 43), 33.
  46. Ebd.
  47. Vgl. insbesondere Johannes Greifenstein, Fehlstart in Jena. Warum ein neuer Studiengang so nicht fortgesetzt werden sollte, in: zeitzeichen 25 (2024), 5, 48–50. Schon der Titel ist reißerisch.
  48. Hier sind eindeutig soziologische Distinktionsprozesse (P. Bourdieu) und Anerkennungskämpfe im Gange angesichts schwindender Ressourcen und sinkender Studierendenzahlen. In der Kirche und an den Fakultäten ereignet sich auf einer Schwelle in eine neue Realität ein Deutungsmachtkonflikt (Ph. Stoellger) um die Zukunft unterschiedlicher Pastor:innebilder und notwendiger Qualifikationen. Die einseitige Polemik Greifensteins klammert gerade eine Diskussion nach einer Diversität unterschiedlicher Pastor:innenbilder und ihrer Koexistenz aus. Dass in Greifensteins Polemik legitime Anfragen an die der Aufklärungstheologie verpflichteten Wissenschaftlichkeit des Studiums und die drohende Sonderwelt durch das Nebeneinander unterschiedlicher Studiengänge enthalten sind, unterstütze ich ausdrücklich (etwas ausgeglichener neuerdings Johannes Greifenstein, Erprobungsraum Theologie, in: ZThK 121 (2024), 351–379, mit Ausnahme den Bemerkungen zur Sekte und der Wahrheit der Gemeinde S. 358.366). Im Grunde folgt Greifenstein stellenweise einer einseitigen Hermeneutik des Verdachts, ohne materialiter die Lehrveranstaltungen im Einzelnen zu besprechen.
  49. Vgl. zu Social Entrepreneurs als Krisenfiguren Petrella/Richez-Battesti, Social Entrepreneur (s. Anm. 43), 144–145.
  50. Vgl. dazu klassisch Isolde Karle, Die Zukunft der Kirche – Perspektiven und Herausforderungen, in: Beate Hofmann et al. (Hrsg.), Welche Zukunft hat die Kirche? Aktuelle Perspektiven evangelischer Theologie, Tübingen 2022, 81–107.
  51. Gransche, Vorausschauendes Denken (s. Anm. 3), 12–13.
  52. A. a. O., 17.
  53. KarlBarth, Das Wort Gottes als Aufgabe der Theologie, in: JürgenMoltmann (Hrsg.), Anfänge der dialektischen Theologie. Teil 1 (TB 17/1), Gütersloh 1995, 197–218.

Literatur

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Hermelink, Jan: Kirchliche Organisation und das Jenseits des Glaubens. Eine praktisch-theologische Theorie der evangelischen Kirche, Gütersloh 2011.

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Holzer, Boris: Netzwerke, Bielefeld 22010.

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Nassehi, Armin: Soziologie. Zehn einführende Vorlesungen, Wiesbaden 2008.

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Waldenfels, Bernhard: Grundmotive einer Phänomenologie des Fremden, Frankfurt am Main 62006.

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