Flexibilisierung und Anschlussfähigkeit als Merkmal einer zukunftsfähigen Kirchenverwaltung
1. Überall zu beobachten: Klagen über eine verknöcherte Verwaltung
Dass sich Pastoral und Seelsorge, genau wie die Kirche an sich, in einem tiefgreifenden Veränderungsprozess befinden, darüber besteht allgemeiner Konsens. Kennzeichen dieses Veränderungsprozesses ist, dass niemand mit Gewissheit sagen kann, wie die Zukunft aussehen wird: Alles ist in Bewegung, viele Gewissheiten gelten nicht mehr, grundsätzliche Fragen sind neu zu denken.
In dieser Situation, in der die Pastoral vor Ort spürt, wie Stillstand in Sackgassen führt und wie notwendig Bewegung ist, begegnen Seelsorger und ortskirchlich Engagierte einer kirchlichen Verwaltung (Generalvikariaten, Kreiskirchenämtern etc. pp.) nicht selten mit Kopfschütteln und Unverständnis: „Bewegt euch!“; „Steht uns nicht im Weg!“; „Jetzt stellt euch nicht so an!“
Schnell wird daraus ein recht dunkles Bild der kirchlichen Verwaltung: Sie ist verknöchert und unflexibel, mutierte vor langer Zeit unbemerkt zum Selbstzweck und frönt der lähmenden Paragraphenreiterei. Viele Katholiken fühlen sich in dieser Wahrnehmung vom Papst inspiriert, der sich in der Vergangenheit nicht immer positiv über seine vatikanische Verwaltung geäußert hat. „Verwaltungs-Bashing“, das ist bei Seelsorgern jeglicher Konfession einfach ein beliebtes Thema und für den Smalltalk gut geeignet: Zustimmung vom Gegenüber ist zu erwarten und Verbrüderung wird sichergestellt.
„Verwaltungs-Bashing“, das ist bei Seelsorgern jeglicher Konfession einfach ein beliebtes Thema und für den Smalltalk gut geeignet: Zustimmung vom Gegenüber ist zu erwarten und Verbrüderung wird sichergestellt.
2. Berechtigt sind viele Vorwürfe nicht: Verlässlichkeit in Verwaltung ist ein wichtiges Fundament
Solch ein Blick auf Verwaltung ist aber in manchen Zügen naiv und verkennt die Aufgabe der Verwaltung. Niemandem in der Pastoral wäre wirklich geholfen, wenn in den kirchlichen Bauämtern und Personalabteilungen öfters mal „fünfe gerade gelassen“ würden, weil die individuelle Einzelfallentscheidung doch viel praktischer wäre, anstatt strengen allgemeinen Vorschriften zu folgen. Denn was dann fehlen würde, wären die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen und Verlässlichkeit. Anstatt dass ein Kirchenvorstand sein Recht z. B. auf den Finanzzuschuss für eine bestimmte Größe an Versammlungsfläche für die Gemeinde geltend machen könnte, wäre er nun der Gunst eines Verwaltungsmitarbeiters ausgeliefert. Wer könnte ausschließen, dass sich daraus nicht ein herablassendes Gönnergehabe entwickelt? Aus der angestrebten Verwaltungspartnerschaft würde sich ein intransparentes Abhängigkeitssystem entwickeln, welches die ortskirchlichen Akteure in eine Rolle drängt, die ihnen nicht gerecht wird.
Verwaltung muss Verlässlichkeit bieten können. Und bei aller nötigen Serviceorientierung darf nie der Blick für das große Ganze verloren gehen: Es gibt das Beispiel einer sehr wohlhabenden Pfarrei, der von der bischöflichen Bauaufsicht die Baugenehmigung für ein neues Pfarrheim verweigert wurde, obwohl alles aus Eigenmitteln finanziert werden sollte. Der Ärger über diese Bevormundung mag auf den ersten Blick verständlich sein, aber der Vollständigkeit halber muss erwähnt werden, dass in den direkten Nachbarpfarreien, mit denen eng kooperiert wird, neue Pfarrheime zur Verfügung stehen, die problemlos mitgenutzt werden könnten. Ein Neubau wäre eher ein Denkmal, welches sich örtliche Verantwortungsträger errichten wollen, als eine sinnvolle und zukunftsweisende pastorale Investition von allgemein rückläufigen kirchlichen Finanzressourcen.
Verwaltung muss Verlässlichkeit bieten können.
Was Verwaltung heute in dem Kontext zuweilen fehlt, ist die nötige Geschwindigkeit, die allgemein gültigen Vorgaben und Regelungen an veränderte Situationen anzupassen. Wenn Pastoralstrukturen sich so geändert haben, dass die Regelungen für das Zuschusswesen einfach nicht mehr passen, dann darf nicht die freihändige Einzelfallentscheidung das Mittel der Wahl sein, sondern das gesamte Zuschusswesen muss zeitnah unter die Lupe genommen und angepasst werden.
3. Anschlussfähigkeit als Voraussetzung für eine gute, zukunftsfähige Verwaltung
Um die Pastoral bestmöglich bei heutigen Aufgaben und zukünftigen Herausforderungen zu unterstützen, ist nicht der klassische Ruf nach mehr Serviceorientierung der wichtigste. Vielmehr ist eine strukturelle Anpassungsfähigkeit von Bedeutung.
Je nachdem, wie Pastoral gestaltet wird und welche Schwerpunkte gesetzt werden, ist eine andere unterstützende Verwaltungsstruktur nötig. Ein Beispiel kann das verdeutlichen: In vielen Bistümern und Landeskirchen liegt die Trägerschaft der Kitas bei den Gemeinden der Ortskirche und nicht bei großen Trägern. Entsprechend ist die gesamte Verwaltungsstruktur danach ausgerichtet. Für den Fall, dass es aus verschiedenen Gründen mittelfristig eine Option ist, die Trägerschaft der Kitas pfarreienübergreifend zu bündeln, so muss die Verwaltung heute schon sicherstellen, dass sie diesen Schritt bei Bedarf mitgehen könnte. Zum Hemmschuh und Verhinderer von (notwendiger) Veränderung würde die Verwaltung dann, wenn sie aus strukturellen Gründen nicht auf Neuerungen reagieren könnte und diese damit blockiert.
… nicht der klassische Ruf nach mehr Serviceorientierung (ist) der wichtigste. Vielmehr ist eine strukturelle Anpassungsfähigkeit von Bedeutung.
Anpassungsfähigkeit heißt nicht, jetzt schon zu wissen, wie die Pastoral der Zukunft aussieht und welche Art von Verwaltung dann notwendig ist. Anpassungsfähigkeit heißt eher, bereits heute durch Qualifizierungen, gemeinsame Absprachen, einheitlichen Standards etc. sicherzustellen, dass man sich in verschiedene Richtungen verändern könnte. Welche Richtung es wird, das kann sich erst im Laufe der Zeit zeigen.
Zu dem Willen, sich verschiedene Optionen späterer Veränderungen offen zu halten, gehört nicht der Anspruch, Strukturen für die Ewigkeit jetzt schon vorhersehen zu können. Zum Bekenntnis, anschlussfähig sein zu wollen, gehört auch die Einsicht, dass kirchliche Verwaltungsstrukturen nicht für die Ewigkeit geschaffen werden, sondern immer nur zeitlich begrenzt benötigt werden.
4. Einheitliche Standards in der Verwaltung schränken nicht ein, sondern ermöglichen Zusammenarbeit und schaffen Effizienz
Vielgestaltigkeit, Differenzierung, Lebensraumorientierung, Heterogenität sind alles Begriffe, mit denen in den Zukunftsbildern der Bistümer und Landeskirchen die Pastoral der Zukunft beschrieben wird: Keine Seelsorge von der Stange, sondern eine pastorale Bedarfsorientierung in den einzelnen pastoralen Räumen und Gemeinden. Bedarfe werden vor Ort erfasst, individuell und milieusensibel wird die Seelsorge darauf abgestimmt.
Was liegt näher, als diesen Anspruch auch auf die Verwaltung auszuweiten: Individuelle Lösungen, entwickelt an und verankert in den verschiedenen kirchlichen Orten? Empfehlenswert ist solch ein Vorgehen nur begrenzt, denn es produziert Ineffizienz und Chaos. Die Verlässlichkeit und Anschlussfähigkeit einer kirchlichen Verwaltung lebt von einheitlichen Standards. Sie ermöglichen Kommunikation, Kooperation und schlussendlich auch Beweglichkeit.
Die Verlässlichkeit und Anschlussfähigkeit einer kirchlichen Verwaltung lebt von einheitlichen Standards. Sie ermöglichen Kommunikation, Kooperation und schlussendlich auch Beweglichkeit.
Das gilt für fast alle Verwaltungsprozesse und kann gut am Beispiel der IT erläutert werden: Ohne eine einheitliche IT-Lösung in einem Bistum oder einer Landeskirche wären Kommunikation und Koordination unter den verschiedenen kirchlichen Rechtsträgern stark eingeschränkt: Kein Intranet, kein zentraler IT-Support, kein gemeinsamer Zugriff auf Server – digitale Verwaltungszusammenarbeit nur via E-Mail. Klare Schnittstellen schaffen nicht nur Verlässlichkeit, sondern bringen auch Effizienz mit sich, weil sich Zusammenarbeit oft auch durch Skaleneffekte monetär auszahlt. Falsch verstandene Subsidiarität kann hier blockierend und damit lähmend sein. Auch wenn die Pastoral bunt sein soll, so sollte das nicht für die Verwaltung gelten.
5. Externe Dienstleister für operative Verwaltungsaufgaben schaffen langfristige Flexibilität
Im Gegensatz zu vielen Industrieunternehmen in ähnlicher Größe erbringen die Landeskirchen und Bistümer viele ihrer Verwaltungsdienstleistungen selbst. Eigene Architekten betreuen die Bauvorhaben, die Personalbesoldung wird oft von eigenen Mitarbeitern erbracht, die Revision ist Teil des eigenen Apparats etc. pp.
Das hat viele Vorteile: Es kann eigene Fachkompetenz aufgebaut werden, über die langfristig zu moderaten, gut kalkulierbaren Kosten verfügt werden kann. Viele kirchliche Rechtsträger haben auch solch eine Größe mit entsprechendem Verwaltungsaufwand, dass so viele Mitarbeiter beschäftigt werden können, dass Prozesse effizient und professionell erbracht werden können. Steuerliche Gründe kommen hinzu, die den Rückgriff auf externe Dienstleister durch die Umsatzsteuerpflicht zusätzlich verteuern.
(Die) Sicherheit über das zukünftige Dienstleistungsspektrum und damit auch über dazugehörige Verwaltungsaufwände (ist) verloren gegangen.
Trotzdem soll erwähnt werden, dass bei der strategischen Ausrichtung der Verwaltung mitgedacht werden soll, welche Flexibilität und Bewegungsfreiheit die Einbindung externer Verwaltungsdienstleister mit sich bringt:
Wer als Angestellter oder Beamter in die kirchliche Verwaltung eintritt, der geht zumeist davon aus und dem wird auch suggeriert, einen sicheren Arbeitsplatz zu haben, dem man bis zum Renteneintritt verbunden bleiben kann. Das impliziert, dass auch in den nächsten Jahrzehnten so viel Verwaltungsaufwand besteht, dass alle Mitarbeiter gebraucht werden. Was geschieht aber nun mit den Mitarbeitern in der Liegenschafts- und Bauabteilung, wenn sich eine Landeskirche dazu entscheidet, mittelfristig ein Drittel des Gebäudebestandes abzugeben, weil diese nicht zu finanzieren und pastoral entbehrlich sind? Was geschieht, wenn ein Bistum mitsamt seiner Pfarreien die Trägerschaft und damit auch Verwaltung von etlichen Kitas abgeben möchte?
In diesen gar nicht unrealistischen Szenarien kann es passieren, dass die Verpflichtungen gegenüber den eigenen Verwaltungsmitarbeitern inhaltlich begründete Veränderungsschritte bremsen oder sogar verhindern können.
Die Kirchen haben in der Vergangenheit staatsähnliche Verwaltungsstrukturen aufgebaut, die auf einen langfristigen Bedarf aufgerichtet sind, als Körperschaften öffentlichen Rechts können sie sogar ihre Mitarbeiter verbeamten. In den letzten Jahrzehnten haben sich die Kirchen von einer fast staatsähnlichen Organisation zu einem normalen Vertreter der Zivilgesellschaft gewandelt; diese Entwicklung nimmt allen Beobachtungen nach noch weiter Fahrt auf („Von der Volkskirche zur Kirche im Volk.“). Damit ist auch Sicherheit über das zukünftige Dienstleistungsspektrum und damit auch über dazugehörige Verwaltungsaufwände verloren gegangen.
Verwaltungshandeln zeichnet sich im kirchlichen Kontext natürlich durch ein paar Besonderheit aus: Es gibt spezielle Tarifverträge für die Mitarbeiter, Buchhaltungssystematiken sind angepasst, kirchliche Bauregeln wurden aufgestellt etc. Die kirchlichen Spezifitäten sind aber in den seltensten Fällen ausreichend gute Gründe, externe Dienstleister bei operativen Verwaltungsdienstleistungen deswegen nicht einzubinden, weil denen das kirchliche Spezialwissen fehlen würde.
In diesen gar nicht unrealistischen Szenarien kann es passieren, dass die Verpflichtungen gegenüber den eigenen Verwaltungsmitarbeitern inhaltlich begründete Veränderungsschritte bremsen oder sogar verhindern können.
Die Gehaltsabrechnung von kirchlichen Mitarbeitern muss nicht von eigenen Stellen erbracht werden, Dienstleister verfügen hier über ausreichende Kompetenz. Immobilien im Kirchenbesitz müssen nicht deswegen von kirchlichen Stellen verwaltet werden, weil die Verwaltung so besonders sei. Wichtig ist kirchlicherseits eine gute Aufsicht. Diese kann nicht externalisiert werden, operative Verwaltungsaufgaben meistens aber schon.
Aufgaben an externe Dienstleister zu übertragen ist zweifelsohne teuer, in manchen Fällen viel zu teuer oder produziert mehr Aufwand als Entlastung. Auch ist man Abhängigkeiten ausgeliefert, mit denen man klug umgehen können muss. Hier müssen gute Verträge ausgehandelt und Dienstleister professionell gesteuert werden. Aber ihre Einbindung bedeutet nur eine kurz- bis mittelfristige Verpflichtung und ermöglicht spätere Flexibilität und Veränderung, welche gerade in Zeiten mit kirchlichen Rückgängen in verschiedenen Bereichen wichtig sind.
Zu wenig wird außerdem bislang die Möglichkeit genutzt, Verwaltungsarbeit bistums- oder landeskirchenübergreifend zu organisieren. Kann nicht ein großes Bistum die Personalverwaltung und -besoldung für ein anderes Bistum miterledigen? Können nicht mehrere Landeskirchen ein spezielles Architekturbüro gründen, welches sich auf Sakralbauten spezialisiert, anstatt jeweils individuell Architekten für die Planung und Begleitung von Baumaßnahme vorzuhalten? Steuerliche und rechtliche Fragen sind hier kein Ausschlusskriterium.
In Fragen jenseits der klassischen Verwaltungsarbeit gibt es schon mehr Kooperation: Es gibt z. B. in Hamburg oder Erfurt interdiözesane Kirchengerichte, die Priester- und Diakonenausbildung wird überdiözesan an ausgewählten Standorten gebündelt.
6. Resümee
Eine kirchliche Verwaltung ist wichtig, bei rückläufigen Gläubigenzahlen und sinkenden Finanzressourcen wird sich ihre Größe aber langfristig verringern.
Ansprüche an die Pastoral sollen und dürfen nicht eins zu eins auf die kirchliche Verwaltung übertragen werden, da ihre Rollen sich unterscheiden. Die Verwaltung ist ein Fundament und Dienstleister, wichtig sind hier Eindeutigkeit, Nachvollziehbarkeit und Verlässlichkeit. Dazu gehören auch klare Standards.
In einer Situation, in der pastoral viel in Bewegung ist und in der viele Angebote und Strukturen hinterfragt werden, muss die kirchliche Verwaltung dafür sorgen, dass Veränderungsoptionen möglich bleiben und Schwerpunktwechsel auch verwaltungstechnisch machbar sind. Eine kirchliche Verwaltung ist wichtig, bei rückläufigen Gläubigenzahlen und sinkenden Finanzressourcen wird sich ihre Größe aber langfristig verringern. Durch geeignete Maßnahmen sollte das schon heute Niederschlag in der Verwaltungsstrategie finden.