022021

Foto: Yasin Arıbuğa/Unsplash

Statements

Hardy Lech

Der Sinn des Gehens in dynamischen Zeiten

Gedanken-Gänge von Hardy Lech

Das Gehen im Coaching als Möglichkeit über Umwege sich selbst wieder zu finden.

„Ich habe mir meine besten Gedanken angelaufen, und ich kenne keinen Gedanken, der so schwer wäre, dass man ihn nicht beim Gehen loswürde.“ (Sören Kierkegaard)

„Gehen ist die Geschwindigkeit der Seele“ (Johann Wolfgang von Goethe)

„Schau dir die Natur genau an und du wirst alles besser verstehen.“ (Albert Einstein)

„Alles würde besser gehen, wenn man mehr ginge“ (Johann Gottfried Seume, aus: Zu Fuß hält die Seele Schritt)

Die „Coachingroute Oberhausen – Siebenkommafünfkilometer in inspirierender Industriekulturlandschaft auf dem Weg zur eigenen inneren Quelle“ (www.a42-coaching.de)

Mein Bangen, einerseits: Gelähmt und Getrieben

Wir suchen gerade viel Sicherheit und Orientierung im Außen

Die Herausforderungen im Außen werden rasant dynamischer, komplexer und unkontrollierbarer. VUKA1 vor wenigen Jahren in Beraterkreisen noch das Synonym für nicht beherrschbaren Wandel, klingt heutzutage nahezu altbacken, angesichts der aktuellen dynamischen Entwicklungen.

Wir suchen gerade viel Sicherheit und Orientierung im Außen, bedienen uns der Medienvielfalt, deren Analysen und (Katastrophen-) Prophezeiungen. Und, wir fordern, einerseits, eine konsequente Handlungsbereitschaft der „Anderen“/der „Zuständigen“, uns „Die Normaliserung“, „Das Vertraute“ und „Das Vorherige“ wieder zurückzugeben. So entsteht vielerorts eine zu-packende „Handlungs-Gier“. Dieser nahezu demonstrative Durchsetzungswille mag uns erst einmal beruhigen. Gleichzeitig lähmt es, anästhesiert es, verschließt den Zugang zur eigenen inneren Quelle. Ich fühle mich gerade sehr mit-genommen, und das im „doppelten Sinne“.

Auch im Arbeitsfeld der Facilitatoren, Coaches, Supervisoren, Strategen etc., zu denen ich ja gehöre, erhöht sich das Tempo, die Bereitschaft, zum Um-Die-Wette-Laufen, zu „boostern“, Energie-geladen, Lösungs-beladen, dem Kunden, gerade jetzt(!), pass-genaue, Ziel-fixierende Handlungsmöglichkeiten anzubieten, schnell und „facil“, mit, aber auch ohne ihn, werden vermeintlich beruhigende Lösungen  entwickelt, digitale, noch im gemeinsamen Prozess erstellte Visualisierungen werden abgelegt („eingespeist“) in „Diggi-Clouds“, und ermöglichen so  jedem Kunden,  jederzeit (wieder) in die Rolle eines Handlungs-Akteurs zu schlüpfen. Wir nehmen ihn, den Kunden, damit gleich in die Pflicht, aus dieser Rollenkompetenz zu denken, zu fühlen, pro-aktiv zu handeln. Auch das Anhalten, das Ent-Schleunigen, das Sich-Im-Innern-finden, gehört nun dazu, ist mega-in; Achtsamkeitsübungen werden gerne Ziel-gerichtet, Zeit-ökonomisch, erwartungs-voll, eingesetzt. Darüber hinaus wird der (Berater-) Muskel „mindful leadership“ hochleistungsmäßig für den Kunden durch-trainiert; der einfacher halber gerne per “Zoom“ bzw. „App-digital“.

Auch im Arbeitsfeld der Facilitatoren, Coaches, Supervisoren, Strategen etc., zu denen ich ja gehöre, erhöht sich das Tempo …

Ich stolpere soeben Wege entlang, die zu Autobahnen von Sach-Logik und Vernünftig-Sein werden, sichtbare Schlaglöcher werden umfahren. Es ist nicht mein Weg. Das spüre ich, tief von innen heraus.

Und, was hält mich gerade zurück, schließt sich in mir? Ist es das Ein-Parken von neuen Infos in bekannte „alte“ Gedanken-Silos? Das „Nicht wirklich an neue Möglichkeiten glauben“, Angst, Bisheriges loszulassen? Lähmung, und Verunsicherung nehmen sich unwillkürlich Raum.

… Lähmung, und Verunsicherung nehmen sich unwillkürlich Raum

Der Panther. Paris. Im Jardin des Plantes

Sein Blick ist vom Vorübergehen der Stäbe
So müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
Und hinter tausend Stäben keine Welt.
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
Sich lautlos auf -, Dann geht ein Bild hinein,
geht durch die Glieder angespannter Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.

(Rainer Maria Rilke)

Es ist nicht mein Weg. Das spüre ich, tief von innen heraus

Mein Hoffen, andererseits: Bereit, andere Wege zu gehen

„Die Angst ist nicht das Ende des Lebens, sie ist das Tor für die Aufgabe, etwas Neues zu schaffen, und sie lädt dazu ein, das neue und wache Hiersein mit den eigenen Füßen und nicht mit intellektuellen Versiertheiten zu erproben“2.

Nicht nur ich, auch viele meiner Kunden, darunter viele Führungskräfte, befinden sich gerade an einer Wegkreuzung mit vielen Verzweigungen. Die innere Weigerung, schnell wieder in vertraute, ausgetretene Spuren einzutreten, wächst, wird deutlich, bei mir, bei meinen Kunden. Wir machen uns gemeinsam, im Rahmen von Coaching, auf den Weg und gehen, lassen los, gehen los. Es wird ein Suchen werden.

Was ist die Quelle meiner Energie und meines Selbst? Wie kann ich mich mit dieser Quelle verbinden, mir bewusster werden, wer ich bin und was meine Aufgabe ist? Welchen Weg gilt es, in diesen verunsichernden Zeiten, mutig(er) zu beschreiten?

Die innere Weigerung, schnell wieder in vertraute, ausgetretene Spuren einzutreten, wächst, wird deutlich, bei mir, bei meinen Kunden

„Aber es gibt immer noch die Innenwelt, den Blick, der mitgestaltet, weil er genauer sieht und ein Sehen ermöglicht, das alles ändern kann“3

„Beim Gehen hält die Seele Schritt“4 – In den letzten Monaten deutlich zunehmend, begleite ich als Coach Führungskräfte, die Sinn-suchend, bereit sind, andere Wege als bisher zu gehen.  Dabei ist nun merklich weniger das Ziel, eigene Handlungskompetenzen zu stärken, als eher ein Aufbruch, ein Los-Gehen zu eigenen Kraft- und Bewusstseinsquellen. Mit Neugierde, Mitgefühl und Mut, und … zu Fuß.

Mit einem Coachee, neu in der Führungsrolle, gehen wir die 100 Kilometer zur Emscher-Quelle, im Dialog konzentriert, auch stundenlang in Stille, und dann auf sich und das Eigene, das Wesentliche fokussiert. Die „Emscher“ ist gerade ein inspirierendes Beispiel für gelingende Transformation, teils Industriekloake noch, teils, bereits re-naturalisiert, das eigene, ursprüngliche Flussbett wieder einnehmend, verbunden mit der Ursprünglichkeit der markanten Ruhrgebiets-Industrielandschaft.

You cannot transform consciousness unless you make a system see and sense itself

„You cannot transform consciousness unless you make a system see and sense itself.“ (Theory U)

Die biographischen Wurzeln des Coachees befinden sich an der Emscher-Quelle, für ihn ein Quell-Ort seines Bewusstseins, eine Kraft-Quelle, die er nun sehr bewusst im Rahmen eines Führungskräfte-Coachings aufsucht, um zu erfahren, worum es ihm, in der Rolle als Führungskraft, und darüber hinaus, in Wirklichkeit gerade geht.

 „Es gibt eine Vitalität, eine Lebenskraft, eine Energie, eine Regung, die durch dich in Handlung umgesetzt wird. Und da es dich über alle Zeiten hinweg nur einmal gibt, ist dieser Ausdruck einzigartig“ (Martha Graham).

Das Gehen „befreit uns nicht von unseren wachsenden Verantwortungen gegenüber dem Chaos auf der Welt, gestattet uns aber, Atem zu schöpfen, die Sinne zu schärfen und die Neugier wieder zu entfachen. Das Gehen ist oft ein Umweg, um sich selbst wiederzufinden“5.

Das Gehen ist eine einfache Handlung. Körper, Geist und Gefühle werden gleichzeitig angesprochen und in Verbindung gebracht. Das Gehen ist eine Öffnung zur Welt. Schritt für Schritt entstehen neue Perspektiven und Bewusstsein für die ursprüngliche Herausforderung.

Bei meinem Coachingangebot „Gedanken-Gänge in Industrienatur“, führe und begleite ich Menschen auf der von mir „abgesteckten“ Coachingroute („Oberhausener Coachingpfad“, www.a42-coaching.de) Die Siebenkommafünfkilometer gehen wir durch eine Industriekulturlandschaft, gespickt mit Industrielandmarken, die als charismatische Zeitzeugen für Wandel/ Transformation wahrzunehmen sind und dann, im gemeinsamen Unterwegs, als Reflexionsstandorte „Position beziehen“ und den Blick auf das eigene Zukunftspotenzial lenken. Was wird denkbar und möglich? Was scheint durch? Was öffnet sich für mich?

Wanderer, es gibt hier keinen Weg. Du bereitest den Weg, indem du gehst

„The way is to change our level of consciousness , to change the way  that we think about ourselves“6

„Wanderer, es gibt hier keinen Weg. Du bereitest den Weg, indem du gehst.“ A. Machado, spanischer Poet.

  1. Akronym für „volatil, unsicher, komplex und ambivalent“
  2. Marica Bodrozic, Pantherzeit – Vom Innenmaß der Dinge, 2. Auflage, 2021
  3. Marica Bodrozic, Pantherzeit – Vom Innenmaß der Dinge, 2. Auflage, 2021
  4. Achill Moser, Zu Fuß hält die Seele Schritt, 2. Auflage, 2017
  5. David Le Breton, Lob des Gehens, 1. Auflage, 2015
  6. Joseph Jaworski, Synchronicity – The inner path of leadership, 1996

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