012022

Foto: Jukan Tateisi/Unsplash

Statements

Rolf Lohmann

Vom Wissen und Verstehen, von Genügsamkeit und Hoffnung

Nicht bei der Kenntnis um die Probleme stehen bleiben, sondern die Dinge durchdringen, ihnen auf den Grund zu gehen und wirklich zu verstehen, was zu tun ist.

„Wir waren jene, die wussten, aber nicht verstanden.“ Dieser Satz steht am Beginn des Dokumentarfilmes „Wer wir waren“, der vom gleichnamigen Essay des Publizisten Roger Willemsen inspiriert ist. Der Essay ist aus der Perspektive einer zukünftigen Generation geschrieben, die auf unser Handeln in der Gegenwart und in der nächsten Zeit zurückblickt. Also Futur Zwei. Der neue Film lässt bedeutende Persönlichkeiten unserer Zeit wie etwa den Astronauten Dr. Alexander Gerst oder den Ökonomen Prof. Dr. Dennis Snower zu Wort kommen und ist ein Appell dafür, Lösungen für die großen ökologischen und sozialen Probleme unserer Gegenwart zu finden. Er wirbt dafür, nicht bei der Kenntnis um die Probleme, bei dem exponentiell zunehmenden in unserer Welt vorhandenen Wissen stehen zu bleiben, sondern die Dinge zu durchdringen, ihnen auf den Grund zu gehen und wirklich zu verstehen, was zu tun ist. Daran musste ich denken bei der Anfrage, einige Überlegungen beizutragen zum ambitionierten Thema „Zukunft unserer Welt“ dieser Ausgabe. Die Probleme, denen wir uns stellen müssen, um dieser Welt eine Zukunft zu geben, sind ja wuchtig: Krieg und Vertreibung, Armut und Hunger, Klimawandel und Artensterben sind nur einige Schlagworte.

Bischof Dr. Georg Bätzing, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, hat im September 2020 einen Beitrag veröffentlicht, der mit „Corona und die Suche nach der künftig gewesenen Zeit“ betitelt ist. Auch diese Gedankengänge folgen der Logik des Futur Zwei. Unter anderem fragt Bischof Bätzing, ob der Kampf der europäischen Regierungen gegen Corona „gleichzeitig den großen Kurswechsel im Kampf gegen den Klimawandel zur Bewahrung der Schöpfung eingeleitet haben“ wird. Aus heutiger Sicht lässt sich diese Frage nicht eindeutig beantworten. Realistisch betrachtet war es eher kein epochaler Kurswechsel, es gibt jedoch einigen Grund für eine positive Grundstimmung. Die Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union sind in den letzten dreißig Jahren bereits um rund 26 % zurückgegangen. Mit dem Europäischen Grünen Deal verfolgt die EU-Kommission seit seiner Vorstellung im Dezember 2019 das ambitionierte Projekt, erster klimaneutraler Kontinent der Welt zu werden. Ein wesentlicher Teil der Investitionsmittel gegen die Corona-Krise fließt in diesen Grünen Deal. Auch global bewegt sich die Klimadiplomatie in die richtige Richtung – auf der letzten Weltklimakonferenz in Glasgow hat sich jedenfalls niemand der Realität verweigert, dass das fossile Zeitalter mit einem nahen Enddatum versehen werden muss und beispielsweise Kohle als Energieträger keine Zukunft hat. Weiterhin sind aber große Anstrengungen notwendig, wenn es uns gelingen soll, unseren Wohlstand und den menschlichen Fortschritt vom Ressourcenverbrauch abzukoppeln. Globale Ungerechtigkeiten dürfen dabei nicht aus dem Blick geraten.

Angst ist kein guter Ratgeber in Krisenzeiten, wo es doch vielmehr darum geht, Dinge anzupacken und Probleme zu lösen.

Laut einer Allensbach-Umfrage von März 2022 sind nur 19 % der Befragten im Hinblick auf die kommenden zwölf Monate optimistisch gestimmt. Ein deutliches Alarmsignal, das zeigt, wie schwer das Vertrauen in die Zukunft angeschlagen ist in einer Zeit, in der sich eine Krise an die andere reiht. Nicht selten werden apokalyptische Schreckensszenarien an die Wand gemalt, wenn die Zukunft unserer Welt beschrieben wird. Eines steht jedoch fest: Angst ist kein guter Ratgeber in Krisenzeiten, wo es doch vielmehr darum geht, Dinge anzupacken und Probleme zu lösen. Es ist mir wichtig, trotz allem eine zuversichtliche und hoffnungsvolle Perspektive auf die Zukunft einzunehmen. Das gilt auch allgemeiner mit Blick auf die sozial-ökologische Transformation, mit der es unserer Gesellschaft und der ganzen Welt gelingen muss, den Klimawandel und die Schädigung der Umwelt aufzuhalten und die soziale Lage benachteiligter Menschen zu verbessern.

Umkehr ist nicht nur eine dringend notwendige Abkehr von bisherigen Pfaden, sondern auch ein Ruf hin zu einem anderen Leben, das gut für alle sein kann, das im Einklang mit der Schöpfung und der menschlichen Würde steht und das Freude macht.

Viele haben Angst davor, Gewohnheiten zu ändern und überholte Gewissheiten aufzugeben. Was individuell nur zu verständlich ist, erst recht, wenn es um ganz handfeste Dinge wie Arbeitsplätze geht, führt jedoch auch dazu, dass Verhaltensweisen perpetuiert werden, die in einer Gesamtperspektive mit Schäden an Umwelt und Mitmenschen verbunden sind. In diesem Kontext sind zudem unbequeme Fragen von Macht, Korruption und systemischen Fehlentwicklungen zu stellen. Umso wichtiger ist es aber auch, attraktive Zukunftsvorstellungen für unsere Gesellschaft und gangbare Wege dahin aufzuzeigen. Die lesenswerte Studie „Wie sozial-ökologische Transformation gelingen kann“ der Sachverständigengruppe Weltwirtschaft und Sozialethik der Deutschen Bischofskonferenz stellt Überlegungen an, wonach Umkehr nicht nur eine dringend notwendige Abkehr von bisherigen Pfaden darstellt, sondern auch ein Ruf hin zu einem anderen Leben ist, das gut für alle sein kann, das im Einklang mit der Schöpfung und der menschlichen Würde steht und das Freude macht. Eine Grundstimmung von Freude und Hoffnung wird übrigens auch im Titel der wichtigen Umwelt- und Sozialenzyklika Laudato si’ („Gelobt seist du“) von Papst Franziskus deutlich, der sich auf den Sonnengesang des Heiligen Franziskus von Assisi bezieht, in dem dieser unserem Herrn unter anderem für unsere „Erde, die uns erhält und lenkt“ dankt.

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