012022

Foto: Etienne Girardet/Unsplash

Praxis

Frank Schmähling

Überzeugen statt belehren: Wege zu nachhaltigem Handeln

Bei futur2 ist es uns wichtig, dass wir Berichten aus der Praxis Raum geben. Die memo AG ist ein Versandhandel, der explizit mit der Nachhaltigkeit seiner Produkte und Prozesse wirbt. Wir haben uns an Frank Schmähling, Vorstand der memo AG, gewandt und um einen Beitrag gebeten. Uns interessierte die Frage, welche Rolle ein Unternehmen bei der anstehenden nachhaltigen Transformation spielen kann.

Alle Fakten liegen auf dem Tisch. Die regelmäßigen Sachstandsberichte des Weltklimarats (IPCC) werden immer eindringlicher. Wir haben nicht mehr viel Zeit, eigentlich gar keine mehr, um die Folgen des Klimawandels einzudämmen und das 1,5-Grad-Ziel doch noch zu erreichen. Der Klimawandel bereitet auch großen Teilen der Gesellschaft immer mehr Sorgen. Und auch die Politik hat endlich erkannt, dass nun dringender Handlungsbedarf besteht und mahnt zu mehr Tempo. Aber warum dauert dann alles so lange und warum wird häufig nur geredet und nicht gehandelt?

Warum dauert dann alles so lange und warum wird häufig nur geredet und nicht gehandelt?

Innerhalb der memo AG stellen wir uns diese Frage fast täglich. Warum kaufen Menschen immer noch zu viele konventionelle Produkte? Warum bestehen nach wie vor so viele Vorurteile gegenüber nachhaltigen Produkten? Warum zählt häufig nur der Preis, obwohl doch die Vorteile nachhaltiger Produkte und nachhaltigen Handelns längst bekannt sind?

Hürden nachhaltigen Handelns

Ein Beispiel ist das Thema Recyclingpapier. Hier gibt es zahlreiche Studien, die den ökologischen Nutzen bei der Herstellung und Verwendung von Papierprodukten aus 100 % Altpapier (mit Blauem Engel) belegen. Wälder, Klima und Biodiversität werden dadurch geschützt. Dennoch hören wir immer wieder das Argument, Recyclingpapier sei doch grau und staubig und schlecht für Drucker. Das ist längst widerlegt: Recyclingpapier steht Frischfaserpapier in nichts nach, hat aber im Gegensatz dazu viele ökologische Vorteile, v.a. dass bei der Produktion kein frischer Zellstoff verwendet wird und damit die Wälder entlastet werden.

Häufig erleben wir auch, dass bei einer nachhaltigen Beschaffung von Büroprodukten bei Gewerbekund*innen letztlich nur der Preis ausschlaggebend ist. So landen dann in einem Büro nicht die qualitativ hochwertigen, reparierbaren und ergonomischen Bürostühle, sondern die vermeintlich günstigere Variante. Wir müssen uns aber vergegenwärtigen, dass bei derartigen Produkten die Folgekosten für Umwelt und Klima externalisiert werden und auch die Menschen, die am Anfang der Wertschöpfungskette stehen, die Kosten tragen müssen. Würden die Schäden, die „billige“ Produkte verursachen, eingepreist, wären nachhaltige Produkte günstiger.

Wer sich aber einmal ernsthaft auf das „Abenteuer Nachhaltigkeit“ eingelassen hat, kann bestätigen, dass nachhaltiges Handeln eine Bereicherung und keine Einschränkung ist.

Was uns auch nicht weiterhilft, ist die Diskussion des „Verzichts“. Gerade im Zusammenhang mit nachhaltigem Handeln wird von „Verboten“ und „Verzichten“ gesprochen. Das schreckt viele Menschen ab, da sie darin einen Verlust ihres Lebensstandards sehen. Klar ist, dass in Zukunft weniger mehr sein muss: weniger Ressourcenverbrauch, weniger Flächenbedarf, weniger Fleisch, weniger (Flug-)Reisen – die Liste kann beliebig fortgesetzt werden. Wer sich aber einmal ernsthaft auf das „Abenteuer Nachhaltigkeit“ eingelassen hat, kann bestätigen, dass nachhaltiges Handeln eine Bereicherung und keine Einschränkung ist. Und das gilt für Privatpersonen wie Unternehmen und Organisationen gleichermaßen.

Lösungen für mehr nachhaltiges Handeln

Um es also unseren Kund*innen so einfach wie möglich zu machen, nachhaltig einzukaufen und nachhaltig zu handeln, überzeugen wir durch Information und nicht durch Belehrung. Der erste Schritt zu mehr verantwortungsvollem Handeln ist Wissen, das wir unseren Kund*innen in möglichst einfacher, verständlicher und übersichtlicher Form vermitteln. Sie finden es in unseren Onlineshops direkt bei den Produkten, in Newslettern, sonstigen Werbemedien, in unseren sozialen Netzwerken und in unserem memo Nachhaltigkeitsbericht, der alle zwei Jahre erscheint.

Auch die Kosten behalten wir für sie im Blick, was in Zeiten unterbrochener Lieferketten, Rohstoffengpässen und immer weiter steigender Energiepreise gar nicht so einfach ist. Dennoch verzichten wir bei zahlreichen Produkten bewusst auf einen höheren Gewinn, damit nachhaltige Produkte für die breite Gesellschaft leistbar sind und bleiben. Serviceleistungen wie der Versand in unserem Mehrweg-Versandsystem „memo Box“ und die Zustellung in immer mehr deutschen Städten per Elektrolastenrad bieten wir sogar ohne Aufpreis zu unseren Versandkosten an und tragen die Mehrkosten sowie den weiteren Aufwand selbst. Wirtschaftlicher Erfolg ist wichtig, da wir nur so Arbeitsplätze erhalten und nachhaltige Maßnahmen umsetzen können. Diese gibt es nicht umsonst, aber wir setzen sie aus Überzeugung um. Auf diese Weise wollen wir auch anderen Unternehmen zeigen, dass nicht kurzfristige Gewinnmaximierung, sondern nachhaltiges Wirtschaften zum Erfolg führt. Als Unternehmen nehmen wir zum Teil erheblichen Aufwand in Kauf, um nachhaltige Maßnahmen umzusetzen. Und nicht immer amortisieren sich die Kosten dafür oder erst sehr viel später. Aber das sollte generell nicht der Antrieb sein. Wir machen das mit Freude, weil wir davon überzeugt sind, dass wir als Versandhandel ein Teil des Problems sind, aber auch unseren Beitrag zur Lösung des Problems leisten können. Und wir wollen seit über 30 Jahren und auch in Zukunft nicht auf Kosten der nachfolgenden Generationen, der Umwelt und des Klimas leben und arbeiten.

Für uns sind das Engagement und die Arbeit in einem immer größer werdenden Netzwerk nachhaltiger Unternehmen und Organisationen essentiell, um die Entwicklung einer nachhaltigen Gesellschaft voranzutreiben.

Unser aktueller memo Nachhaltigkeitsbericht 2021/22 trägt den Titel „Gemeinsam Handeln“. Für uns sind das Engagement und die Arbeit in einem immer größer werdenden Netzwerk nachhaltiger Unternehmen und Organisationen essentiell, um die Entwicklung einer nachhaltigen Gesellschaft voranzutreiben. So sind wir beispielsweise seit vielen Jahren Mitglied beim B.A.U.M. e.V. und beim BNW e.V., die sich für nachhaltiges Wirtschaften in Unternehmen jeder Größe einsetzen. Die Zahl dieser Unternehmen wird immer größer und am Ende werden die verlieren, die sich nicht zukunftsfähig ausgerichtet haben. Das Gemeinschaftsgefühl, das u.a. durch die Netzwerkarbeit entsteht, ist einer der wichtigsten und stärksten Treiber der nachhaltigen Transformation.

Ein Blick in die Zukunft

Lassen Sie uns zum Schluss noch einen Blick in die Zukunft werfen. Wir schreiben das Jahr 2050. Ich denke immer wieder daran, dass eine kluge Frau Anfang der 2010er Jahre einmal auf die Frage, ob die Transformation denn ein Können oder ein Muss sein würde, geantwortet hat, dass es wohl eher ein Muss sein würde. So ist es dann auch gekommen. Nachdem wir nach immer dringlicher werdenden Apellen der Wissenschaft zu zögerlich in der Umsetzung des Klimaschutzes waren, sind wir irgendwann an den Punkt gekommen, wo gehandelt werden musste.

Mehrere heiße und trockene Jahre hintereinander haben weiteren Wassermangel und Dürren mit Ernteausfällen nach sich gezogen. Die erste Pandemie – Covid-19 – ist dank fortschreitender medizinischer Entwicklung und einer doch noch gerechten Verteilung der Impfstoffe weltweit besiegt. Aber immer wieder treten andere Zoonosen auf, da wir vor allem der Tierwelt zu lange zu nah gekommen sind. Einige Teile der Erde sind kaum mehr bewohnbar, vor allem aufgrund des gestiegenen Meeresspiegels. Immerhin konnten wir aber den weiteren Eintrag von Plastik in die Gewässer stoppen und auch einen Großteil des Mülls durch verschiedene Techniken wieder herausholen. Dieses Material dient nun als Recyclingmaterial zur Herstellung verschiedener neuer Produkte. Kreislaufwirtschaft ist mittlerweile völlig normal. Es gibt kaum mehr Müll und der, der entsteht, ist jetzt ein wichtiger Rohstoff. Nach wie vor benötigen wir jedoch eine Unmenge an Energie, die jedoch weitestgehend aus 100 % erneuerbaren Quellen gewonnen wird. Die Politik konnte doch noch die notwendigen Weichen stellen und so werden nur noch die energieintensiven Industrien zentral versorgt. Alles andere erfolgt dezentral, z.B. durch gebäudeeigene Solar- und Photovoltaikanlagen. Auch unsere Mobilität hat sich verändert. Vor allem in den Städten haben Fußgänger*innen und Radfahrer*innen Vorfahrt. Der ÖPNV wurde auch in den ländlichen Räumen intelligent ausgebaut und angepasst. Im Bildungswesen ist der Bereich Nachhaltigkeit ein wichtiger Baustein jedes Schulfachs.

Wir haben zumindest ganz im Sinne von SDG 17 (Partnerschaften zur Erreichung der Ziele) begriffen, dass wir – trotz fortschreitender Erkundung des Weltalls – nur eine Heimat haben, die nur dann geschützt und bewahrt werden kann, wenn wir alle an einem Strang ziehen.

Die memo AG gibt es nach wie vor. Unser Bekanntheitsgrad in Deutschland ist in den letzten Jahrzehnten erheblich gestiegen – auch weil die Menschen gezielt darauf achten, was und bei wem sie einkaufen. Wir ermöglichen verantwortungsvollen Konsum für alle. Verändert hat sich unser Sortiment. Verkauften wir vor 30 Jahren noch überwiegend Büromaterial an gewerbliche Endverbraucher*innen, sind es heute fast ausschließlich Produkte des täglichen Bedarfs. Das papierlose Büro ist dank digitaler Technik Wirklichkeit geworden. Papier und Kartonagen gehören auch in der Logistik weitestgehend der Vergangenheit an. 2021 nutzten rund 25 % unserer Kund*innen unser Mehrweg-Versandsystem „memo Box“. Heute sind es nahezu 100 %. Auch bei anderen Händlern hat sich Mehrweg im Versand durchgesetzt. Die Zustellung von Waren auf der letzten Meile erfolgt mit verschiedenen Zustellfahrzeugen, die emissionsfrei unterwegs sind – und das Elektrolastenrad ist eine Variante vor allem in Städten und Ballungsräumen. Wir haben im Jahr 2016 die Zusammenarbeit mit Radlogistik-Unternehmen begonnen und 2022 bereits in 13 Städten auf diese Weise ausgeliefert. Heute arbeiten wir in nahezu allen deutschen Städten auch dank vereinheitlichter Technik mit entsprechenden Partnern zusammen.

Die Welt ist nach wie vor kein Paradies. Wir haben die 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (SDGs) noch nicht vollständig erreicht. Es gibt immer noch Armut und kriegerische Auseinandersetzungen in Teilen dieser Welt, bei denen es meist um wertvolle Rohstoffe und um Wasser geht. Aber wir haben zumindest ganz im Sinne von SDG 17 (Partnerschaften zur Erreichung der Ziele) begriffen, dass wir – trotz fortschreitender Erkundung des Weltalls – nur eine Heimat haben, die nur dann geschützt und bewahrt werden kann, wenn wir alle an einem Strang ziehen.

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