022019

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Statements

Manfred Rekowski

Macht darf nicht strukturell zementiert sein

Bitte stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Der Kirche gelingt es, sich den gesellschaftlichen und organisatorischen Herausforderungen zu stellen und sie folgt dabei konsequent ihrer Botschaft.

  1. Hat sich der persönliche Umgang mit Macht seitens kirchlicher Verantwortungsträger/innen (Haltungen und Verhalten) oder die institutionellen Bedingungen von Machtausübung in der Kirche (Machtarchitektur) verändert und wenn ja, wie?
  2. Welche (alternativen) Machtphänomene, -mechanismen und -verwerfungen erwarten Sie, wenn sich Machtstrukturen, Haltungen und Verhalten tatsächlich in der von Ihnen beschriebenen Weise verändern werden?

Mir ist die Aufgabe gestellt, in einem Zukunftsszenario einen gelingenden Umgang mit Macht in der Kirche darzustellen. Das soll ich unter der Bedingung tun, dass „die Kirche dabei konsequent ihrer Botschaft“ folgt. Nun könnte ich es mir bei dieser inhaltlichen Vorgabe sehr einfach machen: Eine Kirche, die konsequent dem Evangelium Jesu Christi folgt, lebt aus der Macht des Wortes Gottes allein. Nicht Menschen sind es, die einer idealen Kirche Macht haben. Ihr Verhältnis zueinander ist bestimmt durch Gottes Verhältnis zu ihnen, es ist geprägt durch die Liebe, mit der Gott uns Menschen liebt. Das sind steile theologische Aussagen. So richtig sie sind, sie lassen sich sicherlich nicht immer so leicht mit der real existierenden Kirche vermitteln, wie sie sich als einer Großorganisation zu Beginn des 21. Jahrhunderts darstellt.

Als Theologe weiß ich, dass keine menschliche Sozialstruktur vor Missbrauch gefeit ist.

Ich gehe also in dem Zukunftsszenario davon aus, dass auch die Kirche der Zukunft nicht nur und allein ihrer Botschaft folgt, sondern aus Menschen besteht, die zwar von der Botschaft des Evangeliums berührt sind, die aber auch noch andere, ganz menschliche Seiten haben. Der persönliche Umgang mit Macht ist und bleibt deshalb eine Herausforderung für jeden Menschen in einer kirchenleitenden Position. Es hilft wenig, das zu moralisieren. Sprichwörtlich sind ja die „Moralapostel“, die auch Moral mit viel Macht verbinden können. Hier muss sich jede und jeder immer wieder neu prüfen, ob die eigene Handlungsweise der gemeinsamen Botschaft folgt oder nicht doch eher dem Eigeninteresse.

Wer über Macht redet, darf nicht nur über einzelne Menschen, sondern muss auch über soziale Strukturen reden. Die Evangelische Kirche im Rheinland ist seit langer Zeit eine presbyterial-synodal verfasste Kirche, das heißt, dass ihre Struktur schon jetzt einen bestimmten Umgang mit der Macht vorgeben. Entscheidungen werden in den vielfältig besetzten Gremien gefällt, einerseits in den Leitungsgremien der Gemeinden, den Presbyterien und andererseits auf den Ebenen des Zusammenschluss vieler Gemeinden, auf den Synoden. Oft gehen den Entscheidungen viele Diskussionen voran, nicht immer können die Entscheidungen im Konsens gefasst werden. Schon heute ist also die Macht in der Evangelischen Kirche im Rheinland auf viele Schultern verteilt und das darf sich auch in der Zukunft nicht ändern.

Als Theologe weiß ich, dass keine menschliche Sozialstruktur vor Missbrauch gefeit ist. Es können Gewohnheiten einsetzen, es können sich in Gremien Gruppen mit Partikularinteressen durchsetzen. Der Umgang mit Macht bleibt deshalb auch in der Kirche der Zukunft eine ständige Herausforderung. In einem idealen Fall ist die Macht immer mit einem Gestaltungswillen verbunden, der die Kirche für ihren Auftrag in der Gesellschaft stärkt, für die Verkündigung des Evangeliums und den Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Macht ist notwendig, um etwas durchsetzen zu können, um etwas verändern zu können. Jedoch sollte jede Machtentfaltung immer aus dem kirchlichen Auftrag abgeleitet werden können.

In einem idealen Fall ist die Macht immer mit einem Gestaltungswillen verbunden, der die Kirche für ihren Auftrag in der Gesellschaft stärkt, für die Verkündigung des Evangeliums und den Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung.

Im Idealfall beeinflussen sich viele Menschen in unterschiedlichen Gremien gegenseitig, sind in einem lebendigen Austausch. Weil nicht alle gleich sind, weil sie unterschiedliche Gaben haben und nicht alle gleich überzeugend sind, wird es auch in einer offenen Kommunikation Machtgefälle geben. Aber diese Macht darf nicht strukturell zementiert sein. Ideal wäre es dann, dass Macht sich nicht in erster Linie über organisatorische Strukturen äußert, sondern über den Einfluss, den bestimmte Menschen im Ringen um bessere und zukunftsweisende Lösungen durch ihre überzeugenden Vorschläge gewinnen können. Denn, und das ist wieder ein zentraler theologischer Satz, die Lebendigkeit der Kirche kann nicht durch strukturelle Entscheidungen sicher gestellt werden, sondern durch den Geist Gottes, der die in der Kirche arbeitenden Menschen miteinander vereint.

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