012023

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Konzept

Ursula Hahmann, Udo Schnieders und Andreas Wöhrl

Kirchliche Mitgliederkommunikation – theoretisch fundiert und praktisch erprobt

Der fortschreitende Relevanzverlust der Kirche und der christlichen Botschaft – auch bei Kirchenmitgliedern – fordert die Kirchen zu einer stärkeren Orientierung an den Menschen heraus. Hierbei sind insbesondere jene 90-95 Prozent der Mitglieder in den Blick zu nehmen, die aktuell höchst selten oder gar nicht durch kirchliches Handeln erreicht werden. Der Beitrag fokussiert die Frage, wie Mitgliederbindung theoretisch erklärt werden kann und wie Mitgliederkommunikation einen Beitrag zu ihrer Stärkung leistet. Dabei werden Besonderheiten der kirchlichen Mitgliederkommunikation betrachtet und mögliche Ansätze vorgestellt. Am Beispiel des Erzbistums Hamburg wird gezeigt, wie eine kontinuierliche Mitgliederkommunikation praktisch umgesetzt werden kann.

Warum kirchliche Mitgliederkommunikation?

Die Kommunikation mit den Mitgliedern der Kirchen galt lange Zeit als „spezifische Domäne“ der Kirchengemeinden. Kirchliche Mitgliederkommunikation unterstützt „alle kirchlichen Praktiken (Lebensvollzüge als christlich-religiöse, kommunikative Handlungen), die dazu beitragen, dass ein Individuum sich mit der kollektiven Identität der Großkirche, …, identifiziert und darin bestätigt wird“1.

Sie dient dazu, mit den Mitgliedern in Kontakt zu bleiben, und zielt im Ideal auf die Integration der Mitglieder in die Lebens- und Deutungsgemeinschaft ab. Sie lädt zur Teilhabe am Leben und Wirken der Kirche ein. Als mitgliederorientierte Kommunikation orientiert sie sich an ihren Zielgruppen, deren Lebenswelten und Bedürfnissen.

2018 stellten Dessoy, Hahmann und Lames fest: „Konkrete Vorstellungen von der Lösung der zentralen Herausforderungen (Relevanzverlust – Mitgliederschwund – Ressourcenmangel) oder eines Weges dorthin scheint es nicht zu geben …“2 Die Autor:innen bringen die bis heute gültige Analyse auf den Punkt: „Grundsätzlich als Problemstellung bewusst, scheint die Orientierung auf Menschen, die Kirche nicht oder nicht mehr erreicht, also die Marketingperspektive in der Alltagspraxis sowie im kurz- und mittelfristigen Entscheidungshorizont völlig ausgeblendet zu sein: Man schaut auf jene, die noch kommen und die man kennt.”3

Eine durchgehende Orientierung an den Menschen hätte massive Folgen für das konkrete kirchliche Handeln – auch auf die Kommunikation mit den Mitgliedern.

Eine durchgehende Orientierung an den Menschen hätte massive Folgen für das konkrete kirchliche Handeln – auch auf die Kommunikation mit den Mitgliedern. Sie macht eine strategische Entscheidung für eine innovative und experimentierfreudige nachhaltige Mitgliederkommunikation notwendig, die sich auf die 90-95 Prozent der Fernstehenden fokussiert. In der Praxis lässt sich jedoch beobachten, dass bei Kirchenleitungen und deren Verwaltungen bis heute das Argument ins Feld geführt wird, Mitgliederkommunikation sei zu teuer und auf Dauer nicht zu finanzieren. Das erscheint jedoch irreführend und angesichts der Tatsache, dass der größte Teil der immer noch hohen Kirchensteuererträge in die Infrastruktur für die ca. 5-10 Prozent der kirchennahen Mitglieder investiert wird, eher Ausdruck einer fehlenden Bereitschaft.

Eine strategische Entscheidung für Mitgliederkommunikation hat strategische und taktische Konsequenzen im Umgang mit den Kirchsteuermitteln zur Folge. Die aktive Kommunikation mit allen Kirchenmitgliedern als Vollzug des kirchlichen Auftrags erfordert eine Regelfinanzierung. Sinnvollerweise sollte sie mit einem zu definierenden einstelligen Prozentsatz der Einnahmen gesichert werden.

Mitgliederorientierung und -kommunikation sind „de facto der Stresstest für eine Kirche, die missionarisch wirken und neue Menschen für die Botschaft und die Nachfolge Jesu Christi gewinnen möchte“4.

Kundenbindung – Erkenntnisse aus der Marketingtheorie

Im Rahmen des Zukunftsprozesses des Bistums Essen wurde von Riegel, Köck und Faix eine explorative Studie durchgeführt, die sich mit Austrittsmotiven beschäftigt5. Hier zeigt sich, dass der Kirchenaustritt ein längerer Prozess ist. Die Forscher entwickeln auf Basis ihrer Befragung ein idealtypisches Modell des Kirchenaustritts, das zwischen verursachenden und bestimmenden Motiven unterscheidet. Sie identifizieren die Entfremdung von der Kirche bzw. eine fehlende Bindung zur Kirche als dominantes Motiv für den Austritt (vgl. Abb. 1).

Abb. 1: Idealtypisches Modell des Kirchenaustritts (Quelle: Riegel/Kröck/Faix 2018, S. 188).

Kundenbindung als theoretisches Konstrukt

Wenn fehlende Bindung als das „bestimmende Motiv“ identifiziert wird, lohnt der Blick darauf, wie eine solche Bindung erklärt werden kann. Ein ähnliches Konstrukt findet in der Marketingtheorie Beachtung, bezieht sich dann jedoch nicht auf die Eigenschaft als „Mitglied“, sondern als „Kund:in“. Die Kundenbindung ist ein theoretisches Konstrukt, zu dem verhaltenswissenschaftliche Erklärungsansätze existieren. Hier wird der Begriff der Kundenbindung aus Kundenperspektive betrachtet. Daneben existieren Begriffsverständnisse aus Anbietersicht und aus der Perspektive der Geschäftsbeziehung. Aus Anbietersicht werden unter Kundenbindung alle Aktivitäten verstanden, eine Geschäftsbeziehung eng zu gestalten. Im Kontext der Geschäftsbeziehung ist Kundenbindung das System von Aktivitäten zur Verbesserung des gesamten Transaktionsgeschehens. Kundenbindung aus Nachfragerperspektive steht in engem Zusammenhang mit verschiedenen verwandten Konstrukten wie Kundennähe, -orientierung, -loyalität, -treue oder -zufriedenheit (s. Kasten).

Kundennähe bezieht sich auf die Qualität der Beziehung zwischen einem Unternehmen und seinen Kund:innen. Wird eine hohe Kundennähe angestrebt, gilt es, Kund:innen gut zu kennen, ihre Bedürfnisse zu verstehen und ihnen einen persönlichen, individuellen Service zu bieten. Kundenorientierung bezieht sich auf die grundlegende Ausrichtung von Unternehmen auf die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden. Unternehmen, die Kundenorientierung praktizieren, stellen die Kund:innen in den Mittelpunkt ihres Handelns. Kundenloyalität beschreibt die Neigung von Kund:innen, einer bestimmten Marke oder einem Unternehmen über einen längeren Zeitraum treu zu bleiben. Loyalität entsteht durch positive Erfahrungen, Vertrauen, Zufriedenheit und das Gefühl, dass die Marke oder das Unternehmen den Bedürfnissen und Erwartungen entspricht. Damit entspricht sie dem Begriff der „intentionalen Kundenbindung“. Kundentreue ist ähnlich wie Kundenloyalität, bezieht sich jedoch auf beobachtetes Verhalten wie wiederholte Käufe oder wiederholte Nutzung eines Produkts oder einer Dienstleistung (Handeln entspricht der „faktischen Kundenbindung“). Treue Kund:innen kaufen oder nutzen immer wieder, ohne aktiv nach Alternativen zu suchen. Kundenzufriedenheit wiederum bezieht sich auf das Ausmaß, in dem ein Produkt, eine Dienstleistung oder ein gesamtes Kontakterlebnis den Erwartungen der Kund:innen entspricht. Zufriedene Kund:innen sind eher geneigt, treu zu bleiben und positive Empfehlungen auszusprechen.

Bei der Kundenbindung werden nicht einzelne Kontakte oder Transaktionen fokussiert, sondern die längerfristige, ganzheitliche (Geschäfts-)Beziehung betrachtet.

Bei der Kundenbindung werden nicht einzelne Kontakte oder Transaktionen fokussiert, sondern die längerfristige, ganzheitliche (Geschäfts-)Beziehung betrachtet. Daher ist eine von Kundenbindung als wiederholtes Kaufverhalten oder sog. „Repeat Patronage“ eine zu enge und rein auf das Verhalten fokussierte Perspektive. Tatsächlich geht das heutige Verständnis von Kundenbindung über das bloße Kaufverhalten hinaus. Während also behavioristische Ansätze sich ausschließlich auf das Kaufverhalten beziehen und der Kaufgrund nicht von Interesse ist, beschäftigen sich einstellungsorientierte Konzepte mit den Motiven und Interessen der Kaufenden. Um beide Facetten der Kundenbindung abzudecken, werden vermehrt integrative Ansätze angewendet, die sowohl Verhaltens- als auch Einstellungsaspekte berücksichtigen.

Daher kann Kundenbindung als die Einstellung eines Kunden gegenüber einer Geschäftsbeziehung beschrieben werden, die sich in tatsächlichem Verhalten (Transaktionen) widerspiegelt6. Aus Kundenperspektive kann Kundenbindung so ein psychisches Konstrukt der Verbundenheit oder Verpflichtung einer Person gegenüber einer einem Unternehmen oder einer Institution verstanden werden.

Auf Basis dieses Begriffsverständnisses können dann unter Berücksichtigung des Grades der Verhaltenskonkretisierung intentionale Kundenbindung (Verhaltensabsichten) und faktische Kundenbindung (tatsächliches Verhalten) unterschieden werden. Die intentionale Kundenbindung bezieht sich damit auf Absichten und Vorlieben des Kunden, die darauf deuten, dass er in Zukunft weiterhin bei dem Unternehmen kaufen wird. Faktische Kundenbindung hingegen basiert auf dem tatsächlichen Verhalten des Kunden. Sie zeigt sich darin, dass der Kunde wiederholt bei dem Unternehmen kauft oder dessen Dienstleistungen in Anspruch nimmt.

Verschiedene Einflussfaktoren können auf die Kundenbindung wirken:

  • Situative Faktoren, z.B. Kundenbindung zur Bäckerei, weil diese günstig auf dem Weg zur Arbeit liegt
  • Rechtliche Faktoren, z.B. Kundenbindung zum Mobilfunkanbieter wegen langer Vertragslaufzeit
  • Ökonomische Faktoren, z.B. Kundenbindung zur Handelsmarken-Marmelade des Discounters, weil sie günstiger ist als andere Marken
  • Technologische Faktoren, z.B. Kundenbindung zu einer Software, weil diese benötigte Funktionen enthält
  • Psychologische Faktoren, z.B. Kundenbindung aufgrund von Zufriedenheit nach Konsum
  • Soziale Faktoren, z.B. Kundenbindung zu einer bestimmten Modemarke, weil sie den sozialen Status demonstriert

Erklärungsansätze zur Entstehung der Kundenbindung

Unter den Einflussfaktoren kommt den psychologischen Aspekten besondere Bedeutung zu, da sie an den anderen Faktoren implizit oder explizit beteiligt sind bzw. auf sie einwirken. Daher werden im Folgenden zentrale verhaltenswissenschaftliche Ansätze betrachtet, die ein Entstehen von Kundenbindung erklären können.

Wahrgenommenes Risiko

Konsumentscheidungen sind mit subjektiven Risiken verbunden. Dies gilt umso mehr, wenn die Entscheidung mit gewichtigen Konsequenzen verbunden sind, die unangenehm sein können. Das Risikoempfinden wird umso stärker, je schlechter sich die Konsequenzen der Entscheidung vorab abschätzen lassen. Es gibt verschiedene Arten von Risiken, mit denen Konsumenten konfrontiert sind. Funktionale Risiken beziehen sich z.B. auf Eigenschaften der Leistungen – hier besteht die Unsicherheit, ob die gewünschten Attribute tatsächlich enthalten sind oder die angestrebten Wirkungen eintreten. Finanzielle Risiken beziehen sich auf die Möglichkeit, übermäßig Geld zu verlieren, zu viel zu zahlen oder einen schwachen Gegenwert für den investierten Betrag zu erhalten. Soziale Risiken beziehen sich auf die möglichen negativen Auswirkungen einer Kaufentscheidung auf das Image oder Prestige einer Person.

Merkt das Brautpaar beim Einzug in die Kirche, dass der Kirchenmusiker inkompetent ist, hat es keine Chance, diesen Eindruck zu retten.

Der Aspekt des wahrgenommenen Risikos gilt umso stärker bei Dienstleistungen (also auch für pastorale/gemeindliche Angebote), die ihrem Wesen nach intangibel sind. Anders als bei Produkten lassen sich zudem viele Eigenschaften nicht vor dem Kauf zuverlässig prüfen – sie müssen schlicht geglaubt werden. Zusätzlich fallen bei Dienstleistungen – anders als bei Produkten – Produktion und Konsum zusammen (uno-actu-Prinzip). Eine falsche Entscheidung lässt sich nicht revidieren, ein Umtausch ist bei Dienstleistungen nicht möglich, was das Risiko des Konsumenten erhöht. Merkt das Brautpaar beim Einzug in die Kirche, dass der Kirchenmusiker inkompetent ist, hat es keine Chance, diesen Eindruck zu „retten“.

Ab einer individuellen Toleranzschwelle suchen Kund:innen nach Möglichkeiten, das subjektive Risiko zu senken – eine Möglichkeit dazu besteht in der Kundenbindung. Wenn ein Kunde wiederholt ein bestimmtes Produkt einer Marke kauft, entwickelt er im Laufe der Zeit eine Beziehung zu dieser Marke. Mit jeder positiven Erfahrung sinkt das wahrgenommene Risiko für zukünftige Kaufentscheidungen. Die faktische Kundenbindung schafft also Vertrauen und reduziert das empfundene Risiko, da der Kunde davon ausgeht, dass die Marke weiterhin seinen Erwartungen entsprechen wird. Dies kann gestärkt werden, indem Unternehmen über Kundenbindungsmaßnahmen, insbesondere Kommunikation, proaktiv das Vertrauen der Kunden stärken und die Toleranzschwelle für wahrgenommene Risiken erhöhen.

Theorie der kognitiven Dissonanz

Die auf Festinger zurückgehende Theorie der kognitiven Dissonanz7 zählt zu den Konsistenztheorien, die zu erklären suchen, wie das Streben der Menschen nach Widerspruchsfreiheit erklärt werden kann8. Im konkreten Fall besagt sie, dass Menschen bestrebt sind, Widerspruchsfreiheit in ihren kognitiven Strukturen herzustellen: Wenn eine Person einen Widerspruch zwischen zwei Kognitionen empfindet, entsteht kognitive Dissonanz, die als unangenehm empfunden wird und das Bedürfnis nach Reduzierung dieser Dissonanz auslöst. Kognitionen können Meinungen, Wünsche, Annahmen, Kenntnisse, Erinnerungen, wahrgenommenes eigenes Verhalten und die wahrgenommenen Folgen eigener Verhaltensweisen, ebenso aber auch Annahmen über andere Personen und deren Verhaltensweisen sein.

Die Motivation zur Beseitigung von Dissonanz hängt von ihrer erlebten Stärke ab. Wenn der relative Anteil der dissonanten Elemente in Bezug auf ihre Wichtigkeit größer ist als der Anteil der konsonanten Elemente, entsteht ein Ungleichgewicht, das als unangenehm empfunden wird. Dann erfolgen Maßnahmen, die kognitive Dissonanz zu reduzieren.

Die Theorie der kognitiven Dissonanz kann einen Erklärungsbeitrag zur Kundenbindung leisten. Wenn beispielsweise eine Kundin negative Erfahrungen mit einem Produkt macht, das nicht ihren Erwartungen entspricht, zeigt sich eine Diskrepanz zwischen der erwarteten und der erlebten Leistung. Dies kann zu kognitiver Dissonanz führen und die Kundin motivieren, Maßnahmen zu ergreifen, um diese Dissonanz zu reduzieren, wie z.B. nach Informationen zu suchen, die die negativen Erfahrungen relativieren. Beim Auftreten relevanter Dissonanzen stehen grundsätzlich drei Möglichkeiten zur Reduktion zur Verfügung:

  • Hinzufügen neuer (konsonanter) Kognitionen
  • Veränderung dissonanter Kognitionen
  • Veränderung des Verhaltens

Daher sind Anbieter gut beraten, nicht nur vor oder während solch gewichtiger Entscheidungen die Kund:innen gut zu begleiten, sondern auch die postkonsumptive Phase aktiv kommunikativ zu gestalten.

Im Konsumkontext werden solche inneren Nachentscheidungskonflikte auch „Nachkaufkater“ genannt. Das sind die inneren Unsicherheiten, gerade bei Entscheidungen von großer subjektiver Relevanz. Entscheidungen, bei denen man sich nicht sicher ist, ob das Ergebnis der Entscheidung den Erwartungen entspricht. Die Person sucht dann nach Möglichkeiten, die Dissonanz zu reduzieren, z.B. durch Vermeidung dissonanter Informationen oder Suche nach Informationen, die die Richtigkeit der Entscheidung stützen. Beide Mechanismen tragen zur Kundenbindung bei. Daher sind Anbieter gut beraten, nicht nur vor oder während solch gewichtiger Entscheidungen die Kund:innen gut zu begleiten, sondern auch die postkonsumptive Phase aktiv kommunikativ zu gestalten.

Lerntheoretische Erklärungen

Aus der Lerntheorie folgen zwei mögliche Erklärungsansätze zur Kundenbindung: Die Theorie der operanten Konditionierung und Theorie des Lernens am Modell.

Das Lernprinzip der operanten Konditionierung beschreibt das Lernen am Erfolg. Je nachdem, was auf ein bestimmtes Verhalten folgt – ein angenehmer Zustand (z.B. Belohnung) oder ein unangenehmer Zustand (z.B. Bestrafung) – wird das Verhalten zukünftig häufiger bzw. seltener gezeigt. Die Theorie des operanten Konditionierens erklärt daher Kundenbindung also als Folge der erlebten Leistung. Wenn Kunden positive Erfahrungen mit einem Produkt oder einer Dienstleistung machen, also dadurch belohnt werden, entwickeln sie eine Bindung zur Marke. Durch die Erfüllung der Anforderungen und Bedürfnisse wird das Verhalten des Kunden verstärkt.

Das Lernen am Modell ist ein weiterer Mechanismus, Kundenbindung zu erklären. Menschen lernen durch Beobachtung des Verhaltens anderer und der darauffolgenden Konsequenzen. Wenn Kunden beobachten, dass andere Kunden positive Erfahrungen mit einer Marke machen und dafür belohnt werden, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie selbst eine ähnliche Verhaltensweise zeigen und sich an die Marke binden. Umgekehrt gilt natürlich auch: Wenn Kunden beobachten, dass bei anderen negative Erfahrungen vorliegen oder ihr Wechsel der Marke positiv für sie ist, sinkt die Kundenbindung.

Wirkungskette

Sucht man nun nach Ansatzpunkten für eine Stärkung der Kundenbindung, hilft ein Blick auf die Wirkungskette, die sich vereinfacht so strukturieren lässt (vgl. auch Abb. 2): Beim (Erst-)Kontakt mit dem Anbieter nimmt der Kunde ein Produkt oder eine Dienstleistung in Anspruch. Diesen bewertet er: Er gleicht seine Erfahrungen mit seinen Erwartungen ab und bewertet die Leistungen und die Interaktionen mit dem Anbieter. Daraufhin bildet sich eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Kundenloyalität (intentionale Kundenbindung) aus. Wenn die Bewertung des Kunden positiv ausfällt oder seine Erwartungen sogar übertroffen wurden, entwickelt der Kunde ein grundsätzliches Vertrauensverhältnis zum Anbieter, hat eine allgemein positive Einstellung und akzeptiert die Leistungsfähigkeit des Anbieters. In dieser Phase ist der Kunde weniger bereit, zu einem anderen Anbieter zu wechseln und beabsichtigt, bei der nächsten Kaufsituation erneut die gleiche Marke, das gleiche Produkt oder die gleiche Einkaufsstätte zu wählen. (Faktische) Kundenbindung entsteht, wenn die Überzeugung des Kunden zu einer ausgeprägten inneren Bereitschaft führt und in einem realen Wiederkauf- oder Cross-Buying-Verhalten sichtbar wird. Der Kunde kauft wieder bei dem Anbieter ein, tätigt Zusatzkäufe und/oder empfiehlt das Unternehmen an potenzielle Kund:innen weiter. Der Ablauf der Wirkungskette wird von externen und internen Faktoren beeinflusst, die entweder positiv oder negativ auf den Kundenbindungsprozess wirken können.

Gestaltungsansätze bieten sich also insbesondere in der Angebotsgestaltung, der Leistungserstellung sowie der Gestaltung der Interaktion bzw. der Kommunikation.

Abb. 2: Wirkungskette der Kundenbindung (Quelle: in Anlehnung an Homburg/Bruhns 2003, S. 10.)

Unterschied zwischen Kundenbindung und (kirchlicher) Mitgliederbindung

Anders als bei Konsumentscheidungen beruhen die Bindungen i.d.R. nicht auf einer bewussten Entscheidung.

Die Ansätze zur Erklärung der Kundenbindung sind hilfreich auch im Blick auf die Erklärung der Mitgliederbindung von Kirchenmitgliedern. Nichtdestotrotz existieren Besonderheiten, die zu beachten sind. Dies gilt umso mehr für die ± 90% der Kirchenmitglieder, die nicht bzw. nicht mehr durch kirchliches Handeln erreicht werden. Anders als bei Konsumentscheidungen beruhen die Bindungen i.d.R. nicht auf einer bewussten Entscheidung. Die meisten Mitglieder wurden durch Kindertaufe bzw. Säuglingstaufe Teil der Kirche. Es ist also weder eine freiwillige noch eine bewusste Entscheidung für eine Mitgliedschaft. Der Aufbau von Kundenbindung geht zudem von existenten Konsumerlebnissen aus, die dann auch vom anbietenden Unternehmen mitgestaltet werden können. Aktuell muss jedoch angenommen werden, dass der Anteil der Mitglieder relativ hoch ist, die kaum oder keine Kontakte mit der Kirche bzw. kirchlichen Handlungen haben. Damit gibt es mitgliedsinduziert auch kaum oder keinen Spielraum, diese Kontakterlebnisse positiv zu gestalten. Schließlich existieren damit auch keine oder kaum postkonsumptive Phasen, die kirchlicherseits gestaltet werden könnten.

Bindungsbezogene Ansatzpunkte für das kirchliche Handeln

In den Mittelpunkt wären nicht jene 5-10 Prozent der Mitglieder zu rücken, für die Kirche aktuell den Großteil ihrer Ressourcen einsetzt, sondern eben jene, die derzeit nicht durch kirchliches Handeln erreicht werden.

Betrachtet man die Thematik der kirchlichen Mitgliederbindung marketingorientiert, erfordert sie vor allem eine stärkere Orientierung an den Menschen, den Mitgliedern. Das ist nicht exklusiv zu verstehen, sondern ein Ansatz, der Kirche zu großer Weite herausfordert. In den Mittelpunkt wären nicht jene 5-10 Prozent der Mitglieder zu rücken, für die Kirche aktuell den Großteil ihrer Ressourcen einsetzt, sondern eben jene, die derzeit nicht durch kirchliches Handeln erreicht werden (und dennoch Mitglieder sind)9. Dabei lassen sich grundsätzlich zwei praktische Hebel für eine Stärkung der Mitgliederbindung ausmachen: Zum einen in der Sphäre der Produktpolitik, zum anderen in der Kommunikationspolitik. Der Produktpolitik kommt eine zentrale Rolle zu; hier seien nur schlagwortartig einige beispielhafte Optionen aufgeführt:

  • adressatenorientierte Pastorale Zentren
  • Kasualagenturen, die relevante Teile der Wertschöpfungskette bei Kasualien in hoher Adressatenorientierung abdecken
  • co-kreativ angelegte Innovationen, um Lernprozesse anzustoßen und zugleich Beziehungsmanagement durch Adressatenintegration in Innovationsprozess zu betreiben
  • Gemeindeneugründungen, die einem kategorialen – also adressatenorientierten – Verständnis von Pastoral folgen
  • kreative Touchpoints, Schaffung von Gelegenheitsstrukturen, in denen die Botschaft erfahrbar wird

Zu den produktpolitischen Maßnahmen muss planvolle Kommunikation kommen, denn sie eröffnet die Möglichkeit des proaktiven Kontakts. Hierbei sind die Besonderheiten kirchlicher Kommunikation zu beachten.

Kommunikation mit „kirchenfernen“10 Mitgliedern – Kommunikation bei Low Involvement

Involvement

Mitgliederkommunikation der Kirche ist ein Baustein, um die Mitgliederbindung zu stärken. In diesem Zusammenhang ist die Bedeutung von Involvement zu berücksichtigen. Involvement stellt ein zentrales Konstrukt in der Konsumentenverhaltensforschung dar – es ist auch für die Konzeption der Kommunikation hoch relevant.

Involvement ist eine individuelle mentale Bedingung, auf die Kommunikation für ein bestimmtes Thema, Marke o.a. bei Empfänger:innen einer Botschaft trifft. Gemeint ist damit die innere Ich-Beteiligung des:der Rezipient:in und die damit verbundene Aktivierungsstärke sowie die Bereitschaft, Informationen zu suchen, aufzunehmen, zu verarbeiten und zu speichern.

Das Involvement ist zwar eine individuelle Eigenschaft, aber zugleich abhängig von dem betrachteten Objekt. Beispielsweise kann ein Bodybuilder aufgrund seines Hobbies hoch involviert beim Thema „Nahrungsergänzungen“ sein, zugleich aber Low Involvement beim Thema „Fahrräder“ aufweisen. Ein erhöhtes Involvement tritt meist phasenweise auf. Beispielsweise sind viele Paare kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes hoch involviert beim Thema „Kinderwagen“, was vermutlich schon ein Jahr später nicht mehr der Fall ist. Typischerweise tritt High Involvement rund um Anschaffungen von teuren, risikobehafteten oder emotional ansprechenden Objekten auf: Autos, Lebensversicherungen, Hochzeitskleidung.

Umgekehrt ist es bei Low Involvement: Die Aufmerksamkeit sind gering, die Menschen nehmen die Informationen kaum wahr und setzen sich nicht mit ihnen auseinander oder nur sehr oberflächlich.

Sind Menschen hinsichtlich eines bestimmten Objekts hoch involviert, so betreiben sie aktive Informationssuche und setzen sich aktiv mit den Informationen auseinander. Sie verarbeiten sie aufwändig und speichern sie im Langzeitgedächtnis. Dementsprechend ist ihre Urteilsbildung differenziert, sie wägen gewissenhaft Vor- und Nachteile ab unter Heranziehen von vergleichsweise vielen Eigenschaften. Die Auseinandersetzung mit Werbung ist ebenfalls differenziert und kritisch. Umgekehrt ist es bei Low Involvement: Die Aufmerksamkeit sind gering, die Menschen nehmen die Informationen kaum wahr und setzen sich nicht mit ihnen auseinander oder nur sehr oberflächlich. Daher speichern sie die Informationen auch meist nicht. In der Auseinandersetzung mit Werbung orientieren sich die Menschen an oberflächlichen Reizen, ohne viel darüber nachzudenken.

Low Involvement ist der Normalfall, selbst bei Autowerbung: 90-95% der Rezipient:innen einer Werbung werden aktuell nicht vor einer gravierenden Kaufentscheidung stehen bzw. per se hoch interessiert an dem beworbenen Themenfeld sein. Bei kirchenfernen Mitgliedern ist anzunehmen, dass bezogen auf die Kirche i.d.R. Low Involvement vorliegt. Daher ist nicht damit zu rechnen, dass kommunikativen Maßnahmen viel Aufmerksamkeit gewidmet wird und die Gefahr ist hoch, dass sie die Wahrnehmungsschwelle der angepeilten Rezipient:innen nicht überschreiten.

Reizverarbeitung

Grundsätzlich können mit dem Elaboration Likelihood Model (ELM) von Petty und Caccioppo11 zwei Wege der Reizverarbeitung unterschieden werden: Beim zentralen Weg der Verarbeitung erfolgt eine bewusste und motivierte kognitive Auseinandersetzung mit den Botschaften, während der periphere Weg zu einer eher affektiven Verarbeitung führt, wobei hier die Kernbotschaft eher flüchtig gespeichert wird – es geht hier eher um oberflächliche Eindrücke, Assoziationen.

Voraussetzung für eine zentrale Reizverarbeitung ist, dass die empfangende Person motiviert und fähig ist, die Botschaft zu verarbeiten. Liegen keine ausreichenden Fähigkeiten, keine ausreichende Motivation und geringe Relevanz des Themas vor, wird die Botschaft peripher verarbeitet. Weitere Faktoren beeinflussen die Reizverarbeitung:

  • Wenn Ablenkungen (laute Geräusche, visuelle Störungen, Multitasking o.a.) auftreten, kann die Fähigkeit, die Botschaft über die zentrale Route zu verarbeiten, eingeschränkt werden.
  • Wiederholungen führen zunächst zu einer erhöhten Verarbeitungschance. Durch wiederholte Exposition einer Botschaft haben die Rezipient:innen mehr Gelegenheit, über die Argumente und den Inhalt nachzudenken und die Informationen aufmerksamer zu verarbeiten. Eine exzessive Wiederholung kann jedoch dazu führen, dass sie Rezipient:innen desinteressiert und gelangweilt werden oder Reaktanz entwickeln.
  • Wenn ein Thema hohe persönliche Relevanz für eine Person besitzt, wird sie eher dazu neigen, die zentrale Route der Informationsverarbeitung zu verwenden, umgekehrt werden die Informationen eher peripher verarbeitet.
  • Wenn Personen in positiver Stimmung sind, tendieren sie eher dazu, ihre kognitive Kapazität zu schonen und oberflächlichere Verarbeitungswege zu wählen. Sie sind damit anfälliger für periphere Hinweise wie emotionale Appelle oder positive Assoziationen, ohne tiefer in die Argumente einzusteigen oder die Informationen kritisch zu hinterfragen. Im Gegensatz dazu erhöht eine negative Stimmung die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person die zentrale Route wählt. In einer negativen Stimmung sind Menschen eher motiviert, die Gründe und Argumente sorgfältig zu untersuchen und tiefer einzutauchen, um die Qualität der Informationen genauer zu prüfen.
  • Bedürfnis nach Kognition: Dieses Bedürfnis bezieht sich auf die individuelle Tendenz einer Person, über Themen nachzudenken, komplexe Informationen zu verarbeiten und sich kognitiv herausfordern zu lassen. Personen mit einem hohen Bedürfnis nach Kognition nutzen eher die zentrale Route der Informationsverarbeitung.

Das ELM zeigt, dass Menschen je nach individueller Motivation, Fähigkeit und Gelegenheit unterschiedliche Wege der Reizverarbeitung wählen. Kommunikator:innen stehen also vor der Herausforderung, die Verarbeitungsstile ihrer Zielgruppe zu berücksichtigen und die Botschaften entsprechend gestalten. Bei angenommener zentraler Verarbeitung hat die Qualität der präsentierten Argumente einen entscheidenden Einfluss auf die Einstellungsänderung. Es gilt daher, starke Argumente bereitzustellen und die Relevanz und Glaubwürdigkeit der Botschaften zu vermitteln. Bei der peripheren Route sind hingegen periphere Signale wichtiger. Das kann die Attraktivität der Protagonist:innen sein, die Anzahl der Argumente, die Anzahl der Wiederholungen.

Mögliche Ansätze in der kirchlichen Mitgliederkommunikation

Betrachtet man die beiden Involvementzustände und die Wege der Reizverarbeitung, so lassen sich daraus grundsätzlich vier Ansätze für die Kommunikation ableiten (vgl. Abb. 3).

Abb. 3: Mögliche Ansätze auf Basis des Involvements und der Reizverarbeitung (Quelle: Lachmann 2004. S. 96.)

  1. Engagement-Strategie: Kommunikation mit (den wenigen) aktiven Informationssuchern (Lenkung ihrer Suche)
  2. High-Involvement-Strategie: Kommunikation mit Menschen, denen das Thema wichtig ist und die auf das Thema „anspringen“
  3. Aktivierungsstrategie: Aktivierende, aggressive Ansprache von Low-Involvierten
  4. Low-Involvement-Strategie: Passive, beiläufige Ansprache bei Low Involvement

Bei kirchlicher Kommunikation, die sich nicht primär an hoch Engagierte richtet, sondern explizit an sog. „Kirchenferne“, ist grundsätzlich von Low Involvement auszugehen.

Bei kirchlicher Kommunikation, die sich nicht primär an hoch Engagierte richtet, sondern explizit an sog. „Kirchenferne“, ist grundsätzlich von Low Involvement auszugehen – daher werden hier die Ansätze 3 und 4 näher betrachtet. Um effektiv zu kommunizieren, empfiehlt es sich einerseits, nicht einmalig zu kommunizieren, sondern viele Wiederholungen vorzusehen: Da Aufmerksamkeit und Interesse der Zielgruppe gering sind, hilft eine wiederholte Exposition, damit Botschaften und Sender besser im Gedächtnis bleiben. Im Falle der Mitgliederkommunikation spricht dies für regelmäßige Ansprachen und dafür, dass diese crossmedial angelegt sind, also mehr als ein Medium bedienen. Zum anderen ist Prägnanz und Einfachheit angeraten: Aufgrund des geringen Involvements ist es wichtig, Botschaften einfach, klar und leicht verständlich zu gestalten. Vermieden werden sollten komplexe Informationen oder Argumente, da diese möglicherweise nicht angemessen verarbeitet werden können.

Aktivierungsstrategie

Es gilt also eine Kommunikation zu entfachen, deren Reizstärke hoch genug ist, das Desinteresse bzw. die Priorität anderer Themen zu überwinden.

Bei der Aktivierungsstrategie („Feuerwerk-Kommunikation“) wird eine ausgeprägte Reizstärke angestrebt, um Aufmerksamkeit und Engagement bei den Rezipient:innen auszulösen. Durch die Kommunikation soll kurzfristig hohes Involvement induziert werden. Es gilt also eine Kommunikation zu entfachen, deren Reizstärke hoch genug ist, das Desinteresse bzw. die Priorität anderer Themen zu überwinden. Eine Möglichkeit, die Aufmerksamkeit und das Interesse bei geringem Involvement zu steigern, besteht darin, emotionale Ansprachen zu verwenden. Zudem kann ein besonders kreativer und unkonventioneller Ansatz helfen, die entsprechende Reizstärke zu erreichen. Beispielsweise können ungewöhnliche oder humorvolle Elemente genutzt werden, um die Aufmerksamkeit zu steigern und die Kommunikation interessanter und einprägsamer zu gestalten.

Gelingt es, einen starken Reiz zu setzen, der Aufmerksamkeit zieht, ist es wichtig, den aktivierten Rezipient:innen unmittelbar eine Reaktionsmöglichkeit zu bieten. Es sind also im Vorfeld der Kommunikation entsprechende „Response-Linien“ zu bauen, die den Menschen die Option zur Reaktion (Mitwirkung, Teilhabe, Anmeldung o.a.) eröffnen.

Mit der Aktivierungsstrategie ist das Risiko verbunden, dass bei zu schwacher Reizstärke der kommunikative Impuls verpufft. Außerdem kann es passieren, dass die Reizstärke zwar stark genug ist, aber die Ansprache Reaktanz auslöst, etwa weil sie als nicht angemessen empfunden wird. Auch ist es möglich, dass die starke Werbung vom eigentlichen Produkt ablenkt, so dass zwar noch die Werbung, nicht aber der Anbieter oder das Produkt im Gedächtnis bleibt.

Im kirchlichen Kontext kommt als weitere Besonderheit dazu, dass Personen aus dem „inner circle“ die Form der Kommunikation ablehnen, etwa weil sie ihnen zu trivial oder zu lautstark erscheint. Daher ist es für die Kommunikationsverantwortlichen wichtig, die Mitgliederkommunikation gut im eigenen Kontext einzubetten und bei den relevanten Stakeholder ein entsprechendes fachliches Verständnis zu schaffen.

Low-Involvement-Strategie

Die Low-Involvement-Strategie kann im kirchlichen Kontext genutzt werden, um bei Menschen eine positive Vorprägung aufzubauen, bevor das Involvement anlassbezogen (z.B. wegen der anstehenden Hochzeit) ansteigt.

Bei der Low-Involvement-Strategie („Niesel-Kommunikation“) wird der Low-Involvement-Status der Rezipient:innen voll akzeptiert und eine periphere Reizverarbeitung angepeilt. Die Empfänger:innen sollen „nebenher“ Informationen erhalten, was vor allem eine hohe Kontaktfrequenz – viele Wiederholungen auf vielen Kanälen – erfordert. Die Low-Involvement-Strategie kann im kirchlichen Kontext genutzt werden, um bei Menschen eine positive Vorprägung aufzubauen, bevor das Involvement anlassbezogen (z.B. wegen der anstehenden Hochzeit) ansteigt.

Herausfordernd bei dieser Art der Kommunikation ist, eine Reizstärke zu finden, die ein Mindestmaß an Aktivierung auslöst, um eine zumindest schwache Form der Zuwendung zum Werbemittel zu erhalten.

Persönliche Mitgliederkommunikation über Direct Mailing

Für eine kirchliche Mitgliederkommunikation, die sich an die nicht kirchengemeindlich engagierten Mitglieder wendet, bietet sich die gezielte Einzelansprache mit einem personalisiertem postalischen Anschreiben (Direct Mailing) an. Zielgruppenspezifische Werbe- oder auch Spendenbriefe, die neben einem Anschreiben mit persönlicher Anrede häufig Flyer und/oder Anreize (Incentives) zur Verstärkung der werblichen Botschaft enthalten, sind die bekannteste Form des Direct Marketings. Sie werden im kirchlichen Fundraising seit Jahren sehr erfolgreich eingesetzt. Direct Mailings sind – das zeigen diese Erfahrungen – geeignet, auch eher kirchenferne Milieus anzusprechen und zu aktivieren.

Die kirchlichen Gemeindegliederverzeichnisse bieten für Direct Mail eine sehr taugliche Datenbasis.

Die kirchlichen Gemeindegliederverzeichnisse bieten für Direct Mail eine sehr taugliche Datenbasis. Sie enthalten neben der Adresse auch Informationen zu Geburtstag, Alter, Geschlecht, Familienstand und sonstigen kirchlichen Informationen. Diese Daten dürfen in der katholischen Kirche von den Kirchengemeinden und den (Erz-)Diözesen zur Verfolgung kirchlicher Zwecke durch die verfasste Kirche, aber auch der Caritas oder anderer kirchlichen Organisationen, die originäre kirchliche Zwecke verfolgen, verwendet werden. In den evangelische Kirche gehören diese Daten in aller Regel den Kirchengemeinden, was eine zentrale Verwendung durch die Landeskirchen zumindest erschwert.12

Die Verwendung der Meldedaten unterliegt den kirchlichen Datenschutzgesetzen13. So sind etwa Auskunfts- und Widerspruchsrecht zu beachten und auszuweisen. Ergänzend können die kirchlichen Meldedaten datenschutzkonform mit weiteren soziodemografische Daten angereichert werden. Solche soziodemographische Daten, die mit Methoden aus der empirischen Sozialforschung gewonnen werden, sind u. a. Bildung, berufliche Situation, Haushaltsnettoeinkommen, Status und – im Raum der Kirchen wohl immer noch am bekanntesten – die Sinus-Milieus®-Typologie. Diese statistischen Daten, die auf unterschiedlichen räumlichen Ebenen bis hin zu Haushalten zur Verfügung stehen, erlauben eine sehr zielgruppenspezifische Selektion von Adressdaten und damit eine alters- und milieusensible Ansprache und Gestaltung der Direct Mailings.

Der moderne Digitaldruck setzt bei der Kreation und den verwendeten Formaten kaum noch Grenzen. Die zu personalisierenden Bestandteile eines Mailings werden mittels Laserdruck produziert. Neben der Personalisierung (individuelle Anschrift und Anrede) sind auch die Individualisierung bezogen auf individuelles Verhalten oder Merkmale (wie etwa eine Spende, einem Umzug), auch die Regionalisierung (konkreter Bezug zu lokalen oder regionalen Angeboten) und die zielgruppengerechte Gestaltung (Bildsprache, Layout) für die Empfänger:innen möglich. Durch softwaregesteuerte Druckverfahren (Programmatic Printing) und Druckportale lassen sich professionelle Direct Mailings kostengünstig und vor allem auch unkompliziert z. B. für Kirchengemeinden als zentraler Service realisieren. Direct Mailings – und zunehmend auch ihr digitales Äquivalent, E-Mail-Kampagnen – sind das geeignete Mittel für die kirchliche Mitgliederkommunikation.

Auch wenn Direct Marketing zunächst eine unidirektionale Kommunikation ist, entsteht durch die Einladung zur Reaktion, z. B. die Teilnahme an einer Aktion, die Bestellung eines Incentive usw. eine Folgekommunikation, auf die es sich angemessen vorzubereiten gilt.

 

Auch wenn Direct Marketing zunächst eine unidirektionale Kommunikation ist, entsteht durch die Einladung zur Reaktion, z. B. die Teilnahme an einer Aktion, die Bestellung eines Incentive usw. eine Folgekommunikation, auf die es sich angemessen vorzubereiten gilt. Neben einem notwendigen Beschwerdemanagement, das auf negative Rückmeldungen reagiert, ist die institutionelle Fähigkeit, bei allen Reaktionen dialogfähig zu sein, die aus Sicht der Empfänger:innen notwendige Bestätigung des initialen Kommunikationsangebots. Ein Feedbackmanagement, das jeden Kontakt als Chance begreift, ist Ausdruck einer echten Mitgliederorientierung, die für Anregungen, Anerkennung und Kritik offen ist.

Dabei kommt neben einer zeitnahen, wertschätzenden und zugewandten Reaktion auf E-Mails und Briefe dem Angebot einer Telefon-Hotline eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. Die notwendigen Voraussetzungen für eine Hotline mit automatischer Anruf-Verteilung, Warteschlange und Anrufbeantworter (ACD-Anlage/ACD-System) sind durch Telefonanbieter unkompliziert realisierbar. In vielen Fällen ist der offene und zugewandte Dialog am Telefon wesentlich zielführender als die reflexhafte –  nicht selten behördlich ausgerichtete und formulierte – zeitaufwändige schriftliche Kommunikation.

Mitgliederkommunikation im Erzbistum Hamburg: Vom Konzept zur praktische Umsetzung

Ausgangssituation

2019 prognostizierte die Freiburger Studie für das Erzbistum Hamburg bis zum Jahr 2060 einen Rückgang der der Mitgliederzahl um 40 Prozent bezogen auf das Erhebungsjahr 2017. Die Studie machte aber auch deutlich: Es gibt Möglichkeiten, den Rückgang, der nicht allein durch die demografische Entwicklung verursacht ist, durch geeignete Maßnahmen zu beeinflussen. Auch wenn das Erzbistum anders als andere Diözesen als Metropole vom nationalen wie internationalen Zuzug profitiert, erkannte die Bistumsleitung die Notwendigkeit zu handeln. Zum einen soll mit konkreten Kommunikations- und Bindungsmaßnahmen die Zahl der Austritte reduziert werden. Zum anderen soll mit Maßnahmen zur Steigerung der Taufzahlen ebenfalls dem Mitgliederschwund entgegengewirkt werden.

Zum Beginn des Jahres 2020 entschied sich Generalvikar Ansgar Thim in enger Abstimmung mit Erzbischof Stefan Heße, eine Stabsstelle Mitgliederkommunikation einzurichten, die damit beauftragt wurde, ein nachhaltiges Konzept zu erarbeiten, zu implementieren und über einen Testzeitraum von fünf Jahren zu evaluieren. Die Finanzierung der zentralen und deszentralen Kommunikationsmaßnahmen wird durch ein Prozent des Kirchensteueraufkommens sichergestellt, was 2020 einem Betrag von bis zu drei Euro pro Mitglied und Jahr entsprach. Mit dieser strategischen Grundsatzentscheidung, die durch den Wirtschaftsrat des Erzbistums mitgetragen wurde, sollte eine maßnahmenbezogen Budgetdebatte vermieden und die grundsätzliche Bedeutung einer auf Dauer angelegten Mitgliederkommunikation unterstrichen werden.

Konzept

Basierend auf der Überzeugung, dass eine geeignete, regelmäßige Kommunikation Bindung und Involvement schafft, sieht das Konzept ineinandergreifende zentrale und dezentrale Kommunikationsmaßnahmen vor. Seit 2020 wendet sich Erzbischof Heße mit „Pastoralbriefen“ mindestens dreimal jährlich an alle Katholik:innen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg. Diese Schreiben werden von Zeit zu Zeit durch diözesane Spendenbriefe ergänzt. Der Fokus der Pastoralbriefe liegt ausdrücklich auf der Zielgruppe der sogenannten „Fernstehenden“ (im Erzbistum ca. 93% der Mitglieder, die an keinen Angeboten vor Ort partizipieren). Die Briefe des Erzbischofs sind thematisch, theologisch und sprachlich voraussetzungsarm und mit maximal 1.700 Zeichen eher kurz. Alle Briefe versuchen inhaltlich und gestalterisch die Vorurteile zu und Erwartungen der Empfänger:innen an kirchliche Kommunikation zu brechen und positiv zu überraschen.

Jeder Pastoralbrief wird durch eine Landingpage und Social-Media-Aktivitäten, insbesondere auf Instagram und Facebook, begleitet und ergänzt.

Die zielgruppengerechte Gestaltung von Briefhülle, Briefbogen und Beileger wird und wurde systematisch getestet. Alle Briefe setzen mit einer Handlungssaufforderung (Call to Action) einen aktivierenden und Involvement erzeugenden Impuls. Die personalisierten Briefe enthalten zum Teil explizite regionale Bezüge oder zielgruppenspezifische Formulierungen und seit 2022 auch unterschiedliche Layouts, zum Beispiel für junge Erwachsene. Der Briefversand kann wegen der „werblichen Ausrichtung“ portooptimiert über die vergleichsweis günstige Dialogpost erfolgen. Jeder Pastoralbrief wird durch eine Landingpage und Social-Media-Aktivitäten, insbesondere auf Instagram und Facebook, begleitet und ergänzt.

Feedbackmanagement

Die Glaubwürdigkeit der Direktkommunikation des Erzbischofs mit den Mitgliedern erfordert eine hohe Dialogbereitschaft und -qualität im Nachgang.

Die Briefe des Erzbischofs sind meist konzeptionell dialogisch angelegt und laden die Adressat:innen zur Reaktion ein. Sehr schnell hat sich gezeigt, dass dies auch tatsächlich genutzt wird. Daher kommt dem Feedback-Management, das erstmalig zum „Pfingstbrief 2020“ etabliert wurde, eine große Bedeutung zu. Die Glaubwürdigkeit der Direktkommunikation des Erzbischofs mit den Mitgliedern erfordert eine hohe Dialogbereitschaft und -qualität im Nachgang. Das Feedback-Management und die Telefon-Hotline werden inhouse durch die Stabsstelle Mitgliederkommunikation und Fundraising in Kooperation mit anderen Abteilungen, vor allem der Abteilung Medien, mit einer 1st- und 2nd-Level-Lösung gewährleistet und durch eine Software (CRM) unterstützt. Der Anspruch, jedes Feedback von Christ:in zu Christ:in auf Augenhöhe und menschlich verbindlich individuell zu beantworten, war zunächst herausfordernd, ist aber jeder Anstrengung wert.

Institutionelle Einbettung

Die Pastoralbriefe in Verantwortung der Stabstelle werden im direkten Auftrag des Erzbischofs erstellt, intern mit der Abteilung Medien und der Abteilung Pastorale Dienststelle abgestimmt und mit externer Unterstützung umgesetzt. Im Vorfeld eines Briefes werden bistumsweit alle pastoralen Mitarbeitenden umfassend informiert, zu Feedback eingeladen und zu ihrer Entlastung auf das zentrale Feedbackmanagement aufmerksam gemacht. Zudem berichtet die Stabstelle im Nachgang zu jeder Aktion in den Gremien (Abteilungsleiterkonferenz, Pastoralkonferenz) über die Resonanz.

Pastoralbriefe von Erzbischof Dr. Stefan Heße

Die Pastoralbriefe (s. Tab. 1) bestehen i.d.R. aus einem mehr oder weniger klassischen Brief des Erzbischofs und einem weiteren gestalteten Element – z.B. einer Karte, einem Sticker, einem Flyer mit weiterführenden Inhalten und einem aktivierenden Schlüsselbild (Key Visual).

Tab. 1: Pastoralbriefe des Erzbischofs Dr. Stefan Heße 2020-2023
ZeitpunktTitelAnlass und Ansatz
Key Visual
Pfingsten 2020Gutes bleibtDie beginnende Corona-Krise belastet viele Menschen. Angst um die Großeltern, Sorge um die Existenz, viele erleben Momente der Einsamkeit. Aber es gibt auch Gutes, das sich anlässlich der Herausforderungen zeigt. Kreative Ideen wie Einkaufshilfen, Briefe gegen Vereinsamung und vieles mehr.
Erzbischof Heße bittet die Katholik:innen ihre Corona-Geschichte zu erzählen: Kleine wie große Erlebnisse, die wohltuend besonders sind und manchmal so schön, dass sie auch für die Zeit nach Corona Bestand haben sollten.
www.weil-gutes-bleibt.de

Fastenzeit 2021Sei gut zu dirDer Beginn der Fastenzeit 2021 liegt in einer Zeit coronabedingten Verzichts und zahlreicher Einschränkungen. Das wirft die Frage auf, wie das Fasten in Corona-Zeiten sehen ist. Traditionell verzichten viele in der Fastenzeit auf Dinge, die ihnen angenehm und lieb sind – etwa auf Schokolade, Alkohol oder das Autofahren. Es ist ein bewusster Verzicht auf eine Gewohnheit. Eine Unterbrechung des Normalen. Mit Corona ist jedoch der Verzicht das „Normale“ geworden. Kann man auf Verzicht verzichten? Leider erlaubte Corona das gar nicht. Was aber geht: Pläne schmieden, sich Schönes vornehmen und das auch wirklich tun.
Mit der Aktion fragt Erzbischof Heße nach Plänen, die die Menschen nach der Zeit des Verzichts haben und bietet an, sie daran zu erinnern.
www.sei-gut-zu-dir.org
Sommer 2021SommergrußWeihbischof Eberlein schickt eine einfache, persönlich gehaltene Karte und wünscht (trotz Pandemie) schöne Sommertage mit guten Erfahrungen, tollen Begegnungen und Freude am Leben. Begleitend kann man sich zur SMS-Aktion „Sommerimpulse“ anmelden. An jedem Tag der Sommerferien der drei Bundesländer des Erzbistums wird zu unterschiedlichen Tageszeiten ein inhaltlicher Impuls geschickt.
www.sommer21.de
September 2021Sonderbrief: Entscheidung aus RomIm September 2021 wurde Erzbischof Heße durch den Päpstlichen Nuntius in Deutschland darüber in Kenntnis gesetzt, dass Papst Franziskus den angebotenen Rücktritt nicht annimmt und er sein Amt als Erzbischof von Hamburg weiter ausfüllen wird. Daraufhin wendet sich Erzbischof Heße an alle Katholik:innen seines Bistums, um dies mitzuteilen und um Mitwirkung und auch Kritik für den weiteren Weg des Erzbistums Hamburg zu bitten.
Neujahr 2022Lass uns malDas neue Jahr gibt guten Ideen frischen Schwung. Daher die Anregung, mit einer mitgeschickten „Lass uns mal“-Karte, jemandem eine Freude zu bereiten. Die Menschen werden angeregt, ein Treffen anzubahnen, einen gemeinsamen Gang zur Fischbrötchen-Bude, einen Kaffee, ein Essen oder einen Kinobesuch, einen Gang ins Museum oder ins Fußballstadion ... Damit aus einem guten Vorsatz ein schönes Erlebnis wird.
Erzbischof Heße grüßt die Katholik:innen zum neuen Jahr und regt an, anderen Menschen etwas Gutes zu tun.
www.lass-uns-mal.de
Sommer 2022Kein HassMitte Juni 2022 schreibt der Erzbischof alle 18-25-jährigen Katholik:innen an - in einer von Krisen dominierten Zeit. Studien zeigen: viele, gerade junge Menschen in Deutschland haben beim Blick in die Zukunft Sorgen. Sie machen sich Gedanken um das Klima, ihre finanzielle Situation und fast jeder Zweite hat Angst davor, dass sich der Ukraine-Krieg auf ganz Europa ausweiten könne. Erzbischof Heße versucht in seinem Schreiben, den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine gegenüber dem Schriftwort „Liebe deine Feinde“ einzuordnen. Es wird ein möglicher Ansatz des Umgangs mit dem Dilemma angeboten: „Vielleicht geht es so: Wenn die Aufforderung Jesu ‚Liebt eure Feinde' gerade zu viel verlangt ist, dann könnte ‚Hasst eure Feinde nicht‘ der erste Schritt sein. Entschieden an der Seite der Opfer zu stehen, ohne in abgrundtiefen Hass auf die Täter zu verfallen. „Kein Hass“ ist der erste Schritt hin zu Frieden. „Kein Hass“ ist eine Botschaft, die wir im Augenblick nicht oft genug sagen können.“
Jedem Brief ist ein "Kein Hass"-Sticker beigelegt, über die Website können weitere bestellt werden oder sie können via Giphy in Social-Media-Kanälen eingesetzt werden.
www.kein-hass.de

kein Hass
Allerheiligen/ Allerseelen 2022GedenkenIm November 2022 erinnert der Erzbischof daran, wie verletzlich und gefährdet das Leben ist. Er erzählt persönlich, was das Totengedenken an Allerheiligen oder Allerseelen und der gemeinsame Gang zum Friedhof für ihn bedeutet. Er lädt ein: "Nehmen Sie sich in diesen Herbsttagen einmal die Zeit, an Menschen zu denken, die Sie schmerzlich in Ihrem Leben vermissen. Egal, wie und warum. Gibt es jemanden, an den Sie sich erinnern möchten?" Dem Brief wird ein einfacher Transparenzstreifen beigelegt, aus dem ein Windlicht entstehen kann, um an diese Menschen zu erinnern.
www.allerseelen22.de
Februar 2023Kein HassErzbischof Heße wendet sich an alle Katholik:innen in Hamburg und Schleswig-Holstein, um anlässlich des Jahrestages des Angriffs Russlands auf die Ukraine erneut die jungen Erwachsenen (18- bis 25-Jährige) auf die Wichtigkeit der Botschaft „Kein Hass“ aufmerksam zu machen. Alle Menschen anderen Alters informiert er über die Aktion im Sommer 2022 und bittet um Unterstützung, die Botschaft zu verbreiten.
www.kein-hass.de
Februar 2023Sonderbrief:
Studie Mecklenburg
Erzbischof Heße wendet sich an alle Katholik:innen Mecklenburgs und bereitet sie auf die bevorstehende Veröffentlichung der unabhängigen Untersuchung „Aufarbeitung und Dokumentation des sexuellen Missbrauchs von katholischen Priestern und anderen im Dienst der Katholischen Kirche stehenden Personen an Minderjährigen in Mecklenburg von 1946 bis 1989“ vor.
Sommer 2023Licht sei DankAnlässlich des längsten Tages des Jahres beschreibt Erzbischof Heße, was Licht und Wärme mit uns Menschen machen. Er lenkt den Blick darauf, dass Licht Leben schenkt und wohl tut. Für ihn starke Bilder für Gott: „Gott ist die Sonne, die uns Licht und Leben gibt.“ Gott als der Ursprung allen Lichts und die Quelle allen Lebens. Er lädt ein, sich Zeit für ein Bad in der Sonne zu nehmen und ein „Lichtbild“ zu teilen.
www.lichtseidank.de

Fotos: Gutes bleibt: © Adobe Stock/Maren Winter, Sei gut zu dir: iStock/Say-Cheese, Sommergruß: iStock/ChristopherBernard, Lass uns mal: HandmadePicture/depositphotos, Gedenken: Heike Lachmann, Licht sei Dank: PPAMPicture

Wirkungen und Ausblick

In vielen unternehmerischen Kontexten hätte man bei solchen Direct Mailings mit Testgruppen gearbeitet, um die Wirkung der Schreiben tiefer zu untersuchen. Aus pastoralen Gründen hat sich das Erzbistum jedoch gegen eine Testgruppe ausgesprochen, da diese Menschen dann kein Schreiben erhalten hätten. Systematische Telefon- bzw. WhatsApp-Interviews zur Wirkung der Pastoralbriefe lässt der kirchliche Datenschutz nicht zu. Daher sucht die Stabsstelle derzeit nach Kooperationspartnern und Modellen einer vertieften Evaluierung und Wirkungskontrolle.

Jenseits der systematischen Untersuchung zeigt das Feedback von Angeschriebenen die starke innere Wirkung der Schreiben.

Jenseits der systematischen Untersuchung zeigt das Feedback von Angeschriebenen die starke innere Wirkung der Schreiben. Den Erzbischof erreichen nach jedem Pastoralbrief oftmals sehr persönliche Zeilen. Auch zeigt sich erwartungsgemäß, dass sich manche Menschen mit sehr hohem Absolutheitsanspruch mit dieser voraussetzungsarmen Art der Kommunikation schwer tun. Umso wichtiger ist es, auch mit diesen im Kontakt zu bleiben, ohne den Fokus auf die sog. Fernstehenden zu verlieren.

In der Zukunft wird die Mitgliederkommunikation im Erzbistum weiter ausgebaut. Nicht immer ist dabei der Erzbischof der Sender. Vielmehr sind dezentrale Kommunikationsmaßnahmen für die Kirchengemeinden konzeptioniert und intern abgestimmt. Das Konzept sieht eine biografiebegleitende Kommunikation mit den Kirchenmitgliedern vor, deren Absender:in in der Regel die Kirchengemeinden, manchmal auch der Erzbischof sein wird. Anlässe sind zum Beispiel die Volljährigkeit, die Geburt eines Kindes, der Renteneintritt, die staatliche Trauung, aber auch die Kasualien im Leben der Menschen. Aktuell steht die Ausschreibung zur Gestaltung der durchkonzipierten Kommunikationsmaßnahmen an.

Ergänzend werden mittelfristig ein Service-Portal „Katholisch im Norden“ (digitales Pfarrbüro) und eine zentrale Telefonnummer, über die alle Einrichtungen der verfassten Kirche 24/7 erreicht werden können, eingerichtet, um die Mitgliederkommunikation durch zeitgemäße Serviceangebote zu flankieren.

  1. Wiesenberg, M. (2018): Strategische Kommunikation deutscher Großkirchen. Von kirchlicher Publizistik zur strategischen Kirchenkommunikation, Leipzig, 95.
  2. Vgl. Dessoy, V., Hahmann, u., Lames, G. (2018): Trend wenden – Einschätzungen und Zahlen zur Zukunft der Kirche, in futur2 1/2018, https://www.futur2.org/article/trend-wenden-einschaetzungen-und-zahlen-zur-zukunft-der-kirche/ [21.05.2023]
  3. Ebd.
  4. Schnieders, U. (2020): Mitgliederorientierung – Stresstest für eine missionarische Kirche, in: Kiche – ja bitte, Neukirchen-Vluyn, 195.
  5. Riegel, U., Kröck, T., Faix, T. (2018): Warum Menschen die katholische Kirche verlassen. Eine explorative Untersuchung zu Austrittsmotiven im Mixed-Methods Design, in: Etscheid-Stams M., Laudage-Kleeberg R. & Rünker T. (Hg.), Kirchenaustritt oder nicht – wie Kirche sich verändern muss, Freiburg, 125-207.
  6. Vgl. Diller, H. (1996): Kundenbindung als Marketingziel, Marketing – Zeitschrift für Forschung und Praxis, 18. Jg., S. 83.
  7. Festinger, L. (1957): A theory of cognitive dissonance. Stanford, 1957
  8. Vgl. Raab, G., Unger, A., Unger, F. (2010): Marktpsychologie. Grundlagen und Anwendung, Wiesbaden 2010, S. 42 ff.
  9. Vgl. Dessoy, V. (2016): Nur Mut: Vom Pfad abweichen und den Systemwechsel vorbereiten, in futur2 1/2016,  https://www.futur2.org/article/nur-mut-vom-pfad-abweichen-und-den-systemwechsel-vorbereiten/ [21.05.2023]
  10. Der Ausdruck „kirchenferne Mitglieder“ hat einen leicht pejorativen Klang, der nicht intendiert ist. Er ist hier ein Behelfskonstrukt, um die Mitglieder zu adressieren, die selten oder nie kirchliche Angebote nutzen. Man könnte auch umgekehrt von einer menschenfernen Kirche sprechen.
  11. Vgl. Petty, R. E.; Cacioppo, J. T. (1986): The Elaboration Likelihood Model Of Persuasion. In: Advances in experimental social psychology (Ed. L. Berkowitz), 19, pp. 123 – 205. New York.
  12. Die rechtliche Grundlagen sind für die katholische Kirche die „Anordnung über das kirchliche Meldewesen (Kirchenmeldewesenanordnung – KMAO)“ bzw. für die Gliedkirchen der EKD die „Rechtsverordnung über die Führung des Gemeindegliederverzeichnisses und das Kirchliche Meldewesen (Meldewesen-Verordnung)“.
  13. Gesetz über den Kirchlichen Datenschutz (KDG) bzw. Kirchengesetz über den Datenschutz der Evangelischen Kirche in Deutschland (DSG-EKD).

Literatur

  • Braunstein, C. (2001): Einstellungsforschung und Kundenbindung. Zur Erklärung des Treueverhaltens von Konsumenten, Wiesbaden 2001
  • Braunstein, C., Huber, F., Herrmann, A. (2005): Ein Ansatz zur Erklärung der Kundenbindung auf Basis der Theorie des geplanten Verhaltens, in: zfbf Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, Volume 57, S. 187–213
  • Bruhn, M., Homburg, C. (2017): Handbuch Kundenbindungsmanagement. Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, 9. Aufl., Wiesbaden 2017
  • Brock, C. (2009): Beschwerdeverhalten und Kundenbindung. Erfolgswirkungen und Management der Kundenbeschwerde, Wiesbaden 2009
  • Dessoy, V. (2016): Nur Mut: Vom Pfad abweichen und den Systemwechsel vorbereiten, in futur2 1/2016, https://www.futur2.org/article/nur-mut-vom-pfad-abweichen-und-den-systemwechsel-vorbereiten/ [21.05.2023]
  • Dessoy, V., Hahmann, u., Lames, G. (2018): Trend wenden – Einschätzungen und Zahlen zur Zukunft der Kirche, in futur2 1/2018, https://www.futur2.org/article/trend-wenden-einschaetzungen-und-zahlen-zur-zukunft-der-kirche/ [21.05.2023]
  • Diller, H. (1996): Kundenbindung als Marketingziel, Marketing – Zeitschrift für Forschung und Praxis, 18. Jg.
  • Eggert, A. (1999): Kundenbindung aus Kundensicht. Konzeptualisierung — Operationalisierung — Verhaltenswirksamheit, Wiesbaden 1999
  • Hippner H., Wilde, K.D. (Hrsg.) (2006): Grundlagen des CRM: Konzepte und Gestaltung, 2. Auflage, Wiesbaden 2006
  • Jaritz, S. (2008): Kundenbindung und Involvement, Eine empirische Analyse unter besonderer Berücksichtigung von Low Involvement, Wiesbaden 2008
  • Moser, K. (Hrsg.) (2007): Wirtschaftspsychologie, Heidelberg 2007
  • Peter, S.I. (1997): Kundenbindung als Marketingziel. Identifikation und Analyse zentraler Determinanten, Wiesbaden 1997
  • Petty, R. E.; Cacioppo, J. T. (1986): The Elaboration Likelihood Model Of Persuasion. In: Advances in experimental social psychology (Ed. L. Berkowitz), 19, pp. 123 – 205. New York 1986
  • Raab, G., Unger, A., Unger, F. (2010): Marktpsychologie. Grundlagen und Anwendung, Wiesbaden 2010
  • Riegel, U., Kröck, T., Faix, T. (2018): Warum Menschen die katholische Kirche verlassen. Eine explorative Untersuchung zu Austrittsmotiven im Mixed-Methods Design, in: Etscheid-Stams M., Laudage-Kleeberg R. & Rünker T. (Hg.), Kirchenaustritt oder nicht – wie Kirche sich verändern muss, Freiburg, 125-207
  • Schnieders, U. (2020): Mitgliederorientierung – Stresstest für eine missionarische Kirche, in: Kiche – ja bitte, Neukirchen-Vluyn 2020
  • Töpfer, A. (2008): Ursachen-Wirkungs-Konzepte für Kundenloyalität und Kundenbindung, in: Töpfer, A. (Hrsg.): Handbuch Kundenmanagement. Anforderungen, Prozesse, Zufriedenheit, Bindung und Wert von Kunden, Berlin, Heidelberg 2008
  • Wiesenberg, M. (2018): Strategische Kommunikation deutscher Großkirchen. Von kirchlicher Publizistik zur strategischen Kirchenkommunikation, Leipzig 2018

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