022019

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Statements

Christina Reemts

In die Freiheit führen

Bitte stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Der Kirche gelingt es, sich den gesellschaftlichen und organisatorischen Herausforderungen zu stellen und sie folgt dabei konsequent ihrer Botschaft.

  1. Hat sich der persönliche Umgang mit Macht seitens kirchlicher Verantwortungsträger/innen (Haltungen und Verhalten) oder die institutionellen Bedingungen von Machtausübung in der Kirche (Machtarchitektur) verändert und wenn ja, wie?
  2. Welche (alternativen) Machtphänomene, -mechanismen und -verwerfungen erwarten Sie, wenn sich Machtstrukturen, Haltungen und Verhalten tatsächlich in der von Ihnen beschriebenen Weise verändern werden?

Machtvoll ist, wer in der Lage ist, zu verwirklichen, was er als richtig erkannt hat. Macht setzt Freiheit voraus und richtet sich auf das Gute, sie ist immer schöpferisch. Zur Macht gehört die Herrschaft über sich selbst und die Fähigkeit andere zu begeistern und zu führen. Jesus hatte Macht.

Die Kirche der Zukunft wird gelernt haben, umzukehren und an das Evangelium zu glauben. Christen werden unserer Gesellschaft Wege zu Tapferkeit, Askese und Nächstenliebe aufzeigen, sie werden, um es mit einem sehr altmodischen Wort zu sagen, zur Tugend anleiten. Sie werden so stark sein, dass sie aufhören, um Plätze zu kämpfen und den Mut haben zu gehorchen, indem sie die dem nachfolgen, der von sich sagt, ihm sei alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden (vgl. Mt 28,18) und der zugleich fordert: „Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein“ (Mk 10,43).

Seit 2000 Jahren versucht die Kirche, diesen Weisung umzusetzen. Die, denen es gelingt, nennen wir Heilige, den anderen – d.h. uns allen – gelingt es nicht oder nur partiell, denn insgeheim meinen wir doch immer, dass Herrschen ist mehr als Gehorchen. Aber schauen wir auf Jesus: Er war am stärksten, als er völlig hilflos am Kreuz hing.

Es geht darum, andere in die Freiheit zu führen, ihnen zu helfen, Gott und die ganze Wirklichkeit zu erkennen.

Allerdings werden wir auch Menschen brauchen, die zu führen wagen, sie werden in unserer Kirche oft fehlen. Denn das, was nach außen wie Macht aussieht, ist für den, der sie ausüben muss, oft mühsam. Man muss Bitten abschlagen, Regeln durchsetzen und Verbote aussprechen. Und man muss für schwierige Entscheidungen die Verantwortung übernehmen, ohne die Zukunft zu kennen.

Zu Mose wird gesagt: „Was bildet der sich eigentlich ein? Woher nimmt er das Recht, uns etwas zu sagen? Alle sind heilig“ (vgl. Num 16). Ähnliche Wort hört man auch in der Kirche. Tatsächlich sind alle heilig, und dennoch kann Gott Menschen zu besonderen Aufgaben berufen, und dann sollten alle gehorchen – der Berufene ebenso wie die, für die er berufen ist.

Für den, der einen solchen Auftrag hat, lautet die Aufgabe nicht, die anderen an den Ort zu führen, an dem er selbst steht, das wäre der Versuch, sie geistlich zu missbrauchen. Es geht darum, andere in die Freiheit zu führen, ihnen zu helfen, Gott und die ganze Wirklichkeit zu erkennen. Wenn das gelingt, und sei es auch nur fragmentarisch, ist Macht als Dienst und im Gehorsam ausgeübt und führt zur Freiheit.

 

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