012023

Bonustrack

Valentin Dessoy und Ursula Hahmann

Immobilienkonzeptentwicklung

Die Kirchen stehen vor umfassenden und tiefgreifenden Transformationsprozessen. Dabei kommt dem Downsizing im Blick auf Immobilien eine zentrale Bedeutung zu. Anders als beim Personal, das einer natürliche Fluktuation aus Altersgründen unterliegt und darüber gesteuert werden kann, ist der Rückbau bei Immobilien nicht nebenher realisierbar. Man kann nicht einfach abwarten, bis es sich von allein regelt. Es braucht eine Idee, wie langfristig valide Immobilienkonzepte in Pfarreien, Kirchengemeinden und pastoralen Räumen gut kontextualisiert angegangen und in angemessener Zeit umgesetzt werden können.

1.   Kontext und Herausforderungen

Die Zahl der Kirchenmitglieder in beiden großen Kirchen geht deutlich schneller zurück, als die sog. „Freiburger Studie“1 prognostiziert hat. Das hat mit den exponentiell anwachsenden Kirchenaustritten zu tun. So verzeichnete die Katholische Kirche 2021 einen Mitgliederrückgang von 547.472 Personen (ein Minus von 2,5 %). Darin enthalten waren 359.338 Kirchenaustritte (= 66 % des Rückgangs). Gleichzeitig steigen die Kirchenaustritte weiterhin exponentiell an, von 2020 auf 2021 um 62 %. In den Evangelischen Kirchen lag der Rückgang der Mitglieder 2021 bei 510.899, darin enthalten sind ca. 380.000 Kirchenaustritte (= 74 % des Rückgangs ). Die Kirchenaustritte stiegen von 2020 auf 2021 um 36 %. Setzte sich der Trend so fort, wäre nicht erst 2060, sondern bereits wesentlich früher, zwischen 2040 und 2050 mit einer Halbierung der Mitgliederzahl zu rechnen.

Nicht umsonst werden in einer Reihe von Diözesen bereits jetzt drastische Haushaltssicherungsmaßnahmen bis zu einer Höhe von einem Drittel des bisherigen Budgets durchgeführt.

Auch die in der Freiburger Studie enthaltene Prognosen zur Entwicklung der Kirchensteuereinnahmen und der Kaufkraft sind zwischenzeitlich überholt. Das hat mit dem viel schnelleren Rückgang der Mitgliederzahlen zu tun. Ausgelöst durch die Coronakrise und die durch den Ukrainekrieg induzierten Preissteigerungen, nimmt zudem die Kaufkraft deutlich schneller ab als angenommen. Nicht umsonst werden in einer Reihe von Diözesen bereits jetzt drastische Haushaltssicherungsmaßnahmen bis zu einer Höhe von einem Drittel des bisherigen Budgets durchgeführt.

Bei den Immobilien hinken die Kirchen gegenüber dieser Entwicklung weit hinterher, was sich pointiert insbesondere bei den Zahlen der Evanglischen Kirchen zeigen lässt (vgl. Tabelle 1). Während die Mitgliederzahl von ca. 23,6 Mio. im Jahr 2011 auf 19,7 Mio. im Jahr 2021, also um 16,5 % fiel, ging die Zahl der Kirchen kaum zurück. 2011 gab es laut EKD-Statistik 20.648 evangelische Kirchen und Kapellen, im Jahr 2021 waren es 20.372. Das entspricht einem Rückgang von lediglich 1,3 %. In der Katholischen Kirche zeigt sich im gleichen Zeitraum ein Mitgliederrückgang von knapp 12% und ein Rückgang der Kirchen bzw. Kapellen um ca. 2%.

Evangelische KircheKatholische Kirche
MitgliederKirchen & KapellenMitgliederKirchen & Kapellen
201123.619.64820.64824.472.817ca. 24.500
202119.725.00020.37221.645.875ca. 24.000
Relative Änderung-16,5%-1,3%-11,6%-2,0%

Tab. 1: Anzahl der Mitglieder und Kirchen der beiden großen Kirchen in Deutschland 2011 und 20212

Noch drastischer fällt der Vergleich im Blick auf den Rückgang der Gottesdienstbesucher aus. So ging die Zahl der Besucher von Sonntagsgottesdiensten (Frühjahrs-bzw. Herbstzählung) in der Katholischen Kirche im Vergleichszeitraum von ca. 3,01 Mio. im Jahr 2011 auf ca. 925.000 im Jahr 2021 zurück. Das ist ein Rückgang von ca. 69 %. Zwar zeigen sich dort noch deutlich Auswirkungen der coronabedingten Einschränkungen, allerdings zeigt die Entwicklung nach dem Ende der Maßnahmen, dass der Gottesdienstbesuch auf niedrigem Niveau verbleibt.

Immobilien sind für Diözesen und Landeskirchen – neben den Personalkosten – die zentralen Kostentreiber.

Immobilien sind für Diözesen und Landeskirchen – neben den Personalkosten – die zentralen Kostentreiber. Zwar wurden in den zurückliegenden Jahren die Ausgaben dafür bereits deutlich reduziert, mit dem Effekt eines erheblichen und fortschreitenden Renovierungs- und Sanierungsstaus. Dieser betrifft nicht nur Kirchen, sondern auch andere Immobilien, wie etwa Gemeindezentren und Pfarrhäuser. In vielen Fällen ist die Bausubstanz betroffen. Angesichts der Gesamtentwicklung ist davon auszugehen, dass sich die Situation in den nächsten Jahren erheblich verschärfen wird, wenn es nicht zu einem substanziellen Abbau kirchlicher Immobilien einschließlich Kirchen und Kapellen kommt. Umgekehrt formuliert: Es werden regelmäßig, z.T. wöchentlich Entscheidungen in Millionenhöhe getroffen, von denen man nicht weiß, ob die betreffende Immobilien in ein oder zwei Jahren noch gebraucht wird bzw. gehalten werden kann.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Hürden für den Abbau, die Umwidmung oder Veräußerung kirchlicher Immobilien hoch sind und der Prozess i.d.R. sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, nicht zuletzt, weil die Gebäude unter Denkmalschutz stehen3, stark sanierungsbedürftig oder für eine alternative Verwendung nicht attraktiv genug sind. Umso wichtiger ist es frühzeitig damit zu beginnen, taugliche langfristig-strategisch ausgerichtete Immobilienkonzepte zu entwickeln.

2.   Qualitätskriterien für den Prozess

Die Entwicklung von Immobilienkonzepten, bei denen es um eine Reduktion vorhandener Immobilien, insbesondere auch Kirchen geht, ist oftmals ein zäher und emotional belastender Prozess.

Die Entwicklung von Immobilienkonzepten, bei denen es um eine Reduktion vorhandener Immobilien, insbesondere auch Kirchen geht, ist oftmals ein zäher und emotional belastender Prozess. Nicht selten kam es in der Vergangenheit auch vor, dass man top-down kurzen Prozess gemacht und eine Kirche geschlossen hat, ohne dass es kompensatorische Maßnahmen gab, die den Verlust hätten auffangen können.

Immobilienkonzeptentwicklung und Kirchenentwicklung gehören eng zusammen, sind Kehrseiten einer Medaille. Die Immobilien sind zentrale Potenzialfaktoren, die mögliche kirchliche Ausdrucksformen prägen. Wenn ein Immobilienkonzept zentraler Baustein von Kirchenentwicklung sein soll, muss die Entwicklung der Konzeption bestimmten Qualitätskriterien genügen:

Langfristig-strategischer Horizont
Angesichts der hohen Änderungsdynamik müssen Entscheidungen im Blick auf Immobilien, die nicht ohne weiteres revidierbar sind, – bei aller Unsicherheit von Prognosen – langfristig-strategisch ausgerichtet sein. Das betrifft sowohl die Markt- als auch die Ressourcenlage.

Seelsorglich-pastorale Funktion
Immobilien haben eine Dienstfunktion. Sie werden dann und nur insofern gebraucht, wie sie für die Umsetzung des kirchlichen Auftrags, also der Mission dienen. Das gilt sowohl großflächig auf den seelsorglich-pastoralen Raum hin, als auch im Blick auf das lokale Geschehen vor Ort .

Orientierung am Sozialraum
Kirche ist nicht für sich selbst da, sondern Sakrament, Werkzeug der Liebe Gottes zu den Menschen. Wenn man das ernst nimmt, sind kirchliche Gebäude nicht primär für die Kirchenmitglieder oder für die wenigen „Kirchentreuen“ da, sondern für die Menschen, zu denen die Kirche gesandt ist. Daher sind Immobilienkonzepte stets auf das Umfeld hin zu erstellen, in denen kirchliches Handeln erfolgt.

Optimierung im seelsorglich-pastoralen Raum
Kirchliches Leben vollzieht sich zukünftig zunehmend weniger in klassischen Pfarreigrößen. Organisatorisches Bezugssystem ist der größere seelsorglich-pastorale Raum, in dem kirchliche Orte mit und ohne Immobilien netzwerkartig miteinander verknüpft sind. Die verbleibenden Immobilien sind auf diesen Organisationsraum bezogen optimal, d.h. effizient zu konfigurieren.

Bei Immobilien sind zumeist unterschiedliche Interessen und viele Emotionen im Spiel.

Transparenz und Partizipation im Prozess
Bei Immobilien sind zumeist unterschiedliche Interessen und viele Emotionen im Spiel. Daher ist der Prozess der Konzeptentwicklung maximal transparent und partizipativ zu gestalten. Die Vorgaben der übergeordneten Ebene, die verfügbaren Ressourcen, die Schritte des Vorgehens, Akteure, Beteiligungsformate und Entscheidungskriterien müssen von Anfang an offengelegt werden. Die Akteure vor Ort sind unbedingt einzubeziehen, wobei offen kommuniziert werden muss, nach welchen Kriterien Voten oder Rückmeldungen in die Entscheidung einfließen.

Strukturiertheit, Präzision und Tempo
Aufgrund der vielfältigen Interessen und der hohen Emotionalität, aber auch wegen der hohen Komplexität, die damit verbunden ist, verlaufen Prozesse zur Immobilienkonzeptentwicklung vielfach zäh und ohne roten Faden. Je strukturierter die Teilschritte, je präziser die jeweiligen Aufgabenstellungen und je plausibler die bereitgestellten Instrumente sind, desto schneller kommt der Prozess in Fahrt und führt schnell zu verwertbaren Ergebnissen. In einem seelsorglich-pastoralen Raum (Größenordnung 50.000 bis 80.000 Kirchenmitglieder) sollte der Immobilienentwicklungsprozess keinesfalls länger als 15 Monate dauern, vorausgesetzt, eine angemessene Bestandsaufnahme der vorhandenen Immobilien liegt vor.

Entscheidungsfähige Optionen mit fairem Interessensausgleich
Am Ende des Entwicklungsprozesses steht nicht ein Ergebnis, sondern stehen mehrere entscheidungsfähige Optionen, die anhand der vorab definierten Kriterien ermittelt wurden. Optionsbezogen sind Vor- und Nachteile, Effekte und Nebeneffekte sowie notwendige Kompensationsmaßnahmen darzustellen. Optionen sind nur dann entscheidungsfähig, wenn sie einen fairen Interessensausgleich sicherstellen, also Gewinn und Verlust verteilt sind. Die Entscheidung selbst fällt in den dafür zuständigen Gremien und Kreisen nach einem vorab vereinbarten Prozedere.

In unserer Beratungspraxis haben wir eine Architektur und ein zugehöriges Toolset entwickelt, um diesen Kriterien in Prozessen der Immobilienkonzeptentwicklung gerecht zu werden.

3.   Prozessgestaltung

Sie alle (Gremien & Gruppierungen) müssen im Prozess der Konzeptentwicklung einbezogen werden. Dabei geht es um eine gute Balance zwischen zentraler Steuerung und Selbststeuerung vor Ort.

An der Entwicklung pastoral fundierter Immobilienkonzepte ist i.d.R. eine Vielzahl von Akteuren und Or­ga­nisationseinheiten auf unterschiedlichen Ebenen beteiligt. Neben den Kirchengemeinden und den dort zuständigen Gremien und Gruppierungen (katholisch: Kirchenvorstand, Pfarrgemeinderat, Seelsorgeteam; evangelisch: Kirchenvorstand, Presbyterium, Seelsorger:innen) spielen übergeordnete Einheiten (pastorale Räume, Kooperationsräume, u.a.) und v.a. zentrale Verwaltungseinheiten mit seelsorglich-pastoraler, ökologischer, baulicher bzw. finanzieller Zuständigkeit eine wichtige Rolle. Sie alle müssen im Prozess der Konzeptentwicklung einbezogen werden. Dabei geht es um eine gute Balance zwischen zentraler Steuerung und Selbststeuerung vor Ort.

3.1.   Rahmenbedingungen

Der Umgang mit Immobilien in Kirchengemeinden ist i.d.R. sehr emotional, insbesondere bei den jeweiligen Nutzer:innen, die u. U. selbst bei der Errichtung der Gebäude mitgewirkt oder jahrelang ihre Zeit dafür eingesetzt haben. Daher ist es wichtig, dass die Akteure und Gremien vor Ort den Prozess der Konzeptentwicklung – im Rahmen der Vorgaben – selbst gestalten und über die Ergebnisse selbst entscheiden können. Dies gelingt, wenn

  • die Rahmenbedingungen seitens der übergeordneten Instanzen in sich schlüssig und klar kommuniziert sind (Spielräume sind erkennbar)
  • der Immobilienbestand angemessen erfasst ist (Umfang, Qualität, Unterhaltungskosten, energetischer Zustand, Renovierungs- und Sanierungsbedarfe, Nutzung)
  • der Prozess der Konzeptentwicklung transparent kommuniziert, stringent geführt und mit einem schlüssigen Instrumentarium unterlegt ist (roter Faden muss erkennbar sein)
  • die Verantwortlichen in Seelsorgeteam und Gremien voll und ganz dahinterstehen und dies auch jederzeit nach außen kommunizieren

Soll der Prozess vor Ort gut gelingen, müssen die Vorgaben der übergeordneten Instanzen vor, spätestens aber zu Beginn des Prozesses klar sein und den Verantwortlichen vor Ort transparent kommuniziert werden. Zu den Vorgaben gehören insbesondere

  • mittel- und langfristig verfügbarer finanzieller Rahmen
  • Unterstützungsleistungen seitens der Diözese bzw. Landeskirche
  • rechtliche und vertragliche Bindungen (z.B. Denkmalschutz)
  • Anforderungen an eine nachhaltige Immobilienbewirtschaftung
  • Renovierungs- und Sanierungskosten, -zeiträume und -fristen (inkl. energetische Maßnahmen)
  • Seelsorglich-pastorale Kriterien an das Immobilienkonzept

Wenn der Rahmen nicht klar ist und sich u.U. mehrere übergeordnete Stellen hinsichtlich ihrer Anforderungen und wechselseitiger Erwartungen nicht einig sind, sie vor Ort (unabgestimmt) agieren oder mitten im Prozess normativ eingreifen, müssen Prozesse der Immobilienentwicklung notwendig scheitern. Vielleicht hat man am Ende das Ziel der Reduktion erreicht, hinterlässt jedoch verbrannte Ende, polarisierte Verhältnisse vor Ort, bestätigte Vorurteile gegenüber der Verwaltung, fortschreitenden Vertrauensverlust etc.

Weil das Nachdenken über benötigte Immobilien und deren Priorisierung angesichts der Ressourcenlage eine Notwendigkeit ist, der sich die lokal verantwortlichen Akteure nicht dauerhaft verschließen können, besteht allerdings umgekehrt auch die Gefahr vertikaler Übersteuerung.

Weil das Nachdenken über benötigte Immobilien und deren Priorisierung angesichts der Ressourcenlage eine Notwendigkeit ist, der sich die lokal verantwortlichen Akteure nicht dauerhaft verschließen können, besteht allerdings umgekehrt auch die Gefahr vertikaler Übersteuerung. Wenn seitens der Fachabteilungen in den Verwaltungsbehörden die Entwicklung des Immobilienkonzepts als Vehikel zur Veränderung des kirchlichen Leben vor Ort genutzt werden soll, kommen zusätzliche verdeckte Aufträge ins Spiel. Was möglicherweise auf anderen Wegen nicht gelungen ist, soll jetzt über das Immobilienkonzept unter der Hand mit geregelt werden (Instrumentalisierung). Auch dies ist zum Scheitern verurteilt.

Aufgrund der Komplexität der Materie, der Vielzahl der zu berücksichtigenden Faktoren und Interessen, ist eine Begleitung von Prozessen der Immobilienkonzeptentwicklung durch interne oder externe Entwickler:innen unabdingbar. Sie sichern den Rahmen, schaffen den Überblick, stehen für den roten Faden, schützen vor Überforderung und bieten prozessbezogene und bei Bedarf fachliche Unterstützung an (oder vermitteln diese).

Für Prozesse der Immobilienkonzeptentwicklung ist je nach Komplexität und Divergenz der Interessen eine Dauer zwischen 6 Monaten und einem Jahr anzusetzen.

Für Prozesse der Immobilienkonzeptentwicklung ist je nach Komplexität und Divergenz der Interessen eine Dauer zwischen 6 Monaten und einem Jahr anzusetzen. Für die Begleitung sind ca. 10 bis 12 Tage einzuplanen.

3.2.   Architektur

Der Erstkontakt zwischen Entwickler:innen und Verantwortungsträger:innen vor Ort ist besonders wichtig. Er dient nicht nur dazu, eine Arbeitsbeziehung herzustellen, die Landschaft zu erkunden, das Anliegen zu verstehen, die Motivation zu klären und Ressourcen in den Blick zu nehmen. Es geht dabei zentral auch um die Klärung der Rahmenbedingungen:

  • Liegen alle relevanten Daten zu den Immobilien vor?
  • Sind die Kriterien der übergeordneten Instanzen bekannt?
  • Gibt es die Bereitschaft und die Ressourcen, einen stringenten Prozess mitzugehen?
  • Tragen die Verantwortungsträger:innen vor Ort den Prozess in dieser Form mit?

Sofern diese Fragen nicht eindeutig positiv beantwortet werden können, müssen ggf. weitere Vorklärungen erfolgen oder der Auftrag kommt nicht zustande.

Liegen alle Voraussetzungen vor, kann mit der inhaltlichen Arbeit begonnen werden. Sie gliedert sich im wesentlich in folgende Arbeitspakete:

  • Projektplanung (Ergebnis: Roadmap für den Prozess der Immobilienkonzeptentwicklung)
  • Kommunikationsplanung (Ergebnis: Stakeholderanalyse, Kommunikationskonzept, kommunikative Maßnahmen)
  • Sozialraumanalyse (Ergebnis: Sozialräumliche Basisanalyse, Optionen für gemeindliches Engagement vor Ort / im Sozialraum)
  • Strategieentwicklung (Ergebnis: Purpose und Pastoralstrategie für die Kirchengemeinde / den pastoralen Raum)
  • Geschäftsmodellentwicklung vor Ort auf der Basis von Sozialraumanalyse (Optionen), Pastoralstrategie und normativen Vorgaben (Ergebnis: lokale Geschäftsmodelle für Gemeinden / Kirchorte)
  • Kriteriengeleitete Bewertung der lokalen Geschäftsmodelle und der zugeordneten Immobilien (kriterienbezogene Kennwerte und Rangfolgen)
  • Auswahl möglicher Kombinationen von Geschäftsmodellen und zugeordneter Immobilien (Ergebnis: alternative Cluster/Szenarien als Grundlage für die Entscheider:innen)
  • Bei Bedarf können im Verlauf oder im Anschluss weitere Aspekte aufgegriffen und inhaltlich vertieft werden, z.B. Innovation/Exnovation, Angebotsentwicklung, Markenbildung/Angebotskommunikation, Positionierung/Kooperation im Sozialraum

3.3.   Kontextualisierung

Mit zu berücksichtigen sind darüber hinaus Maßnahmen, die dazu dienen, die Menschen am Prozess teilhaben und zu Wort kommen zu lassen.

Die Reihenfolge der Arbeitspakete gibt den groben zeitlichen Verlauf des Prozesses wieder. Mit zu berücksichtigen sind darüber hinaus Maßnahmen, die dazu dienen, die Menschen am Prozess teilhaben und zu Wort kommen zu lassen. Hierzu zählen insbesondere

  • die Durchführung kommunikativer Maßnahmen nach innen (z.B. Arbeit mit Multiplikator:innen, Information der Mitarbeiter:innen) und außen (z.B. Pressearbeit)
  • die Gestaltung partizipativer Elemente (z.B. Hearings oder Konsultationen) und
  • Maßnahmen des Konfliktmanagements bzw. der Mediation, die u.U. bei fortgeschrittener Polarisierung indiziert sind

Die Architektur muss sicherstellen, dass die Konsultation der jeweils übergeordneten Systeme in angemessener Weise erfolgt und mögliche Impulse daraus gut aufgenommen und in die Entscheidung integriert werden können.

Im Blick auf die Geschäftsmodelle und deren Bewertung könnte zudem die konsultative Einbeziehung externer Knowhowträger:innen sein. Hier kommen z.B. Politik und Verwaltung, andere Kirchen und Religionsgemeinschaften, Vertreter:innen anderer Professionen (z.B. der Wirtschaft) oder ausgewiesene Expert:innen für den Sozialraum in Frage.

3.4.   Entscheidung

In der Praxis spielen hier die Seelsorgeteams mit ihren je eigenen Binnendynamiken eine mehr oder weniger dominierende Rolle.

Die Entscheidung über Pastoralstrategie, Geschäftsmodelle und Immobilienkonzept erfolgt formell in den vom Kirchen- bzw. im Staatskirchenrecht dafür vorgesehenen und damit zuständigen Gremien. Davon unberührt kann die inhaltliche (Vor-)Entscheidung vor Ort organisatorisch ganz anders geregelt werden. In der Praxis spielen hier die Seelsorgeteams mit ihren je eigenen Binnendynamiken eine mehr oder weniger dominierende Rolle. Um eine größtmögliche Identifikation von Aktiven und Mitgliedern zu erreichen, empfiehlt es sich, nicht nur die inhaltlichen Vorklärungen, sondern auch die Entscheidung selbst partizipativ zu gestalten.

Das beinhaltet drei Aspekte:

  1. Es muss etwas zu entscheiden geben, d.h. am Ende des Prozesses muss eine Entscheidungsgrundlage vorliegen, die eine Wahlmöglichkeit beinhaltet.
  2. Die unterschiedlichen Ebenen bzw. Subsysteme müssen direkt oder repräsentativ in die Entscheidung eingebunden sein, d.h. es gibt eine transparente und ausbalancierte Entscheidungsarchitektur.
  3. Die Entscheidung erfolgt nach einem Verfahren, das polarisierende (u.U. knappe) Mehrheitsentscheidungen ausschließt.

Zu 1)
Die inhaltlichen Vorarbeiten für ein pastoral bzw. seelsorglich fundiertes, zukunftsfähiges Immobilienkonzept sind so zu gestalten, dass sie eine schrittweise kriteriengeleitete Verdichtung der verfügbaren Informationen erlauben, die es ermöglicht eine begrenzte Zahl (z.B. 3 bis 5 ) möglicher (im Blick auf die Kriterien) hochwertiger und vergleichbarer Portfolios von Geschäftsmodellen inkl. zugehöriger Immobilien vorzulegen. Das Zustandekommen dieser Optionen ist anhand der Kriterien zu begründen und transparent darzustellen.

Zu 2)
Strukturell kann die Beteiligung der Mitglieder an der Entscheidung über die Optionen (Portfolios) repräsentativ oder direkt erfolgen. Die einfachste Form repräsentativer Entscheidung ist die Abstimmung in den zuständigen Gremien. Es könnte aber sachgemäßer sein, punktuell für diese Fragestellung ein repräsentatives Gremium zu bilden, das die unterschiedlichen Sichtweisen im Referenzsystem viel besser abbildet und damit zu einer ausbalancierteren Entscheidung kommen kann. Es wäre aber auch möglich, aktive Gruppen oder die Kirchenmitglieder mittels Befragung selbst direkt entscheiden zu lassen.

Zu 3)
Mehrheitsentscheidungen sind dichotom (Ja/Nein-Entscheidungen). Sie führen regelmäßig zu Polarisierungen, gerade wenn damit starke Emotionen verbunden sind. In der Folge wird die Annahme bzw. Identifikation mit der Lösung erheblich erschwert. Das Klima kann auf lange Zeit ernsthaft beschädigt werden. Daher ist es sinnvoll Entscheidungsverfahren heranzuziehen, die eine differenziertere Bewertung ermöglichen bzw. zu konsensnahen Entscheidungen führen. Bei repräsentativen Entscheidungen kommt hier insbesondere das aus der Soziokratie bekannte Konsent-Verfahren in Frage, alternativ systemisches Konsensieren. Bei direkter Beteiligung der Mitglieder (über eine Befragung) wäre die Verwendung von Skalen angezeigt, die eine differenzierte Einschätzung ermöglichen.

4.   Tools

Über die Visualisierung öffnen die Instrumente einen zweiten Wahrnehmungskanal, der besonders einprägsam ist.

Im Folgenden werden exemplarisch Instrumente vorgestellt, die in Prozessen der Immobilienkonzeptentwicklung zur Anwendung kommen. Es handelt sich dabei um Methoden, die auf Plakaten in DIN-A0- oder DIN-A1-Format bzw. auf sog. Karten in DIN-A4-Format strukturiert dargestellt sind. Die Instrumente stellen also Landkarten zur Verfügung, an denen man sich orientieren und das Thema schrittweise mit Hilfe von Haftnotizzetteln bearbeiten kann. Über die Visualisierung öffnen die Instrumente einen zweiten Wahrnehmungskanal, der besonders einprägsam ist. Sie reduzieren Komplexität und bieten dennoch eine hinreichende Differenzierung, um zu qualifizierten Ergebnissen zu kommen. Damit sind die Instrumente gerade für Ehrenamtliche eine große Erleichterung und führen schnell zu guten Arbeitsergebnissen.

4.1.   Projektierung

Für eine strukturierte Projektplanung eignet sich das Projektboard. Es ist ein bewährtes und zugleich leichtgängiges Werkzeug, um sich in einer Planungsgruppe über die Anlage und Steuerung eines Projekts zu verständigen. Das Board hilft, das Projekt in seinem Verlauf zu planen, zu steuern und seinen Fortschritt im Auge zu behalten. Ausgehend vom Auftrag werden Ziele, Adressaten, Beteiligte, Organisation und Aufgaben bestimmt. Die Aufgaben lassen sich auf einer Zeitschiene anordnen und mit Meilensteinen und Monitoring-Zeitpunkten versehen. Risiken werden festgehalten. Ein Themenspeicher kann zwischen den Bearbeitungsphasen genutzt werden, um wichtige Aspekte festzuhalten, die in eine spätere Bearbeitung einfließen können.

Die Ergebnisse werden in Form einer Roadmap verdichtet und nach Abstimmung mit den Beteiligten zunächst dem:der Auftraggeber:in zur Entscheidung vorgelegt. Im Anschluss sind die übergeordneten Instanzen mit einzubeziehen. Sie können Änderungswünsche eintragen, die dann vor Ort erneut zu verhandeln sind. Wenn keine der beteiligten Instanzen ernsthafte Bedenken hat, wird die Roadmap von ihnen unterschrieben und gilt verbindlich (multilateraler Kontrakt).

4.2.   Kommunikation

Die Planung der Kommunikation ist für das Mitgehen der Betroffenen und Beteiligten in den Kirchengemeinden zentraler Bedeutung. Nur wenn sie mehrheitlich den Prozess und seine Notwendigkeit verstehen, werden sie daran beteiligen und sich mit den Ergebnissen identifizieren können.

Da es um die Verteilung knapper Ressourcen geht, ist die Kommunikation zum Prozess bei einem Teil der Betroffenen mit starken Emotionen verknüpft. Unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse prallen aufeinander. Man muss davon ausgehen, dass es ganz unterschiedliche Einstellungen zum Prozess gibt. Die Menschen sind mehr oder weniger stark involviert. Die Annahmen, wie stark man vom Rückbau betroffen ist gehen auseinander. Das alles erfordert eine differenzierte, dialogisch orientierte Kommunikation.

Basis für das Kommunikationskonzept ist eine qualifizierte Stakeholderanalyse mit der Anspruchsgruppen identifiziert werden, die sich

  • hinsichtlich ihrer Einstellung zum Projekt (positiv oder negativ) und ihrem Einfluss im System (hoch oder niedrig) bzw.
  • hinsichtlich der Art ihres Involvements / ihrer inneren Beteiligung (hoch oder niedrig) und ihrer Betroffenheit (Ausmaß des angenommenen Gewinns oder Schadens durch das Projekt) unterscheiden

Anders als bei einer Kommunikation nach dem Gießkannenprinzip, berücksichtigt die Stakeholderkommunikation diese Besonderheiten von Adressat:innen und passt sich dahingehend an.

Diese und weitere Informationen sind wichtig, um die Kommunikation adressatenorientiert in differenzierter Weise zu gestalten.4 Anders als bei einer Kommunikation nach dem Gießkannenprinzip, berücksichtigt die Stakeholderkommunikation diese Besonderheiten von Adressat:innen und passt sich dahingehend an. Das ist nicht nur erfolgsversprechender, sondern ist auch Ausdruck einer aufmerksamen, zugewandten Haltung: Die Unterschiedlichkeit der Menschen wird wahr- und angenommen und spielt für das eigene Handeln eine Rolle.

Die Kommunikationsplanung selbst erfolgt dann mit Hilfe des Kommunikationsboards. Es bietet methodische Hinweise zur konkreten Bearbeitung der Kommunikationsaufgabe. Man kann bei der Bearbeitung die übergreifende Kommunikation betrachten, die im Projekt unabdingbar ist und darüber hinaus in einem zweiten Schritt die einzelnen Stakeholdern mit ihren spezifischen Kommunikationsanforderung.

Das Kommunikationsboard hat im oberen Teil einen tabellenartigen Aufbau. Hier werden für die übergreifende Kommunikation bzw. die verschiedenen Stakeholder Kommunikationsrelevante Informationen eingetragen bzw. Festlegungen vorgenommen. Sie betreffen v.a. die Kommunikationsziele, die Kommunikationsbotschaften, bestehende Risiken und Kommunikationsinstrumente, -akteure und -formate.

Der untere Teil des Kommunikationsboards verfolgt eine prozessorientierte Sichtweise. Auf einer Zeitachse werden die Kommunikationsmaßnahmen, benötigte Ressourcen oder auch vorzunehmende Texts im Vorfeld oder aber Controllingschleifen im Nachgang festgelegt und eingeordnet.

4.3.   Sozialraumanalyse

Für die Durchführung der Sozialraumanalyse stehen unterschiedliche Instrumente zur Verfügung. Voraussetzung ist die eine sorgfältige Abgrenzung des bzw. der betrachteten Sozialräume. Hierzu eignen sich Karten, die i.d.R. in kirchlichen Verwaltungen zur Verfügung stehen. Darüber hinaus lassen sich Kartierungen gut in GoogleMaps realisieren.

Mit Hilfe des Datenboards werden relevante soziodemografische Daten zur Bevölkerung im Sozialraum erfasst: Altersstruktur, Lebensformen, Milieuverteilung, Arbeitssituation, Herkunft, Weltanschauung / religiöse Orientierung und Sozialindikatoren wie Arbeitslosenquote, SGB II-Quote oder Kriminalitätsrate. Im Ergebnis ergibt sich ein Profil der Wohnbevölkerung im Sozialraum, das Hinweise sowohl auf Ressourcen und Potenziale als auch auf Bedürfnis- und Problemlagen bereitstellt. Bei der Bearbeitung kann man sich auf die Einschätzung von Expert:innen vor Ort (z.B. aus Caritas oder Diakonie) oder aber entsprechendes statistisches Material stützen, das i.d.R. über die Zivilgemeinde oder in Teilen auch über die kirchlichen Verwaltungen (z.B. Milieudaten) zu beziehen ist.

In einem zweiten Schritt geht es um die Infrastruktur im Sozialraum. Hier steht das Board Sozialraumscreening zur Verfügung. Es wird ebenfalls mit Informationsträger:innen aus dem Sozialraum bearbeitet. Schrittweise werden im Diskurs mit Hilfe von Leitfragen die harten Faktoren administrativer Raumgestaltung analysiert, beschrieben, geordnet und bewertet. Es stehen dafür 10 Cluster zur Verfügung: Umwelt/Ökologie, Wohnen, Bildung, Soziales, Arbeit, Verkehr, Gesundheit, Kultur, Verwaltung und Wirtschaft. Anhand der Ergebnisse werden grundlegende Strukturen, Zusammenhänge zwischen Einflussfaktoren und Handlungs- bzw. Entwicklungsbedarfe sichtbar.

Die Basisanalysen zu den Sozialräumen, in denen sich eine Kirchengemeinde bewegt, können sich durchaus über einen längeren Zeitraum hinziehen, wenn Informationen fehlen, wenn Fragen auftauchen, die zu klären sind oder Hypothesen formuliert werden, die einer empirischen Überprüfung bedürfen etc.

Zu beteiligen sind nach Möglichkeit alle kirchlichen Akteur:innen, die vor Ort aktiv bzw. tätig sind, also z.B. auch die verbandliche Caritas.

 

Auf Grundlage der Basisanalyse wird die sozialräumliche Betrachtung in den Gemeinden bzw. an den Kirchorten fortgesetzt. Zu beteiligen sind nach Möglichkeit alle kirchlichen Akteur:innen, die vor Ort aktiv bzw. tätig sind, also z.B. auch die verbandliche Caritas. In den lokalen Workshops geht es darum, Optionen für kirchliches Engagement im Sozialraum zu entwickeln. Man nutzt dafür das Optionsboard.

Ausgehend von den Issues bzw. Entwicklungsaufgaben, den vorhandenen Ressourcen und potenziellen Partnern werden zunächst Ideen für mögliche mittel- oder langfristige Engagements gesammelt, die dann im weiteren Verlauf strukturiert bearbeitet werden, z.B. im Blick auf benötigte Ressourcen, mögliche Partner, Nähe zum eigenen Purpose etc. Abschließend werden die Ideen im Blick auf die Sinnhaftigkeit und den Nutzen für alle Beteiligten hin bewertet.

Entscheidet man sich im weiteren Verlauf für eine Engagement-Option und entwickelt daraus ein Geschäftsmodell für den Kirchort oder die Gemeinde, so kann man mit Hilfe eines spezifisch auf diese Frage hin optimierten Kooperationsboards die Zusammenarbeit mit den im Modell vorgesehenen Partnern konfigurieren und schrittweise entwickeln.

4.4.   Pastoralstrategie

Wenn ein Immobilienkonzept pastoral begründet sein soll, genügt ein Pastoralkonzept nicht, das die bestehende Praxis beschreibt.

Immobilienkonzepte sind naturgemäß langfristig angelegt. Wenn ein Immobilienkonzept pastoral begründet sein soll, genügt ein Pastoralkonzept nicht, das die bestehende Praxis beschreibt. Gebraucht wird eine Pastoralstrategie, also eine Strategie kirchlichen Handelns im jeweiligen Bezugsraum (Kirchengemeinde, pastoralen Raum), die den Weg in die Zukunft beschreibt.

Ausgangspunkt für die Entwicklung einer solchen Strategie ist die Vergewisserung bzw. Verständigung über das gemeinsame Mindset: „Warum sind wir Kirche?“ (tragende Erfahrung, Kern der Hoffnung) und „Wozu sind wir Kirche?“ (Sinn und Zweck unseres Tuns). Gearbeitet wird dabei im Blick auf die Wozu-Frage mit der Purposekarte, zunächst individuell und dann gemeinsam.

Mit Hilfe von Leitfragen wird man im Venn-Diagramm schrittweise von außen nach innen an den Purpose der Organisation, die Schnittstelle zwischen Vocation, Mission und Passion herangeführt.

Ausgehend vom Purpose sind strategische Grundätze festzulegen und strategische Richtungsentscheidungen zu treffen. Gearbeitet wird dabei mit dem Strategieboard. Das Board ist in vier Sektoren gegliedert. Bei den Grundsätzen (Sektor 1) sind die wichtigsten Aspekte einer gemeinsamen Vision (Utopie von Kirche), ein prägnantes Missionsstatement (i.S. eines Nutzenversprechens für die Adressaten), zentrale Werte für das kirchliche Handeln sowie der Beitrag zur gesellschaftlichen Wertschöpfung und zu einer nachhaltigen Entwicklung einzutragen.

Anders als bei klassischen Pastoralkonzepten geht es bei der Pastoralstrategie nicht um die Beschreibung des Ist-Zustandes, sondern um dir Beschreibung der langfristigen Zielperspektive und möglicher Schritte auf dem Weg dorthin. Es geht also um die Transformation von Kirche in eine gute Zukunft. Der erste und wichtigste Schritt ist dabei die Vergewisserung und Verständigung darüber, in welche Richtung man gehen, also sich verändern will. In diesem Schritt werden die grundlegenden Linien i.S. strategischer Richtungsentscheidungen für die langfristige Gestaltung und Entwicklung der Organisation, in diesem Fall der Kirche im Bezugsraum, festgelegt. Dabei beantwortet man im wesentlichen folgende Fragen:

  • Wie positioniert sich die Organisation (Kirche) in ihrem Umfeld? – Markt (Sektor 2)
  • Wie gestaltet die Organisation (Kirche) ihre Binnenarchitektur? – Konfiguration (Sektor 3)
  • Wie gewinnt, nutzt und pflegt die Organisation (Kirche) ihre Mittel? – Ressourcen (Sektor 4)

Betrachtet man etwa den Markt, ist zu überlegen, wer zukünftig die Adressaten kirchlichen Handeln sein sollen.

Betrachtet man etwa den Markt, ist zu überlegen, wer zukünftig die Adressaten kirchlichen Handeln sein sollen. Ist man als Kirche zukünftig (ausschließlich) für die treuen Kirchgänger da oder geht es um diejenigen, die bisher nicht oder nicht mehr erreicht werden? Wer sind diese Adressaten genauer? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Angebote und deren Gestaltung? Etc.

Im Blick auf die Konfiguration ist z.B. bedeutsam, wie sich die Kirche im größeren Raum aufstellen will: Wie sind Zentralität und Dezentralität auszubalancieren? Liegt das Gewicht auf den Zentren (und den Hauptamtlichen) oder auf den lokalen Kirchorten (und den Ehrenamtlichen)? Wie viele Gremienebenen braucht man? Etc.

Bei den Ressourcen stehen ebenfalls grundlegende Zukunftsfragen an. Liegt die Verantwortung für das seelsorgliche Handeln bei den Hauptberuflichen oder in der Hand der Getauften? Wie sind Aufgaben und Befugnisse zu regeln? Wie ist das Miteinander zu denken? Etc.

Im weiteren Verlauf lassen sich die Richtungsentscheidungen dann auch weiter konkretisieren in Form überprüfbarer, zeitlich gefasster strategischer Ziele inkl. zugehöriger Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen. Hilfreich ist hier die Operationalsierungskarte und das Zielsystemboard.

Die strategischen Grundsätze, Richtungsentscheidungen und Ziele haben normativen Charakter. Sie bilden die verbind­liche ­Grundlage für aktuelle und zukünftige Entscheidungen in der Organisation, z.B. auch bzgl. der Immobilien und ihrer Verwendung. Sie gelten dauer­haft, so lange, bis sie im Konsens geändert werden.

4.5.   Lokale Geschäftsmodelle

Jede Organisation hat – ob nun explizit entwickelt oder implizit eingeführt – ein Geschäftsmodell, das abbildet, wie der Nutzen für die Adressat:innen der Angebote entsteht und wie sich umgekehrt die Wertschöpfung in der Organisation vollzieht. Das trifft auch auf Kirchengemeinden und Kirchorte/Gemeinden zu.

Im Rahmen der Immobilienkonzeptentwicklung ist lokal, d.h. in den Gemeinden bzw. an den jeweiligen Kirchorten, zu überlegen, wie das Kirche-Sein zukunftsorientiert gestaltet werden kann und welche alternativen Optionen es dabei gibt.

Um dies qualifiziert zu tun, hilft die Idee des „Geschäftsmodells“. Das Modell beinhaltet die innere Logik oder Geschäftslogik der Organisation und damit alle wesentlichen Aspekte, die zur Wertschöpfung und für das Entstehen von Kundennutzen relevant sind. Das Geschäftsmodellboard dient dazu, mögliche Geschäftsmodelle zu entwickeln, zu visualisieren, zu testen, zu verändern usw.

Das Geschäftsmodellboard weist 5 Dimensionen auf und verfügt insgesamt über 13 Felder, die nacheinander und aufeinander bezogen entlang der jeweiligen Leitfragen bearbeitet werden:

  • Adressatendimension mit den Feldern Adressatensegmente, -kanälen und -beziehungen
  • Nutzendimension mit den Feldern Nutzenversprechen und Leistungen
  • Wertschöpfungsdimension mit den Feldern Schlüsselressourcen, -kompetenzen und -prozesse
  • Partnerdimension mit den Feldern Partnersegmente, -kanäle und -beziehungen
  • Finanzdimension mit den Feldern Kostenstruktur und Einnahmequellen

Die Bezugspunkte für die (Neu-)Konzeption der kirchlichen Handlungslogik vor Ort sind neben den diözesanen bzw. landeskirchlichen Vorgaben v.a. die verbindliche Pastoralstrategie des Bezugsraums und die im Vorfeld erfolgte Sozialraumanalyse.

Die Bezugspunkte für die (Neu-)Konzeption der kirchlichen Handlungslogik vor Ort, also des Geschäftsmodells, sind neben den diözesanen bzw. landeskirchlichen Vorgaben v.a. die verbindliche Pastoralstrategie des Bezugsraums (Kirchengemeinde, pastoraler Raum) und die im Vorfeld erfolgte Sozialraumanalyse, speziell die dort für den jeweiligen Ort herausgearbeiteten Optionen eines kirchlich geprägten Engagements im Sozialraum.

Idealerweise arbeiten Vertreter unterschiedlicher kirchlicher Gremien, Gruppen und Organisationen, die im Einzugsgebiet aktiv sind, an der Erstellung möglicher lokaler Geschäftsmodelle mit, also neben Ortsausschüssen oder Gemeindeteams, Verbände, Caritas, Bildungseinrichtungen etc.

Im Ergebnis liegen nach Möglichkeit mehrere Geschäftsmodelloptionen für die Kirchorte oder auch losgelöst von ihnen vor, die darüber Auskunft geben, wie das kirchliche Leben in Zukunft gestaltet werden kann, einschließlich der erforderlichen Ressourcen was Finanzen, Personal und Immobilien betrifft. Denkbar ist, dass zur Aufgabe gehört, mindestens ein Geschäftsmodell zu entwickeln, das ohne die aktuell genutzten Gebäude (Kirche, Pfarrheim) auskommt.

4.6.   Einzelbewertung von Geschäftsmodellen und Immobilien

Sind die voran skizzierten Schritte durchgeführt, liegen alle Informationen auf dem Tisch, die für eine qualifiziert Entscheidung über die zukünftige Ausgestaltung des kirchlichen Lebens inkl. der zugehörigen Immobilien erforderlich sind. Sie fließen nun in einen strukturierten und transparenten Bewertungsprozess ein. Dieser beginnt mit der Einzelbewertung von Geschäftsmodellen und Immobilien nach fachlichen Kriterien.

Einzelbewertung der Geschäftsmodelle

Die Bewertung der Geschäftsmodelle erfolgt in einer Bewertungskommission, die mit Personen aus den Entscheidungsorganen besetzt ist, die im Bezugssystem eine hohe Anerkennung genießen. In die Bewertung fließen folgende Kriterien ein:

  • die strategische Vorgaben der Diözese bzw. der Landeskirche (Kriterienset 1)
  • die Pastoralstrategie des Bezugssystems (Kirchengemeinde, pastoraler Raum) (Kriterienset 2)
  • ergänzende übergreifende Erfolgsfaktoren sowie (Kriterienset 3)
  • das Ergebnis der Konsultation (Kriterienset 4)

Zur Unterstützung und Objektivierung des Bewertungsvorgangs dient die Kartensammlung Geschäftsmodellbewertung. Bei den strategischen Vorgaben der Diözese bzw. der Landeskirche und der Pastoralstrategie werden die Einzelkriterien zunächst gemeinsam aus den jeweiligen Texten abgeleitet. Bei den ergänzenden übergreifenden Erfolgsfaktoren gibt es bereits ausformulierte Kriterien, die jedoch bei Bedarf zusätzlich ergänzt werden können. In allen drei Fällen wird in einem zweiten Schritt festgelegt, mit welcher Gewichtung die Kriterien in das jeweilige Gesamtergebnis einfließen sollen. Danach wird auf einer Skala von 0 bis 10 eingeschätzt, inwieweit die Geschäftsmodelle die einzelnen Kriterien erfüllen. Für die Gesamtbewertung wird pro Kriterium das Produkt aus Gewichtung x Bewertung gebildet, die Ergebnisse werden summiert und durch die Anzahl der Kriterien geteilt. Im Ergebnis liegt für jedes Geschäftsmodell bei jedem Kriterienset der gewichtete Durchschnitt als Gesamtscore vor. Aus dem Konsultationsverfahren liegt ein zusätzlicher Score vor, der angibt, wie schlüssig und sinnvoll die an der Konsultation beteiligten Personen das jeweilige Geschäftsmodell insgesamt einschätzen.

Für die vier Scores kann zusätzlich das arithmetische Mittel als Gesamtscore bestimmt werden. Mit Hilfe der so ermittelten Kennwerte lassen sich die Geschäftsmodelle insgesamt und für jeden Kirchort in eine Rangfolge bringen, aus der erkennbar ist, welche Modelle am ehesten den zugrunde gelegten Kriterien entsprechen.

Die Ergebnisse der Geschäftsmodellbewertung werden systematisch in einer speziell hierfür erstellten Excel-Datei zur Geschäftsmodell- und Immobilienbewertung dokumentiert.

Bewertung der Immobilien

Die Einzelbewertung der Immobilien wird im zuständigen Fachgremium (Kirchenvorstand, Presbyterium) vorgenommen.

Wichtig ist bei dieser Betrachtung, die Schlüsselthemen Nachhaltigkeit und Klimaneutralität mit zu berücksichtigen.

Wichtig ist bei dieser Betrachtung, die Schlüsselthemen Nachhaltigkeit und Klimaneutralität mit zu berücksichtigen. Die Diözesen/Landeskirchen legen dabei die Standards fest, die im Blick auf die erforderliche Sanierung der Gebäude zu beachten sind und damit für die Ausgestaltung des Immobilienkonzepts zentrale Bedeutung haben.

Für eine energetische Sanierung bedarf es einer verlässlichen und differenzierten Einschätzung des energetischen Zustands der Immobilie als auch einer validen Kostenschätzung. Beides ist durch die übergeordneten kirchlichen Behörden, durch eignen Sachverstand oder entsprechende Gutachten sicherzustellen.

Neben den laufenden Kosten für Unterhaltung und Erhalt sowie die Sanierung von Gebäuden, ist mit zu berücksichtigen, inwieweit es normative Vorgaben seitens der Diözese bzw. Landeskirche gibt und welche rechtlichen bzw. vertraglichen Bindungen (z.B. Denkmalschutz, langfristige Verträge) ggf. zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus ist von Bedeutung, ob es Möglichkeiten alternativer Verwendung oder Optionen zur Veräußerung/Übereignung von Immobilien gibt.

Die Bewertung der Immobilien wird unmittelbar in der Excel-Datei Datei zur Geschäftsmodell- und Immobilienbewertung vorgenommen.

1.7.   Lösungsszenarien und deren Bewertung

Am Ende des Entwicklungsprozesses muss im Blick auf Geschäftsmodelle und Immobilien eine Auswahl getroffen werden. Es genügt dabei nicht, die einzelnen Modelle und die zugehörigen Immobilien isoliert zu betrachten. Mitentscheidend ist die Sinnhaftigkeit des Gesamtpakets. So kann es z.B. sein, ein Geschäftsmodell „Familienkirche“ an mehreren Standorten in der Einzelbewertung gut abschneidet. Im Blick auf das Gesamtsystem einer Kirchengemeinde wäre eine Lösung mit mehreren Familienkirchen allerdings fragwürdig, weil man damit wechselseitig in Konkurrenz treten und sich das Wasser abgraben würde, während andere Themen und Zielgruppen oder auch sozialräumliche Herausforderungen außen vor blieben.

Aus diesem Grund bedarf es vor einer Entscheidung durch die verantwortlichen Gremien der Identifikation möglicher sinnvoller Kombinationen oder Cluster von Geschäftsmodellen/Immobilien, die in der Summe der Einzelbewertungen möglichst gut abschneiden. Das geschieht in einer kleinen Arbeitsgruppe mit Hilfe der Excel-Datei zur Geschäftsmodell- und Immobilienbewertung.

Aus den bewerteten Geschäftsmodellen und den ihnen zugehörigen Immobilien werden iterativ jene 4 bis 6 Kombinationen herausgefiltert, die in der Gesamtbewertung am besten abschneiden und damit den übergeordneten pastoralen, ökologischen, baulichen und finanziellen Anforderungen sowie den lokalen Bedürfnissen am ehesten entsprechen.

Das Vorgehen dabei ist nahezu spielerisch. Man legt fest, welche Geschäftsmodelle zum Portfolio dazugehören sollen. Die pastorale und finanzielle (Gesamt-)Bewertung der Portfolios wird unmittelbar berechnet und im Vergleich der Portfolios 1 bis 6 tabellarisch und grafisch dargestellt.

Liegen die Optionen vor, werden diese in knapper Form darstellt und hinsichtlich der Auswahl begründet. Die Argumente liefert die zuvor erfolgte, systematische Bewertung anhand pastoraler und finanzieller sowie baulicher Kriterien. Die Entscheidung erfolgt dann in den zuständigen Gremien anhand der im Prozess der Immobilienentwicklung verdichteten Informationen.

5.   Praxiserfahrung

Die Erfahrung in der Praxis zeigt, dass sowohl hauptamtlich in Seelsorge und Pastoral Tätigen als auch ehrenamtlich Engagierten ein strukturiertes Arbeiten sehr entgegenkommt, weil es Ressourcen schont, den Arbeitsfortschritt greifbar macht und zu Entscheidungen führt.

Die Arbeit mit den Boards hilft, beim jeweiligen Thema die Übersicht zu behalten, hinreichend differenziert in die Materie einzusteigen und schrittweise vorzugehen.

Die Arbeit mit den Boards hilft, beim jeweiligen Thema die Übersicht zu behalten, hinreichend differenziert in die Materie einzusteigen und schrittweise vorzugehen. Die Moderation ist in der Lage, situativ zu entscheiden, wie tief man in Details geht, wo in der Diskussion Schwerpunkte zu setzen sind, ob bestimmte Felder vernachlässigt werden können etc. Darüber hinaus ist es vergleichsweise einfach, den Fokus zu halten und den roten Faden ansichtig zu machen.

Die Ergebnisse sind i.d.R. sehr differenziert und zugleich hoch verdichtet, dass eine zeitnahe Verschriftlichung unabdingbar ist. Hier ist zu klären, inwieweit das vom System selbst zu leisten ist (was ideal wäre) oder von den externen bzw. internen Entwickler:innen als zusätzliche Dienstleistung angeboten wird.

  1. „Langfristige Projektion der Kirchenmitglieder und des Kirchensteueraufkommens in Deutschland – Eine Studie des Forschungszentrums Generationenverträge an der Albert-Ludwig-Universität Freiburg“
  2. Evangelische Kirche in Deutschland. Statistik über Kirchen und Gottesdienststätten in der evangelischen Kirche am 31. Dezember 2011, https://www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/Bericht_Gebaeude_2011.pdf, abgerufen am 6.4.2023. Gebäude und Predigtstätten. Statistik zu Kirchen, Kindergärten und weiteren Gebäuden der Evangelischen Kirche in Deutschland, https://www.ekd.de/statistik-kirchen-und-gebaeude-44296.htm, abgerufen 6.4.2023. Katholische Kirche in Deutschland – Zahlen und Fakten 2021/2022. Bonn, 2022, https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/Zahlen%20und%20Fakten/Kirchliche%20Statistik/Allgemein_-_Zahlen_und_Fakten/AH332_BRO_ZuF_2021-2022_WEB.pdf, abgerufen am 6.4.2023, Katholische Kirche in Deutschland – Zahlen und Fakten 2011/2012. Bonn, 2012, https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/Zahlen%20und%20Fakten/Kirchliche%20Statistik/Allgemein_-_Zahlen_und_Fakten/AH_257.pdf, abgerufen am 6.4.2023.
  3. 95% der katholischen, 83% der evangelischen Kirchen und Kapellen stehen unter Denkmalschutz.
  4. Hierzu stehen eigene Tools zur Verfügung, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen wird..

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