022022

Foto: Marius Statk/EKiBa

Bonustrack

Heike Springhart

Evangelische Landeskirche in Baden

Beschäftigen Sie sich in Ihrer Landeskirche mit dem Szenario einer disruptiven Entwicklung bzw. eines Zusammenbruchs der bisherigen Gestalt?

Wir beschäftigen uns als Kirche aufgrund der biblischen Traditionen immer schon mit disruptiven Entwicklungen und auch Zusammenbrüchen des Bisherigen, wenn Sie an die Auferstehung Jesu Christi, an die Taufe, an die Hoffnung auf Neuschöpfung denken. Christen erwarten Veränderungen, gestalten Veränderungen im Geiste Christi mit und reflektieren disruptive Veränderungen. Besonders markant ist dies an der Auferstehung Christi zu sehen.

Dass die Kirche ihre Gestalt immer wieder ändert und ändern muss, hat uns Martin Luther ins Stammbuch geschrieben. Die Kirchen im 21. Jahrhundert steigen bzgl. ihrer Inhalte und Formen in gesellschaftliche Aushandlungsprozesse ein, werden hinterfragt, Ihnen wird auch mit Indifferenz begegnet. Das zeigt die Verwundbarkeit von Kirche. Sie ist eine Stärke und ihr Wesenszug. Stärke, weil sie sich so offen hält für die kritischen Anfragen und Wesenszug, weil im Zentrum und am Ausgangspunkt der Gekreuzigte steht, der auf die transformative Kraft von Verletzlichkeit hinweist.

Wo bzw. mit wem wird das Thema systematisch diskutiert und bearbeitet?

Die organisationalen Veränderungen werden in einem Strategieprozess in der Landeskirche abgebildet. Diese wird durch kirchenleitende Organe koordiniert und durch Projektverantwortliche gesteuert. Dabei setzt man einen Rahmen, kommuniziert Ziele und arbeitet mit Partizipation auf ganz verschiedenen Ebenen. Die Rückbindung an die Beteiligten vor Ort, die steten Nachjustierungen und vor allem das Vertrauen, dass wir dabei an der Bewegung Gottes in der Welt teilnehmen, trägt diesen Prozess.

Wie bereiten Sie Ihre Landeskirche kommunikativ auf dieses Szenario vor?

Die Synode, die gewählten Delegierten der Kirche, haben den Veränderungsprozess in unserer Landeskirche diskutiert und angestoßen, die Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen der Kirche wurden mehrfach informiert, es gibt Austausch und Abstimmungsgespräche über Ziel und Weg – sowohl über das, was man aufgeben muss, als auch über die Menschen, die man gewinnen möchte.

Wie wollen Sie die Handlungs- und Steuerungsmöglichkeit Ihrer Landeskirche erhalten?

Dadurch, dass wir uns frühzeitig auf die gesellschaftlichen Entwicklungen einstellen, dadurch, dass wir breit kommunizieren, dadurch, dass wir immer bereit sind neu wahrzunehmen, was dran ist und auch nachzusteuern, versuchen wir mit Gottes Hilfe die Handlungs- und Steuermöglichkeit der Landeskirche zu erhalten.

Welche Überlegungen gibt es, in diesem Szenario den Übergang zu gestalten?

Die Kirchen gestalten in besonderer Weise Übergänge. Bei den großen menschlichen Übergängen wie Geburt und Tod, bei den gesellschaftlichen Übergängen wie z.B. im Vorfeld der deutschen Einheit und auch bei den großen Themen der Zeit wie z.B. im Klimaschutz versuchen die Kirchen, Ihren Beitrag für gelingende Übergänge zu leisten. Wir tun dies tatkräftig durch die angestoßenen Reformprozesse und im Vertrauen auf Gottes Bewegung hin zu seiner Schöpfung und zu den Menschen.

Wie kann in diesem Szenario Ihre Landeskirche der Verantwortung für die Mitarbeitenden gerecht werden?

Die Landeskirche kommuniziert die zu erwartenden Rahmenbedingungen, sie plant weit im Voraus (es treten mehr Mitarbeitende in den Ruhestand als neue nachkommen), sie informiert und kommuniziert und sucht auch individuell gute Lösungsmodelle.

Wie können Sie als Landeskirche in dieser Situation der Verantwortung für die Gesellschaft gerecht werden?

Die Landeskirche bleibt auch künftig öffentliche Kirche, sie setzt sich weiter für Menschen ein, deren Stimme in der Gesellschaft überhört wird, sie wird weiter Seelsorge anbieten und Menschen begleiten – auch mit weniger Ressourcen. Über Kreativität und selbstbewusstes, professionelles Auftreten unserer Mitarbeitenden, aber auch durch Verschlankung und zeitgemäße Anpassung von Prozessen (Digitalisierung) kann ein Teil der notwendig gewordenen Reduktion aufgefangen werden. Wir setzen darauf, dass mehr Menschen erleben, dass sie eine Gesellschaft wollen, in der Nächstenliebe und eine geistliche Dimension des Lebens Raum findet.

 

24.9.2022

Prof. Dr. Heike Springhart, Landesbischöfin Evangelische Landeskirche in Baden

 

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