022022

Foto: medio.tv/Schauderna

Bonustrack

Beate Hofmann

Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck

Beschäftigen Sie sich in Ihrer Landeskirche mit dem Szenario einer disruptiven Entwicklung bzw. eines Zusammenbruchs der bisherigen Gestalt?

Wir verarbeiten die Disruptionserfahrungen der Corona-Pandemie und nutzen sie als „kairos“ für die Transformation der Kirche, z.B. im Blick auf die Gottesdienstlandschaft, die Digitalisierung, den Umgang mit Gebäuden, die Vernetzung mit der Zivilgesellschaft.

Wo bzw. mit wem wird das Thema systematisch diskutiert und bearbeitet?

Es gibt eine Steuerungsgruppe für den Reformprozess, in der der Transformationsprozess in einer multiprofessionellen Gruppe reflektiert und begleitet wird. Auch wissenschaftliche Begleitung und Perspektiven von Berater*innen suchen wir regelmäßig. Die Entscheidungsgremien sind regelmäßig in Entwicklung und Umsetzung einbezogen.

Wie bereiten Sie Ihre Landeskirche kommunikativ auf dieses Szenario vor?

Wir haben einen breit angelegten und auf Beteiligung ausgerichteten „Verständigungsprozess zum Auftrag der Kirche“ durchgeführt, in dem wir ein gemeinsames Verständnis vom Auftrag und den Grundaufgaben von Kirche in sich wandelnden Verhältnissen und sich verändernden Ressourcen diskutiert haben. Mehr als 1500 Haupt- und Ehrenamtliche, aber auch Menschen aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft wurden in zahlreichen Veranstaltungen beteiligt. Jetzt liegt der Ball in den Gemeinden unsrer Kirche: Auch sie sollen beteiligt werden und diskutieren, wie sie den Auftrag der Kirche umsetzen können und dabei über einen angemessenen Ressourceneinsatz entscheiden.

Wie wollen Sie die Handlungs- und Steuerungsmöglichkeit Ihrer Landeskirche erhalten?

Die benannten Grundaufgaben und strategische Kriterien (Kontaktflächen bietend, Ausstrahlung fördernd, Kooperation stärkend, nachhaltig, motivierend) dienen als Orientierung bei allen Ressourcenentscheidungen. Durch zwei von uns entwickelte Tools wird der Umgang mit den Kriterien und den Grundaufgaben in kirchlichen Gremien unterstützt und eingeübt.

Bisher versuchen wir diesen Prozess als evolutionäre Transformation zu gestalten, nicht als disruptive Erneuerung.

Durch ein Innovationsbudget eröffnen wir gleichzeitig Spielräume für innovative Formen von Kirchesein, die neue und andere Wege gehen. Wir setzen auf multiprofessionelle Teams und errichten neue Stellen für Diakoninnen und Diakone. Auch der Kontakt und die Verknüpfung mit Diakonie als einer anderen Gestalt von Kirche spielt dabei eine wichtige Rolle.

Welche Überlegungen gibt es, in diesem Szenario den Übergang zu gestalten?

Durch fünf landeskirchliche Prozesse (Verfassung, Haushalt, Verwaltung, Gebäude, Berufsbilder) arbeiten wir bis 2026 an zukunftsfähigen Strukturen und Strategien im Umgang mit Ressourcen. Kooperationen zwischen Gemeinden, mit der EKHN und der katholischen Kirche sowie auf EKD-Ebene sollen hier Synergien fördern.

Bisher versuchen wir diesen Prozess als evolutionäre Transformation zu gestalten, nicht als disruptive Erneuerung.

Wie kann in diesem Szenario Ihre Landeskirche der Verantwortung für die Mitarbeitenden gerecht werden?

Wir haben eine mittelfristige Personalplanung und eine verantwortungsvolle Versorgungsstrategie im Blick auf die Pensionsverpflichtungen. Langfristig wird über die Zahl der Beamtenverhältnisse zu diskutieren sein. Neben diesen finanziellen Perspektiven ist die Beteiligung der Mitarbeitenden an diesen Transformationsprozessen entscheidend, damit sie die Veränderungen nicht nur mittragen, sondern proaktiv und auf Augenhöhe mitgestalten.

Wie können Sie als Landeskirche in dieser Situation der Verantwortung für die Gesellschaft gerecht werden?

Die Orientierung am Auftrag (missionale Kirche sein) fördert die Sozialraumorientierung und verhindert einen Rückzug „hinter Kirchenmauern“. Wir werden weiterhin hör- und sichtbar sein und unsere Stimme in gesellschaftliche Diskurse einbringen, Menschen durchs Leben begleiten, Sorgenetze knüpfen und von unserem Glauben erzählen. So nehmen wir unsere Verantwortung „in“ der Gesellschaft wahr, nicht „für“ sie, das wäre anmaßend.

 

19. September 2022

Prof. Dr. Beate Hofmann, Bischöfin Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck

 

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