Buchrezension: Zulehner, Paul Michael: Kirchenvisionen
Zulehner, Paul Michael: Kirchenvisionen. Orientierung in Zeiten des Umbaus.
Er hat es mal wieder getan – so ist man zu sagen gewillt, wenn man das Buch Kirchenvisionen von Paul Michael Zulehner, dem emeritierten Wiener Pastoraltheologe, in die Hand nimmt. Seit gefühlt einer Ewigkeit veröffentlicht Zulehner nun bereits Bücher, die immer wieder um das eine große Thema Kreisen: Was bietet Orientierung in Zeiten des Kirchenumbaus? Und doch, es macht nach wie vor Spaß seine Bücher in die Hand zu nehmen und in immer wieder neue Variationen allbekanntes wieder in Erinnerung gerufen zu bekommen.Eigentlich erschreckend, wie lange bereits in der Theologie die Problemfelder beschrieben werden, die heute die so genannte Kirchenkrise kennzeichnen. Aber das kann man Zulehner wahrlich nicht ankreiden. Er gehört vielmehr zu denen, die seit Jahren versuchen, der Skepsis, der Enttäuschung und der Abkehr so vieler Christinnen und Christen von den Kirchen etwas entgegen zu setzen.In seinem neuen Buch widmet er sich der Kraft von Visionen zu, die der Antrieb jeder vitalen Gemeinschaft bzw. Organisation ist. Schon in seiner vier-bändigen Pastoraltheologie greift er den Gedanken aus der Organisationswissenschaft auf, dass Organisationen bestimmte Lebenszyklen durchlaufen. Dabei spielt die Visionszufuhr, für die Zukunftsfähigkeit einer Organisation eine besonders herausragende Rolle. Verlieren Organisation die motivierende Kraft einer von allen getragenen Vision, hat das eine Abnahme der Leistungsfähigkeit der Organisation, wenn nicht sogar ihren Tod, zur Folge.So nimmt Zulehner in seinem neuen Buch die Leserinnen und Leser mit hinein in den reichen Schatz der jüdisch-biblischen Tradition. Nach und nach erschließt er die Visionäre Kraft exemplarischer Perikopen und lässt sich von mittelalterlichen Minaturen oder modernen Bilddarstellung inspirieren. So kommen die Leserinnen und Leser wieder in Berührung, mit der motivierenden Kraft biblischer Vision und der Glaube an die Herrschaft des Reich Gottes wird in seiner Aktualität für das hier und heute bewusst. Dabei greift er auf seine Jahrzehnte lange Erfahrung in der Fortbildungstätigkeit auf allen Ebenen der Kirche zurück.All zu oft, so Zulehener werde in der Kirche über Strukturen geredet. Zu oft gehe es mehr ums Geld und weniger um Gott. Viel zu selten werde sich der visionären-prophetischen Kraft, die dem christlichen Glauben inhärent ist, vergewissert.Zulehner ist weniger ein pastoral-theologisches oder gar strategisches als vielmehr ein spirituelles Buch gelungen. Und vielleicht hat Zulehner ja recht. Vielleicht ist es jetzt die Zeit, in der Christinnen und Christen neu lernen müssen zu träumen. Vielleicht braucht es ein Visions-update bei den Christinnen und Christen in unseren Breiten: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Menschen zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Menschen die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer .” – so hat diesen Zusammenhang einmal Antoine de Saint-Exupéry ins Wort gebracht. Ja, in der Tat, das gelingt Zulehner auf jeden Fall mit seinem Buch, Sehnsucht in den Menschen, nach dem Hereinbrechen der Herrschaft Gottes, zu wecken.