022012

Foto: Schub@: take a seat, read a book (CC BY-NC-SA 2.0)

Service & Dialog

Martin Lätzel

Buchrezension: Unfried, Andreas et.al.: XXL Pfarrei

Unfried, Andreas et.al.: XXL Pfarrei. Monster oder Werk des Heiligen Geistes?

Die Großpfarrei ist Realität. Erst vor Kurzem schrieb der Görlitzer Bischof Ipolt an die Menschen seiner Bischofsstadt, diese sei nun eine einzige Pfarrei. Anlässlich des Zusammenschlusses skizzierte er die inhaltlichen Gedanken der nun entstehenden „Groß“Pfarrei: „Die Stadt Görlitz soll durch das Zusammenwirken der verschiedenen Gemeinden und Gemeinschaften – dazu gehören unsere Orden, wie auch die Verbände und Gruppen – ein wichtiger Ort des katholischen Glaubens und der Anbetung Gottes bleiben. Wir müssen auch in den neuen Strukturen vor allem nach Möglichkeiten suchen, wie wir Menschen neu zum Glauben einladen und ihnen die Gelegenheit geben können, Christ zu werden. Das ist ein Auftrag, den der Herr uns gegeben hat und dem sich die Kirche zu jeder Zeit stellen muss. Eine größere Pfarrei birgt in sich ein Mehr an Möglichkeiten und setzt neue Kräfte frei. Gruppen werden lebensfähiger und reicher an Begabungen. Manches was in der eigenen Pfarrei zu sterben droht, kann durch einen Zusammenschluss neues Leben empfangen.“

Was hier in Kürze skizziert wird, ist eine Hoffnung, die vielerorten mit dem Zusammenschluss von Pfarreien und Gemeinden verbunden wird. Als Antwort auf mangelnde finanzielle und personelle Ressourcen, oft auch als Antwort auf mangelnde Glaubenssubstanz, schaffen die Verantwortlichen in den Diözesen größere geographische Gebilde in der Hoffnung, eine tradierte Pfarreistruktur – organisiert wie Polizeireviere, wie der große Theologe Karl Rahner weiland kritisch anmerkte – auch in Zukunft zu erhalten. Oft verbleiben die eigentlichen Probleme vor Ort: Wie nun weiter mit der Arbeit? Welche Gebäude sollen erhalten, welche geschlossen werden? Was bleibt, was muss sich ändern?

Den Weg der Pfarreizusammenlegung ist auch die Gemeinde St. Ursula in Oberursel im Bistum Limburg gegangen. Das Besondere daran: Der Pfarrer Andreas Unfried und sein Team haben den Prozess dokumentiert. In einem nun beim Echter Verlag in Würzburg erschienen Buch reflektieren sie den Prozess der Gemeindezusammenlegung, beschreiben Herausforderungen und Schwierigkeiten, haben aber immer einen konstruktiven und zielorientierten Blick. Den Prozess der Strukturveränderung sehen sie als ein „Ernstmachen damit, dass die Kirche wirklich Volk Gottes ist, in dem Laien und Priester gemeinsam Verantwortung tragen aufgrund gemeinsamer Berufung zum, Allgemeinen Priestertum in Taufe und Firmung…“ Der Weg, den die Gemeinde bestritt, wurde im Vertrauen auf die verschiedenen Charismen in der Gemeinde gegangen. Er zeigt, wie sehr es in Strukturprozessen darauf ankommt, die Basis mitzunehmen, im wahrsten Sinne des Wortes „von unten“ anzufangen und gemeinsam zu gestalten.

In einem ersten Teil stellen die Autoren –allesamt aus dem Pastoralteam in Oberursel – grundlegende Überlegungen an. Sie diskutieren die Gemeinstruktur, die Glaubenssubstanz, verschiedene Dienste und Gremien. In einem zweiten Teil berichten sie aus der Praxis (und empfehlen den geneigten Lesern, die sich mehr an der Praxis orientieren wollen, den Grundlagenteil zu überspringen). Unter verschiedenen Stichworten wird der Strukturprozess erläutert. Pfarreiwerdung, Teambuilding, Öffentlichkeitsarbeit und Synodalprinzip sind nur einige davon. In einem dritten Teil werden einige Materialien aus dem eigenen Prozess angeboten.

Beeindruckend, wie realistisch der Angang an das Buchprojekt ist. Und: Die Autoren arbeiten praktisch, das Buch kommt mit ganz wenigen Anmerkungen auf kluge Bücher aus. Man sei, so der Pfarrer, ein Einzelfall, nichts könne einfach auf andere Situationen übertragen werden. Aber, so muss der Rezensent ergänzen, die Erfahrungen aus Oberursel können anderen Gemeinden Mut machen, eben ihre eigenen Wege konstruktiv anzugehen. Unsere Empfehlung: eindeutig lesenswert!

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