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Foto: Schub@: take a seat, read a book (CC BY-NC-SA 2.0)

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Frank Reintgen

Buchrezension: Friebe, Holm: Die Stein-Strategie

Friebe, Holm. 2013. Die Stein-Strategie: Von der Kunst, nicht zu handeln. München. Hanser.

Um es gleich vorweg zu sagen: „Die Stein Strategie“, das neue Buch von Holm Friebe, gehört zu den besten, die ich in der letzten Zeit gelesen habe. Friebe schreibt in einem lockeren populärwissenschaftlichen und somit leicht zu lesenden Stil. Es Spaß seinen Gedankengängen zu folgen. Am Ende bleibt viel Irritierendes, das die eigenen mentalen Modelle und vorgefassten Meinungen anregend in Unordnung bringt, also ein gelungener Denkanstoß.

Doch worum geht es? Wer die Entwicklungen der letzten Jahre aufmerksam beobachtet, begegnet all überall immer wieder dem vorherrschenden Imperativ permanenter Veränderung: Angesichts eines stetigen Wandels wird in Politik, Wirtschaft, Medizin, Mangement immer wieder der Zwang zum „Change“ postuliert. Innovationsfähigkeit wird hierbei als das herausragende Merkmal hervorgehoben, das das Überleben von Organisationen in diesen instabilen Kontexten ermöglicht.

Genau hier setzt Holm Friebe mit seinem neuen Buch an. In vielen Organisationen, so Friebe, habe eine oft riskante Betriebsamkeit eingesetzt. Nicht selten würden Veränderungen nur eingeführt, um irgendetwas zu tun. Ein kritisches Abwägen von Chancen und Risiken der mit Innovationen einhergehen Veränderungen unterbleibe immer häufiger. Diesem (Hyper-)Aktionismus setzt Friebe seine Stein Strategie entgegen.

Ist man anfangs noch irritiert, ob ein Vergleich mit Steinen (also toter Materie ohne Bewusstsein) trägt, um daraus sinnvolle Impulse für strategisches Denken abzuleiten, so entdeckt man Seite für Seite, das Potential und den Reiz dieses Vergleichs. Gerade in ihrem nichts tun, hätten Steine über die Jahrtausende hinweg bewiesen, wie anpassungsfähig an ihre Umwelt sie seien. Aktives Warten, das Potential einer Situation nutzen, Nichtstun (obwohl man es könnte) und Abwarten bis sich eine wirkliche Chance ergibt, das sind einige von Friebes aus diesem Vergleich abgeleiteten Empfehlungen.

Angesichts einer hektischen und Turbulenten Gegenwart sieht Friebe in seiner Stein Strategie ein gutes Gegenmittel gegen Hysterie und Panikmache. Die Stein Strategie schütze vor der Neigung vorschnellen Handelns. Dabei ist Friebe kein Kulturpessimist der gegen Innovation oder sinnvolle Veränderungen anschreibt – ganz im Gegenteil! Als Geschäftsführer der „Zentralen Intelligenz Agentur“ in Berlin weiß er um die Kraft innovativen Handelns. Und doch warnt er vor einem blauäugigen Veränderungswahn, der rationales Abwägen vermissen lässt.

Seine Thesen erarbeitet Friebe im Rückgriff die unterschiedlichsten Bezugswissenschaften. So greift er z.B. auf evolutionsbiologische, philosophische Forschungsergebnisse ebenso zurück wie auch auf betriebswirtschaftliche und management- theoretische Forschungsergebnisse.

Das Buch von Friebe bereitet ein großes Lesevergnügen. Auch der humorige Ton, der dem Buch zu eigen ist, trägt zur Lesefreude bei. Wunderbar wie es Friebe gelingt, gängige Postulate rund um den angeblichen Veränderungsdruck zu dekonstruieren. Schnell wird dem Leser deutlich, wie selbstverständlich und unhinterfragt die Grundnahme geworden ist, dass in unserer Zeit besonders schnelle, neue und ungewöhnlich Aktivitäten nötig sind, um sich den so schnell ändernden Kontexten anpassen zu können.

Gerade weil die Zeiten scheinbar so schnelllebig sind, lädt Friebe zu mehr Gelassenheit ein. Manchmal ist Abwarten sinnvoller als Handeln. Wer zu schnell agiert läuft Gefahr, dass er unbedacht reagiert und sich (oder seine Organisation) am Ende gerade so in Gefahr bringt. Friebe ist ein Buch gelungen, dass ich nur wärmstens weiter empfehlen kann. Eine Pflichtlektüre für alle, die in Ihren beruflichen Kontexten mit Change-Prozessen befasst sind.

 

 

 

 

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