022021

Foto: Ben Tofan/Unsplash

Statements

Tim Oliver Kurzbach

Auf Zukunft ausgerichtet

„Selig sind die Zuversichtlichen, denn ihnen werden die Gotteshäuser offenstehen“: Mit dieser Hoffnung im Hinterkopf haben sich 26 katholische, evangelische und freie Gemeinden in der Klingenstadt auf das Wagnis eingelassen, trotz Corona-Pandemie und Delta-Variante in diesem Herbst die „5. Solinger Nacht der offenen Kirchen“ zu organisieren. Obwohl seit anderthalb Jahren das, was unser Gemeindeleben ausmacht, fragwürdig oder ganz verboten ist: eng nebeneinander in der Kirchenbank sitzen, Hände schütteln, einander umarmen, miteinander singen, beten, essen, trinken und feiern.

Wir müssen aber aufpassen, dass wir Kirche nicht nur in Mauern fassen, statt das Wirken des Heiligen Geistes zuzulassen und dessen befreiende Botschaft auch und gerade in der Kirche erlebbar zu machen.

Der Erfolg, den diese Nacht hatte, spiegelt das „Dennoch“ des Glaubens wider, wie es im 73. Psalm anklingt: Rund 3000 Besucher:innen, ob gläubig oder nicht, nutzten die Chance, die Kirchen (mal wieder) von innen zu sehen und sich ein eigenes Bild davon zu machen, was hinter den Pforten so alles passiert. Nach dem Lockdown wollten die Solinger Christinnen und Christen die Schlösser sprengen – auch im übertragenen Sinne. So kam es zu vielen schönen Begegnungen und Gesprächen.

Der Eröffnungsgottesdienst stand unter der Liedzeile „Hoffnung ist mehr als ein Wort“. Ich selbst habe als Schirmherr der Kirchennacht über einen Jünger Jesu gesprochen, mit dem ich mich sehr verbunden fühle: Petrus. Der hat viele gute Ideen – und stellt doch immer wieder fest, dass „an Gottes Segen alles gelegen“ ist. Voll Hoffnung ist er auf dem See Genezareth seinem Rabbi entgegengegangen – um dann angesichts der dunklen Wolken und der stürmischen See seinen Blick von Jesus abzuwenden und sich mutlos den widrigen Elementen hinzugeben, bis Jesus ihn herauszieht aus der tödlichen Gefahr.

Da hilft mir der Blick auf Jesus, der zupackt und eingreift. Nicht unbedingt sofort, aber immer rechtzeitig. Das habe ich schon mehrfach erleben dürfen, und diese Hoffnung trägt mich.

Zwar schwebe ich weder als Oberbürgermeister noch als Diözesanratsvorsitzender des Erzbistums Köln zwischen Leben und Tod, aber Herausforderungen, die mich zu verschlingen drohen und mir den Atem rauben, gibt es immer wieder. Da hilft mir der Blick auf Jesus, der zupackt und eingreift. Nicht unbedingt sofort, aber immer rechtzeitig. Das habe ich schon mehrfach erleben dürfen, und diese Hoffnung trägt mich.

Eine Hoffnung, die ich auch meinen drei Söhnen vermitteln möchte. Denn neben meinem Beruf und meinen Ehrenämtern bin ich ja auch ein ganz normaler Familienvater – und von ganzem Herzen Christ. Ich bin – übrigens immer ökumenisch – in der Kirche großgeworden, durfte dort vieles lernen und habe zahlreiche beeindruckende Menschen kennengelernt. Ich engagiere mich für gesellschaftliche Solidarität und unsere Demokratie, die – wie es unser Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum 60. Jahrestag des Mauerbaus gesagt hat – „nie ein für allemal erreicht ist, sondern immer wieder erkämpft und dann auch geschützt und verteidigt werden muss, um sie zu erhalten“.

Doch wenn ich von meinem Glauben an die Hoffnung durch Jesus Christus rede, wird es für viele offenbar komisch. Ich erlebe, dass Menschen darauf spöttisch oder verärgert reagieren – oder einfach nichts damit anfangen können. Ich merke, wie die Botschaft davon, dass das Leben stärker ist als der Tod, über die klassischen kirchlichen Kanäle kaum noch jemand erreicht – oder mit den Fragen und Sorgen vieler Menschen aus deren Sicht nichts mehr zu tun zu haben scheint.

Doch wenn ich von meinem Glauben an die Hoffnung durch Jesus Christus rede, wird es für viele offenbar komisch.

„Mit meinem Gott überspringe ich Mauern“, heißt es in Psalm 18. Das ist die Botschaft, an die ich glaube: die eines Gottes, der größer ist als alles menschliche Denken und der zu mir steht, so wie ich bin. Wir müssen aber aufpassen, dass wir Kirche nicht nur in Mauern fassen, statt das Wirken des Heiligen Geistes zuzulassen und dessen befreiende Botschaft auch und gerade in der Kirche erlebbar zu machen. Am Ostermorgen war eben nicht alles geklärt, sondern es herrschte ein positives, kreatives Chaos und ein völliger Neuanfang, für dessen Gestaltung uns Jesus den Geist der Wahrheit und des Trostes zugesagt hat. „Löscht den Geist nicht aus“, schrieb schon der Apostel Paulus an die Thessalonicher. Denn unser Glaube und unsere Kirche sind auf die Zukunft ausgerichtet!

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