Praxis

Editorial

Wir haben uns vor 2 Jahren auf dem 7. Strategiekongress mit dem Szenario eines nicht-linearen, disruptiven Umbruchs in den Kirchen beschäftigt. Der Ansatz, einen solchen Weg der Veränderung auf dem Kongress kognitiv und emotional zu antizipieren, hat damals zu erheblicher Reaktanz und Widerstand geführt. Wir sind zwei Jahre weiter. Der Abbruch beschleunigt sich. Inzwischen ist die Möglichkeit eines disruptiven Entwicklungsszenarios im theologischen Diskurs angekommen (so gerade Sabrina Müller auf der Online-Plattform jesus.de: „Wenn wir so weitermachen, implodiert das ganze System“).

Wir schauen auf dem 8. Strategiekongress und in der aktuellen Ausgabe von futur2 auf die Zeit danach. Unsere Prämissen: Die Volkskirche ist vorbei und kann nicht wiederbelebt werden. Es wird kein Einheitsparadigma mehr geben, wie es die Parochie bzw. Pfarrgemeinde einmal war. Das Neue lässt sich nicht aus dem Bisherigen ableiten, es kann nur experimentell validiert werden. Unternehmerisches Denken und Handeln sind gefragt, und das bei einem verbleibenden, sehr engen Zeitfenster.» weiterlesen…

Praxis

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Das Erschrecken nach den Wahlen zum Europaparlament ist groß. Es gab zwar keinen Erdrutschsieg der rechts-nationalistischen Kräfte in Europa, aber doch deutliche Zugewinne. Die politischen Kräfte in Europa verschieben sich. Dies ist nur eins von vielen Anzeichen, die deutlich machen: Wie leben in zunehmend polarisierten Welten. Man kann darin die äußeren, reaktiven Anzeichen eines tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandels sehen, der einerseits die Möglichkeiten individueller Entfaltung immer weiter steigert aber zugleich auf der anderen Seite global, gesellschaftlich und individuell existenzielle Gefährdungen forciert.

Soziolog:innen und Zukunftsforscher:innen erkennen in der aktuellen Entwicklung – Peter F. Druckers Konzept der Medienepochen folgend – erste Konturen der nächsten Gesellschaft. Unsere Gesellschaft befindet sich demnach in einem tiefgreifenden Wandel, der alle Funktionssysteme erfasst hat. Wie der Übergang von der mittelalterlichen Ständegesellschaft zur modernen funktional gegliederten Gesellschaft zeigt, vollziehen sich gesellschaftliche Umbrüche dieser Dimension über eine längere Zeit, lange unmerklich und dann oftmals disruptiv. Sie sind in der Übergangszeit mit erheblichen gesellschaftlichen Verwerfungen verknüpft, in denen das, was ”normal” ist und gelten soll, neu verhandelt wird. Klar ist: Wir werden anders leben. Aber wer bestimmt, wie dieses „andere“ aussehen wird?» weiterlesen…

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Wir merken es an allen Ecken und Enden: Die bisherige kirchliche Organisations­gestalt ist in Auflösung begriffen. Diesem Thema widmete sich auch der letztjährige Strategiekongress. Was bleibt dann noch übrig? Woran kann angeknüpft werden, falls es einen Neuanfang gibt? Was ist das Warum und das Wozu, um dessentwillen es die Kirche gibt? Es bleibt der Kern dessen, um das es in der Kirche geht: Um die Rede von Gott.

Neu ist: Das Reden über Gott fällt vielen zunehmend schwer. War früher Sexualität das große Tabuthema, ist es nun Gott geworden. Selbst viele hauptberuflich in der Kirche Arbeitende machen die Erfahrung, dass ihnen Gott irgendwie zerrinnt. Oft ist nur noch eine routinierte Gottesrede übrig, die den meisten unverständlich und irrelevant bleibt.

Und doch bleibt eine Ahnung, dass hinter der Sache mit Gott mehr stecken könnte. So ähnlich wie in Blaise Pascals Wette: Schätzen wir Gewinn und Verlust für den Fall, dass Gott existiert. Wenn man gewinnt (= Gott existiert), gewinnt man alles; wenn man verliert (= Gott existiert nicht), verliert man nichts. Es ist also laut Pascal stets die bessere Wette, an Gott zu glauben, als nicht an ihn zu glauben.

Reicht das als Argument für den Glauben an Gott? Vielleicht gibt es analoge Gedanken­gänge in manchen Köpfen – vermutlich eher in West- als in Ostdeutschland. Dort jedenfalls ist die religiöse Indifferenz weit verbreitet: Man hat längst vergessen, dass man Gott vergessen hat.

Diese Ausgabe der futur2 versucht, aus unterschiedlichen Perspektiven Zugänge zur Tiefendimension der menschlichen Existenz zu bieten, für die die Chiffre „Gott“ steht. Dabei entsteht kein fertiges, abgeschlossenes Bild, sondern eine Suchbewegung mit ganz verschiedenen Start- und Zielpunkten.

Die Redaktion der futur2 wünscht Ihnen weiterführende Leseerlebnisse mit den Beiträgen dieser Ausgabe!

Praxis

Editorial

Die Herbstausgabe von futur2 greift das Thema des diesjährigen Strategiekongresses auf: „Auflösung. Kirche reformieren, unterbrechen, aufhören?“ Das Interesse daran ist groß – man spürt, dass es viele Akteure im kirchlichen Kontext sehr beschäftigt. Der Titel spricht aus, was viele empfinden oder denken, was sie befürchten oder ersehnen: Die Kirchen befinden sich in einem epochalen Umbruch mit allen Begleiterscheinungen, die dazugehören.

Kann die notwendige Transformation, die grundsätzlich kaum noch in Frage gestellt wird, so wie sie bisher angelegt ist, überhaupt gelingen? Kann die bisherige Gestalt sanft in einen neuen Status Quo überführt werden, der einen qualitativen Unterschied macht? Ist der Zusammenbruch der Institution in ihrer bisheriger Gestalt eigentlich zu vermeiden oder zu forcieren, um die nächste Kirche zu erreichen? Wenn ja, was können oder müssen wir tun, um dem Raum zu geben? Geht das besser von innen oder von außen, von oben oder von unten? Hilft bremsen oder Gas geben, gehen oder bleiben?

Diese Fragen werden in der vorliegenden Ausgabe von futur2 aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet: aus der persönlichen Perspektive von Menschen, die bleiben oder gehen, aus der Perspektive von Führung, aus konzeptioneller theologischer, soziologischer und organisationswissenschaftlicher Perspektive.

Aufschlussreich sind zudem die Ergebnisse von zwei großen empirischen Studien, die mit dieser Ausgabe erstmals veröffentlicht werden. Sie werfen ein Schlaglicht darauf, wie die Führungs- und Fachkräfte die aktuelle Situation einschätzen und wie Bistümer und Landeskirchen auf sie reagieren. Die gesammelten Rückmeldungen zum Verständnis von Veränderung und zum Vorgehen in aktuellen Transformationsprozessen finden sich im Abschnitt Bonustrack.

Viele interessante Autor:innen leisten einen Beitrag zu dieser Ausgabe, die wir gerne Ihrer Lektüre empfehlen.

Praxis

Editorial

Nachhaltigkeit ist eines der gegenwärtigen Gummiwörter. Als Vokabel kommt kaum eine Organisation, Partei, Unternehmen, Verband … daran vorbei. Wer wollte denn auch nicht zukunftsfähig und enkeltauglich sein? Die 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedeten Ziele für nachhaltige Ent­wick­lung formulieren, welche Heraus­forderungen die Weltgemeinschaft aktuell anzugehen hat.

Allein – Ziele sind keine Handlungen. Wir haben kein Wissensproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Die Klimakatastrophe ist längst da, auch in unseren Breiten­graden. Doch offensichtlich gibt es aus­reichend Ver­drängungs­- und Verteidigungs­mecha­nis­men, die nachhaltige Nach­hal­tig­keit verhindern. Moralische Appelle, gerne von den Kirchen geäußert, gehören zu den schwächsten Mitteln, wenn es um Ver­än­de­rungen geht. Bei der Verant­wortung des Einzelnen alleine anzusetzen, scheint kein sinnvoller Weg zu sein.

Was werden wir getan haben, wenn wir die globalen Nachhaltigkeitsziele erreicht haben? Wie kommen wir ins Tun, in wirk­liche Transformation? Wie geht nachhaltige Nachhaltigkeit? Diese Frage haben wir Expert:innen aus verschiedenen gesell­schaftlichen Bereichen gestellt – Sie können gespannt sein auf ihre Antworten.

Eine inspirierende Lektüre wünscht Ihnen die Redaktion der futur2!

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Die Entwicklung in allen Bereichen der Gesellschaft schreitet mit hoher Dynamik voran. Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten, birgt aber auch große Risiken. Die emotionalen Ausschläge, die das zur Folge hat, werden heftiger und dichter. Turbulenzen im Auf und Ab sind an der Tagesordnung. Das löst Verunsicherung aus, aber auch eine Sehnsucht nach einfachen Antworten. Daraus erwachsen wiederum emotional aufgeladene Polarisierungen, die sich dann auch öffentlich zeigen und ausgelebt werden. Die Corona-Pandemie hat diesen Prozess noch einmal verstärkt und ansichtig gemacht.

Diesen Zusammenhang haben die Beiträge der letzten Ausgabe von futur2 (1/2021) aus fachlich-sachlichen Perspektive beschrieben. Für diese Ausgabe interessierten uns eher persönliche Zugänge. Wir haben Menschen aus unterschiedlichen Kontexten gebeten, zu erzählen, was ihnen in dieser Situation im Blick auf die Entwicklung in Gesellschaft und – als Teil von ihr – in Kirche persönlich Hoffen und Bangen bereitet. Zusammengekommen ist ein bunter Blumenstrauß nachdenklicher, hoffnungsfroher, inspirierender Statements. Darüber hinaus ergänzen mehrere Bonustracks diese Statements und bringen auch in diese Ausgabe fachliche Tiefe.

Viel Lesefreude mit den Beiträgen der neuen Ausgabe wünscht die Redaktion der futur2!

Praxis

Editorial

Ordnungszusammenhänge, wie wir sie kennen und auf die wir uns in der Vergangenheit verlassen konnten, werden brüchig und zunehmend infrage gestellt. Die hiermit einhergehende Erfahrung strukturellen Kontrollverlusts ist für viele Menschen sehr belastend. Man zieht sich in Bezüge zurück, in denen die eigenen Einstellungen bestärkt werden. Die Verführung, nach einfachen Lösungen zu greifen und jenen zu folgen, die eine starke, vertikale Führung versprechen, ist groß. Der unidirektionale Einsatz auch repressive Machtmittel zur Durchsetzung von Positionen, mit denen man sich identifiziert, reduziert die eigene Unsicherheit und maximiert die Identifikation mit denjenigen, die Macht ausüben. Dies treibt gesellschaftliche Polarisierungen weiter voran. Die Freiheit des einzelnen und die Durchsetzung von Partikularinteressen mit allen Mitteln scheinen zur zentralen Maxime zu werden. Die Möglichkeit dazu eröffnet der technologische Fortschritt, insbesondere die rasant wachsenden Einflussmöglichkeiten Technik-basierter sozialer Kommunikation.

Die Beiträge dieser Ausgabe laden ein, sich der Dynamik von Freiheit und Ordnung aus unterschiedlichen Perspektiven anzunähern. Nehmen Sie – in aller Freiheit – die Artikel als willkommene Irritation, die eigenen Ordnungssysteme infrage zu stellen, zu ergänzen oder zu verwerfen.

Viel Spaß an der Lektüre wünscht die Redaktion der futur2

Praxis

Editorial

Ist die Kirche an ein Ende gekommen? Und wenn ja: Was kommt nach der Kirche? Diese Fragen sind nicht spekulativ. Erleben wir nicht Kirche in Auflösung?

Wer sich aber umschaut, entdeckt Ausdrucksformen christlichen Glaubens allenthalben. Nur dass ursprünglich kirchlich monopolisierte Formen außerhalb von Kirche entstehen und innerhalb der verfassten Kirche Ausdrucksformen, Angebote, Formate zunehmend nicht regelkonform realisiert werden.

Wo aber Erfahrungen gemacht werden, lebt was. Und wo die Regelkonformität sinkt, entsteht Neues. Nicht im Bisherigen, nicht neben dem Überkommenen. Sondern: Jenseits. Wie Hanns Dieter Hüsch es in seiner fulminanten „Religiösen Nachricht“ schrieb: „Gott ist aus der Kirche ausgetreten. Endlich ist er frei. Kommt wir suchen ihn.“

Unsere Autorinnen und Autoren reflektieren die Phänomene, bringen ihre Meinung ein, berichten von ihrer eigenen Praxis.

Mit dem Thema dieser Ausgabe weisen wir schon heute auf den 7. Strategiekongress am 7./8. Dezember 2021 in Bensberg hin. Unter dem Titel „Auflösung. Kirche reformieren, unterbrechen, aufhören?“ möchten wir dort den Übergang, der Kirche unweigerlich bevorsteht, genauer und vertiefter anschauen.

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Liebe Leserinnen und Leser,

In der katholischen Kirche wird in diesen Tagen hart darum gerungen, wie viel Einheit nötig bzw. was an Vielfalt möglich ist. Die Auseinandersetzungen in der katholischen Kirche werden schärfer. Von einer drohenden Spaltung ist die Rede – und erfüllt viele aktive Katholik*innen mit Schrecken. Das hat v.a. historische Gründe: Im Kulturkampf des 19. Jahrhunderts war die Einheit der Bischöfe unter dem Papst das Instrument, um das Überleben als katholische Kirche zu sichern.

Die Reformation hat vom einzelnen und der Gemeinde her denkend, ein völlig anderes, alternatives Modell von Kirche ins Leben gerufen. Das evangelische Kirchenmodell scheint besser für den Umgang mit Pluralität gewappnet zu sein. Es gibt eine mehrere hundert Jahre Erfahrung mit Diversifikation und Trennung, ohne dabei die Idee der Einheit ganz aufzugeben. Business as usual?

Schon immer begleitet die Spannung von Einheit und Vielfalt die Geschichte der Christ*innen. Aber wie viel Vielfalt ist möglich und wie viel Einheit ist nötig? Was können die Kirchen heute wechselseitig voneinander lernen? Und wie geht Einheit in Vielfalt ökumenisch? Woher kommen weitere Impulse?

Wir freuen uns, dass es gelungen ist, profilierte Autor*innen zu gewinnen. Sie bieten in ihren Beiträgen unterschiedliche fachliche Perspektiven und Analysen an und decken die Möglichkeiten und Grenzen auf, die in diesem Spannungsfeld liegen. Wir hoffen, dass die Beiträge für Sie irritieren und inspirieren, denn dann ist uns eine gute Ausgabe gelungen. Lassen Sie uns gerne an Ihren Gedanken teilhaben. Wir freuen uns über Feedback.

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Liebe Leser*innen,

das Thema Macht ist virulent und elektrisiert viele, gerade auch im kirchlichen Umfeld. Das hat seine Gründe. Kirche und Macht haben seit der konstantinischen Zeit eine besondere Affinität. Der Anspruch, (absolute) Macht auszuüben, ist in der DNA von Kirche verankert und bis heute wirksam, gerade auch mit seinen dunklen Seiten, wie sie der Missbrauchsskandal und die hierdurch ausgelöste Diskussion ans Tageslicht gebracht haben.

Man muss sich die Entwicklung der Kirche seit der Spätantike vor Augen halten, um zu verstehen, wie stark das kirchliche Handeln mit dem Anspruch verknüpft ist, (göttlich legitimierte) Macht auszuüben und warum sich die Kirche(n) mit dem faktischen Verlust von Macht und der immer offensichtlicher werdenden Diskrepanz von Anspruch und Wirklichkeit so schwer tun. Von der konstantinischen Wende bis ins späte Mittelalter war die kirchliche Lehre der einzig legitime Bezugsrahmen, Wirklichkeit verstehen. Die Kirche diktierte in normativer Logik die Kriterien für die Unterscheidung von Wahrheit und Irrtum, von Gut und Böse. Sie entschied als Institution über viele Jahrhunderte, was gesellschaftlich erlaubt war und was nicht, wer dazugehören durfte oder exkludiert wurde. Ihr Machtanspruch war umfassend und absolut. Er wurde legitimiert durch den Rekurs auf einen göttlichen Auftrag und war gestützt auf die weltliche Macht, die ihrerseits der kirchlichen Legitimation bedurfte – ein kaum angreifbares, maximal immunisiertes Konstrukt. » weiterlesen…

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