
Praxis
Bistum Trier
Ja und Nein.
Ja, insofern wir die Realität zurückgehender finanzieller und personeller Ressourcen genau betrachten und versuchen, die Konsequenzen zu ziehen: Verhandlungen zu höheren Refinanzierungen mit Staat und Kommunen, Planung von konkreten Kostensenkungsmaßnahmen.
Nein, weil wir wohl nicht konsequent genug sind, nicht umfassend genug denken und weil wir uns noch Dinge schönreden (z.B. „Die Zinsen steigen ja wieder, das bringt uns Entlastung bei den Pensionsrückstellungen…“). Ähnliches gilt bei der Fusion von Pfarreien. Die „Pfarrei der Zukunft“ wäre ein großer Schritt auf eine Neubetrachtung von Pfarrei (als Organisations- und Verwaltungsraum) mit vielen „Orten von Kirche“ (als Räume kirchlichen Lebens und seelsorgerischen Handelns) gewesen. Sie hätte meiner Ansicht nach selbst disruptiv gewirkt. Wir hätten eine Entwicklung vorweggenommen, die nun schleichend kommt. Und wir hätten dabei selbst steuernd wirken können, statt einer Entwicklung ausgeliefert zu sein. Leider ist die „Pfarrei der Zukunft“ am Widerstand einiger Verwaltungsräte und an Rom gescheitert. Die Entwicklung findet nun trotzdem statt – auf einen längeren Zeitraum hin und mit wesentlich mehr Aufwand.
Die letzten drei Jahre mit ihren vielen unvorhersehbaren Krisen (Pandemie, Flutkatastrophe und Klimakrise, Krieg und Flucht, Energiekrise und Inflation) haben in die weitere Entwicklung viel Unsicherheit hineingebracht: Was können wir noch vorhersehen, berechnen? Geschieht nicht doch alles anders?
Im Bistum Trier hat dies im Rahmen des durch inhaltliche Kriterien geleiteten Haushaltssicherungsprozesses auch dazu geführt, dass kein Handlungsfeld ganz aufgegeben wird, sondern überall etwas gespart werden soll, wenn auch in unterschiedlicher Intensität und mit zarten Akzentsetzungen. Es scheint noch nicht der Zeitpunkt („kairós“) zu entscheiden, wo sich zukünftig der Schwerpunkt kirchlichen Handeln abspielen sollte.
Von einer systematischen Diskussion und Beratung zu diesem Thema kann nicht die Rede sein. Es wird hier oder da angesprochen – siehe Diskussion zur Haushaltssicherung oder auch im Zusammenhang des Synodalen Weges oder in Gesprächen in kleinem Kreis am Rande von Konferenzen und Sitzungen. Aber das Thema wird in meinen Augen noch verdrängt, bzw. vielfach flüchtet man sich ins Gewohnte und Sicherheit Gebende – mit dem Argument des „Noch“.
Zunächst einmal werden die Zahlen kommuniziert: Kirchenaustritte mit stets neuen Rekorden, steter Rückgang der Katholikenzahl im Bistum auch durch Überhang an Sterbefällen gegenüber Taufen. Im Zusammenhang mit der Kommunikation des Haushaltssicherungskonzeptes wurden die Prognosen deutlich gemacht: minus 35% reale Kirchensteuereinnahmen (=135 Mio. Euro weniger); minus 50% hauptamtliches pastorales Personal. Auch der Arbeitskräftemangel auf allen Ebenen wird bei vielen Gelegenheiten angesprochen. Der unmittelbar darauffolgende Gedanke, dass dieser Rückgang nicht ohne Folgen für das kirchliche Leben und Handeln bleiben wird, leuchtet unmittelbar ein.
Aber die Problematik solcher Kommunikation liegt darin, dass die Schilderung des Rückgangs als Schilderung des „Untergangs der Katholischen Kirche“ interpretiert wird. Damit verbunden wird dann die Warnung, dass mit zu viel Schreckensszenarien auch die Motivation zu kirchlichem Handeln verloren gehen kann. Ich halte dagegen und sage, dass eine Minderung der Quantität von kirchlichem Handeln nicht gleichgesetzt werden kann mit einer Minderung an Qualität. Die darin enthaltene Chance des „Weniger ist mehr“ wird aber mangels Erfahrung bislang nur selten geteilt.
Zunächst einmal ist das für mich eine Frage der persönlichen Haltung:
- Disruptive Haltungen machen mir persönlich erstmal keine Angst. Ich halte Veränderungen in der Kirche für not-wendig. Zu Vieles ist verkrustet und erstarrt, aber eben nicht aus eigener, allein menschlicher Kraft zu lösen.
- Es ist für mich auch eine Frage der Spiritualität: Es gibt kein wirkliches Leben, es sei denn durch den Tod hindurch. Das ist die Frohe Botschaft der Auferstehung, aber auch menschliche Erfahrung (z.B. Abnabelung des Kindes von der Mutter nach der Geburt) und das Erleben der Natur (z.B. neues Erwachen im Frühling und Sommer nach dem Sterben in Herbst und Winter). Entsprechend kann eine Optimierung nicht nur aus rein menschlichen Bemühungen entstehen, sondern durch ein Sich Ver-Lassen auf Gott hin (vgl. dazu den empfehlenswerten Artikel von Joachim Reger, Selbstoptimierung. Christliche Reflexion auf ein verbreitetes Ideal, in: Stimmen der Zeit 10/2022, S. 769-777).
Daraus folgend ist es für mich handlungsleitend, den Menschen die Angst vor Veränderungen zu nehmen und – bei aller Enttäuschung und Trauer vor dem starken Rückgang der Bedeutung von Kirche in unserer Zeit – Gelassenheit und Gottvertrauen zu leben und zu verkünden. Daraus wiederum wächst die Kraft, auch aktiv und angstfrei in die Veränderung zu gehen und sie mitzugestalten – natürlich nicht allein, sondern mit Gleichgesinnten.
Die Zielrichtung der Veränderungen sind für mich durch die Ereignisse und prägenden Entwicklungen der letzten Jahre deutlich ablesbar:
- Die Erkenntnisse aus dem Erleben und der Aufarbeitung von sexuellem, geistlichem und Machtmissbrauch in der Kirche müssen zu einer deutlicheren Verteilung von Macht und Verantwortung führen. Führen im Team ist da für mich ein wichtiger Schritt.
- Die vielfältigen Krisen der letzten Jahre machen deutlich, dass die Kirche besonders zur helfenden Nächstenliebe herausgerufen und -gefordert ist. Die Bistumssynode von Trier hat daher das diakonische Handeln in den Mittelpunkt gerückt, das nachsynodal zum Leitwort „Da sein. Für Mensch und Welt“ geführt hat. Im Haushaltssicherungskonzept wurden aus diesem Grund in den besonders diakonisch geprägten Handlungsfeldern (neben den auf Kinder und Jugendliche ausgerichteten) die geringsten Kostensenkungsquoten angesetzt.
Das gehört wohl zu den schwersten Aufgaben, denn der Verantwortung für die Mitarbeiter*innen gerecht zu werden, heißt ja v.a. ihnen den Lebensunterhalt zu ermöglichen. Wenn nicht nur die Kirchensteuereinnahmen aufgrund von demografischer Entwicklung und Kirchenaustritten zurückgehen, sondern einmal die politische Entscheidung fällt, die Kirchensteuer zu streichen (wie es vor wenigen Jahren im benachbarten Luxemburg der Fall war), wird es nicht leicht durchzuhalten sein, niemandem betriebsbedingt zu kündigen.
Im Übrigen versucht die Diözese durch regelmäßige Kommunikation die Mitarbeiter*innen auf dem Laufenden zu halten und v.a. über die Mitarbeitervertretungen auch an den Entwicklungen zu beteiligen – und zwar nicht nur auf den offiziellen bzw. formalen Wegen gemäß der MAVO, sondern auch durch unmittelbares Einbinden in die Steuerungsgruppen der Prozesse.
Die katholische Kirche ist nicht alleiniger Akteur in der Gesellschaft. Durch die zurückgehende Bedeutung und wohl auch Akzeptanz der Kirche in der Gesellschaft wird es zunehmend darauf ankommen, in gute Kooperationen zu gehen. Bei der Sorge um Flüchtlinge in den letzten sieben Jahren wurden da bereits gute Erfahrungen gemacht. Kommunen und andere Hilfsorganisationen und Wohlfahrtsverbände gehen womöglich andere Wege der Hilfe, aber im Ziel, dem Wohl der Bedürftigen zu dienen, sind sich viele einig.
Ein weiteres „Kerngeschäft“ von Kirche sehe ich in unserer Botschaft: In unsicheren Zeiten wie den aktuellen suchen Menschen vermehrt nach Sinn, Halt und Orientierung. Die Frohe Botschaft Jesu Christi in ihrem geistlichen und geistigen Reichtum ist geradezu prädestiniert, Menschen in ihren verschiedenen Lebenssituationen abzuholen und Sinn zu schenken.
2.11.2022
Ulrich von Plettenberg, Generalvikar Bistum Trier

Praxis
Evangelische Kirche im Rheinland
Natürlich sind uns in der Rheinischen Kirche die disruptiven Szenarien bekannt. Sie sind vielfältig beforscht und kommuniziert. Das Modell der „Volkskirche“, welches unser kirchliches Selbstverständnis und unsere Strukturen über Jahre geprägt hat, müssen wir verabschieden.
Gleichzeitig ist meiner Einschätzung nach das wesentliche Problem nicht, dass wir weniger Mitglieder und Ressourcen haben werden. Auch damit können wir gut Kirche sein. Unser Problem ist, dass wir den alten Strukturen und Selbstbildern verhaftet bleiben und uns nicht konsequent auf die grundlegend veränderten Voraussetzungen einstellen.
Das Thema „Verkleinerung“ hat sehr unterschiedliche Dimensionen. Etwa personelle Reduktion, aber auch Reduktion von Gebäudebestand. Wie zukunftsorientiert mit der Frage der notwendigen Reduktion kirchlicher Gebäude umgegangen werden kann, wurde im September auf dem Evangelische Kirchbautag in Köln diskutiert. Unter dem Motto „Mut baut Zukunft“ haben sich die Teilnehmenden der Frage gestellt: Wie, trotz schwieriger werdender Rahmenbedingungen, mit Mut, Ausdauer und Kreativität die Gemeinden ihre Baumaßnahmen angehen können und dies schon getan haben. Rückbau ist dabei vielfach die Voraussetzung für die Entstehung von Neuem.
Die Veränderungen unserer kirchlichen Strukturen und deren Konsequenzen werden auf allen Ebenen diskutiert. Wichtig ist mir jedoch, dass wir als Kirche nicht im Modus des Beredens und Diskutierens stehen bleiben, sondern handeln und die Möglichkeiten zur Gestaltung, die uns offenstehen, jetzt nutzen. Die Kirchenleitung hat sich deshalb mit dem Positionspapier EKiR 2030 – Wir gestalten „evangelisch rheinisch“ zukunftsfähig – fünf Handlungsfelder vorgenommen, bei denen sie unmittelbar anpacken möchte: Mitgliederorientierung, Organisation, Junge Generation, Digitalisierung, Vernetzung.
Was wir im Moment brauchen, um Kirche voranzubringen und zukunftsfähig zu gestalten, statt in einem Narrativ des Verfalls zu verharren, sind Hoffnungsgeschichten. Ich möchte von Erfolgserlebnissen und innovativen Projekten erzählen, die andere inspirieren und motivieren. Dafür ist mir die Begegnung mit den Menschen vor Ort, in den Gemeinden, den Werken, Organisationen und Initiativen unserer Landeskirche sehr wichtig.
Entscheidend im Prozess der anstehenden Strukturveränderungen in unserer Landeskirche ist die Befähigung der Gemeinden und Kirchenkreise bei diesen Veränderungen handlungsfähig zu bleiben. Hier brauchen die Gemeinden auch neue Spiel- und Freiräume, die Innovation und Erprobung von Neuem zulassen. Dazu muss von Seiten der Landeskirche auch die kirchliche Gesetzgebung überdacht werden, um den Gemeinden einen Rahmen für höhere Flexibilität zu schaffen – beispielsweise im Umgang mit Kasualien und der veränderten Lebenssituationen unserer Mitglieder.
Ganz neu fokussieren wir als Landeskirche außerdem die Aufgabe Strategischer Innovation im Bereich der Kirchenentwicklung – auch personell. Zur Förderung von Innovation und Exnovation wird dieser Arbeitsbereich Tools und Methoden entwickeln, um Leitungsgremien verschiedener Ebenen zu befähigen, solide Entscheidungen zu treffen.
Wir haben uns als Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland konkrete Ziele mit Blick auf das Jahr 2030 gesetzt. Wir haben zukunftsrelevante Handlungsfelder identifiziert und Projekte aufgesetzt, die konkrete Veränderungen und Umsteuerungen angehen. Seit drei Jahren fördert die rheinische Kirche mit dem Projekt „Erprobungsräume“ das Erproben innovativer ekklesialer Gemeinschaftsformen, in der Hoffnung, dass Menschen so vielfältigere Zugänge zum Glauben eröffnet werden können. Mit dem Projekt Mixed Economy stellen wir uns nun auch der Herausforderung, den neuen Formen des Kirche- und Gemeinde-Seins einen Platz neben traditionellen Formen einzuräumen. So wollen wir den Übergang zu einer Kirche gestalten, die für unterschiedliche Lebensstile und Lebenssituationen vielfältigere Anknüpfungspunkte als bisher eröffnet.
Ohne Zweifel stellen die strukturellen Veränderungen, vor denen wir stehen, unsere Mitarbeitenden in Haupt- und Ehrenamt vor große Herausforderungen. Kleinerwerden strengt an: Presbyterien und Synoden sind fortlaufend mit Reformen beschäftigt. Zudem nehmen Verwaltungsvorgaben eher zu – bei weniger vorhandenen Mitarbeitenden. Strukturen zu verändern und zu schaffen, die unseren Mitarbeitenden langfristig gute Arbeitsbedingungen ermöglichen, ist ein langer und sich ständig wandelnder Prozess.
Hierzu zwei konkrete Beispiele: Die Anstellung von Pfarrpersonen auf Kirchenkreisebene statt bei der Gemeinde ermöglicht den Pfarrpersonen, sich stärker gabenorientiert einzusetzen und erhöht die Vernetzung unter den Kolleg-/innen. Das stärkt dann auch die Attraktivität des Berufs. Auf Seiten des Ehrenamts werden momentan unter dem Arbeitstitel „Ehrenamtsakademie“ die bereits vorhandenen Angebote in der Fort- und Weiterbildung für Ehrenamtliche in der EKiR an einer zentralen Stelle auf einer digitalen Plattform gebündelt. Diese kann von Ehrenamtlichen genutzt werden, um schnell passende Angebote zur Qualifikation und Information zu finden. Dadurch kann die Qualität ehrenamtlichen Engagements steigen und Engagierte werden besser wahrgenommen. Sowohl die Motivation von Ehrenamtlichen wird dadurch gesteigert als auch die Attraktivität der EKiR als Ort, an dem ehrenamtliches Engagement möglich ist.
Wir erleben aktuell eine Zeit, in der das Wort „Krise“ in aller Munde ist. Die Energieversorgung steht in Frage, die Wirtschaft wankt, globale Flüchtlingsströme nehmen zu, in Europa herrscht Krieg und dabei darf vor allem die Klimakatastrophe nicht aus dem Blick geraten. Unabhängig von allen strukturellen und personellen Veränderungen, vor denen unsere Kirche stehen mag, bleibt es ihr Auftrag sich den Menschen in Not anzunehmen, von Gott und von der Hoffnung zu erzählen, sowie entgegen den Trends zur Vereinsamung und Individualisierung in unserer Gesellschafft einen Ort der Gemeinschaft und Geschwisterlichkeit zu bieten.
12.10.2022
Dr. Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland

Praxis
Erzbistum Paderborn
Das Erzbistum Paderborn beschäftigt sich intensiv mit seinem Kirche-Sein sowie seinem Auftrag in der Welt. Leitend ist die Frage: Wozu bist du da, Kirche von Paderborn? Selbstverständlich sind dabei die veränderten Voraussetzungen von zentraler Bedeutung und fest im Blick.
Wichtig ist dem Erzbistum Paderborn im Hinblick auf Ihre Fragen: Es geht nicht allein um Abbrüche und Auflösung, vielmehr um Umbrüche und neue Aufbrüche. Das Kirche-Sein in Deutschland und damit auch im Erzbistum Paderborn verändert sich. Das ändert aber nichts daran, dass die katholische Kirche in Deutschland ihren Auftrag und ihre Verantwortung wahrnimmt und in verschiedenen Handlungsfeldern auch weiterhin ihren gesellschaftlichen Beitrag leistet.
Bei der Beschäftigung mit Gegenwarts- und Zukunftsfragen werden Prognosen berücksichtigt. Treffender aber sind sogenannte „Zukunfts-Szenarien“, mit denen auf die künftigen Entwicklungen geschaut wird. Sie enthalten die verschiedenen Kirchenbilder, die existieren, und die möglichen Strategien, die jeweils auch auf das entsprechende gesellschaftliche Umfeld eingehen. Im Vordergrund steht bei diesem Ansatz die Vorausschau. Weil die Faktoren sehr komplex sind, hat diese Betrachtungsweise einen entscheidenden Vorteil gegenüber der reinen Prognose, die letztlich eindimensional bleibt.
Bereits seit 2004 beschäftigt sich das Erzbistum Paderborn gezielt mit seinem eigenen Veränderungsprozess. In mehreren Schritten vollzieht der diözesane Weg des Erzbistums Paderborn die Veränderungen mit und stellt die Weichen für die künftigen Entwicklungen. Immer wieder wird dabei nach Ehrlichkeit und Attraktivität gefragt. Grundsätzlich verläuft der Diözesane Weg des Erzbistums Paderborn seit 2004 in der Spur von „ehrlich“ und „attraktiv“, das heißt nicht in der Abwärtsspirale der Destruktion, sondern – motiviert aus der Grundhaltung: Gott vertrauen – Glauben leben – Zukunft gestalten – im Sinne der Effectuation immer mit Blick auf das, was wächst.
Neu beauftragt ist im Erzbistum Paderborn das Projekt „Zukunft territorialer Seelsorge“ mit dem Ziel, ein realistisches Bild zu entwickeln für zukünftige Pastoral. Dieses enthält in neuer Klarheit die anstehende zwangsläufige Disruption zwischen territorialem und kategorialem Verständnis von Pastoral.
Die Entwicklung wird systematisch bearbeitet beispielsweise bei den „Herstelle-Tagungen“ der Managementteams/Bistumsleitung (mit Prof. Loffeld, Dr. Hennecke), in der im Erzbischöflichen Generalvikariat verorteten Entwicklungsabteilung, in der ausführlich mit Szenarien und aktuellen Gesellschaftstheorien gearbeitet wurde und wird. Auch das neue Projekt Zukunft territorialer Seelsorge ist hier zu nennen.
Um die Menschen im Erzbistum Paderborn mitzunehmen und zu begleiten arbeiten wir an der Change-Kommunikation wachstumsorientiert und sind inspiriert von der christlichen Hoffnung. Beim Diözesanen Forum, aber auch bei Pastoralwerkstätten und anderen Formaten der Begegnung zwischen Bistumsebene und Ortsebene wird „Klartext“ gesprochen, damit die Botschaft von Veränderung / Wandel / Weggemeinschaft einen ehrlichen Kontext hat.
Beispielsweise durch die Beauftragung der Themen des Diözesanen Wegs in zukunftsfähigen Arbeitsformen, die sukzessive die Zukunftsfragen (Territorialpastoral, Leitung, Engagement, Gottesdienst, Qualität, Feedback, Bewahrung der Schöpfung) weiter entwickeln und bearbeitbar machen, sehen wir Wege des Handelns und Steuerns. Kleinschrittiges Ausprobieren, Fehlerfreundlichkeit, Prototypen, … sind Elemente dieses Weges.
Durch immer neue Formate der Kommunikation und der Verständigung gestalten wir den Übergang. So planen wir im Jahr 2023 ein Diözesanes Forum als Pilgerweg und im Anschluss möchten wir ein Diözesanen Pilgerjahr gestalten unter den Leitmotiven: „in Bewegung kommen/bleiben“, „miteinander neu Wege gehen“.
Wir setzen dabei auf die Potentiale und das Engagement unserer Mitarbeitenden. Dieses wird neu priorisiert, unter anderem durch eine Kompetenzeinheit Potentialförderung, die Personalentwicklung betreibt aus der Sicht von Taufberufung und Potentialentfaltung.
Wir sind überzeugt: Das weckt und erhält Energien und Resilienz!
In unserem klaren Bekenntnis zum Einsatz für die Gesellschaft, in unserem Fokus auf diakonische Schwerpunkte in der Pastoral, dem Ansatz jeglicher Pastoral von den Lebensthemen der Menschen her – das ist im Zukunftsbild für das Erzbistum Paderborn und damit auch im Zielbild 2030+ für das Erzbistum Paderborn festgeschrieben – übernehmen wir Verantwortung für die Gesellschaft und sichern wir die Präsenz der Kirche bei den Menschen.

Praxis
Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck
Wir verarbeiten die Disruptionserfahrungen der Corona-Pandemie und nutzen sie als „kairos“ für die Transformation der Kirche, z.B. im Blick auf die Gottesdienstlandschaft, die Digitalisierung, den Umgang mit Gebäuden, die Vernetzung mit der Zivilgesellschaft.
Es gibt eine Steuerungsgruppe für den Reformprozess, in der der Transformationsprozess in einer multiprofessionellen Gruppe reflektiert und begleitet wird. Auch wissenschaftliche Begleitung und Perspektiven von Berater*innen suchen wir regelmäßig. Die Entscheidungsgremien sind regelmäßig in Entwicklung und Umsetzung einbezogen.
Wir haben einen breit angelegten und auf Beteiligung ausgerichteten „Verständigungsprozess zum Auftrag der Kirche“ durchgeführt, in dem wir ein gemeinsames Verständnis vom Auftrag und den Grundaufgaben von Kirche in sich wandelnden Verhältnissen und sich verändernden Ressourcen diskutiert haben. Mehr als 1500 Haupt- und Ehrenamtliche, aber auch Menschen aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft wurden in zahlreichen Veranstaltungen beteiligt. Jetzt liegt der Ball in den Gemeinden unsrer Kirche: Auch sie sollen beteiligt werden und diskutieren, wie sie den Auftrag der Kirche umsetzen können und dabei über einen angemessenen Ressourceneinsatz entscheiden.
Die benannten Grundaufgaben und strategische Kriterien (Kontaktflächen bietend, Ausstrahlung fördernd, Kooperation stärkend, nachhaltig, motivierend) dienen als Orientierung bei allen Ressourcenentscheidungen. Durch zwei von uns entwickelte Tools wird der Umgang mit den Kriterien und den Grundaufgaben in kirchlichen Gremien unterstützt und eingeübt.
Bisher versuchen wir diesen Prozess als evolutionäre Transformation zu gestalten, nicht als disruptive Erneuerung.
Durch ein Innovationsbudget eröffnen wir gleichzeitig Spielräume für innovative Formen von Kirchesein, die neue und andere Wege gehen. Wir setzen auf multiprofessionelle Teams und errichten neue Stellen für Diakoninnen und Diakone. Auch der Kontakt und die Verknüpfung mit Diakonie als einer anderen Gestalt von Kirche spielt dabei eine wichtige Rolle.
Durch fünf landeskirchliche Prozesse (Verfassung, Haushalt, Verwaltung, Gebäude, Berufsbilder) arbeiten wir bis 2026 an zukunftsfähigen Strukturen und Strategien im Umgang mit Ressourcen. Kooperationen zwischen Gemeinden, mit der EKHN und der katholischen Kirche sowie auf EKD-Ebene sollen hier Synergien fördern.
Bisher versuchen wir diesen Prozess als evolutionäre Transformation zu gestalten, nicht als disruptive Erneuerung.
Wir haben eine mittelfristige Personalplanung und eine verantwortungsvolle Versorgungsstrategie im Blick auf die Pensionsverpflichtungen. Langfristig wird über die Zahl der Beamtenverhältnisse zu diskutieren sein. Neben diesen finanziellen Perspektiven ist die Beteiligung der Mitarbeitenden an diesen Transformationsprozessen entscheidend, damit sie die Veränderungen nicht nur mittragen, sondern proaktiv und auf Augenhöhe mitgestalten.
Die Orientierung am Auftrag (missionale Kirche sein) fördert die Sozialraumorientierung und verhindert einen Rückzug „hinter Kirchenmauern“. Wir werden weiterhin hör- und sichtbar sein und unsere Stimme in gesellschaftliche Diskurse einbringen, Menschen durchs Leben begleiten, Sorgenetze knüpfen und von unserem Glauben erzählen. So nehmen wir unsere Verantwortung „in“ der Gesellschaft wahr, nicht „für“ sie, das wäre anmaßend.
19. September 2022
Prof. Dr. Beate Hofmann, Bischöfin Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck

Praxis
Bistum Hildesheim
In den vergangenen 10 Jahren haben wir in unzähligen Veranstaltungen den systemischen Wandel unserer Kirchengestalt und der Rollenarchitektur in Gemeinden mit den Hauptberuflichen und in der Bistumsleitung diskutiert. Allerdings geht es offensichtlich nicht – von nicht beeinflussbaren Faktoren abgesehen (Krieg, Finanzkrisen, Arbeitslosigkeit) – um eine disruptive Entwicklung oder einen Zusammenbruch, sondern um einen deutlich länger dauernden und schon seit Jahren sich immer mehr zeigenden schleichenden Prozess. In diesem „Aufbrechen“ neuer Erfahrungen und beim gleichzeitigen Bleiben in gewachsenen Erfahrungen wird immer deutlicher, dass es keinen Masterplan geben kann, weder disruptiv noch als Fortsetzung einer bisher geförderten Kirchengestalt – es geht vielmehr eher darum, einen weiten Rahmen der Unterstützung und Begleitung zu bieten, Möglichkeiten für neue Formen der Leitungsaufgaben zu schaffen und die Ungleichzeitigkeit von Enden und Anfangen zu würdigen und zu begleiten
Das Thema wird zwischen den Verantwortlichen des Bistums (Bischof, GV und Bereichsleiter*innen), im Diözesanpastoralrat, im Priesterrat und Diözesanrat und in den inhaltlich verantwortlichen Abteilungen diskutiert.
Da wir nicht mit einem flächendeckenden disruptiven Zusammenbruch rechnen, sondern mit einem gleichwohl oft schmerzhaften ungleichzeitigen und lokal sehr differenzierten Umbruchsprozess, kommunizieren wir zum einen intensiv die Zukunftsorientierungen des Bistums und eröffnen die Möglichkeit begleiteter Zukunftsprozesse am Ort, um mit den Mitarbeitenden und Engagierten vor Ort intensiv zu diskutieren.
Durch gemeinsame Vergewisserung der inhaltlichen und pastoralen Ziele auf den Leitungsebenen und in den Partizipationsgremien können abgestimmte Schritte und Entscheidungen getroffen werden. Dabei werden durch Entscheidungen Räume und Möglichkeiten für eine lokale Entwicklung ermöglicht, die jeweils vor Ort begleitet werden.
Wir gestalten diesen Übergang seit einigen Jahren, indem wir Raum für differenzierte und begleitete Lösungen vor Ort schaffen und Menschen ermutigen für ihre Initiativen mit Mut voranzugehen
Mit dem Aufbau einer Abteilung für Strategie und Personalentwicklung werden Instrumente der Begleitung, Weiterentwicklung und Weiterbildung geschaffen, die die Mitarbeitenden stützen.
- Durch die Neuausrichtung unserer Akademie und der Bildungseinrichtungen wird das Bistum zur gesellschaftlichen Meinungsbildung aus christlicher Identität beitragen.
- Durch die Fokussierung und Profilierung der katholischen Schulen und der frühkindlichen Bildungseinrichtungen leisten wir auch in Zukunft unseren Beitrag zur Entwicklung der Gesellschaft.
- Durch die Profilierung der caritativen Einrichtungen werden wir unserer Verantwortung für die Menschen zeichenhaft gerecht.
30.10.2022
Generalvikariatsrat Christian Hennecke, Leiter der Hauptabteilung Pastoral im Bischöflichen Generalvikariat Hildesheim

Praxis
Evangelische Kirche in Hessen und Nassau
In der Tat sehen wir, dass die Entwicklungen in Gesellschaft und Kirche radikale Auswirkungen haben. Die deutlich zunehmenden Kirchenaustritte, das Thema des sexuellen Missbrauchs, das die Vertrauenswürdigkeit der Kirche grundlegend infrage stellt, das Auseinanderdriften von individuell gelebter Religiosität oder gelebtem Wertebewusstsein und der Praxis des christlichen Glaubens in der Organisation der Kirche und der Nachwuchsmangel stellen uns vor große Herausforderungen.
In unserem seit 2019 laufenden Kirchenentwicklungsprozess haben die o. g. Themen immer mehr Raum eingenommen. Wir sind mit Veränderungen des Bestehenden gestartet und befinden uns mittlerweile in einem umfassenden Transformationsprozess, der keinen Bereich kirchlichen Handelns außen vorlässt. Dabei gibt es — wie vermutlich in jeder „basisdemokratisch“ aufgestellten Großorganisation — zum jetzigen Zeitpunkt unterschiedliche Einschätzungen dazu, wie radikal die Entwicklung ist und ob ein Übergang gestaltet werden kann oder von einem Zusammenbruch der bisherigen Gestalt gesprochen werden muss.
Die radikalen Entwicklungen werden durch den umfassenden Reformprozess, in dem wir uns befinden, derzeit auf allen Ebenen der Kirche besprochen. Dies ist auch deshalb so, weil wir bereits synodale Beschlüsse zu einem deutlichen Abbau von Gebäuden, zu einer Umstrukturierung von Gemeinden und einer neuen Form des Verkündigungsdienstes gefasst haben oder derzeit herbeiführen möchten. Die sich daraus ergebenden Veränderungen betreffen alle Ebenen der Kirche. Dass wir „nicht weitermachen können wie bisher“ scheint mir dabei ein von vielen geteilter Konsens zu sein.
Ausdruck dieser grundlegenden Veränderung, die bisherige Organisationsformen infrage stellen, ist es, dass die in den o. g. Bereichen beschlossenen strukturellen Veränderungen in deutlich kürzeren Fristen und mit höherer Verbindlichkeit für alle Ebenen erfolgen müssen als dies bei vorherigen Veränderungsprozessen der Fall war. Daraus folgen Veränderungen z.B. in der Bedeutung der Parochie als dem bislang tragenden Prinzip kirchlichen Handelns vor Ort oder dem Selbstverständnis des Pfarrberufes.
Wir haben auch Themen der Nachhaltigkeit und Digitalisierung schon zu Beginn als wichtige Herausforderungen identifiziert; durch die Coronakrise und die Klimakrise überholt uns die Dynamik jedoch und wir müssen diese Themen nun mit größerer Dringlichkeit aufnehmen.
Allerdings ist es auch so, dass die Transformationsprozesse in den Leitungsgremien nicht übereinstimmend als Strategie zum Umgang mit einem Zusammenbruch verstanden werden, so dass wir die radikalen Veränderungen nicht unter dieser „Überschrift“ thematisieren.
Systematisch im Sinne eines bevorstehenden Zusammenbruchs wird das Thema nicht diskutiert. Aus meiner Sicht müsste auch unterschieden werden zwischen einer Disruption, bei der etwas Neues das Alte „aushebelt“ und einem Zusammenbruch, bei dem dann zu fragen wäre, welche Parameter für diese Diagnose angelegt werden. Finanziell wird es wohl zunächst nicht zu einem Zusammenbruch kommen, da die Finanzplanung Maßnahmen vorsehen kann, wenn sich ungeahnte Finanzierungslücken von einem Jahr auf das andere einstellen, weil es weitere Absicherungsmechanismen gibt und entsprechend der wirtschaftlichen Prognosen finanztechnisch vorsichtig geplant wird. Gleichwohl sind die rasch sinkenden Mitgliederzahlen natürlich ein Alarmzeichen. Am ehesten scheint mir aber die rasch abnehmende Anzahl von Pfarrer*innen in den nächsten Jahren durch Ruhestandsversetzungen einer Disruption vergleichbar zu sein. Dieses Thema wird breit diskutiert, auf allen Ebenen der Kirche.
Dies geht aus meiner Sicht nur durch ein konsequentes Angehen der anstehenden Herausforderungen. Dazu gehören die Entwicklung von Szenarien und das Herbeiführen von Entscheidungen zu Einsparungen und organisationalen Veränderungen. Zu letzterem gehört, dass den Kirchengemeinden und Dekanaten Spielräume ermöglicht werden, Kirche vor Ort entsprechend der Situation und den dortigen Erfordernissen zu gestalten. Der Abbau von Genehmigungen, das Eröffnen von Freiräumen und die Ermöglichung regionaler Unterschiede sind aus meiner Sicht Möglichkeiten, Handlungsmöglichkeiten zu erhalten. Das bedeutet, dass die Steuerung auf gesamtkirchlicher Ebene im Blick auf das, was vor Ort geschieht oder geschehen soll, verringert wird; gleichzeitig bleibt die Steuerung im Blick auf die Rahmenbedingungen bzw. Ressourcen wichtig. Die „Erlaubnis“, Neues auszuprobieren erscheint mir ebenfalls ein wichtiger Punkt zu sein, um Handlungsfähigkeit vor Ort zu erhalten und dabei nicht nur reaktiv, sondern proaktiv zu agieren.
Die Frage ist ja: Den Übergang wohin? Die oben angegebenen Aspekte der Transformation werden bereits angegangen. Gemeinden und Dekanate werden bei organisationalen Veränderungen begleitet. Aus meiner Sicht ist es auch ein Kennzeichen einer Disruption, dass kein einfacher Fahrplan vorliegt und ein neues Ziel nicht einfach angesteuert werden kann, sondern deutlich werden muss, dass noch nicht klar ist, was wofür eine Lösung sein kann. Aus meiner Sicht ist es eher ein Schritt-für-Schritt-Denken und -Handeln, das dann beim Ausprobieren zeigt, was sinnvoll zu tun und anzustreben sein kann. Personalgewinnung, alternative Modelle der Mitgliedschaft und die Verringerung von Verwaltungstätigkeit durch Aufgabenkritik sind aus meiner Sicht wichtige Themen, um die Organisation angesichts der derzeitigen Umbrüche zu verändern. Gleichzeitig müssen wir aushalten, dass wir — insbesondere in den Leitungsebenen – nicht schon die Antwort haben, sondern die Entwicklung gut beobachten und wahrnehmen, riskieren, loslassen, wie es auf allen Ebenen geschieht. Die Coronakrise war ja eigentlich eine Disruption, bei der wir allerdings auch gemerkt haben, wie schnell und aktiv sich viele auf die neue Situation eingestellt haben. Die Entwicklung digitaler Praxis im kirchlichen Handeln hat die religiöse Kommunikation befördert und viele Möglichkeiten eröffnet (z. B. auch die Möglichkeit digitaler Kongresse :-). Diese Disruption in einem positiven Sinne zu befördern hieße, die neuen Möglichkeiten zuzulassen und bei einer gelingenden Umsetzung so gut es geht zu unterstützen, auf keinen Fall aber an Vorgaben aus Zeiten vor Corona einfach festzuhalten oder abzuwarten „bis die Krise wieder vorbei ist“. Meine Erfahrung in dieser Zeit war/ist auch, dass wir auf allen Ebenen dieselben Prozesse der Verständigung, der Diskussion, des Aushaltens von Unterschieden und der Suche nach gemeinsamen Lösungen durchlaufen. Es gibt nicht die eine Leitungsebene, die weiß, was zu tun ist, und anderen sagen kann, wie es geht. Darum ist das Eingeständnis in die gemeinsam erlebte Suche, der Austausch miteinander und auch mit anderen Akteuren außerhalb der Kirche für mich ein wichtiges Element bei dem Umgang mit einer disruptiven Entwicklung. Dies führt allerdings auch zu einer Verunsicherung, denn die Erwartung an „klare Vorgaben“ und „Lösungen“ waren und sind auch da. Eine Disruption kann für mich dann gut genutzt werden, wenn dabei auch die Eigenständigkeit der Akteure zugelassen und befördert wird.
Gleichzeitig ist meine Erfahrung auch, dass sich damit keinesfalls nur negative Erfahrungen verbinden. Es sind ja ungeahnte Möglichkeiten entstanden, Lernerfahrungen wurden gemacht. Alle standen vor der gleichen neuen Situation, das war einerseits konflikthaft, hat andererseits aber auch ehrliche und offene Diskurse befördert.
Auch in der jetzigen Energiekrise stellen wir fest, dass Kirchengemeinden sehr schnell eigenständig agieren und Maßnahmen ergreifen, um z. B. Heizkosten und Energie zu sparen. Auch hier gilt, die Rahmenbedingungen zu klären und zu kommunizieren und vor Ort möglichst viel an Eigenverantwortung und konkret passenden Lösungen zu ermöglichen.
Ob man bei einer Disruption also einen Übergang gestalten kann oder diese tiefgreifende Veränderung nur begleiten und immer wieder sehen muss, was gerade gebraucht wird, könnte man fragen. Um letzteres zu ermöglichen, braucht es aus meiner Sicht immer wieder eine Vernetzung und das Einholen von Resonanzen über Gelingen oder Misslingen und das daran ausgerichtete Weiterdenken.
Mitarbeitende haben Rechte, durch die sie abgesichert sind. Für Änderungen in Bezug auf die Bedingungen ihrer Arbeit gibt es verabredete Verfahren. Verantwortlich erscheint es mir in diesem Zusammenhang, Überlastungssituationen wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Verantwortlich erscheint mir in diesem Zusammenhang auch, die Veränderungsdynamik offen auszusprechen und Mitarbeitende so zu fördern, dass sie mit Veränderungen umzugehen lernen können. Das gilt aus meiner Sicht ebenso für alle, uns Leitende eingeschlossen. Insbesondere angesichts der Tatsache, dass Kirche eigentlich eine Institution ist, die auf Tradition ausgerichtet ist. Gleichzeitig ist es Teil der Verantwortung, die unterschiedlichen Wahrnehmungen zuzulassen. Was für die einen an dringenden Veränderungen ansteht, ist für andere ein schlimmer Verlust. Den Austausch so zu befördern, dass das Verständnis füreinander möglich wird und nicht in gegenseitige Abgrenzung führt, gehört für mich zu einem verantwortlichen Umgang mit haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden dazu.
Im Prinzip gehört zur Wahrnehmung der Verantwortung in der Gesellschaft das Gleiche wie das, was für die Wahrnehmung der Verantwortung in der Kirche gilt: zusammen mit den Akteuren die Entwicklungen wahrnehmen und gemeinsam nach Handlungsstrategien suchen.
Darüber hinaus sind wir als Kirche durch die Gesellschaft gerade sehr kritisch angefragt. Dieser Kritik müssen wir uns stellen und fragen, wie wir Glaubwürdigkeit als Organisation wiedergewinnen. Auch dazu gehören für mich eine offene Wahrnehmung und die Bereitschaft sich zu verändern und infrage stellen zu lassen. Und uns in unserem Handeln dann auch tatsächlich so auszurichten, dass Glaubwürdigkeit entsteht.
Gleichzeitig sind wir als Christinnen und Christen von einem bestimmten Menschenbild und Weltbild geprägt. Fragen der Gerechtigkeit, der vorbehaltlosen Anerkennung eines jeden Menschen und der damit verbundenen Würde sind Grundthemen einer wertebasierten Organisation wie der Kirche, die Christinnen und Christen im Alltag leben und in ihre jeweiligen sozialen Bezüge einbringen.
Macht eine Disruption einer Organisation das Handeln in einer solchen Haltung schwerer oder befördert es nicht auch den Austausch und die gemeinsame Entwicklung? Ihre Frage höre ich auch als Nachfrage, wie bei einem Zusammenbruch noch Handlungsfähigkeit „nach außen“ gewährleistet werden kann. Wenn dies so intendiert ist, dann erscheint mir dies die Basisorientierung von Kirche nicht gut genug berücksichtigt zu haben. In fast allen Landeskirchen ist die Gemeinwesenorientierung ein wichtiger Aspekt der Veränderung. Darin spiegelt sich gerade das Interesse kirchliches Handeln so zu verändern, dass gesellschaftliche Akteure Raum im kirchlichen Handeln gewinnen und Kooperationen im Sozialraum für die Gestalt und das Selbstverständnis kirchlichen Handelns mehr Bedeutung gewinnen. Anders gesagt: eine disruptive Entwicklung kann die Frage der gemeinsamen Verantwortung neu stellen und anders zu bearbeiten ermöglichen als es die bisherige Unterscheidung, Abgrenzung und Eigenständigkeit von Organisationen tun konnte.
30.10.2022
Oberkirchenrätin Dr. Melanie Beiner, Leiterin Dezernat 1 – Kirchliche Dienste der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau

Praxis
Erzbistum Hamburg
Das Erzbistum Hamburg hat im Jahr 2016 einen Erneuerungsprozess begonnen, in dem ein pastoraler Orientierungsrahmen zur Gestaltung der Zukunft im Erzbistum erarbeitet worden ist. Die Vermögens- und Immobilienreform hat das Ziel, den Einsatz wirtschaftlicher Ressourcen auf das Wesentliche zu konzentrieren und große Teile des Diözesanhaushaltes nachhaltiger zu gestalten. Sie ist somit eine direkte (ökonomische) Konsequenz des Erneuerungsprozesses. Dazu gehört, dass das System auf die in Zukunft verfügbaren Ressourcen angepasst wird. All dies geschieht in Verantwortung für die nächste Generation von Katholik_innen und die Beständigkeit der Glaubensvermittlung.
Ein weiteres Projekt „missionarisch weiter gehen – Personalstrategie 2030“ versucht, Reaktionen auf eine disruptive Entwicklung unserer Personalstruktur zu antizipieren. Denn die Personaldecke wird sich mit der Verrentung der geburtenstarken Jahrgänge massiv verkleinern. Parallel dazu gibt es kaum Studierende für die Berufsgruppen und die Anzahl der Katholik_innen nimmt ab. Bis Mitte der 2020er Jahre wird mit neuen Stellenformaten experimentiert, aus deren Evaluation heraus neue Ansätze für den Personaleinsatz in der Pastoral strategisch grundgelegt werden können. Unser Motto ist ein biblisches: „Prüft alles und behaltet das Gute“ (1 Thess 5,21). Dieser Rat des Apostels Paulus gilt natürlich nicht nur für dieses Projekt, sondern auch grundsätzlich für unsere Diözese. Das heißt, dass für uns im Erzbistum Hamburg schon jetzt die Freude am Neuen („Prüft alles“) und die kluge Unterscheidung („…und behaltet das Gute“) besonders wichtig sind. Gerade deshalb haben wir in unserem Pastoralen Orientierungsrahmen für uns als Diözese formuliert, dass wir unter anderem ein aufbrechendes Erzbistum Hamburg sein wollen (so heißt es in unserem Pastoralen Orientierungsrahmen).
Also: Ja, das Erzbistum Hamburg beschäftigt sich intensiv mit einem Gestaltwandel der kirchlichen Sozialformen.
Wir haben eine Pastoralkonferenz (PaKo) im März diesen Jahres eingerichtet, die agil versucht, strategische Themen des Gestaltwandels zu bearbeiten. Diese Konferenz versucht, strategische Themen zu erfassen, zu analysieren und in Prozesse ausgehend vom Generalvikariat zu übersetzen. Daneben befassen sich im Grunde genommen fast alle Gremien unseres Bistums in unterschiedlichen Facetten mit der Zukunft unseres kirchlichen Lebens und Handelns. Zum Beispiel im Wirtschaftsrat und Diözesanpastoralrat sind diese regelmäßig Thema; ich gehe aber auch davon aus, dass zum Beispiel unsere Berufsgruppen sich intensiv mit Zukunftsfragen auseinandersetzen.
Aktuell arbeiten wir daran, Innovation systematisch in unserer Diözese zu verorten, indem wir einen Innovationsfonds eingerichtet haben und jetzt zur Umsetzung bringen. Konkret bedeutet das, dass alle Katholikinnen und Katholiken im Erzbistum Hamburg die Möglichkeit haben werden, Mittel und Zuschüsse für innovative pastorale Projekte aus diesem Fonds zu beantragen. Dabei ist auch im Blick, dass dies nicht zuerst und zuletzt dem kirchlichen Selbsterhalt dient, sondern unserem Beitrag als Christinnen und Christen in der Gesellschaft. Für mich ist die damit eröffnete Diskussion ein Ort, an dem wir das Thema „Gestaltwandel des Kirchlichen“ ganz praktisch sowie systematisch bearbeiten.
Auf der einen Seite versuchen wir, uns verstärkt auf die Kommunikation mit den Kirchenmitgliedern zu konzentrieren. Aufgabe und Ziel unserer Mitgliederkommunikation im Erzbistum Hamburg ist es deshalb, in Zeiten des Wandels in Beziehung mit allen Kirchenmitgliedern zu treten und zu bleiben. Dies tun wir, indem wir Transparenz herstellen, Kirche für alle erfahrbar machen und die Relevanz von Kirche auch in der heutigen Gesellschaft darstellen. Unser Mottosatz heißt: „Kirche in Beziehung“.
Kommunikativ agieren wir mit einem Mix, indem wir weiter die treuen Kirchbesucher ansprechen, aber auch unsere Reichweite in den Medien nutzen, um positive Narrative von der Reich-Gottes-Botschaft zu entwickeln (Social Media, Internet, Sendezeiten im öffentlich-rechtlichen und im privaten Rundfunk). Zukünftig wird es darauf ankommen, dass auch die digitalen Möglichkeiten (digitale Plattformlösung) professionell und kontinuierlich genutzt werden – zum Beispiel haben wir jüngst eine digitale Lernplattform entwickelt unter dem Titel s@lt: „spirit @ learning & teaching“.
Auf der anderen Seite müssen wir natürlich auch im Hinblick auf unsere Mitarbeitenden „Kirche in Beziehung“ sein und bleiben. Das tun wir, indem wir versuchen, über große strategische Prozesse transparent zu kommunizieren und diese partizipativ anzulegen. So haben wir beispielsweise die Entwicklung einer Personalstrategie 2030 so angelegt, dass sie mit einer Ideensammlung unter Mitarbeitenden und ihrer fortwährenden Beteiligung funktioniert.
Ich selbst spreche weniger von „Disruption“, sondern eher von „Transformation“ und „Gestaltwandel“ der Kirche. Denn diese Begriffe weisen darauf hin, dass sich im „Wandel“ Chancen verbergen. Der Wandel hilft uns und unserem Handeln wesentlicher zu werden: Die Botschaft vom Reich Gottes bleibt, auch wenn unsere Gestalt sich ändert.
Wie eingangs bereits erwähnt sind wir gerade in mehreren größeren Prozessen. Mit der Vermögens- und Immobilienreform sowie der „Personalstrategie 2030 – missionarisch weiter gehen“ werden jetzt schon Steuerungsmöglichkeiten für die Zukunft antizipiert.
Aber es gilt auch, sich an dieser Stelle ehrlich zu machen: Wir haben keine große Glaskugel und wissen nicht, wie die Gestalt der Kirche in 20 oder 25 Jahren aussehen wird. Die eigentliche Herausforderung besteht doch darin, mit dieser Ungewissheit vertrauensvoll umzugehen. Unser Glaube ist die wichtigste Ressource dafür.
In der Diözese ist ein Prozess der Errichtung von 28 Pfarreien im Januar 2022 abgeschlossen. Das Leben in diesen neu errichteten Pfarreien, die in Vernetzung mit „Orten kirchlichen Lebens“ und ausgerichtet auf das soziale Umfeld auch als sogenannte „Pastorale Räume“ bezeichnet werden, muss sich zum Teil noch einspielen.
Seit August 2022 wird an einer Evaluation der pfarreilichen Gremien gearbeitet, um eine veränderte Struktur für eine in Form gebrachte systematische Kommunikation der Akteure auf der lokalen Ebene neu zu gestalten. Das Design setzt auf Beteiligung von und Beziehung mit den Akteuren vor Ort. Wir suchen nach möglichen neuen Lösungen, die wiederum einer Konsultationsschleife unterzogen werden, bevor sie durch die diözesanen Räte beraten und zur Entscheidung empfohlen werden. Die Beteiligung der betroffenen Akteure, die gemeinsame Suche und Beschreibung von vielfältigen Lösungswegen, sowie eine Würdigung des Gelungenen wie auch das nüchterne Sehen des Misslungenen sind wichtige Aspekte in der Gestaltung des Übergangs. Ebenso werden neue Dinge projektweise ausprobiert und damit Erfahrungen gesammelt. Über Erkundungen (Reisen in die Weltkirche und in andere Kirchen) werden Ideen mitgebracht, an die Gegebenheiten vor Ort angepasst und umgesetzt.
Wir versuchen, mit kleinen Beispielen für Gelungenes in einer neuen Gestalt das Neue attraktiv zu machen. Wichtig dafür ist es, das Bisherige zu würdigen und zugleich das Neue willkommen zu heißen. Beispielsweise haben wir gerade zwei „Gründer_innen“-Stellen ausgeschrieben, die nach den Prinzipien der Fresh-X-Bewegung versuchen, auf der lokalen Ebene Neues auszuprobieren.
Der absehbare Rückgang hauptamtlichen Personals verlangt außerdem auch nach Lösungen in Bezug auf Leitungsstrukturen. Aktuell wird in zwei Modell-Pfarreien eine neue Leitungsarchitektur ausprobiert. Es geht darum, Leitungsverantwortung zu teilen und Laien flexibel in die Leitung der Pfarrei mit hineinzunehmen und so von vorneherein mehr Perspektiven als Grundlage von Wirklichkeitswahrnehmung und Entscheidung zu setzen.
Als Mitglied unserer Bistumsleitung möchte ich Veränderung als Chance für Neugestaltung begreifen und so gemeinsam mit anderen Mitarbeitenden ein positives Mindset fördern. Dazu gehört auch in der Personalentwicklung das Qualifizieren von Führungskräften, damit sie sich ihrer Verantwortung bewusst sind als die, die Orientierung geben, Veränderungskultur positiv prägen und Neues ermöglichen. Mitarbeitende müssen dabei in der Veränderung entsprechend mitgenommen und konkrete Veränderungsbedarfe erfragt werden. Es bedarf zudem einer adäquaten internen Kommunikation wie auch regelmäßiger Updates zur Situation und Projekten, die der sich verändernden Situation Rechnung tragen. Besonders positive Aufbrüche müssen als Beispiele aktiv kommuniziert werden, sodass neue Ideen entwickelt und mutig eingebracht werden. Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden und Entwicklungsperspektiven tragen dazu bei. Die gemeinsame Suche nach Antworten als eigenen Anspruch zu definieren, entfaltet Dynamik und macht den gemeinsamen Weg einfacher.
Mir ist eine Kultur der Ermöglichung wichtig. Das heißt, dass wir das, was wir haben, zur Verfügung stellen wollen. Und das heißt auch, zu entdecken, wie wir mit einem Blick über den Tellerrand hin zu den Glaubensgeschwistern in der Welt lernen können, wo und wie wir als Katholik_innen in unserer Diözese hilfreich sein können. Unser Erzbistum besteht zu einem Drittel aus Katholikinnen und Katholiken anderer Muttersprachen als deutsch. Unser Bistum lebt eine Vielfalt, die auch unserer Gesellschaft guttut.
Ein Beispiel für gesellschaftliche Verantwortung, die in diesem Sinne im Erzbistum Hamburg übernommen wird, ist die Aktion „WE CARE FOR U!KRAINE“. Dabei handelt es sich um eine Hilfsaktion, im Zuge derer Pakete für die vom Krieg betroffenen Regionen in der Ukraine gepackt und verschickt werden. Einerseits hilft es den Menschen vor Ort, andererseits hilft es aber auch tatsächlich uns selbst, wenn wir miteinander über das Tun ins Gespräch kommen, auch über eigene Ängste und Sorgen.
Noch immer hat die Kirche viele Ressourcen, die sie einbringen kann in die Situationen der Zeit. Beispielsweise werden aktuell kirchliche Räume werktags zu Wärmestuben, wenn Menschen nicht mehr in der Lage sind, ihre eigenen Wohnungen zu heizen. Sie können Ausgabestellen für Lebensmittel sein, sie können Orte der Begegnung werden.
Vielleicht ist ein weiterer Punkt wichtig zu benennen: Die Kirche übernimmt durch die Personen, die sich in ihr engagieren, häufig ein demokratiestabilisierendes Engagement in der Gesellschaft, das wir viel zu oft übersehen. Heute gehören Menschen zur Kirche, die in allen Teilen der Gesellschaft ein demokratisches Miteinander kennen und aktiv gutheißen. Eine große Stärke unseres kirchlichen Lebens sollte es doch zumindest sein, dass sich alle gleichermaßen mit den eigenen Ideen und Gaben einbringen können. Das ist unser großes Potenzial.
Hamburg, 10.10.2022
P. Sascha-Philipp Geißler SAC, Generalvikar Erzbistum Hamburg
in Zusammenarbeit mit Mitarbeitenden im Erzbischöflichen Generalvikariat Hamburg

Praxis
Erzdiözese Freiburg
Kirchenentwicklung 2030 – ein „Zukunftsweg“ der Erzdiözese Freiburg
Die Veränderungen der kirchlichen „Landschaft“ gehen an der Erzdiözese Freiburg nicht spurlos vorbei. Der zunehmende Relevanzverlust in der Gesellschaft korrespondiert auch im Südwesten der Bundesrepublik mit der zurückgehenden Zahl der Kirchenmitglieder. Der selbst verschuldete Vertrauensverlust, gepaart mit einer im öffentlichen Diskurs radikalen Infragestellung kirchlicher Positionen, die im Widerspruch zu einer demokratischen und pluralen Gesellschaft stehen, potenziert Auflösungserscheinungen, die schon seit Jahrzehnen anhalten, nun aber eine eigene dramatische Entwicklung genommen haben. Die Corona-Pandemie bewirkt zudem eine weitere Beschleunigung der Entfremdung vieler mit der Kirche. Quantitativ lässt sich das exemplarisch mit der Zahl der Kirchenaustritte belegen: im Jahr 2021 traten in der Erzdiözese Freiburg mit rund 30.000 Personen doppelt so viele Katholiken aus der Kirche aus als im Schnitt der letzten zehn Jahre. Die aktuellen Zahlen des Jahres 2022 gehen nochmals darüber hinaus. Die innere Distanz vieler zu Glaubensinhalten und Werten der katholischen Kirche zeigten die Rückmeldungen zur diözesanen Phase der nächsten Weltbischofssynode zum Thema einer synodalen Kirche.
Die Erzdiözese startete in den vergangenen Jahren immer wieder Initiativen, um diesen Entwicklungen zu begegnen. Meist waren dies eigenständige Aktionen verschiedener diözesaner Einrichtungen (z.B. Imagekampagnen), punktuelle Veranstaltungen (z.B. Diözesantage) oder konsultative Prozesse mit eingegrenzten Fragestellungen wie die beiden Diözesanversammlungen in den Jahren 2013 und 2014. Mit dem Projekt „Kirchenentwicklung 2030“, das von Erzbischof Stephan Burger im Jahr 2018 gestartet wurde, bündelt die Erzdiözese nun die Kräfte und führt mehrere Initiativen zusammen. Das Projekt zielt auf eine tiefgreifende Veränderung in der Erzdiözese, in dem nicht nur Strukturen, Prozesse und Ressourceneinsatz in den Blick genommen werden, sondern ebenso eine inhaltliche Neuorientierung der Arbeit in Pastoral, Bildung und Caritas angezielt wird. Alle Bereiche sollen miteinander auf eine gemeinsame Zielperspektive hin in Einklang gebracht werden.
Nicht nur Strukturen, Prozesse und Ressourceneinsatz werden in den Blick genommen, sondern ebenso wird eine inhaltliche Neuorientierung der Arbeit in Pastoral, Bildung und Caritas angezielt.
Auf den ersten Blick erscheint „Kirchenentwicklung 2030“ als ein radikaler Strukturprozess. Markantes Kennzeichen ist der Plan, alle bisherigen 1049 Pfarreien aufzulösen und an deren Stelle 36 Pfarreien neu zu bilden. Im Schnitt werden die neuen Pfarreien rund 50.000 Katholiken zählen, die kleinste 21.000, die größte 114.000. Allein schon die Größe der neuen Pfarreien macht deutlich, dass diese nicht mit Bildern der bisherigen Pfarrgemeinden gedacht werden kann. Die „Pfarrei (neu)“ ist keine „XXL-Pfarrei“, sondern eine Einrichtung einer neuen Gestalt von Kirche. Dies ist u.a. wie folgt skizziert: „Es geht um den Abschied vom Modell einer vorwiegend von Hauptberuflichen getragenen und verantworteten Kirche, das einer Versorgungs- und Mitmachlogik folgt, und um die Entwicklung einer ‚Pastoral der Ermöglichung‘, die auf die Selbstführung und Selbstorganisation derer, die sich engagieren, ausgerichtet ist.“1 Damit wird die bisherige Fokussierung auf Strukturen verlassen und es drängen sich andere Fragen in den Vordergrund: die Förderung kleiner Gemeinden/Gemeinschaften als Orte kirchlichen Lebens, ein neues Verständnis ehrenamtlichen Dienstes in der Kirche sowie die Zurüstung und Begleitung von Ehrenamtlichen, eine neue Form der Wahrnehmung von Leitung, eine neue Präsenz der Kirche in der Gesellschaft ….
Das Projekt wird von einer Vielzahl von Gremien und Gruppen getragen, die sich mit der anstehenden Transformation auseinandersetzen. Eine repräsentativ besetzte Projektleitung mit einem Geschäftsführenden Ausschuss hat die inhaltliche Leitung inne, eine schlagkräftige Projektkoordination sorgt für die zielgerichtete Steuerung der Prozesse. Verschiedene Koordinierungs- und Projektgruppen erarbeiten auf der Basis von Analysen anstehende Konzepte. Wesentliche Weichenstellungen erfolgten 2022 in zwei mehrtägigen Sitzungen des Diözesanforums, in dem u.a. alle diözesanen Räte sowie relevante diözesane Gremien vertreten sind.
Das Projekt wird von einer Vielzahl von Gremien und Gruppen getragen, die sich mit der anstehenden Transformation auseinandersetzen.
Ziele, Inhalte und Verlauf des Projektes werden laufend kommuniziert. Eine eigene Internetseite (www.kirchenentwicklung2030.de, ergänzt durch www.ebfr.de/dioezesanforum), regelmäßige Beiträge auf den Social-Media-Kanälen des Erzb. Ordinariates sowie ausführliche Berichte in der Bistumszeitung KONRADSBLATT ergänzt durch Pressemeldungen sind wichtige Instrumente. „Kirchenentwicklung 2030“ war und ist mehrfach Thema bei diözesanen „Tagen der Pfarrgemeinderäte“ oder den „Tagen der Pastoralen Berufe.“
Die Befragung und Information von Stakeholdern dient dazu, den Blick über den kirchlichen Bereich zu weiten. Jeweils eigene Gesprächsrunden des Erzbischofs u.a. mit Vertretern und Vertreterinnen aus der Wirtschaft, der öffentlichen Verwaltung oder mit Medienschaffenden brachten interessante Zusammenhänge zu Tage.
Auch wenn die Personalsituation der Erzdiözese angespannt ist und viele Stellen im pastoralen Bereich nicht mehr besetzt werden können bzw. sich bei der Verwaltung auch der Fachkräftemangel zeigt, so agiert die Erzdiözese nicht aus einem Notstand heraus. Zudem gibt die finanzielle Situation der Erzdiözese (noch) Gestaltungsmöglichkeiten. Dies erlaubt es, die anstehende Transformation gezielt anzugehen, Schwerpunkte zu setzen und Abschiedsprozesse abzufedern. Das auf eine längere Dauer angelegte Projekt (2030!) ermöglicht es zudem, die anstehende Umgestaltung mit Bedacht und ohne von außen auferlegten Zeitdruck zu gestalten. Alle Planungen basieren auf längerfristigen Analysen, so dass verhindert wird, nach kurzer Zeit von vorn anfangen zu müssen.
Der Erfolg des Projektes hängt wesentlich von der Frage ab, ob es gelingt, die Mitarbeitenden der Erzdiözese mitzunehmen. Für die meisten bedeutet „Kirchenentwicklung 2030“ eine Auseinandersetzung mit ihrer Rolle und ggf. eine Neujustierung. Von den derzeit rund 220 Pfarrern werden künftig nur noch 36 eine Pfarrei leiten, pastorale Mitarbeitende müssen sich in neuen Rollen einfinden, Mitarbeitende in der Verwaltung sind davon nicht ausgenommen. Auch für Ehrenamtliche wird sich so manches verändern. Die Erzdiözese fördert und begleitet diese Auseinandersetzung mit den neuen Rollen mit eigenen Veranstaltungen für die verschiedenen Gruppen von Mitarbeitenden und stimmt sie auf die anstehenden Veränderungen ein. In der Vermittlung erweist es sich hilfreich, dass das Projekt nicht ins Leben gerufen wurde, um unmittelbar Personal und Finanzen einzusparen, wenn gleich auch solche Einsparungen auf die Erzdiözese zukommen werden, selbst wenn es das Projekt Kirchenentwicklung 2030 nicht gäbe.
“Kirchenentwicklung 2030“ zielt darauf, Kirche so weiterzuentwickeln, dass mit ihr das Evangelium in der Gesellschaft präsent ist und es diese prägt.
„Ich wünsche mir für unsere Erzdiözese, dass … die Kirche als eine verlässliche Partnerin erfahren wird für alle Akteure, die an einer humanen Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens interessiert sind – in Bildung, Sozialwesen und Politik“2, so der Erzbischof in seinem Vorwort zum Arbeitsinstrument zu Pastoral 2030. Damit macht er deutlich, dass „Kirchenentwicklung 2030“ kein rein innerkirchlicher Prozess ist, keine Nabelschau oder kein Versuch einer „Selbstheiligung“, sondern immer im Kontext der kirchlichen Sendung steht. „Kirchenentwicklung 2030“ zielt darauf, Kirche so weiterzuentwickeln, dass mit ihr das Evangelium in der Gesellschaft präsent ist und es diese prägt.
Freiburg, 27.7.2022
Ordinariatsrat Wolfgang Müller, Leiter Hauptabteilung 6 – Grundsatzfragen und Strategie im Erzbischöflichen Ordinariat Freiburg

Praxis
Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern
Als evangelische Landeskirche verdankt sich die ELKB letztlich einer Art von Disruption – nämlich der Reformation. Dass Kirche Veränderungsprozesse vollzieht – auch radikale – gehört nach evangelischer Überzeugung zu ihrem Wesen (ecclesia semper reformanda). Natürlich beschäftigen wir uns in der ELKB mit disruptiven Entwicklungen – wenngleich nicht in der katastrophischen Lesart dieses Phänomens.
Die Kirche als Bewegung existiert ungebrochen seit über 2000 Jahren. Die Form ihrer Organisation hat die Kirche dabei immer wieder verändert. Kirchengeschichtlich sind diese Veränderungen selten aus Totalzusammenbrüchen des bestehenden Systems erwachsen. Meist war und ist es so, dass nach radikalen Disruptionen verschiedene Formen von Kirche nebeneinander existieren.
Diejenige Organisationsform, die die ELKB heute prägt (Parochialprinzip mit Kirchengemeinden als vereinsähnlicher Gemeinschaft), ist vor 150 Jahren entstanden und war eine Reaktion auf das explodierende Bevölkerungswachstum im Zuge der Industrialisierung. Gegenwärtig schrumpft unsere Gesellschaft, hinzu kommen Megatrends wie Globalisierung, Digitalisierung, Individualisierung und Mobilität, die das Leben der Menschen prägen und verändern. Ich bin der Überzeugung, dass sich unsere Kirche diesen Gegebenheiten anpassen muss, wenn sie den Menschen weiterhin einen einfachen Zugang zur Liebe Gottes ermöglichen möchte. Diese Adaptionsleistung würde ich jedoch nicht als Zusammenbruch bezeichnen, sondern die Veränderung der Kirche voll-zieht sich momentan als Umbau, der auf viele, auch auf kaum beeinflussbare, Veränderungen reagiert.
Wie sich Kirche verändern soll, um relevant zu bleiben, wird systematisch im Rahmen unseres Zukunftsprozesses “Profil und Konzentration” (PuK) diskutiert. Seit 2016 findet dieser als breit angelegter Beteiligungsprozess auf allen Ebenen der Landeskirche statt. Kirchenentwicklung und Ressourcensteuerung werden dabei zusammengedacht. Rahmendaten für die Diskussion bieten uns die Prognosen zur Mitglieder- und Finanzentwicklung genauso wie unsere Personalprognose. Diese Daten werden regelmäßig aktualisiert. Gleichzeitig werden von der Kirchenleitung inhaltliche Strategien und Schwerpunktsetzungen entwickelt, mit denen diesen Veränderungen mittel- und langfristig begegnet werden soll.
In allen nötigen Um- und Rückbauprozessen (im Rahmen der Ressourcensteuerung) halte ich es für ganz entscheidend, dass wir zugleich auf Erprobungen setzen. Durch Förderung von auftrags- und sozialraumbezogenen Innovationen in verschiedenen Bereichen (z.B. frische Formen von Kirche, Kasualien und Digitalisierung) erhoffen wir uns die bewusste Initiierung von Disruptionen im Sinne der Entstehung neuer, dezentraler, noch nicht etablierter Formen von Kirche. Wir reden in diesem Zusammenhang von emergenter Kirchenentwicklung. Für all diese Veränderung braucht es geistliche Bilder. Meines ist ein Wort aus dem Johannesevangelium, das auf Christus bezogen ist und damit auch ein Bild für Kirche im Wandel gibt: “Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein – wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht” (Joh 12,24).
Die Rahmendaten zur Mitglieder-, Finanz- und Personalentwicklung werden regelmäßig kommuniziert. Im Rahmen von Veranstaltungen zu Profil und Konzentration, Beratungsprozessen zur Landesstellenplanung, Konferenzen der Regionalbischöf*innen mit ihren Kirchenkreissynodalen, jüngst auf einer Zukunftskonferenz aller kirchenleitenden Organe und auch beim “EinBlick in die Zukunft der Landeskirche” – einem digitalen Format, in dem der Landeskirchenrat mit seinen Mit-arbeitenden regelmäßig zu Zukunftsthemen in Dialog tritt.
Als Kirchenleitung ist es unsere Aufgabe, zum einen den Sinn unserer Rahmenvorgaben transparent zu machen und zum anderen sie immer wieder an die Bedürfnisse der mittleren und unteren Leitungsebene anzupassen, die wiederum jeweils eigene Lösungen passgenau vor Ort entwickelt. Jede Ebene ist so an der Steuerung des Umbaus aktiv beteiligt. Je mehr die Notwendigkeit zur Veränderung von allen Beteiligten gesehen wird, desto größer ist die Akzeptanz dieser Veränderung. Entscheidend ist es – theologisch wie aus der Sicht der Organisationsentwicklung-, dass in der Kirche auf allen Ebenen die Frage nach dem Sinn der eigenen Arbeit beantwortet ist: Wir sind gesandt durch Christus und wir haben die Aufgabe, immer wieder neu zu erkunden, welche Ant-worten das Evangelium auf die Fragen der Menschen gibt, was sie brauchen, diakonisch und seelsorgerlich.
Um den Übergang souverän zu gestalten, entwickeln wir unsere Steuerungstools kontinuierlich weiter: Die Landesstellenplanung findet in kürzeren Abständen statt und folgt seit 2020 der Logik von Profil und Konzentration. Der innerkirchliche Finanzausgleich (IKFA) legt Mehr- bzw. Minder-einnahmen aus den Kirchensteuern ohnehin schon immer direkt um, wenn Kirchengemeinden und Dekanate budgetiert werden. Weil sich in Zukunft die Frage stellen wird, ab welcher Höhe von notwendigen Kürzungen bestimmte Bereiche nicht mehr arbeitsfähig sind, wird gerade ein Konzept zur flächendeckenden Gebäudereduktion ebenso wie zur Neustrukturierung der mittleren Ebene in der Fläche unserer Landeskirche erarbeitet. Und unsere Finanzabteilung entwickelt zu-dem eine mittelfristige Finanzplanung für einen 5-Jahres-Zeitraum, bei dem die nötigen Kürzungen bei gleichzeitiger Setzung inhaltlicher Schwerpunkte gemeinsam abgestimmt werden sollen.
Neben den genannten Punkten (die primär auf eine verlässliche Ressourcensteuerung zielen) setzt die ELKB bewusst auf die Förderung von Innovationen. Wir sind der Überzeugung, dass Kirchenentwicklung in einer ausdifferenzierten, postmodernen Welt nur als dezentraler Prozess gesteuert werden kann. Dieser Prozess läuft emergent ab – d.h. nicht immer ist am Beginn eines Projektes klar, was am Ende herauskommt und nicht jede Idee wird ein Erfolg. In unserem MUT-Projekt werden Pioniere jedoch systematisch beraten und gecoacht, wenn sie neue Formen von Kirche ausprobieren wollen. Die Projekte werden untereinander vernetzt und ausgewertet. Mit den Schlussfolgerungen daraus befasst sich dann wiederum die Kirchenleitung, um die Frage zu klären, wie sie erfolgreiche Projektlogiken mehr und mehr in die bestehende Betriebslogik unserer Landeskirche überführen kann und diese sich dadurch verändert.
Gute Kommunikation mit allen Mitarbeitenden ist in Veränderungsprozessen essentiell. Wir bauen deshalb besonders dialogische Formate unserer Mitarbeiterkommunikation konsequent aus. Zu-dem arbeiten wir an einer aussagekräftigen Darstellung der Bilanz der ELKB, welche die Solidargemeinschaft aller kirchlichen Ebenen im Rahmen der Veränderungsprozesse transparent machen soll, ebenso wie die nachhaltige Absicherung der Versorgungslasten. Trotz aller notwendigen Kürzungen halten wir an einer Deckungsquote für die Versorgung der öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse von ca. 80-85% fest. Die ELKB soll ein attraktiver Arbeitgeber bleiben.
Überdies sollen unsere Nachwuchskräfte optimal auf ihren Dienst in einer ELKB, die anders sein wird als bisher, vorbereitet werden. Die zweite Ausbildungsphase auf dem Weg in den Pfarrberuf wurde daher ganz neu gestaltet. Weitere Bausteine müssen folgen. Wir gehen davon aus, dass in Zukunft auch die mittlere Ebene neue Führungskompetenzen benötigt, um im Zuge der anstehen-den Veränderungen gut entscheiden zu können. Auch alle Ehrenamtlichen, die kirchenleitend tätig sind, sollten in regionaler-lokaler Kirchenentwicklung fortgebildet werden, da diese auf allen Ebenen die anstehenden Veränderungen mittragen und mitgestalten sollen.
Es ist erklärtes Ziel unseres Zukunftsprozesses, Menschen in Not wahrzunehmen und Teilhabe zu ermöglichen. Die Zusammenarbeit mit der Diakonie soll daher verstärkt und die Vernetzung von Kirchlichem Entwicklungsdienst, Katastrophenhilfe und z.B. Brot für die Welt vorangetrieben werden. Mir ist wichtig, dass wir als Kirche auch Verantwortung für globale Herausforderungen, wie z.B. den Klimaschutz, tragen. Wir haben uns verpflichtet, nachhaltig und gerecht zu wirt-schaften und dafür finanzielle Mittel bereitzustellen.
12.10.2022
Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm, Landesbischof der Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern

Praxis
Evangelische Landeskirche in Baden
Wir beschäftigen uns als Kirche aufgrund der biblischen Traditionen immer schon mit disruptiven Entwicklungen und auch Zusammenbrüchen des Bisherigen, wenn Sie an die Auferstehung Jesu Christi, an die Taufe, an die Hoffnung auf Neuschöpfung denken. Christen erwarten Veränderungen, gestalten Veränderungen im Geiste Christi mit und reflektieren disruptive Veränderungen. Besonders markant ist dies an der Auferstehung Christi zu sehen.
Dass die Kirche ihre Gestalt immer wieder ändert und ändern muss, hat uns Martin Luther ins Stammbuch geschrieben. Die Kirchen im 21. Jahrhundert steigen bzgl. ihrer Inhalte und Formen in gesellschaftliche Aushandlungsprozesse ein, werden hinterfragt, Ihnen wird auch mit Indifferenz begegnet. Das zeigt die Verwundbarkeit von Kirche. Sie ist eine Stärke und ihr Wesenszug. Stärke, weil sie sich so offen hält für die kritischen Anfragen und Wesenszug, weil im Zentrum und am Ausgangspunkt der Gekreuzigte steht, der auf die transformative Kraft von Verletzlichkeit hinweist.
Die organisationalen Veränderungen werden in einem Strategieprozess in der Landeskirche abgebildet. Diese wird durch kirchenleitende Organe koordiniert und durch Projektverantwortliche gesteuert. Dabei setzt man einen Rahmen, kommuniziert Ziele und arbeitet mit Partizipation auf ganz verschiedenen Ebenen. Die Rückbindung an die Beteiligten vor Ort, die steten Nachjustierungen und vor allem das Vertrauen, dass wir dabei an der Bewegung Gottes in der Welt teilnehmen, trägt diesen Prozess.
Die Synode, die gewählten Delegierten der Kirche, haben den Veränderungsprozess in unserer Landeskirche diskutiert und angestoßen, die Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen der Kirche wurden mehrfach informiert, es gibt Austausch und Abstimmungsgespräche über Ziel und Weg – sowohl über das, was man aufgeben muss, als auch über die Menschen, die man gewinnen möchte.
Dadurch, dass wir uns frühzeitig auf die gesellschaftlichen Entwicklungen einstellen, dadurch, dass wir breit kommunizieren, dadurch, dass wir immer bereit sind neu wahrzunehmen, was dran ist und auch nachzusteuern, versuchen wir mit Gottes Hilfe die Handlungs- und Steuermöglichkeit der Landeskirche zu erhalten.
Die Kirchen gestalten in besonderer Weise Übergänge. Bei den großen menschlichen Übergängen wie Geburt und Tod, bei den gesellschaftlichen Übergängen wie z.B. im Vorfeld der deutschen Einheit und auch bei den großen Themen der Zeit wie z.B. im Klimaschutz versuchen die Kirchen, Ihren Beitrag für gelingende Übergänge zu leisten. Wir tun dies tatkräftig durch die angestoßenen Reformprozesse und im Vertrauen auf Gottes Bewegung hin zu seiner Schöpfung und zu den Menschen.
Die Landeskirche kommuniziert die zu erwartenden Rahmenbedingungen, sie plant weit im Voraus (es treten mehr Mitarbeitende in den Ruhestand als neue nachkommen), sie informiert und kommuniziert und sucht auch individuell gute Lösungsmodelle.
Die Landeskirche bleibt auch künftig öffentliche Kirche, sie setzt sich weiter für Menschen ein, deren Stimme in der Gesellschaft überhört wird, sie wird weiter Seelsorge anbieten und Menschen begleiten – auch mit weniger Ressourcen. Über Kreativität und selbstbewusstes, professionelles Auftreten unserer Mitarbeitenden, aber auch durch Verschlankung und zeitgemäße Anpassung von Prozessen (Digitalisierung) kann ein Teil der notwendig gewordenen Reduktion aufgefangen werden. Wir setzen darauf, dass mehr Menschen erleben, dass sie eine Gesellschaft wollen, in der Nächstenliebe und eine geistliche Dimension des Lebens Raum findet.
24.9.2022
Prof. Dr. Heike Springhart, Landesbischöfin Evangelische Landeskirche in Baden