012021

Foto: Mika Baumeister/Unsplash

Statements

Josefine Paul

Corona- und Klimakrise aussitzen? Freiheit zukünftiger Generationen nicht verspielen

Die Corona-Pandemie hat uns gesamtgesellschaftlich vor Augen geführt, was wir an unseren Freiheiten haben, aber auch, wie fragil und wie ungleich sie verteilt sind. Der eigene Garten wird zur Oase der Freiheit, wenn sogar Spielplätze geschlossen sind. Und ein stabiler Internetzugang wird zum Nadelöhr der Teilhabemöglichkeiten im Distanzunterricht.

Grundrechte wurden eingeschränkt, um Leben zu schützen und unser Gesundheitssystem vor dem Kollaps zu bewahren. Das war ein enormer Akt der Solidarität, denn alle haben sich eingeschränkt, um vor allem die Schwächsten und Verletzlichsten zu schützen. Wenn es nun aber darum geht, diese Einschränkungen zurückzunehmen, dann muss das auch mit gesellschaftlicher Solidarität einhergehen. Gerade die jungen Menschen sind besonders in ihren Lebenswelten und in ihren Freiheiten eingeschränkt worden. Die erste große Liebe im Videocall oder der Abschlussball als Livestream sind sicherlich sehr besondere Erfahrungen, aber sie ermöglichen auch nur begrenzt diese wichtigen Erlebnisse jugendlicher Freiheit. Erfahrungen von selbstbestimmtem Handeln sind für Heranwachsende nicht nur Kern individueller Freiheitserlebnisse, sondern Selbstbestimmung ist eben auch Grundpfeiler unseres demokratischen Zusammenlebens. Nun kommt es auf die Solidarität der Älteren an, um den jüngeren ihre unmittelbare Freiheit, aber vor allem auch ihre Zukunftschancen zu erhalten, in dem wir Lern- und Lebensräume junger Menschen in den Fokus politischen Handelns rücken.

Nun kommt es auf die Solidarität der Älteren an, um den jüngeren ihre unmittelbare Freiheit, aber vor allem auch ihre Zukunftschancen zu erhalten.

Die Corona-Krise stellt aber nicht nur unseren Umgang mit der Freiheit und Selbstbestimmung junger Menschen auf den Prüfstand. Sie hat auch die sozialen Ungerechtigkeiten unserer Gesellschaft noch schärfer zu Tage treten lassen. Beengte Wohnverhältnisse, eingeschränkte Möglichkeiten zum Homeoffice und schlechte digitale Ausstattung machen die Krise auch zu einer sozialen Gesundheits- und Teilhabekrise. Sie zeigt die Interdependenz von ökonomischen Ressourcen und Selbstbestimmung.

Das gilt auch für die Klimakrise. Gerade einkommensschwache Personen wohnen in Quartieren mit hoher Verkehrsdichte und weniger Frischluftschneisen durch dichtere Bebauung. In Hitzesommern sind es wieder die vulnerablen Gruppen, die besonders darunter leiden und es sind die schlechter bezahlten Jobs, die oft nicht in gut klimatisierten Büros ausgeübt werden können.

Was also bedeutet Freiheit angesichts ungleich verteilter Teilhabechancen oder einem Mangel an generationengerechter Politik?

Die Freiheit des Individuums hat seine Grenzen in der Freiheit des Anderen – das kann man als reine Schrankenwirkung definieren oder aber als Solidaritätsmechanismus begreifen.

Mittlerweile ist klar, dass die planetaren Grenzen Freiheit zu einer endlichen Ressource machen, wenn wir nicht gegensteuern. Junge Menschen klagen ihr Recht auf Zukunft und auf konsequentes Handeln im Heute daher lautstark ein. Sie tragen ihren Protest auf die Straßen und sie tragen ihn in die Gerichte. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung zum Klimaschutz den Begriff der Freiheit  in einen intergenerationalen Kontext gestellt: Die Freiheit, die wir heute genießen, darf nicht einseitig zu Lasten kommender Generationen gehen und ihnen die Möglichkeiten nehmen, frei zu leben. Das bedeutet anders herum, dass wir im hier und heute eine Verantwortung für die Zukunft und die Freiheit zukünftiger Generationen haben. Die Verfassungsrichter*innen haben den politisch Verantwortlichen  nun aufgetragen, Maßnahmen zum Klimaschutz zu beschreiben, und so die Verantwortung nicht einfach auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Denn Freiheit bedeutet eben gerade nicht, die Abwesenheit von Regeln und Rahmung. Um unsere Freiheit zu schützen und zu sichern, braucht es eine Ordnung, einen Rahmen, der den Ausgleich sucht zwischen Individualinteressen und gesamtgesellschaftlicher Verantwortung zum Erhalt der Freiheit aller, auch in der Zukunft.

Die Freiheit, die wir heute genießen, darf nicht einseitig zu Lasten kommender Generationen gehen und ihnen die Möglichkeiten nehmen, frei zu leben.

Mehr Klimagerechtigkeit bedeutet dann auch mehr soziale Gerechtigkeit und in der Konsequenz mehr gesellschaftliche Freiheit. Freiheit darf kein Privileg einzelner sein, sondern muss als gesamtgesellschaftliche Freiheit aufgefasst werden und richtungsweisend für politisches Handeln sein.

Die Corona- und die Klimakrise führen uns deutlich vor Augen: Aussitzen spielt mit der Zukunft und der Freiheit künftiger Generationen und es gefährdet den sozialen Zusammenhalt.

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