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Foto: Wilbert Baan: WIRED: Build a Web Web 2.0 startup (CC BY-NC-SA 2.0), Bildausschnitt

Konzept

Werner Kleine

Web 2.0 – Möglichkeiten für die kirchliche Öffentlichkeitsarbeit

Der Zusammenhang von Angebot und Nachfrage ist für Marketingstrategen mehr als nur eine marktwirtschaftliche Binsenweisheit. Es ist für diesen Berufsstand geradezu existentiell, das aktuelle Verhältnis von Angebot und Nachfrage im Blick zu halten. Während für den Ökonomen die Ausgewogenheit dieses Verhältnisses das Ziel einer auf Stabilität ausgerichteten Strukturplanung der Wirtschaft ist, ist dieser Zustand für die Werbebranche fast schon desaströs: Wenn Nachfrage und Angebot im Gleichgewicht sind, ist Werbung überflüssig. Public Relations, also „die Kunst, durch das gesprochene oder gedruckte Wort, durch Handlungen oder durch sichtbare Symbole für die eigene Firma, deren Produkt oder Dienstleistung eine günstige öffentliche Meinung zu schaffen“1, sind erst dann wirklich notwendig, wenn die Nachfrage nachlässt bzw. nicht (mehr) vorhanden ist und neu motiviert werden muss.

Kirchliche Verkündigung – Business as usual?

Die Situation in der sich die Kirche gegenwärtig befindet, ist unverkennbar von einer nachlassenden Nachfrage gekennzeichnet. Die Kirche hat ihre einstige Monopolstellung verloren. Der Markt, auf dem sich die Kirche mit ihrem Angebot die Nachfrage nach Sinn und Weltdeutung bewegt, ist pluraler geworden. Die Konkurrenz schläft nicht nur nicht; sie sucht auch immer offensiver die Öffentlichkeit. Es ist eben nicht mehr selbstverständlich, Christ zu sein. Und wer Christ ist, möchte wissen, warum. Es genügt offenkundig nicht mehr, einfach zu behaupten, der Glaube sei wichtig. Die konkurrierenden Angebote auf dem Markt der Sinnmöglichkeiten zwingen zu einer Überprüfung des eigenen Angebotes. Dabei ist nicht zwingend das Angebot als solches fragwürdig. Manchmal genügt es, die Art der Präsentation zu verändern, um der nachlassenden Nachfrage zu begegnen. So gesehen gilt nach wie vor die Feststellung am Beginn des sogenannten Hebräerbriefes: “Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn.” (Hebräer 1,1.2a)

Die kurze Phrase zeigt, worum es geht: “Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott gesprochen”. Die Verkündigung des ewigen Wortes kann und muss offenkundig auf verschiedene Weise geschehen. Weil es nicht nur ewig, sondern vor allem auch lebendig ist, muss es immer neu gesagt werden. Wenn die Nachfrage nach der bisherigen Form der Verkündigung der christlichen Botschaft nachlässt, ist es offenkundig an der Zeit, neue Formen zu finden. Sie muss neue Beziehungen zur Öffentlichkeit, eben Public Relations, herstellen, um ihr Produkt neu zu präsentieren, nämlich die Botschaft von Gott, der die Welt erschaffen hat, der in Jesus Christus Mensch wurde, um vor allem in seinem Leiden, Sterben und Auferstehen die letzte Grenze zwischen Gott und Mensch zu überschreiten, der deshalb als Heiliger Geist in den Menschen Wohnung nimmt, die gerade deshalb in einer lebendigen Verbindung zueinander stehen, deren sichtbare Gestalt in dieser Welt die Kirche ist.

Den Kommunikationskanal öffnen

Marketingstrategen dürften eine große Herausforderung darin sehen, dieses Produkt an den Mann und die Frau zu bringen. Dabei stehen mehrere grundlegende Strategien zu Verfügung. So könnte man versuchen, die Nachfrage dadurch anzuregen, dass man sie künstlich generiert. Ähnlich reagieren Firmen, die dem potentiellen Kunden suggerieren, ihm fehle etwas, wenn er ihr Produkt nicht kaufe. Tatsächlich finden sich auch in der Kirche ähnliche Versuche. Mit generalisierenden Botschaften wird unterstellt, dass nur der Glaubende ein sinnvolles und glückvolles Leben führen kann. Allerdings weisen diese Strategien gleich mehrere Schwachpunkte auf. Sie missachten nicht nur die notwendige Freiheit, die Voraussetzung einer echten Glaubensentscheidung ist; denn sie sind eher auf Überredung als auf Überzeugung angelegt2. Der Überredung ist aber eine manipulative Tendenz zu eigen, deren Entlarvung meist dazu führt, dass sich der Manipulierte emanzipiert und abwendet. Darüber hinaus sind solche manipulativen Strategien in der Regel auch nicht logisch stringent: Es wird mehr versprochen, als der Inhalt halten kann. Das Ergebnis auf seiten des Adressaten ist Enttäuschung. Eine kirchliche Marketingstrategie, die eine Nachfrage durch die Suggestion eines tatsächlichen Bedürfnisses erwecken möchte, steht immer in der Gefahr, als Mogelpackung entlarvt zu werden und einen der eigenen Intention entgegenstehenden Effekt zu erzielen.

Eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Strategie zur Aktivierung der Nachfrage muss also anders aussehen. Das Angebot, das die Kirche vorhält, ist für sie selbst konstitutiv und nicht veränderbar. Veränderbar sind aber die Wege der Vermittlung und der Kommunikation des Angebotes. Genau damit beschäftigen sich aber moderne Marketingstrategen. Die Hauptfragestellung lautet dabei: Welche kommunikative Ästhetik ist notwendig, um die Bedeutung eines Produktes an eine bestimmte Zielgruppe zu vermitteln? Kommunikation, Ästhetik und Zielgruppenzentrierung sind die zentralen Stichwort.

Das Web 2.0 als neue Chance kirchlicher Verkündigung?

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Wer sich heute mit Public Relations, der Schaffung von Beziehungen zur Öffentlichkeit, befasst, kommt am Internet nicht vorbei. Vor allem das sogenannte Web 2.0 eröffnet hier ganz neue Möglichkeiten. Auch die Kirche wird die neuen kommunikativen Entwicklungen nicht ignorieren können. Wer sich aber als Öffentlichkeitsarbeiter auf das Web 2.0 einlässt, muss sich mit den kommunikativen und ästhetischen Spielregeln sowie den Gesetzmäßigkeiten vertraut machen, die hier herrschen. Um es vorweg zu sagen: Es genügt nicht, sich als Gemeinde einen modernen Anstrich geben zu wollen und einen Facebook-Account anzulegen. Wenn eine solche Gemeinde hier das ihr Vertraute und Übliche weiterführt, wird sie nicht viel Erfolg erzielen. Der bisher mehr oder weniger gut gestaltete Pfarrbrief wird auch als pdf-Datei, die über Facebook verteilt wird, nicht moderner. Seine Inhalte, die nicht selten auf pfarrinterne Vorgänge bezogen sind, wird durch die Präsentation im World Wide Web nicht relevanter. Und wenn bei Facebook doch nur die eigenen Ministranten und Pfarrgemeinderatsmitglieder als “Freunde” geliked werden, schmort man doch nur weiter im eigenen Saft, der digital keinen Mehrwert gegenüber der analogen Basissubstanz bietet.

Kommunikation und Ästhetik

Wenn die Kirche das Produkt der ihr anvertrauten Botschaft in der heutigen Zeit neu zur Sprache bringen will – und sie kann ja eigentlich gar nicht anders, denn darin besteht ja ihre Existenzgrundlage – dann muss sie die Sprache der Zeit sprechen. Bezogen auf das Web 2.0 heißt das zuerst, dessen dezidiert kommunikative Grundstruktur ernst zu nehmen. Das Web 2.0 ermöglicht es jedem, der teilnehmen möchte, seine eigenen Inhalte auf verhältnismäßig unkomplizierte Weise zu veröffentlichen. Zwar hat die 12. Ausgabe des stern zu Markenprofilen ergeben, dass nutzergenerierte Inhalte im Internet überschätzt werden (nur 10% der Nutzer produzieren faktisch Inhalt, 90% bleiben in der Konsumentenrolle)3; trotzdem bleibt die prinzipielle Möglichkeit, selbst zum Autor und Sender von Inhalten zu werden prägend. Konstitutiv für das Web 2.0 sind aber die zahlreichen Feedback-Möglichkeiten. Im Web 2.0 wird Inhalt nicht nur präsentiert, sondern auch kommentiert.

Ein weiteres Charakteristikum des Web 2.0 ist in seiner spezifischen Ästhetik zu sehen. Das Web 2.0 ist schnelllebig. Die Timelines der Web 2.0-Plattformen aktualisieren sich in atemberaubenden Tempo. Galt für die analoge Tageszeitung, dass nichts älter ist, als die Zeitung von gestern, gilt für das Web 2.0 nicht selten die Frage, was habe da vor fünf Minuten gelesen wurde. Das Web 2.0 eignet sich dafür, Aufmerksamkeit zu erzeugen, die aber genau so schnell wieder von der nächsten Nachricht überlagert wird. Das Web 2.0 bietet Mogelpackungen keine Chance. Wer auf der Datenautobahn unterwegs ist, muss das einkalkulieren. Hier geht es um kurze, prägnante Botschaften, die neugierig machen. Im Web 2.0 ist keine Zeit für lange Erörterungen. Wer in diesem Becken fischt, muss schnell sein. Wenn aber jemand anbeißt, dann muss der Köder auch schmecken.

Damit kommt der dritte Aspekt für die Entwicklung einer erfolgreichen Marketingstragie in den Blick: Die Zielgruppenorientierung. Es wurde schon angedeutet, dass es wenig bringt, sich im Web 2.0 nur mit denen in Verbindung zu setzen, mit denen man auch in der analogen Welt kommuniziert. Das ist für eine interne Kommunikation sicher nicht falsch, hat aber mit Öffentlichkeitsarbeit nichts zu tun.

Wenn die Kirche neue Zielgruppen erreichen möchte, muss sie ihre Kommunikationsstrategie an diesen Zielgruppen ausrichten. Die bereits zitierte 12. stern-Studie zu den neuen Medienmentalitäten zeigt, dass ein Großteil der Internetnutzer zu den sogenannten „Unterhaltungsorientierten“ gehört (24%). Zu ihnen gehören „jüngere, hedonistisch gesinnte Menschen aus dem unteren Segment der Gesellschaft“, die „immer auf der Suche nach Unterhaltung, Spaß, Ablenkung und Bestätigung“ sind4. Es sind aber vor allem die „Digital natives“ (mit einer Online-Quote von 97%), also junge und unkonventionelle Menschen, die „am Bildschirm sozialisiert und in der digitalen Welt aufgewachsen“ sind, und die sogenannten „Macher“ (mit einer Online-Quote von 93%), also in vielen gesellschaftlichen Bereichen stark engagierte, besonders effizienzorientierte Menschen aus der oberen Gesellschaftsschicht, die als Zielgruppe in Frage kommen, wenn man den Bereich des Web 2.0 in den Blick nimmt. Zu erwähnen sind außerdem die „Anspruchsvollen“ (Online-Quote 80%), die „sich als moderne, vielseitig interessierte Bildungsbürger mit höchsten Qualitätsansprüchen charakterisieren“ lassen.

Man sieht allein schon an dieser Kurzcharakterisierung, dass die Zielgruppe, mit der man es im Internet primär zu tun hat, von hohen inhaltlichen und/oder technischen Ansprüchen geleitet ist. Die Niederschwelligkeit des Internets korrespondiert daher auf keinen Fall mit Qualitätsarmut.

Eine Verortung der Medienmentalitäten in den Milieus der Sinus-Milieu-Studie fördert zudem zutage, dass ein Großteil der Onliner nicht den Milieus angehören, in denen die Kirche ihre angestammte Klientel findet. Gerade das macht das Web 2.0 für eine missionarische Pastoral, die nicht nur eine neue Nachfrage nach ihrer Botschaft generieren, sondern auch eine neue „Kundschaft“ erschließen möchte, marketingstrategisch interessant. Gleichzeitig bedingen die Spezifica der erwähnten Zielgruppen, vor allem ihre vorhandene Anfangsdistanz zu Kirche eine besondere Vorgehensweise.

Für eine kirchliche Marketingsstrategie, die die Möglichkeiten des Web 2.0 nutzen möchte, bedeutet das zuerst, die grundlegende Distanz (und möglicherweise Anonymität) als Chance zu begreifen. Hier werden Kontakte möglich, die es in der Realität nicht geben würde. Gleichwohl wird man mit einem „kritischen Geist“ rechnen müssen. Gerade die fehlende körperliche Präsenz, die selbst im Telefonat durch die Stimme gegeben ist, senkt nicht nur die Schwellenangst, in Kommunikation miteinander zu treten; sie bedingt auch die Art der Kommunikation, da nonverbale Mittel nicht zur Verfügung stehen und außerdem mit einer zeitversetzten Kommunikation zu rechnen ist. Auch wenn das Internet schnell ist: Rede und Antwort können mitunter deutlich zeitlich differieren. Es gilt daher gerade im Internet der Satz des Pilatus: „Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben“ (Johannes 19,22). Das Internet (und seine User) vergessen nichts. Wer im Internet publiziert, muss wissen, was er schreibt. Die Zeitung von gestern, die in der analogen Realität längst Schnee von gestern ist, wird im virtuellen Gedächtnis der digitalen Wirklichkeit weiter aktuell bleiben.

Strategieentwicklung

Die Vorgaben liegen damit auf dem Tisch. Die der virtuellen Welt eigene Ästhetik, ihre kommunikative Grundausrichtung, vor allem aber die Charakteristika der internetaffinen Zielgruppe bilden die Parameter, an denen sich eine kirchliche Öffentlichkeitsarbeit zu orientieren hat, wenn sie ihre Botschaft an die Frau und den Mann bringen möchte. Das Internet bringt jeden PR-Strategen in ein marketingstrategisches Dilemma: Auf der einen Seite sind die primären Online-User von einem hohen ästhetischen und inhaltlichen Anspruch geprägt; auf der anderen Seite ist die Aufmerksamkeit dieser User auf den Moment fixiert: Was nicht gefällt, wird weggeklickt.

Dieses Dilemma zu lösen, ist die Herausforderung, die das Web 2.0 dem Öffentlichkeitsarbeiter stellt. Sie stellt sich auch und gerade einer kirchlichen PR-Strategie. Dass die Auflösung des Dilemmas nicht mit den herkömmlichen, ihr vertrauten Mitteln geht, liegt auf der Hand. Auf der anderen Seite existiert bei vielen pastoral Verantwortlichen eine numinose Grundskepsis gegenüber den modernen kommunikativen Möglichkeiten. Andererseits sind es Kirchenvertreter gewohnt, lange und komplizert über Dinge zu reden, die man eigentlich nicht greifen kann. Man darf dabei, um es mit einer alten Homiletikerweisheit zu sagen, eigentlich über alles reden, nur nicht über zehn Minuten. Diese Zeit gesteht die internetaffine Ästhetik dem Öffentlichkeitsarbeiter aber gar nicht erst zu. Entweder versteht er, die distanzierte Aufmerksamkeit des Nutzers in den ersten Augenblicken zu binden – oder er wird sie verlieren.

Hat er die Aufmerksamkeit gewonnen, ist er gezwungen, komplexe Sachverhalte so aufzubereiten, dass die Aufmerksamkeit des Users nicht verloren geht. Aus den zehn Minuten, die eine Predigt dauern durfte, werden nun maximal 2 Minuten und 30 Sekunden. Das scheint wenig zu sein. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass das Web 2.0 eigene mediale Kanäle öffnet, die in der kirchlichen Verkündigung, die bisher eher wortlastig war, kaum oder gar nicht genutzt wurden: Audio und Video bieten Möglichkeiten der Aufbereitung von Inhalten der kirchlichen Verkündigung, die eben nicht mehr nur über das reine Wort funktionieren. Die Sprache der Töne und Bilder zu nutzen, ist die große Chance jeder Öffentlichkeitsarbeit. Das Internet eröffnet hier ganz neue Wege, mit verhältnismäßig wenig Aufwand eine pr-effiziente Öffentlichkeit zu erreichen.

Damit sind die grundlegenden Parameter auch für eine kirchliche Öffentlichkeitsarbeit, die die neuen Möglichkeiten des Web 2.0 nutzen möchte, benannt: Ein hoher ästhetischer Anspruch an Form und Inhalt der Präsentation bei gleichzeitiger zeitlicher Begrenzung bedingen eine Konzentration auf das Wesentliche, das über verschiedene kommunikative Kanäle (Audio, Video, auch Text) vermittelt werden soll, um Interesse für ein gegebenes Thema zu erwecken (Generierung der Nachfrage). Möglicherweise bleibt es dabei. Möglicherweise führt die geweckte Nachfrage aber auch zu dem Bedürfnis einer vertiefenden Information. Während die primäre Öffentlichkeitsarbeit auf der Oberfläche des Web 2.0 ein grundlegendes Interesse auf seiten des Nutzers wecken soll, müssen im Hintergrund des Netzes daher weitere Inhalte und Kommunikationsmöglichkeiten vorgehalten werden, die eine vertiefende Beschäftigung mit einem Thema und gegebenenfalls Kontaktmöglichkeiten beinhalten. Schlussendlich darf bei all dem nicht vergessen werden, dass der Nutzer zuerst einmal alleine vor seinem Bildschirm sitzt. Alles, was im Internet gesagt, getan und gezeigt wird, muss mit dem Ziel einer gelingenden Öffentlichkeitsarbeit so aufbereitet sein, dass auch der einzelne Nutzer es verstehen kann.

Ein Versuch: Die Öffentlichkeitsarbeit der Katholischen Citykirche Wuppertal im Word-Wide-Web

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Die bisherigen Ausführungen haben schon deutlich werden lassen, dass es nicht genügt, als Kirchengemeinde oder kirchliche Institution einen Facebook-Account anzulegen. Wer im Web 2.0 unterwegs ist, muss Zeit, vor allem aber Denkkraft investieren. Man ist nicht schon deshalb modern, weil man im Internet ist. Modern ist die Kirche erst dann, wenn hier wirklich theologische Arbeit geleistet wird, d.h. das alte Wort Gottes in die Sprache der neuen Medien hinein übersetzt wird.

Einen möglichen Weg hat die Katholische Citykirche Wuppertal beschritten. Innerhalb der Arbeit der Katholischen Citykirche Wuppertal gibt es schon seit vielen Jahren die Reihe „Glaubensinformation“. Hier werden zweiwöchentlich in anderthalbstündigen Vorträgen und Gesprächsabenden theologische und biblische Themen erörtert und erschlossen. Über diese Reihe wird das klassisch interessierte Publikum erreicht, das den üblichen kirchennahen Milieus zuzurechnen ist. Der citypastorale Ansatz zielt aber eher auf die kirchen- und gemeindefernen Milieus. Von daher ergab sich die Frage, wie diese Personengruppen zu erreichen sind. Grundlegend für die Arbeit der Katholischen Citykirche Wuppertal ist dabei die Idee, Kirche dort zu präsentieren, an denen sich die Menschen aufhalten. Statt zu warten, dass die Mensche kommen, wird Citypastoral hier dezidiert als aufsuchender Ansatz umgesetzt. Das von dem früheren Kölner Erzbischof Joseph Kardinal Höffner stammende Wort der „Geh-hin-Kirche“ ist hier stilprägend.

Nun bewegen sich Menschen nicht nur auf den Straßen und Plätzen der Stadt (auch dort stellt die Katholische Citykirche Wuppertal mit verschiedenen Aktionen und Projekten neue öffentliche Beziehungen zur Kirche her); viele sind eben auch als Onliner unterwegs. Laut (N)ONLINER-Atlas 20115 sind das im Jahr 2011 74,7% (in Nordrhein-Westfalen 74,4 %). Dass davon ein Großteil gerade den eher kirchenfernen Milieus angehört, wurde weiter oben bereits ausgeführt. Diese Menschen bewegen sich sicher auch in der realen Öffentlichkeit. Sie nutzen aber eben auch die virtuellen Kommunikationsmöglichkeiten. Dabei gilt zu beachten, dass auch virtuelle Kommunikation immer eine reale Dimension besitzt: Am anderen Ende sitzt immer ein wirklicher Mensch!

Wenn die Kirche mit einer PR-Strategie das Produkt ihrer Verkündigung nicht nur an die Stammkundschaft bringen, sondern auch neue Marktplätze erschließen möchte, dann kommt sie an der virtuellen Vermittlung ihrer Botschaft nicht vorbei. Für die Arbeit der Katholischen Citykirche Wuppertal bedeutete das, dass neben den realen Straßen und Plätzen der Stadt auch die virtuellen Welt des Internets eine wichtige Rolle spielen muss. Dabei sind freilich die internetästhetischen und zielgruppenspezifischen Parameter, die weiter oben herausgearbeitet wurden, zu beachten.

Das Ziel war damit vorgegeben: Was in einem theologischen Vortrag in gut 90 Minuten erörtert werden kann, muss jetzt in das internetaffine Format von 2 Minuten und 30 Sekunden gebracht werden. Das Medium der Wahl ist dabei das Video, das neben der Sprache eben auch audiovisuelle Kommunikationselemente ermöglicht. Das Video stellt eine narrative Möglichkeit der Präsentation dar, die Kommunikationsebenen eröffnet, die einem reinen Vortrag so gar nicht zur Verfügung stehen.

Aus diesen Grundüberlegungen ist das Projekt „Kath 2:30“ entstanden, das seit 2009 unter www.kath-2-30.de online ist. Kath 2:30 war ursprünglich als reiner Videopodcast geplant. Schnell wurde aber deutlich, dass die Videos hervorragend in der Lage sind, theologische Inhalte zu transportieren. Allerdings sollten auch Feedbackmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Außerdem können Videos, die 2 Minuten und 30 Sekunden lang sind, trotz der Vielschichtigkeit der Kommunikationsebenen manches nur anreißen.

Aus diesen Beobachtungen heraus ergabe es sich, Kath 2:30 als Weblog zu konzipieren. Zentrales Element sind nach wie vor die Videos. Sie stellen die pr-strategische Speerspitze des Weblogs dar. Weiterführende theologische Artikel, Audiofiles und Cartoons ergänzen das Angebot nicht nur; vor allem die Textbeiträge ermöglichen eine vertiefende Erfassung eines Themas.

Kath 2:30 verfügt dabei über eine eigene Marketingstrategie. Neben dem eigentlichen Weblog gibt es einen Facebook-Seite (www.facebook.de/kath230) und einen Twitter-Account (kath_2_30), über den die einzelnen Beiträge beworben werden. Ein Teil des Diskurses der einzelnen Beiträge findet aber auch direkt in Twitter oder Facebook statt.

Kath 2:30 hat sich seit seiner Entstehung zu einem gefragten Medium kirchlicher Verkündigung entwickelt. Im Jahr 2011 verzeichnete Kath 2:30 über 180.000 Besucher (einzelne ip-Adressen, ohne robots) – und das mit steigender Tendenz.

Nun könnte man einwänden, dass das alles doch bei aller Eröffnung von Feedback-Möglichkeiten eine ziemliche Einbahnstraße sei. Tatsächlich weist die Statistik nur aus, wieviele Besucher die Homepage besucht haben, nicht aber, ob die Artikel auch wirklich gelesen wurden. Zum Leitbild der Katholischen Citykirche Wuppertal gehört aber auch das Gleichnis vom Sämann (vgl. Markus 4,1-9). Die hier vorzufindende „Effizienz der Verschwendung“6 führt letztlich doch zu einem realen Erfolg.

Ähnliches lässt sich auch durch die internetbasierte und auf das Web 2.0 bezogene Öffentlichkeitsarbeit der Katholischen Citykirche Wuppertal beobachten. Immer wieder kommt es vor, dass Interessenten über Beiträge auf Kath 2:30 Kontakt aufnehmen – häufiger per E-Mail, manchmal per Telefon, immer mehr aber auch über ein persönliches Gespräch. Auf diese Weise führt die Virtualität immer wieder in die reale Welt.

Öffentliche Beziehung sind für die Kirche existentiell

Dass PR-Arbeit mehr als nur eine marketingstrategische Spielwiese für die Kirche ist, ergibt sich schon aus ihrem Auftrag selbst: „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ – so lautet am Ende des Markusevangeliums (Markus 16,15) der sogenannte Missionsbefehl des Auferstanden an seine Jünger. Dieser Auftrag ist der Kirche in das Stammbuch geschrieben. Hinauszugehen in alle Welt schließt auch die virtuelle Welt ein. Das Evangelium allen Geschöpfen zu verkünden, richtet sich inbesondere an die, die es nicht ohnehin schon hören – eben jene kirchen- und gemeindefernen Zielgruppen, die nicht selten auch im World-Wide-Web zu finden sind. Der Auftrag der Kirche ist es zuvorderst, zu verkündigen. Ob die Adressaten der Verkündigung auch zustimmen, ist eine andere Frage. Damit die Adressaten aber überhaupt die Möglichkeit finden, zuzustimmen, müssen zuerst ihre Ohren und Augen geöffnet werden. Eine kirchliche Verkündigung muss deshalb immer einer entsprechenden Ästhetik folgen, ohne die eigenen Inhalte zu vernachlässigen. Das Internet eröffnet hier vielfältige neue Welten und Möglichkeiten, die nicht ausgeschöpft werden, wenn man das Bisherige jetzt einfach online weiterführt. Kirchliche Öffentlichkeitsarbeit im Web 2.0 ist eine Herausforderung, das Gewohnte anders zu denken. Eine Herausforderung, bei der derjenige, der sich ihr stellt, selbst gewinnt. Wenn die Kirche diese Herausforderung nicht annimmt, dann lässt sie einen fruchtbaren Acker brach liegen.

  1. Carl Hundhausen, zitiert nach: Wikipedia. Art. „Public Relations“, in: http://de.wikipedia.org/wiki/Public_Relations (9.1.2012)
  2. Vgl. zu der wichtigen Unterscheidung von Überredung und Überzeugung als Ziel Werner Kleine, Das ist doch logisch! Oder?. Die Bedeutung der Logik für die Glaubensverkündigung, in: Pastoralblatt für die Diözesen Aachen, Berlin, Essen, Hildesheim, Köln und Osnabrück 2011 (63), S. 355-360, hier: S. 355.
  3. Vgl. hierzu http://www.stern.de/presse/stern/04102007-stern-praesentiert-die-zwoelfte-ausgabe-seiner-untersuchung-markenprofile-neue-medienmentalitaeten-wohin-geht-ihre-zielgruppe-599407.html (19.1.2012)
  4. Vgl. hierzu und zum Folgenden ebd.
  5. Vgl. Initiative D21, (N)ONLINER-Atlas 2011. Eine Topographie des digitalen Grabens durch Deutschland (hrsg. von TNS Infratest), Juli 2011, S. 10.
  6. Vgl. hierzu W. Kleine, Konzept für die Citypastoral in Wuppertal „Katholische Citykirche Wuppertal“, Wuppertal 2004, S. A-4 (als pdf unter: http://www.katholische-citykirche-wuppertal.de/fileadmin/Dateien/KonzeptCPWuppertal.pdf)

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