012013

Foto: Schub@: take a seat, read a book (CC BY-NC-SA 2.0)

Service & Dialog

Martin Lätzel

Buchrezension: Kitz, Volker: Die 365 Tage-Freiheit

Kitz, Volker: Die 365 Tage-Freiheit. Ihr Leben ist zu wertvoll, um es mit Arbeit zu verbringen.

Man kann das neue Buch von Volker Kitz für einen Klamauk halten und es bestenfalls in die Comedy-Ecke einer Bahnhofsbuchhandlung einsortieren. Man kann das Buch aber auch als ernsthaften Ratgeber für Aussteiger nehmen, die ihren Job längst statt haben und nun nach einem ultimativen Weg suchen, sich von der Last der Erwerbsarbeit zu befreien.

Das Buch ist in zwei Teile geteilt. Im ersten Teil analysiert der Psychologe und Jurist in einfachen und klaren Worten unsere alltägliche Arbeit. Die Unzufriedenheit, die der Autor formuliert, hat jeder und jede schon mal gehört und diskutiert. Zu wenig Einkommen, zu wenig Wertschätzung, blöde Kollegen, blöde Chefs. Wer kennt das nicht. Ja, sagt Kitz, so ist die Arbeitswelt. Und man wird da kaum etwas machen können. Es sei denn…man hat den Mut und steigt aus. Ja aber, sagen die meisten. Hier beginnt nun Kitz zur Höchstform aufzufahren. Es gibt kein Aber, da ist er überzeugt. Und präsentiert gleich 23 mehr oder weniger ernst gemeinte Tipps, selbstständig, frei und bequem zu arbeiten und/oder zu leben. Denn das wertvollste im Leben, sei doch der Moment. Davon ist Kitz überzeugt. Ein Teil der Vorschläge überzeugt nicht wirklich („Werden Sie Lottomillionär“), andere wiederum machen nachdenklich. Dass ausgerechnet ein Unternehmensberater das Ordensleben als eine Alternative zum gehetzten Alltag der Yuppies und Singles zwischen Bank, Bar und Bett empfiehlt zeigt doch, wie aktuell das traditionelle spirituelle Aussteigerleben sein kann. Das Selbstverständnis der Orden trifft Kitz damit ganz gut.

Man kann das Buch für eine Klamauk halten oder für einen ernsthaften Ratgeber. Die Wahrheit liegt mal wieder, wie immer, in der Mitte. Das Thema ist doch evident, unsere Zeit kennt Wortneuschöpfungen wie das „Downshifting“. Der gesellschaftliche Diskurs über den Wert von Arbeit und deren sinnvolle Ausgestaltung ist nicht erst seitdem das Thema „Bedingungsloses Grundeinkommen“ auf der Tagesordnung steht, voll entbrannt. Deutlicher als früher erkennen wir heute, das Arbeit zu einem deutschen Mythos geworden ist. Mehr und mehr setzt sich durch, dass der Sinn des Lebens nicht darin bestehen kann, haufenweise Überstunden zu schieben. Und selbst im öffentlichen Dienst setzt sich die Erkenntnis durch, dass der Arbeitnehmer seinem Dienstherrn eigentlich keine Lebenszeit verkaufen sollte, sondern Ergebnisse. Wann und wo die entstanden sind, ist dann egal. Der Sinn des Lebens erfüllt sich nicht in einer 40-Stunden-Woche. Von daher nimmt Kitz ein aktuelles Thema auf. Seine Vorschläge sind sicher nicht alle ernst gemeint, aber der Hintergrund stimmt. Gefragt ist nämlich die individuelle Auseinandersetzung um den Wert, den wir alle der Erwerbsarbeit zumessen. Dass wir keine Gesellschaft von Lottogewinnern, Bestsellerautoren und reichen Erben werden können, versteht sich von selbst. Das ist aber auch nicht das Ziel des Autors. Er schreibt, Zielgruppe seines Buches seien diejenigen, die mit dem täglichen Arbeitsablauf nicht zufrieden sind. Für Klitz gilt der alte Grundsatz love it (für die schreibt er aber nicht), change it or leave it. Für die beiden letztgenannten Ergebnisse bietet er, wenn in Teilen überzeichnet, erste Ideen und öffnet Gedankentüren. Wer sich erst einmal wirklich damit auseinander gesetzt hat, freier zu arbeiten, wird seine Phantasie dazu nutzen können, Ideen zu entwickeln. Wenn der Autor das erreicht, hat er viel erreicht. Dass er auf diesem Weg zudem das Thema „Verzicht“ an den Leser und die Leserin bringt, ist mehr als nur ein guter Nebeneffekt. Populär ist das nämlich nicht. Aber die Grenzen des Wachstums sind bald erreicht. Die äußeren Bedingungen werden eh über kurz oder lang dazu führen, dass wir unseren materialistischen und konsumistischen Lebensstil überdenken. Wenn das Überdenkend er eigenen Erwerbsfähigkeit dazu führt, sich sowieso zu bescheiden und Konsumgewohnheiten zu überdenken oder gar einzuschränken – umso besser. Von daher kann man Kitz‘ Buch für Klamauk oder einen Ratgeber halten. Auf jeden Fall ist es ein Gedankenanstoß mit viel Humor, über die Gestaltung des eigenen Lebens nachzudenken.

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