012013

Foto: Schub@: take a seat, read a book (CC BY-NC-SA 2.0)

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Frank Reintgen

Buchrezension: Hempelmann, Heinzpeter: Gott im Milieu

Hempelmann, Heinzpeter. 2012. Gott im Milieu. Wie Sinusstudien der Kirche helfen können, Menschen zu erreichen. Gießen. Brunnen-Verlag.

2010 sah sich das Sinus Institut gezwungen, das alte Milieu Modell zu überarbeiten und den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen anzupassen. Die Milieuslandschaft wurde im Zuge dieses Updates neu definiert. Zeitgleich brachte Carsten Wippermann mit den Deltamilieus ein alternatives Modell in die Diskussion ein, das zu einiger Irritation beitrug. Anfang des Jahres schließlich wurde das „MDG-Milieuhandbuch 2013. Religiöse und kirchliche Orientierungen in den Sinus-Milieus®“ in München vorgestellt. Wie bereits die erste Sinus-Kirchenstudie aus dem Jahr 2005 wurde diese Neuauflage viel beachten. Keine Frage – die Lebensweltforschung ist wieder stark in der Diskussion. Ein von Prof. Matthias Sellmann im November des vergangene Jahres an der Ruhruniversität Bochum veranstalteter Kongress brachte zusätzlichen Schwung in die Debatte.

Auch im evangelischen Kontext erfährt die Lebensweltforschung inzwischen zunehmend Beachtung. Das belegt unter anderem das neu erschienene Buch „Gott im Milieu. Wie Sinusstudien der Kirche helfen können, Menschen zu erreichen“ von Heinzpeter Hempelmann, Professor für Systematische Theologie an der Evangelischen Hochschule Tabor und Theologischer Referent im EKD-Kompetenzzentrum für Mission in der Region Stuttgart.

Hempelmanns Buch bietet einen guten Zugang in die Lebensweltforschung und ihre Relevanz für die Pastoral. Hempelmann zeichnet in kurzen und auch für den Laien gut nachvollziehbaren Zügen die historische Entwicklung des Milieus-Modells nach und klärt dabei, was unter Milieuforshcung zu verstehen ist.

Ein eigenes Kapitel widmet sich dem Sinusinstitut, das für die Lebensweltorientierung im kirchlichen Kontext eine besondere Relevanz hat. In diesem Kapitel weist Hempelmann auf die Stärken des Sinusinstitutes hin ohne alternative bzw. konkurrierende Konzepte näher vorzustellen. Hempelmann geht auch auf das 2010 erneuerte Sinus-Modell ein und beschreibt die markanten gesellschaftlichen Veränderungen, die in dieses Modell eingeflossen sind. Zahlreiche bunten Grafiken helfen diese Ausführungen zu veranschaulichen.

Im weiteren setzt er sich mit der Frage auseinander, in wie weit die Milieu-Modelle ein hilfreiches Arbeitsmittel für die Pastoral sein können. In der Reflexion praktischer Erfahrung der Landeskirchen in Baden und in Württemberg identifiziert vier Möglichkeiten, wie Pastoral sich die sozialwissenschaftliche Milieuforschung nutzbar machen kann:

  1. Instrument zur Analyse
  2. Instrument für Bildung, Mission und Prognose
  3. Pastoraltheologisches Instrument
  4. Steuerungsinstrument für Gemeindeleitung

Sehr ausführlich und gründlich setzt er sich mit gängigen Kritikpunkte an der Milieuforschung auseinander, die in der Vergangenheit an unterschiedlicher Stelle vorgebracht wurden. Dieser Teil ist sehr wertvoll. Nimmt er den Leser mit hinein in eine (kirchen-)politisch und auch theologisch höchst brisante Auseinandersetzung.

Für Hempelmann sind die Sinus-Milieus Sehhilfen, die als Analyse-Tool helfen können, gesellschaftliche Wirklichkeit zu verstehen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und doch produzieren die Sinusstudien auch eine Menge Fragestellungen, die pastoral zu beantworten und zu entscheiden sind (z.B.: Wie gehen wir mit der Erkenntnis um, dass sich in gemeindlichen Kontexten im Wesentlichen nur 2 ½ Milieus von 10 wiederfinden? Ist eine Öffnung hin auf die anderen Milieus gewollt bzw. ist er überhaupt möglich? Usw.) Es wird deutlich, dass die Nutzung der Milieruforschung für die Pastoral ein Kirchen veränderndes Potential beinhaltet.

Am Ende des Buches wird anhand der Kampagne „Erwachsen glauben“ verdeutlicht, wie Lebensweltforschung ganz konkret für die Pastoral nutzbar gemacht werden kann. Hier wird beschrieben wie in einer Modellregion (Heidelberg/ Ladenburg-Weinheim) versucht wurde, Glaubenskurse im pastoralen Raum vernetzt strategisch zu planen und milieuorientiert auszurichten.

Wer in diesem Buch nach detaillierten Beschreibungen der einzelnen Milieus sucht wird nicht fündig. Aber das ist auch gar nicht das Anliegen von Hempelmann. Ihm geht es darum, die Lebensweltorientierung in der Pastoral zu etablieren. Er möchte für eine milieusensible Pastoral werben. Und das ist ihm mit diesem Buch auf eindrucksvolle Weise gelungen.

Nicht zuletzt die zahlreichen im Buch benannten Beispiele zeigen, wie Pastoral sich weiter entwickeln kann, wenn man einer Lebensweltorientierung Raum gibt.

Alles in allem ein rundum gelungenes Buch, das ich nur sehr empfehlen kann.

 

 

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