22018

Foto: Casey Horner/Unsplash

Statements

Hans-Karl Krey

Was zum Vorschein kommt, wenn die letzte PowerPoint-Folie gezeigt ist

Eine persönliche Würdigung.

Valentin Dessoy ist seit über zwanzig Jahren als Ausbilder und Trainer für Organisationsentwickler, Supervisoren und Führungskräfte tätig. Ich konnte mit ihm in diesen zwei Jahrzehnten viele Weiterbildungen und Veranstaltungen gemeinsam konzipieren und durchführen.

Wer sich als Trainer oder Ausbilder von Beratern oder Führungskräften betätigt, muss konzeptionell verstanden und verinnerlicht haben, dass er Menschen schult für eine Tätigkeit auf einer tertiären Prozessebene. Viele in der Pastoral Tätigen bezeichnen Gott sei Dank immer noch die konkrete Seelsorge als die identitäts- und sinnstiftende Größe. Hier, so sagen sie oft, liege ihre Berufung. Während sich also diese Primärprozesse großer Wertschätzung erfreuen, werden schon Prozesse auf der sekundären Ebenen nicht gerade mit Begeisterung gesehen, obwohl zum Beispiel Strategisches planen, Richtungsentscheidungen treffen, Ziele setzen und Mitarbeiter führen immer schon zum Handwerkszeug pastoraler Mitarbeiter und erst recht eines Pfarrers gehört haben. Tertiäre Prozesse nennt man dann die Prozesse, die nicht unmittelbar operativ und auch nicht strategisch steuernd stattfinden, sondern unterstützend und reflektierend für diese wirken sollen. Also Supervision, Coaching, Qualifizierung, etc.1 Die tertiäre Ebene ist zwar dem konkreten Handeln des Ratsuchenden auf der primären und sekundären Ebene verpflichtet und trotzdem ist ihr eine gewisse Distanz und Abgehobenheit im besten Sinne zu eigen.

Wer als Trainer die Teilnehmer von Beratungsausbildungen bewegen will, sich konsequent von der Rolle her auf dieser tertiäre Unterstützungsebene zu verhalten, also zum Beispiel die Beobachtungsebene 2. Ordnung einzuhalten, der weiß, was das für eine Anstrengung ist.

Wer als Trainer die Teilnehmer von Beratungsausbildungen bewegen will, sich konsequent von der Rolle her auf dieser tertiäre Unterstützungsebene zu verhalten, also zum Beispiel die Beobachtungsebene 2. Ordnung einzuhalten, der weiß, was das für eine Anstrengung ist. Zu groß ist gerade am Anfang die Neigung, in die direkte Praxisbegleitung zu wechseln, statt Reflektion von Rolle, Auftrag, persönlichen Anteilen und institutionellen Rahmenbedingungen anzuregen. Eine Anstrengung, die als Trainer und Ausbilder nicht zu haben ist, ohne sich manchmal dem Vorwurf auszusetzen zu abstrakt, zu abgehoben (genau darum geht es ja eigentlich) oder zu weit entfernt von der Wirklichkeit zu sein.

Dieser Vorwurf ist auch Valentin Dessoy nicht fremd. Er bewegt sich dabei in der Rolle des Ausbilders und Trainers auf seine sehr eigene Art und Weise. Hier dazu drei Beobachtungen:

  • Er benutzt seine PowerPoint-Folien, die sich oft durch ein hohes Abstraktionsniveau auszeichnen, mit hohem Tempo und in großer Zahl. Immer wieder gibt es Sprünge vor und zurück.
  • Er bewegt sich sprachlich dabei kommentierend auf einem ähnlich hohen Niveau.
  • Er unterbricht sich immer wieder durch die Aufforderung zum Diskurs oder zu Übungen.

Wenn dann noch seine leise Stimme hinzukommt, dann ist Valentin Dessoy als Lehrender und Trainer für viele eine Herausforderung, an der man sich abarbeiten kann. Und nicht selten gibt es am Rande der Weiterbildungen darüber viele Gespräche. Diese Art zu unterrichten, muss nichts für jeden und jede sein. Sie nur als Marotte abzutun, greift zu kurz. Sie ist Valentins Dessoys sehr eigene Form, die tertiäre Reflexionsebene in Gang zu setzen. Um es in einem Bild zu sagen: Nicht nur einen bestimmten Weg zu gehen, sich dabei nicht nur einer Landkarte zu bedienen als würde sie die Landschaft abbilden, sondern sich zu fragen, aufgrund welcher Vorannahmen, Werte, Ressourcen und Ziele gehe ich eigentlich wie und wohin?

Was kommt aber nun bei Valentin Dessoy zum Vorschein, wenn die letzte Folie gezeigt ist? Was ist das für ein Mensch, was trägt ihn und wie sehen seine Überzeugungen aus, wenn er von Gott, den großen Kirchen in Deutschland und den gesellschaftlichen Umbrüchen in unserem Land spricht. An dieser Stelle werden oft die informellen Abende und die Kaffeepausen mit ihm sehr wichtig. Sie sind dann wie ein Kommentar zur seiner Art zu unterrichten.

Wer in der Kirche Menschen zu Beratern und Begleitern ausbilden will, der muss neben aller systemischen Theorie und der Abstraktheit einer tertiären Unterstützungsebene um das Herzblut wissen, mit der Pastoral und Seelsorge betrieben sein will: mit Liebe zu den Menschen.

Er muss wissen, was es heißt, vor einer Handvoll neunjähriger Kinder zu stehen, deren Handys aus der Hosentasche schauen und in deren Gesichter sich schon die Erwachsenen abzeichnen, die sie einmal sein werden, um ihnen mehr stammelnd deutlich machen zu wollen, was ihnen Jesus Christus bedeuten könnte für ihr Leben.

Er muss wissen, was es bedeutet, eine trauende Familie zu begleiten und von der Hoffnung der Auferstehung zu erzählen.

Er muss aber auch wissen, wie viel Herzblut es braucht angesichts des Relevanzverlustes der Kirchen Seelsorge und Pastoral nicht nur zu verwalten, sondern experimentell neu zu wagen.

Wenn sich die Kirche vom Evangelium neu inspirieren lässt und ihrer eigenen Sendung folgt, ist sie unweigerlich missionarisch.

Valentin Dessoy besitzt dieses Herzblut. Manchmal eben erst auf den zweiten oder sogar dritten Blick! Ihn treibt die Zukunftsfähigkeit unserer Kirchen in und für unsere Gesellschaft um. Nicht um der Kirchen willen, sondern um der Menschen willen. Wer schon einmal beobachten konnte, wie leidenschaftlich er dann wird, wie viel Auseinandersetzungen und Konflikte er dabei eingegangen ist, wie er sich solidarisieren kann und Netzwerke schmiedet, der bekommt ein anders Bild, als das des sehr theoretischen und abgehobenen Organisationsberaters.
Wer die Vita von Valentin Dessoy aufmerksam studiert, der wird übrigens schnell merken, wie viel konkrete, primäre Tätigkeit in Therapie, Beratung und Management es bei ihm berufsbiographisch gegeben hat.

„Oh, sie sind aber fromm“ hat einmal überrascht eine Führungskraft des Erzbistums Köln zu Valentin Dessoy gesagt, als man sich lange über die Notwendigkeit strategischer Planung gestritten hatte und das Gespräch sich plötzlich verlagerte hin zu Trauer oder Hoffnung über die Zukunftsfähigkeit unserer Kirche.

Auf einer Homepage von Valentin Dessoy lässt es sich so finden:

„Wenn sich die Kirche vom Evangelium neu inspirieren lässt und ihrer eigenen Sendung folgt, ist sie unweigerlich missionarisch. Sie geht den Menschen nach. Sie nimmt ihre Sorgen und Nöte, ihre Bedürfnisse und Befürchtungen wahr und versucht ihre frohe Botschaft aus einer lebendigen Christusbeziehung heraus mit der Lebens- und Erfahrungswelt der jeweiligen Adressaten in Berührung zu bringen, damit sie für die Menschen Bedeutung und Relevanz gewinnen können. (…) Diese Frage lässt sich nur beantworten, wenn die Kirche sich selbst mit den Augen der Adressaten sieht und ihr gesamten Handeln aus der Perspektive der Adressaten und auf sie hin gestaltet.“ (www.hahmann-dessoy.de)

  1. vgl. Dessoy 2004 S. 12, Reader: „Gemeindeentwicklung, strategisches Management, Veränderungsmanagement“

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