012015

Foto: digital cat: Mal- und Zeichenbedarf Schachinger - in München - Hackenviertel (CC BY 2.0), Bildausschnitt

Statements

Christoph Pistorius

Mit Demut

futur2 ist die grammatikalische Form mit der eine Zukunft beschrieben wird, die bereits Wirklichkeit geworden ist. Von welcher Zukunft wollen Sie, dass Sie morgen einmal gewesen sein wird? Oder anders gefragt: Mal angenommen, in Zukunft würde sich Kirche und Gesellschaft so weiter entwickelt haben, wie Sie es sich wünschen, wie sähe das dann aus? Was wäre anders als heute?

Zunächst einmal empfehle ich eine gewisse Demut. Ist es nicht ein bisschen anmaßend zu meinen, eine Strategie für eine lebenswerte Zukunft entwickeln zu können?

Am Ende eines jeden Kalenderjahres erscheinen in den Zeitungen und im Fernsehen Jahresrückblicke – Übersichten über die wichtigsten Ereignisse im zu Ende gehenden Jahr. Viele der dargestellten Ereignisse hätte zum Beginn des Jahres niemand für möglich gehalten. Von vielen Ereignissen werden wir überrascht und kein Zukunftsstratege hatte sie im Blick. Das ist der eine Grund, warum ich zur Zurückhaltung rate, wenn es darum geht Strategien für die Zukunft zu verfassen.

Ich glaube daran, dass Gott für mein persönliches Leben und das Leben seiner Kirche eine gute Zukunft bereithält. Und dass er mich persönlich und seine Kirche führt und leitet.

Der andere Grund liegt in meinem Glauben gegründet: Ich glaube daran, dass Gott für mein persönliches Leben und das Leben seiner Kirche eine gute Zukunft bereithält. Und dass er mich persönlich und seine Kirche führt und leitet. Im berühmten 23. Psalm wird Gott als ein fürsorglicher Lenker beschrieben. „Er führt mich zum frischen Wasser. Er führt mich zur grünen Aue. Und wenn mich mein Weg auch durch Todes-Schatten-Schluchten führt, fürchte ich kein Unglück.“ Das entlastet mich. Meine Strategien, Ziele und Vorhaben müssen nicht und können nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

Und dennoch ist es meine Aufgabe, mein persönliches Leben verantwortlich zu gestalten. Und als leitender Geistlicher der Evangelischen Kirche im Rheinland trage ich eine große Verantwortung dafür, dass die Inhalte unserer Verkündigung und das Handeln dieser Kirche in eine gute Richtung führen.

Dieser Verantwortung möchte ich nach bestem Wissen und Gewissen nachkommen:

In diesem Sinn versuche ich, Wünsche zu formulieren, wie ich mir heute die evangelische Kirche in zwanzig Jahren wünsche. Daraus könnte man möglicherweise Strategien entwickeln. Aber bitte: mit Demut!

Kirche in zwanzig Jahren:

An vielen Orten finden am Sonntagmorgen nicht mehr parallel ein evangelischer und ein katholischer Gottesdienst statt, sondern man feiert selbstverständlich gemeinsam Gottesdienst.

  • Evangelische und katholische Kirchen sind näher aneinander gerückt. Die vor zwanzig Jahren besonders von katholischer Seite angemahnte Geduld hat sich gelohnt. Gegenüber der nicht-christlichen Öffentlichkeit treten wir wie eine Kirche auf.
    An vielen Orten finden am Sonntagmorgen nicht mehr parallel ein evangelischer und ein katholischer Gottesdienst statt, sondern man feiert selbstverständlich gemeinsam Gottesdienst.
  • Der Ökumenische Rat der Kirchen hat an Bedeutung gewonnen. Weltweit arbeiten christliche Kirchen und Konfessionen zusammen wie einzelne Musiker mit ihren Instrumenten in einem großen Orchester.
  • Die Religionen sind lokal und global miteinander in konstruktivem, wertschätzendem Gespräch und untereinander vernetzt.
  • Die Bewahrung der Schöpfung ist nach wie vor Kernthema auf allen Ebenen der Kirche. Die Kirche fördert den gesellschaftlichen Dialog und setzt ökologische Einsichten konsequent im eigenen Handeln um.
    z.B.: Jede Gemeinde gewinnt selbst Strom aus regenerativen Ressourcen. An jeder Kirche kann man sein Elektroauto aufladen. Vor Kirchen und Gemeindehäusern stehen mehr Fahrräder als Autos.
  • Kirche und Diakonie verfolgen in Wort und Tat das Ziel einer größeren Gerechtigkeit. Sie sind ‚Marktführerinnen‘ bei der Überwindung von Armut, bei der Herstellung von Verteilungs- und Chancengerechtigkeit und bei der Inklusion.
  • Christinnen und Christen und die Kirche wirken als erfolgreiche Friedensstifter in die Gesellschaft hinein. Sie sind Förderer einer konstruktiven Streitkultur und engagieren sich für gewaltfreie Konfliktlösungen. Christinnen und Christen wissen konstruktiv mit Aggression umzugehen. Die Kirche lehrt Vergebung und hat eine eigene Vergebungskompetenz.
  • Der Dienst der Nächstenliebe, die Teilhabe an der Macht und eine menschliche und wirksame Leitung sind selbstverständlich und fraglos an Männer und Frauen gleichermaßen verteilt.

Innerkichlich:

  • Das Profil der Gemeinden ist passgenau und differenziert mit der sie umgebenden Lebenswelt abgestimmt. Es gibt Landgemeinden, reiche Vorstadtgemeinden, Multikultigemeinden hinter dem Bahnhof, Gemeinden mit diakonischem Profil, Stadtklöster und vieles mehr.
  • Die Gemeinden der EKiR sind dafür bekannt, dass sie rund um ihre Kirchen besondere Kommunikationsorte sind: Es gibt eine Kultur des persönlichen gegebenenfalls seelsorglichen Gesprächs – face-to-face und live. Es gibt viele Kirchencafés, in denen Menschen sich treffen und miteinander reden. Ehrenamtliche und professionelle Seelsorgerinnen und Seelsorger wissen um menschliche Not, Ohnmacht und Gebrechlichkeit. Die Kirchen sind Tag und Nacht geöffnet und Seelsorgerinnen und Seelsorger bieten dort Beratungssprechstunden an. In der Kirche trifft man Menschen, die noch etwas wissen von Vertraulichkeit, Privatheit und Scham.
  • Kirche, Gemeinden und diakonische Einrichtungen haben die demographischen Entwicklungen der letzten 20 Jahre aufmerksam beobachtet und ihre Arbeit entsprechend daraufhin gestaltet: In ausreichender Zahl finden sich Plätze für gute Pflege und Betreuung in Senioreneinrichtungen, für menschliche medizinische Betreuung in Palliativstationen und würdevolle Sterbebegleitung in Hospizen. Alte Menschen erfahren würdevolle Lebensbedingungen und werden nicht – wie vor zwanzig Jahren befürchtet – nur noch als Kunden wahrgenommen.
  • Junge Menschen erfahren in kirchlichen Einrichtungen dankbar eine religiöse Sozialisation. Kindergottesdienst und Konfirmandenunterricht haben eine Renaissance erlebt und stehen in voller Blüte. Zusätzlich wurden neue Formen in der kirchlichen Bildungsarbeit entwickelt und erfolgreich umgesetzt. Die Generation U 50 verfügt über ein gutes Maß an Glaubenswissen und ist in Glaubensthemen sprachfähig.
  • Kirche und Diakonie sind beliebte Arbeitgeberinnen. Sie ermöglichen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zufriedenstellende, sinnstiftende Arbeit. Einkommen Versorgung und Sicherheit sind angemessen ausgestaltet. Der Pfarrberuf ist unter jungen Menschen hochgeschätzt und in den letzten zwanzig Jahren haben viele von ihnen Theologie studiert und arbeiten jetzt als Pfarrerin oder Pfarrer der rheinischen Kirche.
  • Verwaltung und Organisation funktionieren auf allen Ebenen reibungslos und dienen unaufgeregt den kirchlichen Arbeitsbereichen Verkündigung, Seelsorge, Bildung und Diakonie.

futur2 möglich machen

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