022019

Foto: Philipp Wuthrich/Unsplash

Statements

Tim Oliver Kurzbach

Mich packt der heilige Zorn!

Ein Priester aus dem Bistum Aachen soll sich an einem zwölfjährigen Messdiener vergangen haben, ein Priester aus dem Saarland gleich an mehreren Ministranten. Ein katholischer Geistlicher aus Trier soll „versucht haben, eine minderjährige Person zu missbrauchen“. Ein inzwischen pensionierter Pfarrer soll in Kevelaer Mädchen missbraucht haben.

Diese Meldungen stammen, während ich diese Zeilen schreibe, aus den vergangenen vier Wochen. „Wir sind erschüttert und sprachlos über die Verbrechen des sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen und andere Gewalttaten in unserer Kirche im Erzbistum Köln, bundes‐ und weltweit“, haben wir nach Erscheinen der MHG-Studie vor einem Jahr als Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Köln erklärt. Wir hatten in unserer Stellungnahme nicht nur gefordert, die Betroffenen und ihre Familien in ihrem Leid zu unterstützen, sondern auch, dass „die Täter auf jeder Ebene der Kirche durch die unabhängige, staatliche Justiz zu verurteilen und auch kirchenrechtlich einer Bestrafung zuzuführen“ seien – bis hin zur Exkommunikation.

Und was ist passiert? Mich packt der heilige Zorn! Nicht nur als Vorsitzender des Diözesanrates im Erzbistum Köln, sondern auch als Familienvater und engagierter Katholik, der sich seine geistliche Heimat und deren Glaubwürdigkeit nicht von Machtmenschen zerstören lassen möchte, die Schutzbefohlene sexuell oder auf andere Weise missbrauchen.

Deshalb setze ich mich weiter ein für eine aktive Auseinandersetzung mit Machtstrukturen in der Kirche und dem priesterlichen Rollenverständnis.

Deshalb setze ich mich weiter ein für eine aktive Auseinandersetzung mit Machtstrukturen in der Kirche und dem priesterlichen Rollenverständnis. Alle Strukturen und Verhaltensweisen, die solche Verbrechen ermöglichen und begünstigen, müssen überprüft und beseitigt beziehungsweise nachhaltig verändert werden. Denn es scheint offensichtlich, dass die Täter ihre Macht als Autoritätsperson mittels Belohnung oder massiver Drohung ausnutzen.

Schon die MHG‐Studie betonte spezifische Strukturmerkmale, die sexuellen Missbrauch begünstigen oder dessen Prävention erschweren. Hierzu gehören der Missbrauch von Macht, der problematische Umgang mit Sexualität und Homosexualität, das Zölibat und das Sakrament der Beichte. Deshalb fordere ich im Namen des Diözesanrates der Katholiken im Erzbistum Köln:

  • die Frauenordination. Denn die Berufung von Frauen und Männern kann nicht auf ihrem Geschlecht basieren, sondern muss aufgrund ihrer Charismen erfolgen.
  • die Abschaffung des am 01.03.1989 in Kraft getretenen Glaubens‐ und Treueeids, der eine verheerende Kultur des Schweigens in der katholischen Kirche befördert hat
  • einen Prozess der öffentlichen Versöhnung, der auch die Offenlegung der Namen der Täter beinhalten muss
  • ein öffentliches Schuldbekenntnis in einem Pontifikalamt im Kölner Dom gegenüber den Betroffenen und ihren Angehörigen. Denn ich weiß, dass die Übernahme persönlicher Verantwortung, ein Schuldeingeständnis und Reue schmerzlich vermisst werden.
  • die finanzielle Wiedergutmachung gegenüber den Betroffenen als konkretes Zeichen der Reue – und um eine Therapie zu unterstützen.

    Kirche muss sich von Grund auf erneuern, um wieder glaub- und vor allem vertrauenswürdig zu werden.

  • die vollständige Öffnung aller Akten und Meldung an die staatliche Gerichtsbarkeit als „Herrin“ des weiteren Verfahrens sowie die konsequente kirchenrechtliche Ahndung
  • ein paritätisch mit Haupt- und Ehrenamtlichen besetztes Consilium auf Ebene der Bistumsleitungen – auch in pastoralen Grundsatzfragen. Denn synodale Strukturen in der katholischen Kirche müssen gestärkt werden.
  • professionelle, extern durchgeführte Fortbildungen in der Priesterausbildung zu den Themen Sexualität, priesterliches Rollenverständnis und das eigene Verhältnis zur Macht sowie einen externen „Ombudsmann“ im Bistum, an die sich Priester bei Schwierigkeiten wenden können.
  • konsequente und flächendeckende Präventionsschulungen von haupt‐ und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Umgang mit Kindern und Jugendlichen

Auch wenn mit der Umsetzung dieser Forderungen nach den neuesten Fällen jetzt endlich begonnen werden sollte, fragen wir uns nach wie vor, warum und wie diese Taten im Milieu der Amtskirche und der Kirche insgesamt gedeihen konnten? Es ist eine Schande für uns als Kirche. Und: Strukturelle Reformen sind unumgänglich, damit ein System, dessen Macht-Strukturen diese Täter nicht nur hervorbringt, sondern auch in ihren Reihen duldet und schützt, endlich demontiert wird. Oder, um es mit bekannten Weisheit zu sagen: „Ecclesia semper reformanda“ – die Kirche muss sich von Grund auf erneuern, um wieder glaub- und vor allem vertrauenswürdig zu werden.

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