012013

Foto: Schub@: take a seat, read a book (CC BY-NC-SA 2.0)

Service & Dialog

Frank Reintgen

Buchrezension: Müller, Wunibald: Zerreißprobe

Müller, Wunibald: Zerreißprobe. Kirchlicher Dienst zwischen persönlicher Überzeugung und amtlichen Anspruch.

Es gibt nur wenige Menschen in Deutschland, die so um die vielfältigen Herausforderungen kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen wie der Theologe Wunibald Müller. Seit 1991 leitet er das Recollectio-Hauses in Münsterschwarzach, das inzwischen einer der führenden Orte in Deutschland ist, an dem Seelsorger psychotherapeutische Unterstützungs- und Therapieangebote finden können.

In seinem soeben erschienen Buch betrachtet und analysiert er die vielen „Zerreißproben“ denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst in der Spannung zwischen persönlicher Überzeugung und amtlichen Anspruch ausgesetzt sind – Ein Spannungsfeld das, so Müller, in den letzten Jahren eine Zuspitzung erfahren hat.

Angereichert mit vielen Beispielen der eigenen Beratungspraxis analysiert er aus seiner Sicht als Psychotherapeut die unterschiedlichsten Konfliktfelder mit denen sich Seelsorgerinnen und Seelsorger in ihrem Alltag konfrontiert sehen:

  • die Gesamtsituation der Kirche – die kirchlichen Strukturen, denen sie sich zum Teil hilflos ausgesetzt fühlen,
  • die vielfältigen Erwartungen, die von ihrem Arbeitgeber, aber auch von den Menschen, für die sie da sein wollen, an sie gerichtet werden,
  • eine Diskrepanz zwischen ihren persönlichen Überzeugungen, ihrem persönlichen Lebensstil und dem, was sie im Namen ihrer Kirche nach außen hin vertreten sollen.

Dabei beschreibt er die Situationen und hilft, Strategien zu entwickeln und Wege zu finden, um körperlich, seelisch und spirituell gesund zu bleiben.

Beim Lesen des Buches ist der psychotherapeutische Hintergrund des Autors deutlich erkennbar. Die Ausführungen Müllers zielen darauf, die Selbstkräfte der kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu stärken. Primär im Fokus Müllers ist somit primär die einzelne Mitarbeiterin bzw. der einzelne Mitarbeiter. Hier finden sich viele anregende und im positiven Sinn aufregende weil wachrüttelnde Gedanken und Impulse mit einer großen Praxisnähe und Lebensrelevanz.

Ein kritischer Blick auf die systembedingten Spannungsfelder wird nur zaghaft und eher beiläufig gewagt. Zwar wird deutlich, dass Müller sich durchaus kirchliche Strukturen anders vorstellen kann und manche Veränderung wünscht. Doch adressiert ist sein Buch weniger an die kirchlichen Verantwortungsträger sondern vor allem als Unterstützungsangebot für die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das lässt beim Lesen einen schalen Beigeschmack zurück.

Und dennoch, wer ein wenig mit der Situation der kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Deutschland vertraut ist, der weiß, wie dringlich und notwendig das Anliegen ist, das Müller mit diesem Buch verfolgt. Die Zahlen von psychischen und physischen Erkrankungen und nicht zuletzt auch Burn-out unter Seelsorger ist signifikant steigend.

Kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in dieser Situation für sich nach Unterstützung suchen, um den vielfältigen Herausforderungen ihres Berufes gut gewachsen zu sein, kann dieses Buch als anregende Lektüre sehr empfohlen werden.

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