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Foto: Schub@: take a seat, read a book (CC BY-NC-SA 2.0)

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Frank Reintgen

Buchrezension: Lätzel, Martin: Die Katholische Kirche im Ersten Weltkrieg

Lätzel, Martin. 2014. Die Katholische Kirche im Ersten Weltkrieg: Zwischen Nationalismus und Friedenswillen. Regensburg. Pustet.

In diesen Tagen jährt sich zum hundertsten Mal der Beginn des Ersten Weltkrieges. Dies hat der Theologe und Publizist Martin Lätzel zum Anlass genommen, die Rolle, die die Katholische Kirche in dieser Zeit gespielt hat, zu reflektieren.

Der Untertitel „Zwischen Nationalismus und Friedenswillen“ zeigt die besondere Herausforderung an, die für die Katholische Kirche in Deutschland bestand. Nach langen Jahren des Kulturkampfes, in denen die Hohenzollern Herrscher immer wieder die Loyalität der Katholiken gegenüber dem Kaiserreich anzweifelten und das kirchliche Leben stark behinderten, bot der beginnende Erste Weltkrieg den Katholiken in Deutschland die Möglichkeit sich als treue Staatsbürger zu beweisen.

Immer wieder hatte Bismarck durch Gesetze und Vorschriften versucht, den Einfluss der katholischen Kirche zu begrenzen. Der sich an Rom orientierende Ultramontanismus, der in weiten Kreisen der katholischen Kirche verbereitet war und der sich oft mit einer anti-modernistischen Haltung verband, wirkte auf Bismarck bedrohlich.

Obwohl als Kirche dem Friedenswillen der Völker verpflichtet rechtfertigten führende katholische Amtsträger in Deutschland die aufkeimenden kriegerischen Auseinandersetzungen als einen für Deutschland gerechten, teilweise gar heiligen Krieg. Katholische Kirche im Krieg war nationale Kirche. Sie wurde in Deutschland zu einem wichtigen Befürworter des Krieges. Auch wenn sich die Kirche stark in humanitären Hilfsmaßnahmen für Verwundete und Kriegsgefangene engagierte, das besondere Potential, das in der transnationalen Struktur der Kirche liegt, wurde letztendlich nicht ausreichend zur Deeskalation und zu Friedensbemühungen genutzt.

Mit dem Kampf um das Reich wurde auch ein Kampf um die überlieferte Ordnung geführt. Der Erste Weltkrieg wurde so zum Anstoß sowohl politischer als auch kirchlicher Reformbewegungen. In der Politik stärkte er die anti-monarchischen, demokratischen Kräfte, die zur Gründung der Weimarer Republik führte und in der Kirche führte dies zum Erstarken der Laien und Reformbewegungen wie z.B. Quickborn oder die Liturgische Bewegung.

Martin Lätzel kommt das Verdienst zu, erstmals eine solche zusammenfassende Darstellung der Verhaltens der Katholischen Kirche im Ersten Weltkrieg zu veröffentlichen. Dabei ging es ihm nicht um die Veröffentlichung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Anliegen war es vielmehr den Spannungsbogen nach zu zeichnen, den die kirchliche und gesellschaftliche Entwicklung ausgehend vom Kulturkampf bis hinein in die Weimarer Zeit genommen hat. Ihm gelingt es damit verständlich zu machen, wieso die Vertreter der deutschen katholischen Kirche im Ersten Weltkrieg die Politik des Kaiserreiches so sehr unterstützten. Damit wirft das Buch aber auch Fragen auf, die für uns heute eine hohe Relevanz besitzen: Wie sehr darf sich Kirche als staatstragende Gruppierung positionieren? Wann und wo muss sie, in der Treue zu ihrem Auftrag, in Widerspruch und Opposition zu den Regierenden gehen. Dies ist ist eine Frage, die immer wieder neu auszuloten ist. Im Ersten Weltkrieg, dieser Eindruck bleibt am Ende des Buches, hat die Kirche im Wunsch nach Anerkennung eine zu große Loyalität mit dem herrschenden System gezeigt.

 

 

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