012013

Foto: Schub@: take a seat, read a book (CC BY-NC-SA 2.0)

Service & Dialog

Frank Reintgen

Buchrezension: Kruse, Barbara: Strategic Discourse

Kruse, Barbara: Strategic Discourse. Cognitive Strategy Concepts.

Strategische Veränderung: Wer spielt mit?

Strategische Veränderungen werden nicht in einer Planungsabteilung verwirklicht, sondern in und mit der gesamten Organisation, teilweise auf informellem Weg. Diese Ressource wird allerdings selten gezielt genutzt, sondern Veränderung entsteht oft ungeplant: Das nimmt Barbara Kruse in ihrer soeben erschienenen Dissertation „Strategic Discourse. Actors – Issues – Arenas“ an. In einem Krankenhaus zum Beispiel, singt ein Intensivmediziner einer Patientin im kritischen Zustand ein Schlaflied. Die Patientin erholt sich – aus welchem Grund auch immer – , und der Vorfall führt zu einer Veränderung des Pflegeplans; in der Folge ändert sich das Selbstverständnis der ganzen Organisation hin zu mehr Humanität (Brandeins 08/2011, S. 79). In ihrer Dissertation untersucht Barbara Kruse Ansatzpunkte, um solche Strategiebeiträge der Mitarbeiter zu fördern und zu kanalisiseren.

Die Autorin nutzt die Metapher der strategischen Arena als Ort, an dem Akteure und Themen (Issues) zusammenkommen. Die Arena dient als Rahmen, der durch die Akteure und deren Handlungen selbst verändert wird. Es gibt verschiedene Erscheinungsformen der Arena in Organisationen, z.B. Besprechungen oder informelle Flurgespräche; die Verbindung ist der Diskurs über das gemeinsame, strategisch relevante Issue. Zur Beschreibung der Arena zieht Barbara Kruse unter anderem die Strukturationstheorie von Giddens heran, in der die Veränderungsmöglichkeiten der Akteure mittels Kommunikation, Macht und Sanktionen herausgestellt werden. Die Ergebnisse aus fünf Fallstudien der Unternehmenspraxis werden an die Theorie zurückgebunden und Managementempfehlungen abgeleitet.

Die zentralen Ergebnisse: Wie erwartet, fördert die Möglichkeit zur Begegnung der Akteure und eine „herrschaftsfreie“ Arena mit universalem Zugang die Strategie-Entwicklung. Gegebenenfalls kann ein externer Moderator diese Atmosphäre innerhalb der Arena sicherstellen. Auch das Thema selbst bietet Ansatzpunkte, um Menschen zu mobilisieren: Wenn es eine gemeinsame Sprachbasis gibt und die Mitarbeiter wissen, welche „Etiketten“ ein Thema attraktiv machen oder in welchen Zusammenhang es gestellt werden muss, damit es Aufmerksamkeit erhält, wird das Engagement der Mitarbeiter gefördert. Mit einem Themenspeicher können auch derzeit unattraktive Themen später wieder aufgegriffen werden.

Hauptfaktor sind allerdings die Mitarbeiter und ihre Denkmuster: Förderlich ist es, wenn sie die Kompetenzen und Kommunikationsvorlieben ihrer Kollegen kennen und sie über Abteilungsgrenzen hinweg vernetzt sind. Dies wird aber nur wirksam, wenn der Mitarbeiter die Vorstellung hat, sich einbringen zu dürfen und entsprechende Signale, zum Beispiel des Vorgesetzten, auch so interpretiert werden. In einem Unternehmen war diese Berechtigung zum Engagement eng gekoppelt an die Stellenbeschreibung und in einem anderen an Budgetverantwortung. Eine lange Betriebszugehörigkeit erhöht zwar die Chance, die Kollegen zu kennen, aber manchmal behindern schlechte Erfahrungen mit ihnen das Engagement. „Wenn DER dabei ist, halte ich mich lieber zurück.“ Hier gilt es, mit Geduld neuen positiven Erfahrungen Raum zu geben, um die Nutzung der strategischen Arena zu fördern.

Inwiefern lassen sich die Ergebnisse aus den Unternehmen auf kirchliche und soziale Organisationen übertragen? Was kann man tun, wenn gerade die Grundlage, die Begegnung, in Zeiten der Großgemeinden unmöglich, ein „herrschaftsfreies“ Gespräch angesichts von Berichten aus manchem Bistum gar utopisch scheinen? Die Dissertation von Barbara Kruse hebt hervor, dass jeder Einzelne etwas verändern kann; Kommunikation, Macht und Sanktion lassen sich übersetzen in „gemäßigten Ungehorsam im Rahmen der eigenen Möglichkeiten“. Wenn sich die „bewegten“ Mitarbeiter dann auch noch vernetzen, wird sich der strukturelle Rahmen letztendlich auch ändern. Denn: Wenn viele Menschen an vielen Orten viele kleine Dinge tun und sich vernetzen, können wir die Welt verändern – oder zumindest mehr Arbeitszufriedenheit erlangen.

futur2 möglich machen

Hinter der futur2 steht ein Verein, in dem alle ehrenamtlich arbeiten.

Für nur 20 € pro Jahr machen Sie als Mitglied nicht nur die futur2 möglich, sondern werden auch Teil eines Netzwerks von Leuten, die an der Entwicklung von Kirche und Gesellschaft arbeiten.

» MEHR ERFAHREN