022011

Foto: Schub@: take a seat, read a book (CC BY-NC-SA 2.0)

Service & Dialog

Frank Reintgen

Buchrezension: Elhaus, Philipp ; Hennecke, Christian (Hg.): Gottes Sehnsucht in der Stadt

Elhaus, Philipp ; Hennecke, Christian (Hg.): Gottes Sehnsucht in der Stadt. Auf der Suche nach Gemeinden für Morgen.

Wie wird sie aussehen, die Gemeinde von Morgen? Inspirierende Denkanstöße zu dieser Fragestellung liefert das Buch „Gottes Sehnsucht in der Stadt“, das Christian Hennecke, Leiter des Fachbereichs Missionarische Seelsorge im Bistum Hildesheim, gemeinsam mit Philipp Elhaus, Leitender Referent der Missionarischen Dienste der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, herausgegeben hat.

Dass die volkskirchliche Sozialgestalt der Pfarrgemeinde an ihre Grenzen gekommen ist, wird inzwischen von niemandem mehr ernsthaft in Frage gestellt. Aber, wohin geht die Reise? Wie entwickelt sich Gemeinde? Welche Sozialgestalt wird die Kirche von morgen haben? Diese Fragen sind zurzeit noch offen. Doch an vielen Orten werden innovative Projekte gestartet, es wird experimentiert und erste Spuren neuer Formen gemeindlichen Lebens werden sichtbar. Dabei sind gerade die (Groß-)Städte ein Laboratorium, in denen die unterschiedlichsten Versuche und Experimente stattfinden, um die Anschlussfähigkeit von Kirche an die Gesellschaft neu zu gewinnen.

Das Bistum Hildesheim und die evangelische Landeskirche Hannover in den letzten Jahren gemeinsam neue Formen gemeindlicher Aufbrüche in den Blick genommen. Vor allem im Austausch mit der anglikanischen Kirche in England, die in London vielfältige, ebenso ungewöhnliche wie innovative Projekte auf den Weg gebracht hat, wurde der Blick für ein Phänomen geöffnet, dass erstaunt: Trotz Kirchenaustritten, Pfarrermangel, abnehmenden finanziellen Ressourcen, fehlender Anschlussfähigkeit der Kirche usw., gibt es Gemeinden, die wachsen – und das gegen den Trend. Dort, wo Menschen neu zum Glauben kommen, entstehen neue Formen. Das Potential dieser gemeindlichen Aufbrüche sichtbar zu machen und zu reflektieren, ist eines Kernanliegen der Autorinnen und Autoren der einzelnen Beiträge.

Das Buch ist ein im besten Sinne ökumenisches Buch – nicht nur, weil sich darin Beiträge von katholischen und evangelischen Autorinnen und Autoren wiederfinden, sondern auch, weil die jeweiligen Autorinnen und Autoren immer auch die Perspektive der jeweils anderen Konfession mitdenken und einbeziehen. Dabei wird deutlich, dass die gesellschaftlichen Umbrüche die Kirchen alle Konfessionen auf je eigene Weise herausfordern. Der ökumenische Blick weitet das Thema. Auch der über-konfessionelle Ansatz des Buches ist hilfreich und stimmig.

Die einzelnen Beiträge des Buches nähren sich dem Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln.

Unter dem Stichwort „Gottes Sehnsucht in der Stadt“ zeichnen z.B. die beiden Herausgeber den Weg nach, wie sich die „Suche nach der Gemeinde von morgen“ zu einem ökumenischen Suchen entwickelt hat. Einen wichtigen Eckpunkt stellen dabei die zahlreichen Besuche kirchlicher Projekte in London dar, auf die im weiteren Verlauf des Buches immer wieder Bezug genommen wird.

Michael Herbst ermutigt, ausgehend von den Erfahrungen der Anglikanischen Kirche, zu gemeinsamem Lernen durch innovative Projekte. Gemeindeentwicklung, so Herbst, werde nicht allein durch äußere Umstände, sondern auch durch strategische Entscheidungen der Gemeinden selbst beeinflusst. „Gesunde Gemeinden hätten das Potential gegen den Trend zu wachsen. Die Frage nach der Qualität strategischer Entscheidungen sei also zu stellen.

Besonders herausragend auch der Beitrag von Matthias Sellmann, der Selbstbilder der Citypastoral aus pastoraltheologischer Perspektive kritisch und scharfsinnig hinterfragt. Die Herausforderungen und Zumutungen vor denen eine Kirche steht, die ihre Anschlussfähigkeit zurückgewinnen will, treten so sehr deutlich zu Tage.

Auch der Beitrag von Christina Brudereck sticht besonders hervor. Rückgebunden an bibeltheologische Impulse zur spannungsvollen Beziehung von städtischem Umfeld einerseits und jüdisch-christlichem Glauben andererseits, ermutigt sie Freiräume zu schaffen, die es Haupt- und Ehrenamtlichen ermöglichen wieder verstärkt das zu tun, was sie können (und nicht das, was erwartet wird). Denn, so ihre These, es gäbe zu viele volkskirchliche Strukturen, Formate und Erwartungen, denen die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter nicht mehr gerecht werden könnten. Auch das sei ein Grund dafür, dass vieles, was in Gemeinden geschehe, wenig überzeugend und ansteckend wirke.

Aus allen Beiträgen spricht die Zuversicht, dass „Gottes Sehnsucht zu uns Menschen auch in Zukunft Menschen so anrühren wird, dass sie – vernetzt mit anderen Menschen – Gemeinde gestalten werden – wenn auch anders, als es zu Zeiten der Volkskirche der Fall war.

So macht dieses Buch Mut zum Experimentieren. Die Autoren laden ein, als Weggemeinschaft aufzubrechen in eine neue, unbekannte kirchliche Zukunft.

Es bleibt festzustellen: Inzwischen gibt es zahlreiche Projekte und erste Erfahrungen von sich neu organisierender Kirche. Es wäre an der Zeit diese Versuche in ein fruchtbares Miteinander zu bringen. Höchste Zeit diese Erfahrungen systematisch auszuwerten und im produktiven Vergleich der unterschiedlichen Ansätze, Strategien für gelingende kirchliche Entwicklung abzuleiten.

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