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Statements

Judith Weber

Führungskräfte und Ressourcen kirchlicher Entwicklung

Angefragt, die Führungskraftstudie aus Sicht einer weiblichen, jungen, theologischen Führungskraft in Kirche zu kommentieren, weise ich aus meiner eigenen Tätigkeit auf “Führungskräfte” und Ressourcen hin.

Führungskraft #1: Haltungen und Kompetenzzuschreibungen verändern sich nur langsam

Beispiele zeigen, dass sich auch in Kirche Ansichten und Entscheidungen verändern.

Die eigenen Haltungen und Kompetenzen zu hinterfragen, bedeutet in der katholischen Kirche letztendlich auch, das Selbstverständnis von Kirche und damit verbunden die Ämterstruktur und das Weiheverständnis zu hinterfragen. In diesem Kontext ist die Frage nach der Rolle von Frauen bedeutsam. In der Gesellschaft hat sich hier viel getan. Auch wenn etwa über die Quotenregelung und deren Reichweite noch diskutiert wird, so hat sich zumindest ein Bewusstsein dafür entwickelt, dass man auf das Potenzial und die Kompetenzen von Frauen in Führungspositionen nicht verzichten kann und will.

Auch die Kirche weiß darum. Dennoch ist Frauen der Zugang zum Weiheamt (Diakonen-, Priester- und Bischofsweihe) weiterhin verwehrt. Auf der anderen Seite wäre es vor fünfzehn Jahren noch undenkbar gewesen, Leitungsstellen in Ordinariaten, Generalvikariaten oder Seelsorgeämtern mit Frauen zu besetzen. Diese Beispiele zeigen, dass sich auch in Kirche Ansichten und Entscheidungen verändern.

Führungskraft #2: Das Zielfoto ist unscharf

Veränderungen rufen bei Menschen unterschiedliche Reaktionen hervor. Manche freuen sich darüber, andere sind verunsichert, einige wissen noch nicht, was sie von ihnen halten sollen, wieder andere sträuben sich gegen sie. Als Führungskraft zentrale Entscheidungspunkte zu benennen, um Veränderungsprozesse in Richtung des angedachten Ziels zu initiieren, bringt die Erwartung mit sich, das Ziel klar zu kommunizieren, deutlich ins Bild zu setzen. Doch wie sieht das kirchliche Zielfoto aus? Reicht ein Zielfoto aus oder braucht es aufgrund der unterschiedlichen Lebenssituationen von Menschen in unserer Gesellschaft nicht verschiedene Zielfotos? Hier wird auch die Sprache zum Problem, da die oftmals verwendeten Containerbegriffe Eindeutigkeit vermissen lassen. Aber gibt es diese Eindeutigkeit?

Wie sieht das kirchliche Zielfoto aus?

Das Zielfoto bleibt so verschwommen – in der Vorstellung des einen ist es vielleicht etwas klarer, eine andere hat das Gefühl, in einen Nebel zu laufen. Veränderungen fallen meistens dort schwer, wo das Zielfoto nicht klar erscheint. Allerdings wird es diese Klarheit nicht geben, da die gesellschaftlichen Entwicklungen so zügig vonstatten gehen. Den Mut, auch im Nebel loszugehen und nicht zu wissen, welches Ziel wann, wo und wie erreicht wird, setzt die Bereitschaft voraus, unterwegs die Richtung zu ändern, für Überraschungen offen zu sein und sich über Unerwartetes zu freuen. Diese Agilität fehlt an vielen Stellen in der Kirche. Ausgehend von der frohen Botschaft müsste dieses Handeln für Christinnen und Christen eigentlich ein Leichtes sein.

Ressource #1: Bei Herausforderungen herausgehen

Veränderungen im System herbeizuführen stellt Führungskräfte vor verschiedene Herausforderungen.

Den Mut, auch im Nebel loszugehen setzt die Bereitschaft voraus, unterwegs die Richtung zu ändern, für Überraschungen offen zu sein und sich über Unerwartetes zu freuen.

Als Beispiel sei hier der Strategieentwicklungsprozess des Erzbischöflichen Seelsorgeamtes Freiburg (ESA) und der Abteilung Erwachsenenpastoral angeführt. Das entwickelte Leitbild des ESA und das darauf abgestimmte Leitbild der Abteilung, das unter Beteiligung der Mitarbeitenden erarbeitet wurde, beinhaltet zum Beispiel eine Entwicklung von der bisherigen zielgruppenorientierten Pastoral (Männer, Frauen, Familien, Behinderte und Senioren) hin zu einer themenorientierten Pastoral (Geschlechtersensibilität, Lebensformen/Diversität, Inklusion, Generationen). Zum einen bedarf es hier der Absprache und der Genehmigung durch das Rektorat, das diese Entwicklung voll unterstützt. Das Umdenken in der Abteilung führte allerdings zu überraschend vielen kontroversen Diskussionen: angefangen bei der Frage, ob sich die bisher erreichten Menschen auch weiterhin angesprochen fühlen würden, über die Frage, ob die strategischen Ziele mit Messgrößen überhaupt messbar seien, bis dahin, wie die neu zu findenden Referatsnamen lauten sollen.

Ressource #2: Veränderung beginnt bei mir

Als Referats- und Abteilungsleiterin selbst Lernende zu sein und zu bleiben bedeutet, im alltäglichen Handeln neugierig zu sein auf das Unbekannte, das Fremde, bedeutet, die eigene Komfortzone zu verlassen. Das ist anstrengend und bereichernd zugleich. Es beinhaltet eine ständige Erweiterung der eigenen Kompetenzen.

Es gilt, neue Lern- und Bildungswege kennenzulernen und für den kirchlichen Kontext zu adaptieren.

Als Beispiel sei hier die Digitalisierung der Arbeitswelt angeführt. Als „digital immigrant“ ist es anstrengend, bei der sich so rasant entwickelnden Technik auf dem Laufenden zu bleiben. Doch das Nutzungsverhalten von Anwenderinnen und Anwendern, von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren verändert sich auch in der Pastoral stetig. Die frühere Unterscheidung von digitaler und realer Welt löst sich zunehmend auf, beide verschmelzen in der Wahrnehmung der heutigen Menschen zu einer Wirklichkeit. Dem muss kirchliches Handeln Rechnung tragen und die eigenen Inhalte entsprechend anpassen.

Es gilt, neue Lern- und Bildungswege kennenzulernen und für den kirchlichen Kontext zu adaptieren. Das bedeutet, Wissen und Material im religiösen Kontext digital aufzubereiten und zur direkten Nutzung zur Verfügung zu stellen. Der Elternkurs kess-erziehen zum Beispiel, der von der Arbeitsgemeinschaft katholischer Familienbildung (AKF) entwickelt wurde, soll in einem angedachten Projekt als Webbased Training weiterentwickelt werden. Ein Ziel könnte sein, den Kurs auch denjenigen Eltern zur Verfügung zu stellen, die eher kirchenfern sind beziehungsweise die nicht über fünf Abende à zwei Stunde zu erreichen sind. Für dieses mögliche Projekt ist es unabdingbar, mit externen Dienstleistern zusammenzuarbeiten, die graphische, technische und mediendidaktische Kompetenzen mitbringen. Bereits die ersten Überlegungen zum denkbaren Projekt bringen verschiedene Herausforderungen mit sich: die Berücksichtigung der Entscheidungswege, das Eintauchen in eine andere didaktische Lernwelt, die Zusammenarbeit mit wirtschaftlichen Unternehmen, die Entwicklung eines straffen Projektplans, das Überzeugen von Mitarbeitenden in Kirche, diese neuen Wege zu gehen. Während in anderen Branchen diese Lernwege bereits erschlossen sind, braucht es in Kirche noch Überzeugungskraft.

Es braucht Freiheit im Geist, Frieden im Herzen und Lebensfreude in der Seele, um den Sprung zu wagen und einen Systemwechsel in Gang zu setzen.

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