22018

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Konzept

Hubertus Schönemann

Zerstreute Kirche. Diaspora als theologische und pastorale Herausforderung und als Lösungsansatz einer Kulturveränderung

Wo ist denn eigentlich Diaspora? Und wo eigentlich nicht?

Als ich 2010 in den Osten Deutschlands kam, wurde mir versichert: „Wir hier im Osten sind Diaspora!“ Im Bistum Erfurt unterscheidet „man“ das Eichsfeld (ein Gebiet, in dem trotz DDR-Vergangenheit die Bevölkerung mehrheitlich der katholischen Kirche angehört: 70,1 % nach dem Zensus 2011) von der „Diaspora“, wobei man den Rest des Bistums meint (Erfurt 6,9 % Katholiken; Landkreis Sonneberg 2,5 %; Landkreis Weimarer Land 2,8 %). Aus Süddeutschland stammend, aber lange im Bistum Hildesheim tätig gewesen, versicherte ich meinen Gesprächspartnern, die Diaspora sei kein alleiniges Kennzeichen des Ostens, auch im Norddeutschen seien Katholiken in der Minderheit (Landkreis Rothenburg/Wümme 5,7 %). Meine ostdeutschen Gesprächspartner: „Ja, aber wir stehen in der doppelten Diaspora: evangelisch und katholisch gemeinsam als Minderheit gegenüber einer religionslosen oder zumindest konfessionslosen Mehrheit der Bevölkerung.“ In manchen bayerischen Bistümern versichern mir die einen: „Bei uns ist die Welt noch in Ordnung!“, was mich immer zu der Frage herausfordert, wie sie das denn meinen. Andere dort sagen mir, dass zwar die kirchlichen Mitgliedschaftszahlen (zumindest in ländlichen Regionen) noch relativ hoch seien, jedoch viele nicht (mehr) am Leben der Kirche partizipierten. Wie eine innere Beteiligung am Glauben aussehe, könne man sowieso nicht sehen. Es muss also offensichtlich einerseits unterschieden werden zwischen den Zahlen äußerer Zugehörigkeit und der inneren Beteiligung. Das II. Vatikanum spricht davon, dass man der Kirche dem Leib nach (lat. corpore) und auch dem Herzen nach (lat. corde) angehören kann (LG 14). Im Idealfall kommt beides zusammen. Die Zahlen der Zugehörigkeit werden oft mit der Absicht präsentiert, eine starke Differenz zwischen einer postulierten Normativität („Eigentlich sollten alle oder zumindest sehr viele dazugehören!“) und der auf solche Weise wahrgenommenen „Realität“ aufzuzeigen. Hier bewegen wir uns im Bereich der (oft unausgesprochenen) Zuschreibungen und Postulate, was man sich wünscht oder wie es „eigentlich sein sollte“. Was ist religiös und kirchlich normal, was ist selbstverständlich? Wer sind „wir“, wer sind „die Anderen“ und inwiefern unterscheiden wir uns von ihnen?

Kirche darf nicht „Sekte“ werden, eine Gruppe der im Leben zu kurz Gekommenen, die nicht den Mut haben, eine werdende Welt mitzugestalten, und aus ihrer Not eine Tugend machen.

Es ist unbestreitbar, dass angesichts der gesellschaftlichen Modernisierungsprozesse eine traditionelle Gestalt von Glaube und Kirche zerfällt oder „verdunstet“. Am Verständnis des Diaspora-Begriffs entscheidet sich, ob man das als Verfall oder als Transformation begreift. Im ersten Fall steht oft unreflektiert das klassische Säkularisierungsparadigma im Hintergrund, im letzteren entsteht ein neuer Blick auf eine erhoffte und ansatzweise erlebte neue Gestalt von Glaube und Kirche, die als Minderheit „in der Fremde“ lebt, noch dazu aller Privilegien und Machtmittel „beraubt“ ist, aber gerade aus dieser Situation neue Vitalität und Attraktivität für die Botschaft des Evangeliums generiert. Valentin Dessoy, Psychologe und Organisationsentwickler, schreibt als Theologe, der er auch ist: „Das Beste daran: Kirche kommt auf dem Weg des Verlustes von Macht und Einfluss, Geld und Vermögen, Glanz und Glorie zu sich selbst, zu ihrem Kernauftrag zurück, die Botschaft der Liebe Gottes in Jesus Christus in Welt und Geschichte zu bezeugen. Eine ‚schwache‘ Kirche (Gianni Vattimo), eine ‚verbeulte‘ Kirche (Papst Franziskus), eine ‚ekklesía ohne Privilegien‘ (Ulrich Engel) verkörpert die Frohe Botschaft glaubwürdiger als eine mächtige, reiche und glorreiche Kirche.“

Zur Geschichte des Diasporabegriffs

Auf diesem Hintergrund mag es lohnend sein, „Diaspora“ als heuristischen Begriff zu schärfen. Biblisch erscheint die Diaspora (hebr. galȗt) des Volkes Israel als Aufenthalt außerhalb Palästinas, also als Trennung zwischen Volk und Land, im Babylonischen Exil als Bestrafung für Ungehorsam bzw. Abfall zu anderen Göttern, andererseits die Diaspora des nachbiblischen Judentums als Zerstreuung nach dem Jüdischen Krieg. Schon in der Septuaginta deutet sich in der Übersetzung des hebräischen galȗt mit dem griechischen diasporá (Zerstreuung) ein Bedeutungswechsel an, der eine heilsgeschichtliche Nuance mitschwingen lässt (diasperein – ausstreuen, zerstreuen, getrennt leben). Im Neuen Testament begegnet der Begriff einerseits bei der Verfolgung und Zerstreuung der frühen Christengemeinschaft nach der Steinigung des Stephanus (Apg 11,19), die aber erzählerisch in den Gesamtduktus des sich durch den Geist Gottes ausbreitenden Evangeliums „eingebaut“ wird und damit ebenfalls eine heilsgeschichtlich-missionarische Wendung erhält. In 1 Petr 1,1 wird die Situation der Christen, die in einer mehrheitlich nicht-christlichen Bevölkerung „in der Fremde wohnen“, ebenfalls als theologischer Topos verwendet.

Modernisierung wird als Verfallsgeschichte, als Entkirchlichung oder Entchristlichung (decline) gedeutet.

Mit Reformation und Gegenreformation wird der Diasporabegriff konfessionell gefüllt und bezeichnet die Gebiete, in denen die Katholiken in der Minderheit gegenüber Protestanten leben. Die religiöse Vielfalt angesichts von zwei konkurrierenden Sinnsystemen wurde zumindest in Deutschland nach dem Augsburger Religionsfrieden über die Abgrenzung fürstlicher Territorien erreicht (cuius regio, eius religio), die bis zur Absetzung der Fürsten 1918 und der Auflösung der alten Länder nach 1945 in sich relativ homogen blieben. Im Nachkriegsdeutschland, erst recht seit dem Beginn der so genannten Postmoderne findet jedoch eine unaufhaltsame Beschleunigung der Pluralisierung und Ausdifferenzierung des religiösen Feldes statt: Heute haben wir es mit verschiedenen Spielarten des Islam, Internationalisierung der christlichen Traditionen, alternativen weltanschaulichen Szenen, auch mit dem weiten Feld des Nicht-Glaubens zu tun: Atheisten, Agnostiker, „Humanisten“, religiös Indifferente, die sich unter dem Begriff der Konfessionslosigkeit nur aus dem Blickwinkel des „christlich-kirchlich verfassten“ Betrachters so zusammenfassen lassen.

Zum Begriff der Diaspora

Der beschreibende soziologische Diasporabegriff, der über die zahlenmäßige Erfassung von Mitgliedern einer Konfessionskirche in einer Gesellschaft eine Aussage macht, integriert Ein- und Austritte sowie demografische Faktoren und erscheint im Längsschnitt oft mit einem unreflektierten Säkularisierungsparadigma verknüpft. Das Problem seiner Verwendung ist, dass er eine Verbindung zwischen Mitgliederzahlen und der Vitalität einer Kirche herstellt, also oft nicht neutral ist. Modernisierung wird als Verfallsgeschichte, als Entkirchlichung oder Entchristlichung (decline) gedeutet.

Seit einigen Jahren ist das Aufkommen eines kulturwissenschaftlichen Diasporabegriffs zu beobachten, der die aus Migrationsbewegungen resultierenden Minoritätserfahrungen beschreibt und das damit verbundene kulturelle Selbstverständnis in den Blick nimmt. Es könnte sich lohnen, die Erkenntnisse der Kulturwissenschaften noch weiter als bisher für die kirchliche Sicht von „Diaspora“ einzubeziehen. Uns interessiert hier jedoch v. a. ein theologischer Begriff von Diaspora, der gleichermaßen mit einer bestimmten Selbstdeutung (als Christ und als Glaubensgemeinschaft), einem bestimmten Geschichtsbild und einem bestimmten Weltverhältnis verbunden ist. Neben den protestantischen Theologen Wilhelm Dantine und Ernst Lange hat sich insbesondere Karl Rahner bereits seit Ende der 40er Jahre mit dem Diasporabegriff auseinandergesetzt.

Diaspora bei Karl Rahner

Rahners Beitrag „Über die Gegenwart Christi in der Diasporagemeinde nach der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils“1 erschien 1967. Angesichts einer seinerzeit weithin vorherrschenden Sicht auf die katholische Kirche, die diese zuerst und ausschließlich als „mächtige“ päpstlich-episkopale Weltkirche mit ihrem Haupt und Zentrum in Rom wahrnimmt, sieht Rahner die Gegenwart des Herrn in der Kirche des Alltags als Gemeinschaft vor Ort, „in der Situation also, wo wirklich der Tod des Herrn gefeiert wird, wo das Brot des Wortes Gottes gebrochen wird, wo man konkret betet, liebt und das Kreuz des Alltags trägt, wo die Kirche in ihrer Realität wirklich eindeutig und greifbar mehr ist als eine abstrakte Ideologie, eine dogmatische These oder eine gesellschaftliche Großorganisation.“ (410). In der Diasporagemeinde als „Aktualpräsenz der Kirche“ (415) ist nach Rahner der Auferstandene als Heil der Welt für die Gemeinde selbst, aber auch für die Welt gegenwärtig. Durch die Tatsache, dass die Kirche eine Realität in der Geschichte ist, die für alle eine ist, wird die Geschichte so zum Daseinsraum für die Heilsgeschichte jedes einzelnen. Darin liegt die sakramentale Dimension der Kirche, die in jeder Diasporagemeinde aufscheint. Die Kleinheit und Armseligkeit der Gemeinde ist nach 1 Kor 1,26–31 gerade das Merkmal der Erwählung durch Gott, nicht das, was „leider“ noch nicht gegeben ist, damit die Kirche in Glanz und Macht erscheint.

Die Geschichte wird so zum Daseinsraum für die Heilsgeschichte jedes einzelnen.

Die Diasporasituation ist also nicht außergewöhnlich, weder vom Wesen her (denn Kirche ist nicht das offenbar gewordene Reich Gottes selbst, sondern Zeichen und Verheißung. Kirche kann also gar nicht erwarten, dass in der Zeit Welt und Kirche sich decken), noch von der Zukunft her (als Zeichen für Christus, dem widersprochen wird). Rahner warnt jedoch vor der Glorifizierung einer gettohaften Existenz im Windschatten der Geschichte, Kirche darf nicht „Sekte“ werden, eine Gruppe der im Leben zu kurz Gekommenen, die nicht den Mut haben, eine werdende Welt mitzugestalten, und aus ihrer Not eine Tugend machen. Fast prophetisch muten seine Sätze an: „Es wird noch lange dauern, bis der katholische Durchschnittschrist das wird verstanden haben; bis er begriffen haben wird, daß der erste und letzte Orientierungspunkt und Ansatz seines Kirchenglaubens und seiner Kirchenliebe sich nicht dort findet, wo die Kirche die mächtige Großorganisation ist, sondern dort, wo der Altar des Wortes, des Sakramentes und der Bruderliebe steht. Zur Weckung einer solchen Kirchenerfahrung wird noch unermeßlich viel zu tun sein.“ (422).

Rahner hatte sich bereits in einem früheren Beitrag2 gegen Ideologisierung und Exklusivismus des Christlichen gewandt, die mit der Säkularisierungsthese einhergeht. Er stellt klar, „daß eine frühere Zeit, die sich christlich nannte, nicht nur faktisch oft sehr wenig christlich war, sondern auch im günstigsten Fall höchstens eine, aber nicht die Ausformung des christlichen Geistes war“ (18). Mit der Freiheit erweitert sich in der Moderne der Raum dessen, was menschlich und damit auch christlich möglich wird. Christen haben nicht einfach ein fertiges, konkretes Programm, sondern müssen sich zur Armut bekennen; das ist „die Ehrlichkeit des ‚ärmer‘ werdenden Christentums“ (21). Rahner sieht „Diaspora“ daher als heilsgeschichtliches Muss. Sie ist nicht nur zähneknirschend zu ertragen oder zu bekämpfen, sondern hat eine Heilsbedeutung, insofern dem Christentum zwar die Verheißung des Bestands bis zum Ende der Zeiten mitgegeben ist, aber auch die Zeichen von Widerspruch und Verfolgung. Der „Sieg“ des Christentums geschieht nicht geschichtlich immanent durch Entwicklung und Ausbreitung mit menschlicher Macht und Aktivität, sondern ist eschatologisch verheißen als Sieg des Schöpfer- und Vollendergottes. So erweist sich am Diasporaverständnis eine bestimmte Geschichtstheologie (diachron), die synchron das Verhältnis Kirche-Welt (als nicht deckungsgleich, in Zuordnung und Abgrenzung, mit Affirmation und Kritik) charakterisiert.

Dies bedeutet den Abschied von einem selbstreferentiellen System der Betreuung von Laien durch Priester und die Entwicklung einer gereiften und geerdeten, individuell angenommenen Spiritualität und Partizipation.

Nach dem Verlust mittelalterlicher Omnipotenz der Kirche in einem mehr oder weniger abgeschlossenen Kulturkreis in Europa ist nach Rahner die Gestalt der Kirche fast überall Diasporakirche, nämlich unter Nicht-Christen. „Die anderen sind mehr!“ ist bsw. eine Grunderfahrung von Christen in Asien, Nordafrika, also in Ländern mit Mehrheiten anderer Religionen wie Islam, Buddhismus und Hinduismus: sie führt zu Dialog und Konvivenz. Rahner wendet sich gegen die „Sollensmaxime der Ausbreitung und Verteidigung des Christentums, die fordert, dass man mit allen Mitteln alle Menschen und alle Kultursachgebiete für Christus zu gewinnen suche.“ (32). Vielmehr wird das Christentum aus einem Nachwuchschristentum ein Wahlchristentum. Die Situation der persönlichen Entscheidung des eigenständig Individuellen im Menschen und ein immer neu stattfindender persönlicher Neuerwerb inmitten einer „bedrohten“ Umgebung sind Kennzeichen der neuen Situation. Integration in die Kirche und Aneignung des Glaubens sind in Gefahr, wenn die Kirche in einem gettohaften Habitus erlebt wird: „Kein Wunder also, wenn die, die draußen sind, das Christentum mit diesem Ghetto identifizieren und nicht in dieses Ghetto einziehen wollen, und Gnade Gottes ist es, wenn einer die Kirche doch erkennt als das Haus Gottes, wenn sie auch vollgestopft ist mit Steckerlgotik und anderem kleinbürgerlich reaktionärem Material.“ (39). Nach innen gewendet bedeutet dies den Abschied von einem selbstreferentiellen System der Betreuung von Laien durch Priester und die Entwicklung einer gereiften und geerdeten, individuell angenommenen Spiritualität und Partizipation. „Wenn wir in der Diaspora leben, können wir es uns nicht leisten, den Typ von Laien zu erziehen und als den besten zu erklären, der die Mentalität der ‚Wohlgesinnten‘ von anno dazumal hat. Wenn wir in der Diaspora leben, dann muß der verbeamtete Seelsorger aussterben. Denn diese Bürokratenmentalität kann sich nur ein Betrieb leisten, der auch dann weiterexistiert, wenn man keine Rücksicht auf das Publikum nimmt, wenn man der Institution und nicht den Menschen dient. Haben wir den Mut, unbürokratisch, fern von ‚Parteienverkehr‘, Bürostunden, Routine, unpersönlichen, leerlaufenden Organisationsfimmel, klerikaler Maschinerie Seelsorge zu betreiben?“ (42)

Ertrag für ein konstruktives Diasporaverständnis

Die mit „Publikum“ gemeinte Adressatenorientierung und die Kritik einer bestimmten Form von Institutionalität, die aus diesen Zeilen spricht, verweisen darauf, dass eine positiv angenommene und theologisch reflektierte Diaporasituation die Grundlagen des eigenen christlichen Seins von der Sendung her neu verstehen lässt. Es geht um De-Konstruktion herkömmlichen „Kirchentums“ und um Re-Konstruktion der Kirche als Zeichen für die Möglichkeiten Gottes.

Es geht um De-Konstruktion herkömmlichen „Kirchentums“ und um Re-Konstruktion der Kirche als Zeichen für die Möglichkeiten Gottes.

Die Selbstwahrnehmung, in der Diaspora, in einer fremden Umwelt zu leben, kann zwar zu „krampfhaften“ Missionierungsbestrebungen zur Erhaltung des Status Quo führen und trägt die Gefahr der Selbstgettoisierung in sich. Wenn man sich aber von der Vorstellung befreien kann, dass alle Menschen Christen sein müssen, kann man auch frei werden, Stellenwert und Zusammenhang von Gemeinschaft und Begegnung mit Gleichgesinnten und mit „den Anderen“ (Sammlung und Sendung) neu zu bestimmen. Meine These ist, dass Diaspora und Sendung sich gegenseitig interpretieren und in den Modus von Ermutigung und Öffnung für den anderen, nicht in Depression und Rückzug führen. Diaspora ist eine Chiffre für den „Ort“ und die Grundsituation von Kirche in der Gegenwart. Positiv angenommen und verantwortet gestaltet, führt sie zu einem Verstehen des Wegecharakters des Gottesvolkes, zu partizipativen Strukturen, zur Öffnung für Gesellschaft und Umgebung, damit der Dienstcharakter der Kirche (als ganzer und in ihren einzelnen Teilen auch gegenseitig) deutlicher zum Leuchten kommt. Die eschatologische Dimension der Diaspora stärkt die christliche Hoffnung, ohne Illusionen zu nähren. Fremdheit annehmen, bedeutet, par-oikía, d. h. „neben“ dem Haus zu leben. Allen, die ihre letzte Heimat in Kirche oder Gemeinde suchen, sei gesagt: Unsere Heimat aber ist im Himmel (Phil 3,20). Diaspora nimmt den doppelten Weltbegriff des Johannesevangeliums auf: Die Jünger Jesu sind in der Welt, aber nicht von dieser Welt (Joh 17,16). Minderheit und Kleinheit, Mangel an Ressourcen sind nicht primär als Verfallsgeschichte oder Übergangsphänomen zu deuten. Es geht nicht um Resignation und Selbstabschließung, nicht um Gesundschrumpfung einer exklusiven Elitekirche, sondern um das Ausstreuen (diaspero) des Samens des Evangeliums (vgl. Mk 4), es geht darum, den Sauerteig des Himmelreiches sich entfalten zu lassen (Mt 13,33), selbst als Salz und als Licht die Welt zu würzen und zu erleuchten (Mt 5,13f). Dass in der kulturwissenschaftlichen Forschung Diaspora als Brückenort, als third place der Begegnung gedeutet wird, ist anregend und theologisch wie pastoral anschlussfähig.
  1. Rahner, Karl: Über die Gegenwart Christi in der Diasporagemeinde nach der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils, in: Ders., Schriften zur Theologie VIII, Freiburg 1967, S.409-425.
  2. Ders.: Theologische Deutung der Position des Christen in der modernen Welt, in: Ders., Sendung und Gnade. Beiträge zur Pastoraltheologie, Innsbruck 1961, 13-47.

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