022012

Foto: Von Sebastian u - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3490636

Werkzeuge

Valentin Dessoy

World-Café: Die Pause als Methode

Das World-Café ist eine moderne Workshop-Methode, um Gruppen unterschiedlicher Größe (12 bis 2000 Teilnehmer/innen) in angenehmer Café-Atmosphäre miteinander ins Gespräch zu bringen. Die Methode wurde Anfang der 1990er-Jahre von den US-amerikanischen Unternehmensberater/innen Juanita Brown und David Isaacs entwickelt. Zugrunde liegt die häufig gemachte Erfahrung, dass sich bei Zusammenkünften und Sitzungen die besten Gespräche und die kreativsten Ideen in den Pausen ereignen.

Grundannahmen

Das Konzept basiert auf der Annahme, dass die Teilnehmer/innen des Workshops über das erforderliche Wissen und die notwendige Kreativität verfügen, um jeglichen Herausforderungen, denen das jeweilige System (die Organisation) ausgesetzt ist, angemessen zu begegnen. Um den Zugang zu diesem tieferen kollektiven Wissen zu finden, muss ein entsprechender (Gesprächs-)Kontext zur Verfügung gestellt werden, der es erlaubt, den Fokus der Aufmerksamkeit schrittweise auf das Wesentliche und Wichtige zu lenken (Konvergenz) und gleichzeitig Informationen (Sichtweisen, Ideen, …) maximal streuen und zu vernetzen (Divergenz).

Zielsetzung

Anhand sorgfältig ausgewählter und aufeinander aufbauender Fragen kommen die Teilnehmer/innen in wechselnden Konstellationen miteinander ins Gespräch. Die lockere Caféhaus-Atmosphäre regt dazu an, die eigene Sichtweise einzubringen, Unterschiede wahrzunehmen und Neues zu entdecken. In kreativer Weise können Ideen ins Spiel gebracht, vielfältig verknüpft und im Dialog weiter entwickelt werden. Die Methode dient letztlich dazu, neue (Wahrnehmungs-)Perspektiven einzunehmen, neue Denkweisen bzw. -muster zu erproben und neue Handlungsoptionen zu entdecken, um anstehende komplexe Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen.

Design

Ein World-Café dauert in der Regel 1,5 bis 2 Stunden. Es beginnt nach der Begrüßung mit einer Einführung, in der Ambiente, Thema, Grundannahmen, Zielsetzung und Ablauf erläutert werden. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf den Regeln, der Café-Etikette und den Regeln für die „Gastgeber“.

Worldcafe 3

Es folgen drei oder vier Gesprächsrunden von 20-30 Minuten an vorbereiteten Caféhaus-Tischen1. Die Teilnehmer/innen an den Tischen wechseln nach jeder Gesprächsrunde, so dass möglichst viele unterschiedliche Gesprächskonstellationen ergeben. An jedem Tisch bleibt ein/e Gastgeber/in zurück, um die dann neu ankommenden Gäste zu begrüßen und das Bisherige zu informieren.

Jede Gesprächsrunde wird einer oder mit wenigen prägnanten Fragestellungen eingeleitet2. Die Fragen bauen aufeinander auf und lenken den Fokus schrittweise auf den Kern der anstehenden Herausforderung. Wichtige Ideen werden sofort auf der Tischdecke notiert, veranschaulicht und verknüpft. Beschriftete Tischdecken können ggf. als Wandzeitung aufhängt werden, damit sie für die folgenden Runden sichtbar bleiben.

Am Ende der ersten Runde wird ein/e Gastgeber/in (Facilitator oder Moderator) bestimmt. Er/sie bleibt am Tisch zurück, während sich die übrigen Teilnehmer/innen an einen anderen Tisch begeben. Der/die Gastgeber/in begrüßt die Neuankömmlinge, weist auf die Gesprächsregeln (Café-Etikette) hin und fasst das Wichtigste der vorausgehenden Runden zusammen. Wichtig ist, dass eine offene, klare und freundliche Atmosphäre entsteht. Dann startet der Dialog zur nächstes Fragestellung. Die Übernahme der Rolle des/der Gastgebers/in sollte nach Möglichkeit freiwillig sein. Die Rolle kann (einheitlich für alle) über alle Gesprächsrunden beibehalten werden oder von Runde zu Runde wechseln.

Worldcafe 5

Am Ende der letzten Gesprächsrunde werden in den dann bestehenden Gruppen die wichtigsten Aspekte (Ergebnisse, Ideen) des gesamten Gesprächsverlaufs (z.B. best five) im Dialog herausgefiltert. Die zugehörigen Schlagworte werden auf Moderationskarten notiert, um sie dann im Plenum zusammenzuführen und zu ordnen (Harvesting). Die gefundenen Cluster können dann noch einmal über Punktabfrage gewichtet werden. Sie bilden die Agenda für die weitere Bearbeitung des Themas.

Ambiente

Das Ambiente ist so zu gestalten, dass sich die Teilnehmer/innen ungezwungen, locker und entspannt bewegen und beteiligen können, unabhängig davon, wie viele Menschen zusammenkommen.

Der Raum sollte angemessen groß und angenehm ausgeleuchtet sein. Er sollte wie ein Café aussehen und einladend ausgestattet sein. Dazu gehören kleine Tische in lockerer Anordnung, an denen 4-5 Personen Platz finden können. Farbenfrohe, beschreibbare Tischdecken und eine Tischdekoration (Pflanzen, Kerzen) verstärken den Caféhaus-Charakter. Kunst oder Poster an den Wände und sanfte Musik im Hintergrund erleichtern das Einfinden in die spezielle Gesprächsatmosphäre.

Auf jeden Tisch gehören mindestens 2 große Blätter weißes Papier (A0), Kaffee, Kaltgetränke, Gebäck und entsprechendes Geschirr. 4 oder 5 farbenfrohe Stifte regen die Teilnehmer/innen an, zu schreiben, zu kritzeln oder malen. Moderationskarten, um sich zwischendurch Notizen zu machen bzw. für die Abschlussrunde ergänzen die Tischmaterialien3. Tisch-Aufsteller oder laminierte Blätter mit der Café-Etikette und den Gastgeber-Regeln beinhalten die wichtigsten Informationen zur Gestaltung der Gesprächsrunden.

Worldcafe 7

Leitfragen

Die Fragen, mit denen das Thema schrittweise fokussiert werden soll, tragen wesentlich zum Erfolg bzw. Misserfolg eines World-Cafés bei. Daher ist bei der Entwicklung dieser Fragen sehr sorgfältig vorzugehen und das Kundensystem (i.S. einer Repräsentanz der Teilnehmer/innen) mit einzubeziehen.

Inhaltlich dient die 1. Gesprächsrunde in der Regel als Einstieg in das Thema, häufig verknüpft mit einem Blick auf das eigene Erleben (Sehen). Runde 2 dient der Vertiefung und der Herstellung von Zusammenhängen (Urteilen). In (ab) der 3. Runde geht der Blick zumeist nach vorne (Handeln).

Formal sollen die Fragen offen, einfach und verständlich formuliert sein. Sie sollen die Aufmerksamkeit auf das Wesentliche lenken, neugierig machen und zur Auseinandersetzung anregen. Daher können die Fragen durchaus provokativ und herausfordernd sein.

Dokumentation

Für die Dokumentation der Ergebnisse eines World-Cafés gibt es vielfältige Möglichkeiten. In der Regel werden in der Sammlungsphase die wichtigsten Ergebnisse an den Tischen gebündelt, um sie dann im Plenum zu clustern und zu gewichten.

Die Tischdecken können im Verlauf an Pinwände geheftet oder an Wäscheleinen geklammert werden, so dass den Teilnehmer/innen möglich ist, zwischendurch die Ideen der anderen Tische anzusehen. Die Teilnehmer können darüber hinaus große Post-its mit wichtigen Erkenntnissen oder guten Ideen an eine Pinwand heften, so dass sie für alle am Tisch, aber auch für „Reisende“ in den Pausen- bzw. Übergangszeiten gut erkennbar sind.

Besonders anschaulich werden die Gespräche und deren Ergebnisse, wenn Illustratoren das Geschehen bildhaft festgehalten oder die produzierten Ideen der Gruppe auf Flip Charts oder auf Wandpapier malen. Die Kombination von Text und Bild ist in besonderer Weise geeignet, um den Gesprächsprozess und seine Inhalte zusammen zu fassen und anschaulich zu illustrieren. Die Ergebnisse werden für alle Teilnehmer/innen einsehbar ausgehängt.

Häufig werden Verlauf und Ergebnisse eines World-Cafés im Nachgang dokumentiert, um sie einem größeren Publikum zugänglich zu machen. Dabei werden die Informationen aus der Sammlungsphase und die Details auf den Tischdecken systematisch aufbereitet, ggf. ergänzt durch Illustrationen (u.U. auch von den Tischdecken) und Geschichten (oder Interviews) von Teilnehmer/innen. So entsteht eine Zeitung, ein Bilder- oder ein Geschichten-Buch, das einen lebendigen Einblick in das Geschehen gibt und die Ergebnisse konkretisiert und veranschaulicht.

Einsatzmöglichkeiten

Die Methode des World-Cafés wird weltweit in Unternehmen, politischen Organisationen, in kirchlichen Kontexten, in Gemeinden, Städten, Verbänden… eingesetzt. Die Methode eignet sich in besonderer Weise bei einer heterogenen Zusammensetzung der Teilnehmer/innen und bei Gruppen, deren Mitglieder sich untereinander kaum oder nur flüchtig kennen. Wichtig ist, dass die Teilnehmer/innen von einem gemeinsamen Thema betroffen sind oder vor einer gemeinsamen Herausforderung stehen.

Die Methode ist angezeigt, wenn innerhalb einer Gruppe im Blick auf eine bestimmte Fragestellung größtmögliche Auseinandersetzung und emotionale Resonanz erzeugt werden soll. Sie ist dann besonders hilfreich, wenn es darum geht, unterschiedliche Sichtweisen zu einem Thema zusammenzuführen, viele Ideen zu entwickeln, zu bewerten und innerhalb kurzer Zeit hierauf bezogenen einen validen Handlungsplan zu entwickeln.

  1. Bei Bedarf können auch mehrere oder auch längere Gesprächsrunden durchgeführt werden.
  2. Es gibt auch die Variante mit einer einzigen Frage unterschiedliche Gesprächsrunden durchzuführen.
  3. Auf ausreichende Reserve ist zu achten.

Literatur

Brown, J., Isaaks, D., The World Café. Shaping Our Futures through Conversations that Matter, San Francisco 2005 (dt. Brown, J., Isaaks, D., Das World Café. Kreative Zukunftsgestaltung in Organisationen und Gesellschaft, Heidelberg 2007)

Brown, J., Hurley, T.J., Die Distanzfalle in der Führung, in: Lernende Organisation. Zeitschrift für Relationales Management und Organisation, 57/2010 

Videos

Einführung in die Methode des World-Cafés

Die Methode des World-Cafés von Juanita Brown und David Isaaks

Weiterführende Links

World-Café-Community

Schlagworte

GroßgruppenModeration

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