Wie sieben Begriffe die Kirche verändern
Die Zukunft des Bistums Essen begann im Sommer 2011. Viel stärker als in anderen Regionen Deutschlands war hier in den Monaten zuvor die immense katholische Verunsicherung nach Bekanntwerden des Missbrauchsskandals auf eine ohnehin schon vorhandene Unruhe in der Ortskirche geprallt. Die Folgen der massiven Umstrukturierungen, die das Bistum seit 2005 geprägt haben – inklusive der Aufgabe von fast 100 Kirchenstandorten und der großflächigen Fusion von Pfarreien –, sorgten auch sechs Jahre später bei vielen Gemeindemitgliedern nach wie vor für Verärgerung. Dieses Unverständnis über die Situation vor Ort, gepaart mit der Verunsicherung über die katholische Kirche bundesweit, war der Nährboden für den Dialogprozess „Zukunft auf katholisch“. Aus diesem Dialogprozess entstand das Zukunftsbild, das heute das maßgebliche Leitbild für alle weiteren Entwicklungen im Bistum Essen ist.
Eine neue Kultur und neue Formen des Dialogs

Die Zukunft des Bistums Essen begann im Sommer 2011: „Auf!RuhrBistum – Kirche gestalten. Jetzt“.
Sechs ganztägige Bistumsforen – und flankierende Gespräche in der Akademie
Kern dieses Prozesses waren zwischen Januar 2012 und Sommer 2013 sechs Veranstaltungen, bei denen jeweils rund 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen Tag lang in verschiedenen Konstellationen zu einem gemeinsamen Thema arbeiteten und diskutierten. Als Orte für diese Bistumsforen wählten die Verantwortlichen bewusst nichtkirchliche Räume in allen Regionen der Diözese:

_Mai 2012 – „Im Bistum zu Hause und lebendige Kirche sein“, Maschinenhalle, Gladbeck
_November 2012 – „Offenes Ohr – klares Wort – konkrete Tat. Dialog als Prozess. Eine erste Ergebnissicherung“, Luise-Albertz-Halle, Oberhausen
_Januar 2013 – „Sorge um den Nächsten: Als Christinnen und Christen vor Ort Verantwortung tragen“, Schauinsland-Reisen-Arena, Duisburg
_April 2013 – „Wie feiern wir Gott?“, Henrichshütte, Hattingen
_Juni 2013 – „Glaubensweitergabe in der Welt“, Schützenhalle, Lüdenscheid
Flankiert wurden diese Foren unter anderem durch besondere Veranstaltungen in der Akademie „Die Wolfsburg“. Hier wurden vor allem jene kirchlichen Themen diskutiert, die zwar hierzulande regelmäßig zu kontroversen Debatten führen, letztlich aber nur auf Ebene der Bischofskonferenz oder der Weltkirche geklärt werden können. Unter anderem standen bei den „Dialogen mit dem Bischof“ die Rolle der Frau in der Kirche, die Frage nach Macht oder die katholische Sexualmoral auf dem Programm.
Als Orte für diese Bistumsforen wählten die Verantwortlichen bewusst nichtkirchliche Räume in allen Regionen der Diözese.
Ein Zukunftsbild in sieben zentralen Begriffen
Zwei Jahre nach dem Hirtenwort Bischof Overbecks mündete diese erste Phase des Dialogprozesses am 13. Juli 2013 in ein großes Bistumsfest am Essener Dom.

berührt,
wach,
vielfältig,
lernend,
gesendet,
wirksam,
nah.
Was das konkret bedeutet, entfaltet sich – im wahrsten Sinn des Wortes – beim Auseinanderklappen des gedruckten Zukunftsbilds von Bierdeckel- auf Plakatgröße. Dann sind die sieben Zukunftsbild-Begriffe sowohl mit Bibelzitaten und Texten des II. Vatikanischen Konzils als auch mit ersten Umsetzungs-Ideen hinterlegt.
Das Zukunftsbild ins Gespräch bringen
Erste Quintessenz des Dialogs: ein Zukunftsbild auf Bierdeckelformat.
In den ersten Monaten nach der Präsentation ging es zunächst darum, das Zukunftsbild möglichst vielen Menschen bekannt zu machen und eine erste Auseinandersetzung damit anzuregen.

Aus 40 konkreten Ideen werden 20 Zukunftsbild-Projekte
Die verschiedenen Erfahrungen mit dem Zukunftsbild wurden im ersten Halbjahr 2015 in vier Gesprächsrunden gebündelt. Insgesamt 160 ehrenamtliche und hauptberufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirche diskutierten, welche pastoralen Schwerpunktsetzungen für das Ruhrbistum im Sinne des Zukunftsbildes zukunftsweisend sein könnten. Im Zentrum stand dabei eine Konkretisierung des Zukunftsbildes.

In 20 Projektgruppen mit Ehren- und Hauptamtlichen soll bis 2018 möglichst konkret an der Umsetzung einzelner Facetten des Zukunftsbildes gearbeitet werden.
Seitdem entwickeln Projektgruppen im Ruhrbistum zum Beispiel
- Modelle für die ehrenamtliche Leitung von Gemeinden,
- Ideen für ein Team, das pfarreiübergreifend Brautpaare betreut, die keine Anbindung an eine Gemeinde haben,
- ein Konzept für die Einbettung von Pop- und anderen modernen Musikstilen in die Kirchenmusik,
- neue sozialpastorale Zentren,
- Strategien, um Kirchenmitglieder zu halten,
- erweiterte Nutzungsmöglichkeiten für Kirchengebäude,
- eine projektorientierte Gemeindecaritas,
- ein Gründerbüro für pastorale Innovationen,
- neue Citypastoral-Projekte für die Innenstadtkirchen im Ruhrbistum.
Verknüpfung mit den bistumsweiten Pfarreiprozessen
Eine Steuerungsgruppe ist Ansprechpartner für die Projektleiter, um den jeweiligen Auftrag im Blick zu halten. Abgesehen davon haben die Gruppen jedoch die größtmögliche Freiheit, diesen Auftrag ihren Überlegungen entsprechend umzusetzen. Gleichzeitig sind alle Pfarreien und Einrichtungen des Bistums aufgefordert, auch ihre Überlegungen – etwa im Rahmen der bistumsweiten Pfarreiprozesse – am Zukunftsbild auszurichten und eigene Projekte zu starten, um das Zukunftsbild in ihrem Bereich konkret werden zu lassen.
Für den Frühsommer 2018 plant das Bistum eine Veranstaltung, um eine weitere Zwischenbilanz des Dialogprozesses zu ziehen: Dann enden die 20 Bistumsprojekte, und es wird klar sein, welche Ideen geglückt sind und als reguläres Angebot weitergeführt werden. Zudem werden dann – 60 Jahre nach Gründung des Bistums Essen – womöglich neue Weichen gestellt, um die Pastoral des Ruhrbistums an seinem Zukunftsbild auszurichten.