Was bleibt von Gott? Über „Catholic Aesthetics“ und „Fresh Expressions of the Gospel”
Seit einigen Jahren zeigt sich in den USA ein neuer Trend: Die „Catholic Aesthetics“. Man bedient sich, gerade unter Jüngeren, des katholischen Formenreichtums, seiner Bilder und Rituale, um sich selbst und das eigene Leben zu performen. Ein:e von 10 US-Amerikaner:innen bezeichnet sich sogar als katholisch, ohne es zu sein. Es ist, auch unter nominellen Katholik:innen, ein „Katholischsein ohne Glaube“. Hier tauchen dann klassische ästhetische Identitätsmarker an unerwarteten Stellen auf: Das Hochzeitskleid mit eingewebter Madonna, ein Herz-Jesu Bild als Tattoo oder der Rosenkranz, den man aber partout nicht umhängt, weil sich sonst wirkliche Gläubige beleidigt fühlen könnten.
Nur ein wirkliches Gegenüber, das tatsächlich völlig anders, größer und gerade nicht auf die Beschränkungen des Menschlichen festgelegt ist, kann uns retten.
Den Rosenkranz als Modeaccessoires kennt man in Deutschland auch, eine gesamte Bewegung ist daraus jedoch noch nicht geworden. Allerdings lässt sich im gesamten Bereich des Kasual- und Sakramentenpastoral etwas Vergleichbares beobachten. Die Kirche ist ähnlich einer Versicherung eine Institution, die man aufsucht, wenn man etwas Spezifisches möchte: Ein Lebensabschluss- oder Eröffnungsritual, immer weniger allerdings die Trauung. Hier scheint die Konkurrenz mittlerweile doch zuzunehmen. Es zeigt sich mehr und mehr eine Religion ohne Gott bzw. mit eher schwammigen, unpersönlichen Vorstellungen von dem, was da noch sein könnte. Gott als Person ist für immer weniger Menschen relevant und mit damit wird ein Transzendenzbezug obsolet, der noch irgendetwas mit dem eigenen Leben zu tun haben könnte. Das Ritual, die Ästhetik reicht, ist womöglich einer der Hauptgründe, dass immer noch so viele Menschen trotz der derzeitigen Krisenphänomene in der Kirche verbleiben: der potentiell mögliche Rückgriff auf einen ästhetischen Code oder ein tragendes Ritual, das mithilfe eigener Texte, Sprüche, Erzählungen bereichert werden soll, bleibt attraktiv. Zeitgleich richten Systematische Theolog:innen, wenn nicht alles täuscht, ihre eigene Gotteslehre immer mehr an diesen Transformationen aus. Dann versucht man die Metaphysik nachmetaphysisch zu denken oder Gott in seinem Personsein als Vorstellung aus einer bestimmten Zeit zu definieren, die auch ganz anders gedacht werden kann. Mitunter werden solche Transformationen dann als Befreiung aus zu engen oder dogmatischen Gottesbildern `gefeiert´. Das Problem dabei: Nur ein wirkliches Gegenüber, das tatsächlich völlig anders, größer und gerade nicht auf die Beschränkungen des Menschlichen festgelegt ist, kann uns retten. Und eine tragende Beziehung baue ich leichter zu einem „Du“ auf, als zu einem letztlich anonym bleibenden „Göttlichen“. Eben dies zeigt dann auch die empirische Forschung: Gott als „Energie“, das „Göttliche“ oder ein „Etwas“, das sich irgendwie entwickelt, wird intergenerationell irrelevant. Die Generation nach jener „Irgendwas wird es schon geben“ (Agnostizismus), zeigt sich, wie internationale Studien belegen, solchen Fragen und Tatsachen in großen Teilen indifferent gegenüber.
Zwei Optionen: Realismus und Anatheismus
Für das Sprechen über Gott ist daher insbesondere zweierlei wichtig. Einmal die „Option Realismus“: Tatsächlich zu akzeptieren, dass die eigene Religion für viele – ja für die zunehmend meisten – etwas ist, dass sie innerlich nicht mehr berührt. Allenfalls das Ästhetische, Rituelle, Caritative wirkt nach außen. In diesen Bereichen bereit zu stehen, ist tatsächlich der bleibende Auftrag der Christ:innen. Allerdings stellt sich mittel- bis langfristig die Frage: Wie lange funktioniert ein Evangelium ohne Gott? Oder: Was wird aus einem Fluss, der keine Verbindung mehr zur eigenen Quelle hat? Speist er sich dann aus anderen?
Allerdings stellt sich mittel- bis langfristig die Frage: Wie lange funktioniert ein Evangelium ohne Gott?
Andererseits – und das wäre die „Option“ Anatheismus – gälte es, neu nach Gott zu suchen, der sich mitunter inmitten der Felspalten des Säkularen zeigt. Dort wird er auch heute sichtbar, sicherlich diverser, nicht mehr dogmatisch fassbar, dafür aber wirksam. Dies wird gerade in Ländern, in denen die Säkularisierung als Haupttrend nicht mehr durch eine saturierte Kirchlichkeit zu leugnen ist, sichtbar. Der irische Philosoph Richard Kearney hat dafür den Begriff Ana-theismus entwickelt. Er meint, Gott jenseits von Gott neu zu entdecken und zu denken. Das bedeutet, einerseits nicht alles Säkulare oder jedes Transformationsphänomen („Catholic Aesthetic“) gleich für Gott, seine Offenbarung oder ein religiöses Bedürfnis zu halten. Zugleich heißt Anatheismus nicht gleich resigniert zu denken, Gott sei heute nicht mehr zu finden oder unwirksam. Der Clou scheint zu sein: Er ist auf andere Weise und woanders präsent. Dazu braucht es allerdings die Kunst der Unterscheidung. Nicht zufällig wählt Papst Franziskus diese Methode als Grunddynamik seines synodalen Prozesses. Denn nur so lässt sich Gott heute finden, wenn wir tatsächlich ernst nehmen, dass es Bereiche und Menschen gibt, die ihn überhaupt nicht brauchen, andere, sicherlich wenigere, aber nicht ohne ihn können oder sich ihm neu nähern.
Ana-theismus meint, Gott jenseits von Gott neu zu entdecken und zu denken.
Wichtig ist dafür zweierlei: Das „Licht der Offenbarung“ und das „Licht der menschlichen Erfahrung“ – beides Begriffe, die die Pastoralkonstitution des letzten Konzils nennt. Einerseits kann es nämlich nicht sein, völlig passiv zu denken, Gott sei überall schon da und wir müssten nichts mehr tun, als nur abzuwarten oder uns rein humanistisch zu profilieren. Das wird dem Offenbarungs- und Erlösungsangebot des Christentums nicht gerecht. Gott kommt immer auch von außen und ist zugleich in der Welt anwesend. Diese Spannung gilt es auszuhalten und darin nach ihm Ausschau zu halten. Dabei kommt man nicht selten einem Phänomen entgegen, von dem ein volkskirchliches Christentum nur noch wenig zu wissen schien: der Bekehrung. Das Evangelium erscheint dann als Alternative zu dem, was normal ist und was alle machen, wie alle leben. Meistens aufgrund einer einschneidenden Erfahrung, die vorher nicht dagewesene Fragen wachgerufen haben. So wie es eine Taufbewerberin nach ihrer Taufe in Frankfurt am Main einmal formulierte: „Ich habe eine Antwort auf eine Frage bekommen, die ich vorher nicht hatte.“ Die Gottesfrage als eine nicht mehr universal und allgemein vorhandene, sondern eine, die sich okkasionell, aufgrund verschiedener Erfahrungen, persönlicher Erlebnisse, Einsichten oder Begegnungen stellt.
Gott erahnen und erfahren, der sich in den Felsspalten des Säkularen ereignet
Dies führt auf die Erfahrungsebene. Von Erfahrungen kann man am besten erzählen. Kondensierte Erfahrungen finden sich in empirischen Daten, die zu diesem Thema leider (noch) nicht vorliegen. Dies zeigt einerseits ein Desiderat, andererseits ist es ein Ausweis dafür, dass es sich hier tatsächlich um ein noch weitgehend unbegangenes Land handelt. Denn lange hat man – frei nach Elisabeth Kübler-Ross – die Säkularisierung als Tatsache verdrängt. Man dachte, irgendwann finden wir den Schlüssel, die Stellschraube, das Pastoralkonzept, welche das Ganze wieder rückgängig machen würden. Leider – oder vielleicht Gott sei Dank – ist das nicht geschehen.
Säkularisierung bedeutet für Christ:innen und die Kirchen nicht nur Verlust, sondern eine neue Freiheit und Souveränität.
Denn Säkularisierung bedeutet für Christ:innen und die Kirchen nicht nur Verlust, sondern eine neue Freiheit und Souveränität: Man wird unter anderem aus staatstragenden Bezügen entlassen, muss gesellschaftlich nicht mehr „Everybody`s Darling“ sein und kann auf diese Weise womöglich die Kraft der eigenen Botschaft gerade auch in ihrer Widerspenstigkeit profilieren. Das meint mitnichten einen Rückzug in die Puppenstube des 19. Jahrhunderts, wo man sich bewusst gegen „die Welt“ profilierte. Es meint vielmehr, die Unterscheidungskraft des Evangeliums gerade um des Menschen willen und gegen alle – etwa neoliberalen – Verzweckungen neu zu entdecken. Dass der Mensch nicht verzweckbar ist, weder für wirtschaftliche noch kirchliche Belange, sondern in seiner geschöpflichen und zugleich erlösten Freiheit und Einzigartigkeit immer zu achten ist. Vielleicht ist es ja gerade jene erlöste Freiheit, die den Unterschied machen kann und welche man heute neu entdecken und anbieten darf. Dazu nun einige – aus der Erfahrung erzählte – Beispiele.
Hinter der Entscheidung für das Studium, für das man zugleich gesalzene Studiengebühren bezahlt, steht immer eine bewusste Entscheidung, ja mehr noch: eine konkrete Erfahrung. Es ist faszinierend, diese zu hören.
Zum Hintergrund: An unserer Fakultät der „Tilburg School of Catholic Theology“ mit den Standorten Utrecht bzw. Tilburg, die die einzige kirchlich anerkannte Katholisch-Theologische Fakultät in den Niederlanden ist, belegen jedes Jahr ca. 30 Studierende den Bachelorstudiengang. Die Vorlesungen werden zweisprachig, niederländisch und englisch, angeboten. Die Kurse unterscheiden sich dabei: Während die der englischsprachige Bachelor aus einer bunten Mischung internationaler, vieler außereuropäischer Studierender besteht, finden sich in der niederländischsprachigen Gruppe insbesondere einheimische Studierende, die mitunter (auch das ist eine Option) in Teilzeit studieren können. Das Interessante in jeder der beiden Gruppen: jede:r Studierende hat ihre:seine story. Niemand studiert Theologie aus Mangel an Ideen oder Alternativen bzw. weil man damit die klassische Sakristeikarriere fortsetzt (Messdiener:in; Küster:in; Ferienlager; Ehrenamtliche in vielfältigen Gruppen und Gremien in einer Pfarrei etc.). Das heißt, hinter der Entscheidung für das Studium, für das man zugleich gesalzene Studiengebühren bezahlt, steht immer eine bewusste Entscheidung, ja mehr noch: eine konkrete Erfahrung. Es ist faszinierend, diese zu hören. Denn sie erzählen genau von den oben hergeleiteten Zusammenhängen. Auf einmal war da eine Frage, die den Glauben als realistische Antwortoption erscheinen ließ. Plötzlich reichte vieles nicht mehr, auf einmal kam die Taufe als Möglichkeit in den Blick und das Christ:insein wurde zu einer Perspektive, dem Leben eine neue Richtung zu geben.
Auf einmal war da eine Frage, die den Glauben als realistische Antwortoption erscheinen ließ.
Der Bachelorkurs in Praktischer Theologie läuft dann darauf hinaus, dass die Studierenden am Ende eine „Fresh-Expression of the Gospel“ aus der Praxis suchen, beschreiben, rekonstruieren und vor der Gruppe zur Diskussion stellen müssen. Dabei ist der Focus ein denkbar breiter: Überall, wo die Studierende ein im Sinne des Anatheismus neue Erscheinungsform des Evangeliums vermuten, kann dies unabhängig von anderen Unterscheidungen (überkonfessionell und -parochial) interessant sein. Leitend sind die oben benannten Kriterien von „Licht der Offenbarung“ und „Licht der Erfahrung“, die sich gegenseitig ausleuchten. Das Verblüffende: In einem Land wie den Niederlanden, das nachgewiesenermaßen zu den säkularisiertesten Europas gehört, lässt sich viel finden. Der Strauß der Erfahrungen ist stets sehr breit und immer überraschend. Die Studierenden treffen das Evangelium gerade in seiner Vielgestaltigkeit an, ja entdecken es in und aus der Praxis neu. Dazu drei Beispiele:
Das Verblüffende: In einem Land wie den Niederlanden, das nachgewiesenermaßen zu den säkularisiertesten Europas gehört, lässt sich viel finden.
- Ein Student erzählt seine eigene Bekehrungsgeschichte. Der Ende-30-Jährige war alkoholabhängig und ist durch Zufall auf eine neue christliche Initiative getroffen, die Menschen in ihrer Sucht hilft. Nicht in erster Linie medizinisch, sondern durch Begleitung, Disziplin und das Lesen des Evangeliums. Stets stand die Frage im Hintergrund: Was ist der Auftrag Gottes heute an mich? Wie sieht er mich, wie will er mich? Dabei wurde, nach Aussage des Studenten, für ihn die Einsicht immer bestimmender, dass die Sucht eine fundamentale Entfremdung darstellt: Von sich selbst, von anderen und schließlich von Gottes Willen. Er merkte, dass nur der Weg aus der Sucht, der Weg zurück zu sich selbst und seiner inneren Bestimmung ist. Was er vorher nach eigenem Bekunden nicht gesehen hatte, war das Erlebnis, dass dies auch der Weg zu Gott ist.
- Eine weitere Initiative ist ein Zusammenschluss evangelischer Christ:innen, um Menschen in Schulden zu helfen. Dazu ist es hilfreich zu wissen, dass in den Niederlanden bis zu 80% der Einwohner über eine Eigentumswohnung verfügen. Falls sich allerdings dann der Wohnungsmarkt verschiebt, die Inflation in die Höhe treibt oder aber die eigene berufliche Zukunft brüchig wird, sitzen nicht wenige zuvor gut abgesicherte Menschen vor einem großen Schuldenberg. Die christliche Initiative von zumeist finanzkundigen Ehrenamtlichen bieten aufgrund dieser Erfahrung seit einigen Jahren in der Stadt Amersfoort eine unentgeltliche Schulden- bzw. Finanzberatung an. Die Initiative „Schuldhulpmaatje“ (Schuldenhilfefreunde) ist mittlerweile in mehreren Regionen des Landes präsent. Wichtig ist ihnen, auch die Schambehaftung dieses Themas zu beachten, also diesem Thema mit Diskretion und hoher Sensibilität zu begegnen. Es geht hier in keiner Weise um Missionierung, sondern um das Tun des Angesagten aus einer christlichen Motivation.
- Eine dritte Initiative nennt sich „YouChooze“. Sie entstand aus Teenagern, die zunächst in digitalen Räumen die in der Bibel lasen. Konfessionszugehörigkeit ist zweitrangig. Sie möchten gemeinsam aufgrund dessen, was sie von der frohen Botschaft verstehen, nach dem Willen Gottes für ihr Leben fragen. Dazu unternehmen sie Bibelabende, religiöse Camps, und sogar eine Romreise, um zu den Wurzeln des Glaubens vorstoßen zu können. Ihre Vision beschreiben sie wie folgt: „We hope that YouChooze will continue to be a place where teenagers can be themselves. […] A place where teenagers can question anything they want to, where they can struggle and relax. A place where life-changing meetings can happen. These hopes are in no way our own work and it seems fitting that we conclude with the hope and prayer that God will work through the program, through the youth workers and through the teenagers. Only in Him, only in Christ and only in the Holy Spirit.“ So bieten sie Glaubens- und Erlebniskurse an, etwa zu Themen wie „Schöpfung und Evolution“ oder Friedensgebetsabende angesichts des Ukraine-Krieges. Ebenso gehören Spendenaktionen für Geflüchtete oder in Not geratene Menschen zu ihren Aktivitäten.
Das Christentum kommt auf völlig andere Weise wieder: divers, jenseits unserer kirchlichen Kategorien bzw. Leitunterscheidungen (katholisch/evangelisch; orthodox/häretisch; etc.), allerdings quantitativ weitaus geringer als vorher.
Diese drei Beispiele können zeigen: Das Christentum verschwindet trotz einer dominanten Säkularisierung nicht. Es kommt auf völlig andere Weise wieder: divers, jenseits unserer kirchlichen Kategorien bzw. Leitunterscheidungen (katholisch/evangelisch; orthodox/häretisch; etc.), allerdings quantitativ weitaus geringer als vorher. Wesentlich dazu ist tatsächlich eine erfahrene Relevanz bzw. subjektiv erlebte Wirksamkeit des Glaubens. Dass jemand persönlich das andere, bereichernde des Glaubens erfahren hat und darin leben möchte.
Ein kurzer Ausblick auf die deutsche Kirchenlandschaft, oder: Was wohl Elisabeth Kübler-Ross sagen würde?
Oben war bereits die – sicherlich nicht unumstrittene – Theorie der Trauerphasen von Elisabeth-Kübler Ross bemüht worden. Wenn man dies – bewusst etwas dilettantisch – weiterdenkt, könnte man zu der Schlussfolgerung kommen, dass man gerade in Deutschland noch in einer anderen Phase des Abschieds von einer gesellschaftsbreiten Bedeutung des Christentums ist. Bischof Georg Bätzing erläuterte genau dies während einer Pressekonferenz zum Synodalen Weg auf dessen Hälfte. Man wolle herausfinden, wo noch etwa Stellschrauben zu finden seien, um die Entkirchlichung (Säkularisierung wird also vornehmlich durch die Kirchenbrille betrachtet) abzufedern. Das wäre nach Kübler-Ross die Phase des Verhandelns. Während der Presskonferenz zum Abschluss des Synodalen Wegs klang dies allerdings weitaus begrenzter: Die Austrittswelle derjenigen, die nie einen wirklichen Kontakt zur Kirche bekommen hätten, sei sicher nicht zu stoppen. Allerdings für diejenigen, die noch da sind, seien die Themen des Reformvorhabens durchaus entscheidend (und sicherlich auch für die Betroffenen des sexuellen Missbrauchs!).
Es hilft alles nichts, so sagen sie, man wird sich auch in Deutschland den Realitäten eines radikalen Desinteresses an Glaubensthemen mit allen Konsequenzen stellen müssen.
Aus niederländischer Sicht erscheinen solche Feststellungen – gerade in den Ohren derjenigen, die die Reformvorhaben aus den 1960er und 70er Jahren erlebt haben – wie Töne aus vergangenen Zeiten. Es hilft alles nichts, so sagen sie, man wird sich auch in Deutschland den Realitäten eines radikalen Desinteresses an Glaubensthemen mit allen Konsequenzen stellen müssen.
Sich allein „ad intra“ neu aufzustellen erweist sich lediglich als eine Seite der Medaille. Hier sollte man sich durch Phänomene einer „Catholic Aesthetic“, auch in ihren deutschen Parallelformen einer „Kultur- oder Sozialreligion“, die für ihr Bestehen keinen dezidierten Transzendenzbezug nötig hat, nicht blenden lassen. Bei all dem zeigen sich die bisherigen Strategien der katholischen Lager als nicht weiterführend. Hier steht in Deutschland insbesondere eine strukturell-organisationale Problembearbeitung einer identitätsbezogenen-traditionalen gegenüber. Sucht die eine ihr Heil in Strukturprozessen oder Umbaumaßnahmen der Organisation, proklamiert die andere eine „neue Evangelisierung“ als Königsweg in eine neue Zukunft. Die Erfahrung zeigt allerdings: Beides löst das Problem nicht.
Weiter geht es hingegen da, wo ein Gott erfahren wird, der befreit, rettet, dem Leben etwas hinzufügt, was dieses aus sich selbst nicht hat oder kann.
Weiter geht es hingegen da, wo ein Gott erfahren wird, der befreit, rettet, dem Leben etwas hinzufügt, was dieses aus sich selbst nicht hat oder kann. Dass das auch in Zukunft möglich ist, dafür braucht es eine Kirche: dass diese Botschaft vom Heilwerden der Welt auf vielerlei Weise weitererzählt werden kann. Aber es braucht nicht allein die Kirche als Erzählgemeinschaft, sondern auch den Geist, der nicht selten unabhängig von all dem wirkt. Vielleicht wäre eine Selbstrelativierung der Kirche, wie sie das Zweite Vatikanum bereits in diesem Sinne vorgedacht hat, ein (geistliches) Gebot der Stunde.