Strategische Innovation in der Pfarrei? Ab in die Arena!
Diese Innovation sehe ich als kommunikativen Prozess und nehme an, dass es für den Anstoß von Innovation hilfreich ist, die Zusammenhänge dieses kommunikativen Prozesses zu kennen. Welche Rolle die Arena dabei spielen kann, erläutere ich in diesem Artikel. Warum schaue ich ausgerechnet auf die Pfarrei? Hier sehe ich besonders großen Veränderungsdruck: die Mittel werden geringer, die Gebiete werden oder sind bereits groß und vor allem in der Stadt gibt es viele alternative Angebote.
Einleitung
Das Wesen strategischer Innovation in der Kirche wurde bereits im Artikel von Andreas Fritsch beschrieben. Im folgenden Artikel geht es um diese Fragen:
- Was können Pfarreien anders machen, um Innovation voranzutreiben?
- Wo können sie ansetzen?
Dieses Thema schaue ich von der betriebswirtschaftlich-kommunikativen Seite an. Im Folgenden übertrage ich betriebswirtschaftliche Begriffe auf das kirchliche Leben – vielleicht befremdend, aber nach Fritz Simon1: wer handelt, der handelt – Verhalten als Tauschwährung. Vielleicht gibt es neue Impulse.
Was hat eine Arena mit strategischer Innovation zu tun?
Was ist strategische Innovation? Die Entwicklung und Umsetzung von neuartigen Produkten/Dienstleistungen oder Verfahren, die im besten Fall den gesamten Markt verändern, weil sie die Bedürfnisse der Kunden vorwegnehmen und deren Erwartungen verändern. Innovation entsteht meist nicht „einfach so“, sondern in einem entsprechenden Kontext oder auch Raum2. Dieser Raum kann als „Arena“ bezeichnet werden.3 Die Arena ist der Kontext, in dem strategische Innovation „gemacht“ wird, wo Menschen und Innovationsthemen zusammenkommen. Anders ausgedrückt ist die Arena die Gelegenheit zur Interaktion in Bezug auf strategische Innovation. Diese Sicht basiert auf der Annahme, dass Innovation in Organisationen nicht von oben verordnet werden kann oder „nur“ in einem Konzept niedergeschrieben werden braucht. Innovation wird gemacht, d.h. es kommt darauf an, welches neue Muster von Handlungen vom Markt her wahrgenommen wird. So ist z.B. im Zweifelsfall das Verhalten eines einzelnen Kundenberaters relevanter als die Analyse einer Marktforschungsabteilung. Wo und wie kommt es zu einem Muster im Strom der Handlungen, das erkennbar in eine – neue – Richtung geht, so dass Innovation am Markt wahrnehmbar wird? Und neue Wege, Ideen, Ansätze verfolgt werden? Ein wichtiger Beitrag zur Innovation ist die Gestaltung des Kontextes, der „Arena“.
In diesem Beitrag geht es im Speziellen um Innovation in Pfarreien. Sie sind die Organisationseinheiten vor Ort, die konkret handeln. Sie erfahren gesellschaftlichen Gegenwind; der Innovationsdruck ist – gerade in Stadtgemeinden – sehr hoch, denn es gibt eine Vielzahl von Alternativen, um Heil oder Erlösung zu erlangen. Gleichzeitig wird Kirche auch als gesellschaftliche Ressource gesehen, die wichtige Aufgaben übernimmt, z.B. in der Caritas.
Was kennzeichnet eine Pfarrei als Organisation?
Auf den ersten Blick ist eine Pfarrei eine kirchenrechtliche Organisation, die nach dem bestehenden Modell durch den Kirchenvorstand nach außen vertreten und von einem Pfarrer geleitet wird. Es gibt Gemeindemitglieder, einen Pfarrgemeinderat, zahlreiche Gruppierungen und pastorale Aktivitäten, sowie finanzielle Mittel des Bistums oder eventuelle eines Fördervereins zur Finanzierung der Gemeindetätigkeiten. Eine Pfarrei ist eingebunden in die Bistumsstruktur, gegebenenfalls mit der Erfahrung von Gemeindefusionen. In jeder Pfarrei scheint es also zahlreiche Gelegenheiten zu geben, Themen voranzubringen. Um zu verdeutlichen, wie dies geschehen kann, folgt ein kurzer Blick auf die Managementforschung.
Die Pfarrei als „missionarische Organisation“
In der Managementforschung werden Organisationen in verschiedene Typen unterteilt, um besser zu verstehen, wie sich Organisationen verhalten und damit Ansatzpunkte für Veränderung herauszufinden. Unterschieden wird z.B. wie Handlungen koordiniert werden, in welchem Machtgefüge gehandelt wird und in welchem Kontext das passiert. In der weltlichen Klassifizierung von Henry Mintzberg gibt es unter anderem „missionarische Organisationen“ und die „Bürokratie“4. „Missionarische Organisationen“ zeichnet nach Mintzberg aus, dass die Koordination von Handlungen und Akteuren eher über die Identifikation mit der „Mission“ stattfindet als über direkte Kontrolle und Standardisierung von Arbeitsprozessen oder ergebnissen (wie z.B. bei McDonalds – da weiß man, was man erwarten kann – überall auf der Welt).
Die missionarische Organisation bildet sich heraus, wenn es in der Anfangsphase eine charismatische Führungspersönlichkeit gab, die mit einigen Gefolgsleuten eine klare, anregende und unterscheidbare Mission verfolgte. Im Laufe der Zeit wird die Mission weitergetragen durch eine einzigartige Geschichte und reiche Tradition. In der Spätphase wird die Mission verstärkt durch die Integration von neuen Mitgliedern, die sich mit dieser Mission identifizieren und deren individuelle Ziele mit organisationalen Zielen zusammenkommen. Die Mitglieder teilen ein reichhaltiges System von Werten und Glaubenssätzen über das Wesen der Organisation, und dadurch werden die Mitglieder in dieser Organisation zusammengebunden. Spielt die Mission nur noch eine untergeordnete Rolle und sind die Mitglieder der Organisation vornehmlich auf ihren eigenen Nutzen bedacht, so handelt es sich nach Mintzberg um eine Bürokratie.
Im Folgenden nehme ich an, dass Pfarreien im Idealfall die Merkmale einer missionarischen Organisation aufweist. Das bedeutet, dass das geteilte Verständnis über unterscheidbare Werte und Glaubenssätze ein Schlüsselpunkt ist. In der Arena werden diese Werte und Glaubenssätze mit Leben gefüllt, gelebt, in konkrete Handlungen übersetzt. Hier wird Unterstützung geschaffen und eine kritische Masse der Meinung gebildet. Dies ist in Pfarreien besonders relevant, weil Hierarchie zur Handlungskoordination bei ehrenamtlich Tätigen nicht direkt greifen kann.
Kann man da noch etwas machen?
Seit Jahrhunderten ist die Kirche schon als global player am Markt; die Beständigkeit kann sicherlich ein Wettbewerbsvorteil sein. Mintzberg sieht allerdings als Gefahr einer missionarischen Organisation, dass eine starke Vision notwendige Änderung verhindert: „Eine missionarische Organisation verändert eher die Welt als dass sie sich selbst verändert… und es besteht die Gefahr, dass sie zur Bürokratie verkommt“.5
Wie kommt denn nun das Neue in die Pfarrei? „Es geschieht“, aber im Kontext, in der Arena, die fördernd gestaltet werden kann. Einige für die Managementforschung relevante Faktoren stelle ich nun vor.
Hauptteil
Wie gestaltet man die Arena so, dass Innovation gefördert wird? Ich sehe drei Bereiche, in denen man ansetzen kann:
- die Themen (strategische Innovation),
- die Akteure (Menschen in der Arena) und
- die Arena selbst (mit Zugangsstruktur und „Klima“).
Im Folgenden beschreibe ich diese drei Bereiche und deren Einflussmöglichkeit auf Innovation in der Pfarrei.
Thema
Um welche Themen geht es bei Innovation in der Pfarrei? Allgemein sind Innovationsthemen „andere Produkte, andere Dienstleistungen, andere Verfahren“. Allerdings soll Innovation ja nicht um der Innovation willen geschehen, sondern um etwas zu verändern; in der Pfarrei zum Beispiel: mehr oder andere Menschen zu begeistern. Das Grundthema in der Pfarrei dürfte sein: Die Nachfolge Jesu Christi erlebbar machen in der Welt. Im konkreten Handeln bedeutet das: Caritas, Liturgie und Verkündigung derart gestalten, dass Menschen anders angesprochen werden, vielleicht auch Außenstehende oder Menschen am Rande der Gemeinde, und sich Erwartungen an Kirche sogar ändern: Dies sind Themen, die strategische Innovation in Pfarreien betreffen.
Innovationsthemen brauchen „Zugang“ zur Arena
Wie kommen solche Themen auf die Tagesordnung, d.h. wie bekommen Themen Zugang zur Arena? Zahlreiche Themen in Pfarreien werden sicherlich durch die Struktur vorgegeben. Da fragt das Erzbistum nach einem Pastoralkonzept, oder hier steht der neue Kommunionkurs an. Oder eine Zeitung fragt für ein Interview zu Kirchenasyl an. Grundsätzlich ist jedes Thema eine Chance für die Pfarrei, sich zu positionieren, etwas anders zu machen als andere „Heilsanbieter“. Was passiert mit den Themen?
Der Faktor Sprache
Wenn ein Thema aufkommt, werden häufig Etiketten vergeben und dadurch eine Person oder ein Gremium als zuständig definiert. Ein Beispiel? „Das Thema ‚Anschaffung neues Hungertuch‘ gehört in den Ausschuss Kirchenkunst, nicht in die Kinderkatechese.“ Durch diese Zuordnung werden zugleich andere Personen ausgeschlossen, vielleicht wird ein Thema auch klein oder lächerlich gemacht und wird somit für bestimmte Akteure uninteressant. Also: der Sprachgebrauch und die Bedeutungen, die einem Thema gegeben werden, beeinflussen, ob und welche Akteure ins Spiel kommen. Der Akteur könnte sich dann über Macht und erhöhte Legitimität wieder ins Spiel bringen, doch dazu mehr im Teil II.2 über Akteure .
Der Filter-Faktor
Ein Thema wird wahrgenommen und „gefiltert“, durch den emotionalen Zustand und durch das Weltbild des Einzelnen. Bestimmte Themen sind „heiß“ und bekommen sofort Aufmerksamkeit – Reizthemen. Nutzen könnte man Etiketten daher auch, um Akteure zu mobilisieren: indem man ein Thema in der Art formuliert, dass die Interessen bestimmter Akteure getroffen oder gar verletzt werden – Provokation zwecks Mobilisierung. Manche Themen oder Ideen passen vielleicht nicht in das Weltbild der Akteure und werden nicht wahrgenommen. „… und so schließen sie messerscharf, dass nicht sein kann, was nicht sein darf“ – ein Thema wird ausgeblendet. Tabu-Themen dürfen nicht explizit besprochen werden. Wenn man sie trotzdem auf die Tagesordnung bringen möchte, könnte man zum Beispiel versuchen, das Thema anders zu verpacken oder es mit einem anderen Thema zu verbinden – es also quasi durch die Hintertür einzuführen.
Etikett und Sinn
Wenn ein Thema den emotionalen und Weltbild-Filter als relevant für den Einzelnen – im Kontext der Pfarrei – wahrgenommen wird, erhält es im besten Fall ein Etikett, das in der entsprechenden Pfarrei anschlussfähig ist und die Bedeutung für strategische Innovation verdeutlicht. Wenn ein Thema „durch“ ist, „alles klar“ oder eben auch „abgehakt“, verschwindet es von der Tagesordnung. Der Organisationswissenschaftler Karl Weick nimmt an, dass Themen so lange Aufmerksamkeit bekommen, bis Plausibilität hergestellt ist, sei es durch Handlungen oder durch Kommunikation.6 Es wird einem Thema Bedeutung gegeben, Sinn hergestellt.
Der Faktor Inhalt: Recycling und der passende Rahmen
Manche Themen passen vielleicht gerade nicht in die Zeit, zum Beispiel aufgrund eines Trauerfalls. Mit einem Themenspeicher können Themen „recycelt“ werden. Wenn die Zeit reif ist, können sie so wieder aktiviert und bearbeitet werden. Die Pfarrei ist Teil der Gesellschaft, daher werden gesellschaftliche Themen sicherlich auch aufgegriffen. Hier kann die Pfarrei die Chance ergreifen, sich am aktuellen Diskurs zu beteiligen und so wahrnehmbar zu werden auch für kirchenfernere Menschen. Allerdings kann hier vielleicht die Erkenntnis aus der Unternehmensforschung helfen: es macht einen Unterschied, auf welcher Ebene man das Thema verortet: in Bezug auf Hierarchie-Ebene und Themenbereich. Eine Visionsentwicklung auf Pfarrei-Ebene wird wohl kaum die Aufhebung des Zölibats in der Weltkirche herbeiführen; dieser Aspekt verknüpft sich eng mit der Macht und dem Einflussbereich der Akteure . Überträgt man die Erkenntnis aus der Unternehmensforschung, dürfte auch die inhaltliche Verortung des Themas einen Unterschied machen: ob ein Thema in Zusammenhang mit einer Gemeindefusion aufgegriffen wird oder mit der Verwendung einer Großspende, wird wahrscheinlich auch in der Pfarrgemeinde einen Unterschied machen und unterschiedliche Interessen mobilisieren. Interessen – der Akteure. Auf diese schaue ich im nächsten Abschnitt.
Menschen/ Akteure
In der Pfarrei gibt es verschiedene Akteure mit unterschiedlichen Handlungsspielräumen und Interessen, die sich zum Teil überschneiden, z.B. Hauptamtliche und Ehrenamtliche, Geweihte und Laien, Männer und Frauen. Potenziell hat jeder Akteur andere Denkmuster und Interessen, die teilweise aus seiner Position im sozialen Gefüge resultieren. Bei Veränderungen bilden sich die Akteure Erwartungen über die eigene zukünftige Position, die relevant sind für die Handlungen und das Engagement während des Innovationsprozesses. Zum Beispiel werden Hauptamtliche und Ehrenamtliche wahrscheinlich unterschiedliche Aspekte betrachten: die einen vielleicht eher Auswirkungen auf das Gehalt und die Sicherheit des Arbeitsplatzes, die anderen eher die Auswirkung auf ihr Ansehen in der Gemeinde, den Einfluss auf die Verbindung zu Freunden und die persönliche Zufriedenheit.
Erwartungen: Den Typen kenne ich…
Zu diesen Erwartungen über die eigene Position kommen Erwartungen über das Verhalten des Anderen, seine Kompetenzen und Vorlieben, die das Verhalten des einzelnen Akteurs beeinflussen. Gerade wenn Menschen eine längere gemeinsame Vergangenheit teilen, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass es schon einmal zu Kränkungen oder Verletzungen gekommen ist oder dem Anderen keine Entwicklung zugestanden wird: „Der/ die ist immer so chaotisch/ redselig/ hinterhältig/ eingeschränkt/ oder denkt immer nur an ….“ Die Liste lässt sich sicherlich beliebig weiterführen. Dabei hilft es vielleicht, wenn man im Blick behält, dass Konflikte häufig aufgrund der Konstellation der Rollen entstehen können – nicht, weil der Mensch an sich „schlecht“ ist. Aber: Wie kann es unter solchen konfliktären Umständen zu einem produktiven, gemeinsamen Handeln auf Zukunft hin kommen?
Legitimität, Sanktion, Macht
Die Managementforschung wendet den Blick vom Wesen der einzelnen Personen auf deren Legitimität, Sanktionsmöglichkeit und Macht im Handeln, die – eigentlich – mit jeder Handlung wieder verändert werden können. Konkret? Ein ehrenamtliches Kirchenvorstandsmitglied arbeitet in einem Architekturbüro und konzipiert dort Umbauten für denkmalgeschützte Immobilien. In der Pfarrei steht das Thema Umbau eines Gebäudes auf der Tagesordnung. Es liegt nahe, dass Wortmeldungen dieses Kirchenvorstandsmitglieds anders wahrgenommen werden als die des pensionierten Grundschullehrers ohne Bauerfahrung: der erste wird wohl mehr Legitimität für dieses bestimmte Thema erfahren. Wenn eine Handlung hingegen vermuten lässt, dass sich das Kirchenvorstandsmitglied für sein Unternehmen einen Auftrag verschaffen möchte, wird dessen wahrgenommene Legitimität diesbezüglich wahrscheinlich sinken.
Über Sanktionsmöglichkeiten bei Ehrenamtlichen zu sprechen, dürfte schwierig sein, wenn es keine formale Vereinbarung gibt – grundsätzlich wäre der Ausschluss eines Gemeindemitglieds von bestimmten Aktivitäten jedoch immer möglich. Bei Hauptamtlichen der Pfarrei kann der örtliche Pfarrer als Dienstvorgesetzter Sanktionsmaßnahmen durchsetzen – auch wenn ihm das aufgrund seiner Doppelrolle als Seelsorger vielleicht schwerfällt. Welches Signal setzt die Anwendung der Sanktion? Vielleicht interpretiert der Einzelne dies als Hinweis dafür, dass Andersartigkeit unerwünscht ist, anderes Verhalten und andere Ideen keinen Raum haben.
In der Rolle und eingebunden ins soziale Netz
Zum Machtaspekt zählt auch der Zugang zu Informationen und anderen Akteuren: Wenn beispielsweise ein Pfarrgemeinderatsmitglied Zugang zu externen Informationen hat und diese mit Interna verknüpfen kann, wird es mehr Einflussmöglichkeiten haben als jemand, der für andere nicht relevante Informationen kennt oder der nur wenige informelle Kontakte pflegt. Diese Phänomene werden in der Wissenschaft sozialer Netze erforscht. Diese Forscher identifizieren verschiedene Typen von Akteuren und bezeichnen sie zum Beispiel als „zentrale Verbinder“, „Informationshändler innerhalb und nach draußen“ und „kreative Experten am Rande“. Die Forschung geht davon aus, dass Innovation dann entstehen kann, wenn alle Rollen besetzt sind und in Kontakt kommen. Ohne Zusammenarbeit können weder der Experte, der viele Ideen zu einem Thema entwickelt, aber diese nicht so gut verkaufen kann, noch der zentrale Verbinder, der Menschen für ein Thema begeistern kann, aber selbst kein Ideenfeuerwerk sprühen lässt, Innovation vorantreiben. Die Verbindung der Rollen ist wichtig. Unter Umständen gibt es für jedes Thema oder jeden Themenbereich andere Verbindungen.
Wie könnte das in der Pfarrei aussehen? Neue Informationen kommen über den Informationshändler mit Kontakten nach „draußen“, zum Beispiel anderen Pfarreien, Bistümern oder in ein bestimmtes Unternehmen. Innerhalb der Pfarrei fließen die Informationen dann über den internen Informationshändler und kommen im Kirchenvorstand auf die Tagesordnung: „Wir müssen uns anders aufstellen, denn wir erreichen nicht die Menschen, die wir mit unserer Arbeit erreichen möchten“. Eine Arbeitsgruppe wird gebildet; ein externer Experte kommt dazu. Neue Ideen entstehen und werden mit einem Projekt des Bistums verbunden. Dadurch stehen finanzielle Mittel zur Verfügung und Schlüsselpersonen werden als Unterstützer gewonnen.
Wenn in der Pfarrei alle Rollen gelebt werden und in der Arena zusammenkommen, könnte Innovation entstehen. Im nächsten Abschnitt werfe ich einen Blick in diese Arena.
Arenen
Die Arena. Vielleicht denken Sie dabei an Wettkampf, begeisterte Zuschauer und Körperkontakt? Ein Kommunikationsraum, in dem Innovation entstehen soll, könnte diese Komponenten durchaus umfassen.
Wo begegnet man sich? Wie kann dieser Raum der Begegnung aussehen?
Wettkampf: In der Pfarrei wird allerdings nicht zwischen Sportlern – Mannschaften oder Einzelpersonen – gekämpft, sondern in der Arena geht es um Aufmerksamkeit für ein Thema und für Akteure. Welches Thema findet Beachtung? Welche Bedeutung wird einem Thema geben? Welchem Akteur oder welcher Gruppe wird es zugerechnet? Und wer bekommt die Lorbeeren? Wer steht anschließend als Verlierer da? Es gibt Regeln, die nicht unbedingt schriftlich fixiert sind; sie können durch Akteure gebrochen werden und: Verstöße werden nicht immer geahndet, manchmal ändern sich dadurch die informellen Regeln.
Und die Zuschauer in der Pfarrei-Arena? Sie sollen mobilisiert und begeistert werden und ein Thema unterstützen. Das impliziert Zuschauer innerhalb der Pfarrei sowie außerhalb; Gemeindemitglieder und vielleicht auch Menschen aus der örtlichen Politik oder in der Bistumsverwaltung. Vielleicht unterstützen sie ein Thema mit so viel Begeisterung, dass auch Hindernisse und Rückschläge überwunden werden.
Körperkontakt? Vielleicht auch Schweiß? Ja, die Akteure sollen in Kontakt kommen miteinander und mit Innovationsthemen. In der Arena dürfen sie sich reiben und in Aktion kommen – Probehandeln, Neues ausprobieren.
Im Gegensatz zur herkömmlichen Sportarena ist der Zugang zur Arena für Akteure und Themen idealerweise frei –in Glaubwürdigkeit für ein Thema zu investieren, könnte sich aber auszahlen. Und vielleicht macht es mehr Spaß, wenn es einen Schiedsrichter gibt, der Regelverstöße ahndet.
Und wo finde ich die Arenen in der Pfarrei?
Was sind Arenen in einer Pfarrei? Prinzipiell ist jede Gelegenheit miteinander über Innovationsthemen ins Gespräch zu kommen, eine Arena. Man könnte diese Gelegenheiten in formale und informelle Gelegenheiten unterteilen, die entsprechend unterschiedlich leicht zu veranstalten sind. Formale Gelegenheiten wären Sitzungen des Kirchenvorstands, des Pfarrgemeinderats, des Seelsorgeteams oder die Treffen der Gruppierungen in der Gemeinde, in denen Innovation zum Thema werden kann. Informelle Gelegenheiten zum Beispiel das Beisammensein nach dem Gottesdienst, das Pfarrfest oder andere Feiern in der Gemeinde. Und die soll man alle im Blick haben? Und das in einer fusionierten Großpfarrei, in der der Pfarrer gerade einmal einen Bruchteil seiner Pfarreimitglieder und ihrer Talente kennt? Hier könnte nützlich sein, dass Arenen, von denen Impulse zur Innovation ausgehen, früher oder später wahrnehmbar sein werden. Dann kann man sich fragen, welche Gelegenheiten für „echte“ Begegnung von Akteuren wahrgenommen werden. Vielleicht ist es hilfreich, sich erst mal die Arenen anzusehen, in denen Regeln für die Ressourcenverwendung aufgestellt werden oder in denen Koalitionen gebildet werden. Vielleicht ist das informelle Bier nach der Besprechung dann wichtig für die Ideengenerierung und Streuung; in der Gremiensitzung wird es legitimiert. In Großpfarreien wird die persönliche Begegnung und das persönliche Kennenlernen sicherlich schwerer sein – fraglich, ob virtuelle Begegnungen zum Beispiel in Online-Netzwerken dies ausgleichen können.
Aber auch wenn es grundsätzlich Gelegenheiten zur Begegnung gibt, heißt es nicht, dass es sich um eine für Innovation förderliche Arena handelt. Welches Klima herrscht darin? Ist die Offenheit für einen „echten“ Dialog vorhanden? Darf und kann man Neues ausprobieren in dieser Arena? Und wer (Thema und Akteur) hat Zugang, ist legitimiert – welche Themen und welche Akteure? Und wie kann man dazu beitragen, dass dieser „echte“ Dialog mit relevanten Akteuren entsteht? Einige Anregungen folgen im nächsten Abschnitt.
Zusammengefasst: Ansatzpunkte für Innovation in der Pfarrei
Was bedeuten die bisher beschriebenen Phänomene für einen Menschen, der in der Pfarrei etwas bewegen möchte? Zunächst ist es vielleicht schon hilfreich, sich die oben beschriebenen Zusammenhänge bewusst zu machen und auf die eigene Pfarrei zu übertragen. Darüber hinaus weise ich im Folgenden auf einige Ansatzpunkte hin, um Themen auf die Tagesordnung zu bringen, um Akteure zu mobilisieren und um die Arena zum Experimentierfeld zu machen.
Themen
Meiner Ansicht nach sind auf Themen-Ebene die Sprache und „Verpackung“ einer Innovationsidee besonders relevant. Da es um Bedeutung geht, ist es hilfreich, wenn die Akteure in der Pfarrei eine gemeinsame Sprache finden und einen gemeinsamen Sprachschatz aufbauen, zu einem gemeinsamen Verständnis über die strategische Richtung und Wert-Maßstäbe kommen. Dies kann insbesondere bedeuten, auch über Glauben zu sprechen und sich auszutauschen, warum man in der vorliegenden Form handelt und herauszuarbeiten, worin der Unterschied zu anderen „Heilsanbietern“ liegt. Gibt es Einigkeit über die Mission der Gemeinde? Ganz konkret? Woran man erkennen könnte, dass Ziele erreicht wurden? Ein gemeinsames Verständnis darüber herzustellen, wäre ein Weg, damit neue Ideen direkt mit passenden „Etiketten“ versehen und „verpackt“ werden können und Aufmerksamkeit erhalten.
Akteure
Auf Akteur-Ebene könnte es wichtig sein, alle oben beschriebenen Rollen – „zentrale Verbinder“, „Informationshändler innerhalb und nach draußen“ und „kreative Experten am Rande“ – zu besetzen und zusammenzubringen. Allerdings wird an verschiedener Stelle betont, dass es kontraproduktiv ist, „Experten am Rande“ zum Netzwerken zu zwingen – denn das liegt vielleicht nicht gerade in ihrem Talent. Für die Suche nach neuen Ideen braucht es Ohren, um die Stimmen am Rande der Kirche bzw. Pfarrei zu hören und zu hören, was in der Welt notwendig ist; es braucht Fühler nach draußen und Brückenbauer, die mit frischen Blick nach innen und außen sehen können, die wissen, wie es drinnen läuft und wo man andocken könnte. Dies wären dann im besten Sinne „Entwicklungshelfer“. Wahrscheinlich wird das Zusammenspiel der Akteure erleichtert, wenn der Einzelne gesehen und wertgeschätzt wird. Wenn zudem transparent ist, welcher Akteur für welches Thema steht, werden Verbindungen erleichtert.
Arenen
Auch bezüglich der Arenen, der formellen und informellen Gelegenheiten zur Begegnung, kann der Bewegende aktiv werden. Ein Klima schaffen, in dem fairer Umgang möglich ist, vielleicht unterstützt durch externen Moderator, der als Schiedsrichter einspringen kann. Ist die Arena offen für Gemeindemitglieder? Kann man sich hier ausprobieren und aus seiner (zugeschriebenen)Rolle heraus kommen, neue Ideen einzubringen? Normen und informelle Regeln für das Miteinander kann man zum Beispiel durch Regelbruch beeinflussen und so gestalten, dass Neues ausprobiert und Innovation entstehen kann. Vielleicht möchten Sie das bei der nächsten Sitzung, bei der Regeln für die Mittelverwendung auf der Agenda stehen, mal in kleinem Rahmen testen?
Grenzen und Ausblick
Die Wurzeln für Innovation sind laut Managementforscher Gary Hamel neue Stimmen, neue Gespräche, neue Leidenschaft, neue Perspektiven und neue Experimente.7 Demnach hat die Pfarrei gute Karten, denn es gibt ein Leitbild, eine Vision: die Nachfolge Jesu Christi in der heutigen Zeit. Vielleicht ist diese Vision im alltäglichen Geschäft in Vergessenheit gerückt, aber sie könnte wiederbelebt, ausgebaut, konkretisiert werden. Wenn dies nicht geschieht, die gemeinsame Idee nur noch eine untergeordnete Rolle spielt und die Mitglieder auf ihren eigenen Nutzen bedacht sind, besteht – wie oben erwähnt –die Gefahr, dass die Pfarrei zur Bürokratie verkommt. Für neue Stimmen und Gespräche kann jeder Einzelne sorgen.
Für die Anwendung des Arena-Ansatzes sehe ich allerdings Grenzen: Der Ansatz beruht auf respektvollem Umgang der Menschen. Wo dieser Respekt nicht gegeben ist und keine Bereitschaft besteht in „echten“ Dialog zu kommen und dem anderen zuzuhören, greift dieser Ansatz nicht sofort. Zum Beispiel, wenn jegliche Veränderung durch disziplinarische Maßnahmen unterbunden wird. Dann braucht es vielleicht einen langen Atem. Die Grundannahme dieses Artikels ist jedoch, dass Innovation dort ermöglicht wird, wo einer anfängt, etwas zu tun – und sich mit anderen verbindet. Diese Voraussetzung dürfte in der weltumspannenden Organisation „Kirche“ grundsätzlich gegeben sein.
- http://www.fritz-simon.de/buecher.php: Radikale Marktwirtschaft, 2005
- http://www.garyhamel.com/ : Leading the Revolution, 2002
- http://www.strategy-arena.com/kruse.html : Strategic Discourse, 2011 (http://www.amazon.de/dp/3832528563)
- http://www.mintzberg.org/books/mintzberg-management-inside-our-strange-world-organizations
- http://www.mintzberg.org/book/mintzberg-management-inside-our-strange-world-organizations
- Weick, Karl E.: Sensemaking in organizations. Thousand Oaks, CA: Sage, 1995.
- http://www.garyhamel.com/: Leading the Revolution, 2002