022019

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Praxis

Pius Angstenberger, Matthias Burr, Alexander König, Luciano Marchesini, Stefan Spitznagel und Karl Böck

Selbstverpflichtungserklärung von Priestern

Initiiert im Dekanat Ludwigsburg von Pius Angstenberger, Karl Böck, Matthias Burr, Alexander König, Luciano Marchesini und Stefan Spitznagel

Die Erklärung

Die MHG-Studie über die Missbrauchsskandale innerhalb der katholischen Kirche hat deutlich gemacht, dass sexueller Missbrauch durch die Machtstrukturen der katholischen Kirche begünstigt wird. Strukturelle Veränderungen stehen an. Mit dieser Selbstverpflichtungserklärung unterstreichen wir, dass sie dringend notwendig sind, und setzen einen Impuls.

Als Priester/Pfarrer verpflichte ich mich:

  1. Ich achte und respektiere die Würde und Persönlichkeit meiner Mitmenschen.
  2. Ich schätze und würdige die Kompetenzen der Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen
  3. Ich höre hin und setze mich für eine Gesprächskultur ein, in der die Meinung aller gehört wird und ihre Eigenständigkeit gewahrt bleibt.
  4. Ich achte die vielfältigen Frömmigkeitsformen, gehe sensibel und respektvoll mit den geistlichen Empfindungen meiner Mitmenschen um.
  5. Meine Rolle mache ich transparent und übe sie kooperativ aus; Machtkonstellationen und Abhängigkeitsverhältnisse versuche ich aufzudecken und zu verändern.
  6. Ich sorge für feedback und lade zu konstruktiver Kritik ein.
  7. Bei Entscheidungen beziehe ich die Betroffenen ein. Konsensfindungen haben Vorrang vor Abstimmungen. Entscheidungsprozesse gestalte ich nachvollziehbar. Die Ergebnisse sind für mich bindend.
  8. Klärungsprozesse treibe ich argumentativ voran, anstatt das Vetorecht in Anspruch zu nehmen.
  9. Ich ermutige zur Mitwirkung vieler und schätze die vielfältigen Begabungen und Talente.

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Ort, Datum Vor- und Zuname Unterschrift

Unser Anliegen

Die Missbrauchsskandale – vor allem sexualisierter Gewalt – innerhalb der Katholischen Kirche dauern nun schon einige Zeit. Inzwischen ist manches in Bewegung gekommen. Kirche und Öffentlichkeit sind in diesem Punkt sensibler geworden, die Kultur in der Katholischen Kirche scheint sich langsam aber sicher doch etwas zu verändern – wenn auch durch gesellschaftlichen Druck und schleppend.

Die MHG-Studie hat mit ihrer Untersuchung zum grundsätzlicheren Machtmissbrauch struktureller Art eine Verbindung hergestellt.

Allerdings scheinen wir von einer Diskussion, geschweige denn einer strukturellen Änderung noch sehr weit entfernt zu sein, da eine Verbindung zwischen Machtmissbrauch und sexuellem Missbrauch bei vielen Kirchenleitungen nicht anerkannt ist oder geleugnet wird.

Es war und ist uns ein Anliegen, als Priester zu reagieren, und unsere persönliche Betroffenheit zum Ausdruck zu bringen, indem wir unser vergangenes und künftiges Verhalten reflektieren.

In demokratischen Systemen wird Macht idealerweise kontrolliert und Machtmissbrauch mit strukturellen Maßnahmen eingehegt. Bei einem absolutistisch-hierarchischen System wie dem der Katholischen Kirche bleibt es dem Individuum überlassen, was es denkt und wie es sich verhält. Damit bleibt es seiner Willkür überlassen – sowohl positiv wie auch negativ.
Hier setzen wir an und tragen mit einem individuellen Procedere einen ersten Schritt in Richtung zu einer Lösung bei. Uns ist schon klar, dass die Kirche insgesamt in der Pflicht steht, strukturelle Änderungen vorzunehmen, und wir diesen Schritt nicht ersetzen können und wollen. Ganz im Gegenteil soll es Anstoß und Ermutigung sein, sich an Änderungen zu wagen.

Es war und ist uns ein Anliegen, als Priester zu reagieren, und unsere persönliche Betroffenheit zum Ausdruck zu bringen, indem wir unser vergangenes und künftiges Verhalten reflektieren.

Ein erster Schritt

Dafür scheint uns die oben dargestellte Selbstverpflichtungserklärung geeignet. Sie ist übrigens der Selbstverpflichtungserklärung des BDKJs für sexualisierte Gewalt nachempfunden. Uns wird immer wieder vorgehalten, dass es sich dabei um Selbstverständlichkeiten handelt. Doch scheinen diese Kriterien nicht unbedingt und überall gängige Praxis zu sein.

Bisher haben uns einige wenige, aber gleichzeitig ermutigende Reaktionen darauf erreicht. Gleichzeitig konnten wir auf diese Weise bisher in unserem Dekanat unter den Betroffenen ein wenig die Diskussion anstoßen. Insgesamt haben bisher 19 von 43 Priestern in unserem Dekanat unterschrieben, darunter 9 von 14 leitenden Pfarrern. Auf einer der nächsten Konferenz der Pfarrer werden wir uns damit auseinandersetzen. Weitere Schritte sind unsererseits gewünscht, jedoch noch nicht geplant.

Weitere Schritte

Wir überlegen, wie wir in unseren Arbeitsbereichen eine Kontrollinstanz einbauen, so dass andere unser Verhalten regelmäßig zurückspiegeln können. Teamarbeit und eine eingeübte Feedback-Kultur sind in vielen pastoralen Arbeitsbereichen bereits ein Anfang.

Wir nehmen uns gegenseitig in die Pflicht, hinterfragen unser Handeln und fragen selbst andere an, wenn ihr Handeln der Selbstverpflichtung widerspricht.

Aber: Wie können Ehrenamtliche oder Mitarbeiter/innen aus anderen Bereichen zurückmelden, wenn eine Schieflage entstanden ist? Wie können wir Wege der Rückmeldung entwickeln, wenn Macht in Konfliktsituationen missbraucht wird, wo die bisherigen Kommunikationsformen scheitern? Was würde Betroffenen in einem Abhängigkeitsverhältnis helfen, damit sie sich trauen, entsprechend zu reagieren?

Wir nehmen uns gegenseitig in die Pflicht, hinterfragen unser Handeln und fragen selbst andere an, wenn ihr Handeln der Selbstverpflichtung widerspricht.

Insgesamt wollen wir ein Zeichen setzen gegen Machtmissbrauch. Es tat und tut uns gut, uns gemeinsam mit diesen Machtfragen auseinanderzusetzen, das eigene Handeln zu überprüfen und klar Position zu beziehen. Den vorliegenden Artikel samt Selbstverpflichtungserklärung bringen wir in den Priesterrat unserer Diözese und in die Arbeitsgemeinschaft Rottenburger Priester ein.

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