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Konzept

Markus Etscheid-Stams, Regina Laudage-Kleeberg und Thomas Rünker

Herausforderung Kirchenaustritt: Was Kirchenverantwortliche tun können

Als erstes Bistum in Deutschland hat sich das Bistum Essen gezielt mit der Frage befasst, warum Menschen die katholische Kirche verlassen – und was die Kirche gegen diese Entwicklung tun kann.

Mal sind es knapp 100.000, mal mehr als 200.000. Dass Jahr für Jahr so viele Christinnen und Christen, wie eine Großstadt Einwohner hat, in Deutschland aus der katholischen Kirche austreten, scheint sich zu einem bedauerlichen, aber unveränderbaren Phänomen entwickelt zu haben. Jährlich veröffentlicht die Deutsche Bischofskonferenz die Austrittszahlen und eine grundsätzliche Trendwende scheint nicht in Sicht. Wenn Banken in schwer verständlichen Briefen über das Thema Kirchensteuer auf Kapitaleinkünfte informieren steigt die Zahl der Austritte in ähnliche Höhen wie bei Debatten um angeblich goldene Badewannen in Bischofshäusern. Bleiben Skandale aus, fehlen diese Rekordwerte – doch (zu) hoch bleiben die Austrittszahlen auch in diesen Jahren.

Ein gutes halbes Prozent ihrer Mitglieder verliert die katholische Kirche im langjährigen Mittel jedes Jahr durch die bewusste Willensentscheidung eines Kirchenaustritts.

Ein gutes halbes Prozent ihrer Mitglieder verliert die katholische Kirche im langjährigen Mittel jedes Jahr durch die bewusste Willensentscheidung eines Kirchenaustritts. Für eine Kirche, deren wichtigste Finanzierungsquelle die Beiträge ihrer Mitglieder ist, entsteht daraus ein existenzielles Problem. Wie so oft könnte auch hier das Erkennen des Problems der erste Schritt zu einer Lösung sein: Denn angesichts weniger (Wieder-)Eintritte sowie geringer Einflussmöglichkeiten der Kirche auf die Gebär- (und meist auch Tauf-)Freudigkeit sowie die Sterberate der Gläubigen verspricht eine Reduzierung der Austrittsraten noch die besten Möglichkeiten, die Zahl der Kirchenmitglieder zu stabilisieren. Bislang gab es in dieser Hinsicht kaum Initiativen – doch dies hat sich in den vergangenen Monaten geändert.

„Kirchenaustritt – oder nicht? Wie Kirche sich verändern muss“ ist der Titel der im Herder-Verlag erschienen Studie, mit der das Bistum Essen jetzt Licht ins Dunkel der jährlich gut 4.000 Kirchenaustritten zwischen Rhein, Ruhr und Sauerland bringen möchte. Auch das Erzbistum München und Freising sowie das Erzbistum Köln nähern sich mit je eigenen Untersuchungen dem Thema Kirchenaustritte, haben ihre Ergebnisse bislang jedoch noch nicht publiziert. Derweil sorgt die Essener Studie seit Februar bundesweit für Diskussionen – zuletzt auf dem Katholikentag in Münster.

Dramatische finanzielle Folgen

Ein Grund dafür dürfte bereits die ungewöhnliche Motivation der Studie sein: Standen in den bisherigen Untersuchungen des Themas vor allem die pastoralen Auswirkungen von Kirchenaustritten im Fokus, so beleuchtet die Essener Studie auch die finanziellen Hintergründe – und macht so die besondere Brisanz des Themas für die Kirche als Organisation deutlich. Zumal dies nicht nur für Bistümer wie Essen gilt, deren Finanzierung mangels historischer Rücklagen massiv von der Kirchensteuer abhängt. Konkret rechnet man im Ruhrbistum mit mindestens 500 Euro Verlust an jährlichen Kirchensteuern pro Austritt – eine zurückhaltende Schätzung mit Blick auf das relativ geringe Lohnniveau im Ruhrgebiet. Anderswo in Deutschland wird mit mindestens doppelt so hohen Werten kalkuliert. Doch selbst wenn man nur 500 Euro für jeden der rund 4.000 Austritte im Jahr 2016 annimmt, entsteht mit zwei Millionen Euro eine Summe, die in etwa dem Bistumszuschuss für zwei seiner Schulen oder 20 seiner Kindertagesstätten entspricht. Ein Verlust, der sich Jahr für Jahr vervielfacht, wie die Studie vorrechnet: Schon durch eine moderate Aufzinsung von zwei Prozent jährlich summiert sich der rechnerische Verlust der Kirchenaustritte allein aus dem Jahr 2016 für das Bistum Essen binnen zehn Jahren auf mehr als 26 Millionen Euro. Die weiteren Austritte und daraus resultierenden finanziellen Verluste der Folgejahre sind dabei noch gar nicht mitgerechnet. „Für ein Finanzsystem, das auf kontinuierlichen Einnahmen aus einer annähernd stabilen Mitgliederbasis basiert, wirken Kirchenaustritte wie ein Turbolader – nur mit umgekehrtem Vorzeichen“, heißt es vor diesem Hintergrund in der Studie.

Konkret rechnet man im Ruhrbistum mit mindestens 500 Euro Verlust an jährlichen Kirchensteuern pro Austritt.

Dies gilt erst recht, wenn man – wie die Studie – auf die Lebensalter schaut, in denen Katholikinnen und Katholiken ihre Kirche verlassen: Nie treten im Ruhrbistum so viele Menschen aus der Kirche aus wie im Alter zwischen 25 und 35 Jahren. Liegt der Durchschnitt der Kirchenaustritte bei 0,55 Prozent eines Jahrgangs, so traten 2016 je rund 1,6 Prozent der katholischen Jahrgänge aus, die dann Ende 20 waren. Mit für die Kirche dramatischen Folgen: Wer in so jungen Jahren aussteigt, zahlt sehr lange keine Kirchensteuer mehr – und diese auch in der Regel nicht auf die Höchsteinkommen seiner Erwerbsbiographie. Und wer vor der Familienphase aus der Kirche austritt, wird später vermutlich kaum die eigenen Kinder taufen lassen.

Haupt-Austrittsgründe: Entfremdung und fehlende Bindung

Doch warum treten die Menschen aus? In erster Linie, weil der Kontakt zwischen ihnen und der Kirche verloren gegangen ist, weil die Kirche mit ihren Angeboten kaum noch eine Rolle in ihrem Leben spielt, kurz: aufgrund von „Entfremdung“ und „fehlender Bindung“, wie es die Studie formuliert. Die oft angeführte Kirchensteuer oder die bereits eingangs zitierten Skandale spielen fraglos auch eine Rolle im Austrittsprozess – die beteiligten Wissenschaftler sehen sie aber eher als Auslöser, denn als eigentlichen Grund für den Austritt.

Drei wissenschaftliche Kapitel umfasst die Studie, erstellt von jeweils eigenständig arbeitenden und von einer Projektgruppe im Bistum Essen koordinierten Teams unterschiedlicher Institute:

  • Ein Team des Zentrums für angewandte Pastoralforschung (ZAP) an der Ruhr-Universität Bochum um Matthias Sellmann, Benedikt Jürgens und Björn Szymanowski präsentiert eine Meta-Studie über Arbeiten und frühere Untersuchungen mit einer einschlägigen Relevanz für die Suche nach den Faktoren, die Kirchenbindung bestimmen. Aus der Analyse hat das Team sieben Dimensionen der Kirchenbindung entwickelt: Individuell, Interaktiv, Gesellschaftlich, Liturgisch, Strukturell, Finanziell, Kommunikativ. Diesen Dimensionen sind jeweils konkrete Unterkategorien zugeordnet, die sich unterschiedlich auf die Kirchenbindung auswirken. Positiv wirken sich demnach gelungene Kasualien, etwa Taufe, Hochzeit oder Beerdigungen, sowie das sozial-caritative Engagement der Kirche auf die Bindung ihrer Mitglieder aus: Wer hier gute Erfahrungen macht, ist gerne katholisch. Negativ hingegen wirken sich Kategorien wie das Image der Kirche, die fehlende Modernität, kirchliche Strukturen sowie ihre Morallehre aus. Kategorien wie der Gottesglaube, die Kirchensteuer oder die Sozialisation werden eher neutral gesehen und verstärken gegebenenfalls Trends in die eine oder andere Richtung. Ebenfalls nur sekundäre Bedeutungen im Sinne der Verstärkung einer bestehenden Bindung werden zudem Kategorien wie Ehrenamt, gesellschaftlich-politisches Engagement oder Gemeinschaft zugeordnet.
  • Die Explorative Untersuchung im zweiten Teil der Studie verantwortet ein Team um Ulrich Riegel und Thomas Kröck von der Universität Siegen und Tobias Faix von der CVJM-Hochschule Kassel. Aus den 2.751 Teilnehmerinnen und Teilnehmern einer ersten Online-Umfrage im März 2017, von denen rund jede/-r Siebte angab, bereits aus der Kirche ausgetreten zu sein, entwickelten die Wissenschaftler schließlich für die Studie acht ausführliche Porträts. Sie zeigen, wie unterschiedlich und jeweils primär biografisch begründet und dabei hochgradig intensiv und lange die Prozesse rund um einen Kirchenaustritt verlaufen. Riegel, Kröck und Faix beschreiben, wie Gläubige ihre Kirchenmitgliedschaft unter Kosten- und Nutzen-Argumenten betrachten und stellen dies mit dem Bild einer Waage dar: Mit der Zeit sammeln sich in der einen Waagschale gute Erfahrungen mit Kirche – vielleicht berührende Gottesdienste, Erinnerungen an eine tolle Jugendarbeit oder positive Eindrücke vom Caritas-Altenheim, in dem die Oma wohnt. In der anderen Waagschale kommen mit der Zeit Enttäuschungen hinzu, z.B. über langweilige Gottesdienste, eine unpersönliche Beerdigung oder einen unfreundlichen Umgang im Pfarrbüro. Wenn die Enttäuschungen irgendwann die positiven Eindrücke überwiegen, wenn die bildliche Waage kippt – dann droht der Kirchenaustritt.
  • Theologisch reflektiert

    Statt dem traditionellen Bild der Pastoral der Rahmung das Bild einer Sozialen Bewegung.

    werden die Ergebnisse der ersten beiden Teams und die strukturelle und finanzielle Sicht auf das Thema Kirchenbindung von drei Wissenschaftlern des Berliner Dominikaner-Instituts M.-Domique Chenu. Ulrich Engel, Thomas Eggensperger und Jan Niklas Collet stellen dem traditionellen Bild der „Pastoral der Rahmung“ (Philippe Bacq) das Bild einer „Sozialen Bewegung“ gegenüber, das der Kirche in einer pluralisierten Welt besser entspreche. Sie werben damit für eine Kirche, in der es nicht nur „drinnen“ oder „draußen“ gibt wie in der aktuellen, vor allem deutschen Kirchen-Konstruktion, sondern viele verschiedene Abstufungen des Engagements und der Beteiligung. Ein durchaus biblisches (Kirchen-)bild wie die Wissenschaftler argumentieren. Unter anderem verweisen sie auf die Evangelien, die nicht nur von den Jüngerinnen und Jüngern Jesu berichten, sondern auch von Anhängern, die man heute wohl eher als Sympathisant/-innen bezeichnen würde.

Als Arbeit, die vor allem Erkenntnisse für die Praxis liefern soll, belässt es die Essener Studie nicht bei der Analyse. Ausgehend von den Forschungsergebnissen zeigt sie vielmehr drei Entwicklungsfelder auf, in denen die Kirche besser werden muss, um ihre Mitglieder zu halten – indem sie ihrem kirchlichen Auftrag von der Verkündigung der frohen Botschaft des Evangeliums, von dem Erfahrbarmachen und Feiern der Nähe Gottes sowie von dem selbstlosen Dienst am Nächsten gerecht wird: (1) Qualität der Pastoral, (2) Mitglieder-Management und (3) Image und Identität.

Zwischen Kasualien und Kommunikation

Die „Qualität der Pastoral“ wird im Sinne der Studie beispielsweise dann verbessert, wenn Pastoralteams und Engagierte in den Gemeinden großen Wert auf passende und berührende Gottesdienste gerade zu den Gelegenheiten legen, an denen Menschen in die Kirche kommen, die sonst kaum oder keine Angebote der Pfarrei wahrnehmen. Erleben diese „Gelegenheitsnutzer/-innen“ eine persönliche Beerdigung, eine festliche Trauung, eine liebevoll gestaltete Taufe, einen bewegenden Einschulungs-Gottesdienst oder eine emotional packende Weihnachtsmesse, wirkt sich dies positiv auf ihre Kirchenbindung aus. Gerade den Kasualien, also den Feiern an besonderen Höhe- oder Wendepunkten des Lebens, kommt hier eine besondere Bedeutung zu. Das Gleiche gilt für die Begleitung in kritischen Lebenssituationen: Wenn Kirchenmitglieder hier Hilfe, Rat und Zuspruch erfahren, punktet die Kirche.

Dieser Qualitätsanspruch sollte natürlich nicht nur für die Spezialfälle der Seelsorge gelten, sondern auch im pastoralen „Alltag“ von Sonn- und Feiertagsmessen und der Gestaltung des Kirchenjahres. Doch da die große Mehrheit der Katholikinnen und Katholiken in erster Linie an den Lebenswenden – oder eben an Weihnachten – Kontakt zur Kirche hat, lohnt sich hier das besondere Augenmerk. Gerade hinsichtlich der Kasualien erwarten diese Menschen eine engagierte Dienstleistung und eine sinnstiftende, berührende Erfahrung von Gottes Beistand.

Dabei ist es wichtig, dass sich die Sprache der Kirche an die Lebenswelt der Menschen anpasst und damit anschlussfähig ist. Dies gilt im persönlichen Kontakt genauso wie im medialen via Social Media, Pfarrbrief oder bistumsweitem Mitgliedermagazin – wie BENE im Bistum Essen.

Beim Entwicklungsfeld „Mitglieder-Management“ geht es um die Beziehung zwischen „der Kirche“ und ihren „Mitgliedern“. Es braucht strategische und professionelle Impulse und Kommunikation, mit denen der Kontakt gehalten wird. Im Fokus stehen damit die Kirchenmitglieder, deren Bindung kritisch ist – die sich von Kirche und umgekehrt: von denen sich Kirche entfernt hat. Für die Kirche als Mitgliederorganisation ist es einfacher, Mitglieder zu halten als neue zu gewinnen. Die Perspektive der Effizienz argumentiert nicht gegen den Missionsauftrag der Kirche, legt aber nahe, begrenzte Ressourcen zunächst für die vielen einzusetzen, die schon Mitglied der Kirche sind. Der Nachholbedarf im Bereich Mitglieder-Management wird deutlich, wenn sich die Kirche mit Parteien, Fußballvereinen oder Hilfsorganisationen vergleicht: Ob ein Kirchenmitglied einen Geburtstagsgruß erhält oder einen Willkommensbrief, wenn er oder sie umgezogen ist, hängt von der einzelnen Pfarrei vor Ort ab – eine übergreifende Strategie in einer Diözese ist hier selten zu spüren. Klar ist: Die Mitglieder sind in ihrem Wunsch nach Nähe zur Kirche sehr verschieden. Die einen möchten intensiv und verantwortlich beteiligt sein, andere sporadisch, wieder andere sehen sich eher als passive Mitglieder. Es bedarf also eines differenzierten, wertschätzenden Kontakts – bis hin zur Engagement-Förderung. Dies hat vor allem Auswirkungen auf die Kommunikation mit den Mitgliedern: sie muss strukturiert, regelmäßig und strategisch sein – aber auch die unterschiedlichen Interessen der Mitglieder berücksichtigen. Wer merkt, dass er oder sie als Mitglied individuell wahrgenommen wird, entscheidet sich eher zu bleiben als jemand, der das Gefühl hat, er/sie sei der Kirche einerlei oder ganz egal.

Unter die Überschrift „Mitglieder-Management“ fallen auch Überlegungen, ob und wie künftig die Finanzierung der Kirche flexibilisiert werden kann. Die Studie zeigt, dass viele Mitglieder mehr oder weniger stark überlegen, in wie weit sich ihre Mitgliedschaft in der Kirche „lohnt“. Zum Beispiel, wenn sie konkret etwas dafür erhalten: etwa einen Platz in der katholischen Kita um die Ecke oder im katholischen Seniorenheim. Zudem kann es für Menschen attraktiv sein, die Kirche nur auf Zeit finanziell zu unterstützen. Zugleich gibt es zahlreiche Kirchenmitglieder, die über ihre Kirchensteuer hinaus gezielt für Initiativen und Einrichtungen – etwa über Fördervereine – spenden. Verbunden mit einem klugen Mitglieder-Management könnte hier ein strukturiertes Fundraising ansetzen.

Es bedarf eines differenzierten, wertschätzenden Kontakts.

Das dritte Entwicklungsfeld „Image und Identität“ ist zugleich das Schwierigste. In den ersten beiden Feldern ist es im Prinzip schnell möglich, durch Veränderungen vor Ort oder in der jeweiligen Diözese deutliche Verbesserungen herbeizuführen. Auf ein zutiefst rückschrittliches Image, besonders wenn es um ihre Sexualmoral, ihren Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen und Homosexuellen geht, lässt sich im Einzelfall mit Augenmaß und Mut reagieren; aber es sind auch grundsätzliche, strukturelle Entwicklungen nötig, um u.a. Dialog, Seelsorge und Gottesdienste insofern weiter zu entwickeln, dass sie den Menschen und ihren Bedürfnissen ehrlich und barmherzig gerecht werden. Gleichzeitig gilt es, die lebensbegleitenden Aspekte der christlichen frohen Botschaft in der Öffentlichkeit zu platzieren, um eine einseitige Fixierung auf die negativ besetzten moralischen Aspekte durch ein ausgewogenes, realistisches und damit deutlich positiveres Bild zu ersetzen.

Wesentliches Problem der kirchlichen Angebote ist ihre Erkennbarkeit: Wenn Mitglieder ihre Mitgliedschaft unter einem Kosten-Nutzen-Kalkül betrachten, ist wichtig, dass die Mitglieder die zahlreichen positiv bewerteten Angebote auch der Kirche zugerechnet werden. Diese – zu oft fehlende – Erkennbarkeit ist verbunden mit dem Stichwort der Erreichbarkeit, die oft genauso schwierig ist. Innerkirchlich wird – ausgehend von der Trägervielfalt – die je eigene Marke präsentiert, anstatt das Angebot. Man könnte sagen: es wird zu viel vom Veranstalter, zu wenig vom Kunden her gedacht. So werden viele gute kirchliche Angebote oft nicht gefunden und wenn doch, nicht der Kirche zugeordnet. Dies bedarf einer ehrlichen und kritischen Reflexion und Weiterentwicklung – etwa durch gemeinsame, verschiedene Träger übergreifende Marken-Strategien – einer klaren Erkennbarkeit, was in Kirche drin steckt, beziehungsweise welches Angebot ein kirchliches ist.

Führung geht voran

Thomas Rünker, Regina Laudage-Kleeberg, Markus Etscheid-Stams (v.l.n.r.), Fotos: Bistum Essen

Wer bereit ist, sich auf das herausfordernde Feedback der Ausgetretenen und Austrittswilligen einzulassen, kann viel gewinnen. Denn wer versteht, was den vielen Kirchenmitgliedern wichtig ist, kann sich daran ausrichten. Die Studie im Bistum Essen hat gezeigt, wie intensiv das Ringen vieler um ihre Kirchenmitgliedschaft ist. Verantwortliche in der Kirche können – lassen sie sich auf diese Perspektive und das Feedback ein – sehr viel über sich und für die Zukunft lernen. Die Arbeiten für diese Studie haben gezeigt, dass Austrittswillige und Ausgetretene das Angebot zu einem Dialog annehmen und durchaus bereitwillig und differenziert über ihre Motivationen Auskunft geben.

Die Herausforderung für kirchliche Führungskräfte aller Bereiche ist nun, auf der Basis dieser und anderer Studien konsequent zu handeln. Es liegen viele wichtige Empfehlungen und Handlungsansätze auf dem Tisch. Daran, wie diese nun aufgegriffen werden, beweist sich, wie ernst es den Kirchen-Verantwortlichen ist – in Bezug auf die Mitglieder und mit ihrem ureigenen Auftrag, dessen Verwirklichung eine ständige Wahrnehmung der Realitäten und eine Anpassung an diese verlangt. Es sind mutige und konsequente Entscheidungen zu konkreten Innovationen und Projekten nötig, um bisherige – noch volkskirchlich geprägte – Logiken zu überwinden und Zukunft beherzt zu gestalten. Denn: Eine Organisation verändert ihr Sein nur im Tun.

Markus Etscheid-Stams / Regina Laudage-Kleeberg / Thomas Rünker (Herausgeber): Kirchenaustritt – oder nicht? Wie Kirche sich verändern muss, Freiburg im Breisgau 2018

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