Mehr Prozessleistungscontrolling wagen – Impulse aus der Perspektive von strategischen Controllern
Ausgangsfragen zu mehr Effizienz, stärkerer Digitalisierung und besserer Transparenz
Zur Ausgangsfrage, was wir der Kirche grundsätzlich raten würden, erscheint es uns vermessen, eine umfassende Antwort zu präsentieren. Damit würden wir in die gleiche Falle tappen, wie schon viele Unternehmensberater vor uns, die mit ihren schnell skizzierten Konzepten nur bewiesen haben, wie wenig sie von Kirche wirklich verstanden haben.
Eher möchten wir uns auf Impulse zu einigen konkreten Fragestellungen aus dem trockenen Managementbereich geben, zu denen die Privatwirtschaft Lösungen und Instrumente entwickelt hat, die angepasst und adaptiert werden könnten:
- Wie kann ich meine Verwaltungsabläufe grundsätzlich effizienter machen, d.h. mehr Ressourcen für die inhaltliche Arbeit der Kirche zur Verfügung zu haben?
- Was müssen Strukturen und Prozesse auszeichnen, damit eine Digitalisierung überhaupt möglich ist?
- Wie kann ich transparente Strukturen und Prozesse etablieren, somit also die Möglichkeit haben, Compliance-Anforderungen gerecht zu werden und über ein Controlling einen Ressourcenverbrauch überhaupt messbar zu machen?
- Wie kann ich fundiert Entscheidungen treffen, in welchen Bereichen und mit welchen Dienstleistungen eine kirchliche Institution zukünftig Schwerpunkte setzen will bzw. nicht mehr setzen will?
- Wie kann ich sicherstellen, dass das Prinzip der Subsidiarität als grundlegendes kirchliches Strukturmerkmal bei allen Überlegungen beachtet bleibt?
Gewiss gibt es grundsätzlich Wichtigeres für eine kirchliche Institution als effiziente Prozesse, aber es ist eine große Gefahr, diese als unwichtig abzutun. Solch eine Haltung muss man sich im wahrsten Sinne des Wortes leisten können.
Herausforderungen von heterogenen, dezentral-autarken Organisationen
Kirchliche Institutionen wie Bistümer oder Landeskirchen mit all den zugehörigen Unterorganisationen wie Pfarreien, Kirchenkreisen, Verbänden etc. sind heterogene, dezentral-autarke Organisationen. Solche Organisationen, die sich aus vielen einzelnen Organisationsteilen zusammensetzen, stellen eine besondere Herausforderung dar. Die Vorgänge sind oft nur innerhalb des Organisationsteils standardisiert und geordnet. Neben einer heterogenen IT-Landschaft über die Gesamtorganisation finden sich oft auch unterschiedliche Leistungsfelder, die zu heterogenen Kern- und Stützprozessen führen. In Summe führt dies wiederum zwar zu einer Fülle von Prozessen, die nominell den gleichen Sachverhalt betreffen, aber im Kern doch unterschiedlich sind und daher nicht vergleichbar. Oft sind die Leitungsprozesse zudem dezentral und nicht zentral organisiert. Eine Veränderung der organisationalen Prozesse wird hierdurch erschwert und verlangt ein signifikantes (Einmal-) Investment in IT und Veränderungsmanagement.Gewiss gibt es grundsätzlich Wichtigeres für eine kirchliche Institution als effiziente Prozesse, aber es ist eine große Gefahr, diese als unwichtig abzutun.
Internes Benchmarking von Prozesspotenzial als zentrales Element der Steigerung der Prozessleistung
Wir führen hier Benchmarking als neuen Begriff ein, den wir als den Versuch definieren, eine Vergleichbarkeit von Vergleichbarem innerhalb einer dezentralen Organisation herzustellen. Dies ist zu verstehen als durchaus auch hemdsärmeliger Versuch überhaupt die Prozesse zu filtrieren, die mit verhältnismäßigem Aufwand zu einem erwarteten Ertrag an Effizienz oder Qualitätsgewinn verändert werden könnten. Sukzessive Ziele wären:
- Quantitative (Aufwand, Kosten) Identifizierung von Kern- und Hilfsprozessen, deren Optimierung die Organisationsleistung in Summe beeinflussen können
- Status Quo der Prozessmessbarkeit
- Status Quo der Prozessabwicklung (und deren Varianz bezogen auf den Prozessinhalt)
- Status der IT-Stützung dieser Prozesse
In der vorgeschlagenen Herangehensweise würde man zunächst eine Sortierung nach Relevanz vornehmen, um dann die Homogenisierungskomplexität zu ermitteln. Homogenisierung wird grundsätzlich wohl bedeuten müssen, dass man neben der Vereinheitlichung des Prozessergebnisses auch die Prozessumsetzung und Messbarkeit vereinheitlicht und damit eine einheitliche und möglicher Weise auch zentral abgewickelte, aber sicherlich zentral initiierte IT Stützung zum Ziel setzen muss.Wir führen hier Benchmarking als neuen Begriff ein, den wir als den Versuch definieren, eine Vergleichbarkeit von Vergleichbarem innerhalb einer dezentralen Organisation herzustellen.
Aufgrund der Tatsache, dass IT-Stützung sowohl Abwicklungstoleranzen reduziert als auch Messpunkte etabliert, führt ein ernst gemeinter Ansatz im Prozesscontrolling wohl auch immer zu einer EDV-gestützten Zentralisierung.
Der Vorteil dieses Ansatzes ist, dass er Top-Down über eine ergebnisgetriebene Evaluierung den Einsatz dort fokussiert, wo auch der Bearbeiter in dezentralen Einheiten durch die Leistungs- und Output-Steigerung in fühlbarer Weise profitiert. Zudem ist der sequenzielle Ansatz steuerbar in der Belastung, die in die Organisation getragen wird. Sei es im Sinne der Bearbeiter und Projektmitglieder oder aber auch in den Management-Entscheidungen und der Management-Partizipation, die sich auf Organisationsteile beschränkt.
Subsidiarität vor dem Hintergrund notwendiger Zentralisierung von Prozessverantwortung
Die Konzeption von Prozessen und Strukturen in kirchlichen Institutionen muss dem Prinzip der Subsidiarität gehorchen. Auch bei Veränderungsprozessen in vielen privatwirtschaftlichen Unternehmen gilt es als gesetzt, dass die Verantwortlichkeit und Selbstständigkeit der zugehörigen Organisationseinheiten mit allen Rechten und Pflichten als hohes Gut betrachtet wird. Wie stehen Bestrebungen einer übergeordneten Standardisierung dazu?
Unserer Meinung nach gilt neben der Subsidiarität auch die Pflicht, an guten Lösungen für die gesamte Organisation zu arbeiten. Eine einheitliche IT-Landschaft z. B. oder übergreifend klar definierte Finanzprozesse sind so immens wichtig, dass solche Themen nicht als Abgrenzungsmerkmal hochgehalten werden sollte.
Integration in die Organisations- und IT-Strategie als Voraussetzung für eine langfristige Veränderungsfähigkeit
Der Nachteil des vorgestellten Ansatzes ist, dass er Insellösungen schafft, die nicht von selbst in Bestehendes und Kommendes integriert werden können. Umso wichtiger ist es, diese in einen Kontext zu setzen und zu wissen, wie deren Wirkung zu den strategischen Plänen der Organisation, aber auch bereits antizipierten IT-Veränderungen, passt. Der Ansatz bietet den Vorteil, mit qualifizierter Mitwirkung der Organisation eine große IT-Veränderung sequenziell und aus der Organisation heraus einzuführen, indem man relevante Prozessinseln implementiert, um sie irgendwann in einem großen Ganzen zusammenzufügen. Voraussetzung hierfür ist eine bereits detaillierte Gesamtplanung dessen, was mit der Organisation erreicht werden will, wie sich entsprechend Prioritäten in Leistung und Umsetzung dieser Leistungen verändern werden.
Prioritäten und Posteritäten
Bei perspektivisch rückläufigen Ressourcen, die zur Verfügung stehen, ist es unumgänglich, das Leistungsspektrum einzuschränken. Von einem einfachen Weg berichtete der ehemalige Generalvikar des Erzbistums Köln, Norbert Feldhoff: „Wenn viele Aufgabenbereiche so gewachsen sind und man ja nicht ausschließen kann, dass dabei der Heilige Geist mitgewirkt hat, sollte eine Verwaltung auch Respekt vor dem Gewachsenen haben. Bisher haben wir deshalb in den vergangenen Sparrunden immer alles gleichmäßig reduziert.“1
Informationen über die jeweils für eine bestimmte Dienstleistung eingesetzten Ressourcen – idealerweise auf Vollkostenbasis – sowie Anhaltspunkte, die ein pastorales Wirksamkeitscontrolling liefern kann, können hier entscheidungsunterstützend sein. Niemand darf sich der Illusion hergeben, strategische Entscheidungen in der Kirche könnten somit direkt quantitativ abgeleitet werden, wenn nur der Business Case dahinter valide genug ist. Das würde dem Wesen pastoraler Entscheidungen nicht gerecht. Aber ohne einen genauen Blick auf nötige Ressourcen und zu erwartende Effekte strategische Entscheidungen zu treffen, kann davon zeugen, dass einem das konkrete Wirken der Kirche in dieser Welt doch irgendwie egal ist.Bei perspektivisch rückläufigen Ressourcen, die zur Verfügung stehen, ist es unumgänglich, das Leistungsspektrum einzuschränken.
Externes Benchmarking als Ergänzung und Alternative
Externes Benchmarking bezieht vergleichbare Prozesse aus verwandten oder konkurrierenden Organisationen mit ein. Grundsätzlich ist das Vorgehen vergleichbar mit einem internen Benchmarking von Organisationsteilen. Allerdings hat externes Benchmarking den Vorteil, dass man möglicherweise die Prozessleistung von deutlich entwickelteren Organisationen – und damit das Ergebnis – auf die eigene Organisation mit in eine Betrachtung einfließen lassen kann. Dies gilt nicht nur für die Frage der prozessualen Abwicklung, sondern auch für die Steuerung und Managementprozesse.
Auch werden Investitionsentscheidungen erleichtert, da man im externen Vergleich durch Veränderung Erreichtes von der Seite des Ergebnisses betrachten kann und damit qualifizierte und fokussiertere Entscheidungen für die Veränderung der eigenen Organisation treffen kann.
Fazit als Antwort auf unsere drei Ausgangsfragen
- Ein Hebel für mehr Effizienz ist Standardisierung. Das Wort Standardisierung mag einen Beigeschmack von Inflexibilität, Unbeweglichkeit, fehlender Veränderungsfähigkeit und schlechtem Service haben, im pastoralen Kontext auch noch den von Herzlosigkeit und fehlender Individualität. Das Gegenteil ist aber der Fall. Die Defizite z. B. einer heterogenen IT-Landschaft mit fehlenden Vernetzungs- und Kommunikationsmöglichkeiten, lassen sich nicht zielführend dadurch beheben, dass an schlechten Schnittstellen „rumgedoktert“ wird. Eine gute IT-Landschaft hat einen klaren Standard, der es ermöglicht, darauf passgenaue Lösungen aufzusetzen und Bedürfnisse zu erfüllen.
- Standards bei Verwaltungsprozessen sind die Grundvoraussetzung für eine Digitalisierung und entsprechend der Nutzung aller daraus resultierender Vorteile. Es ist ein Zerrbild, wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, Ausdruck und Beweis einer Digitalisierung wäre ein gut bespielter Instagram-Account und Präsenz bei Snapchat. Eine digitale Organisation zeichnet vielmehr aus, dass sämtliche Prozesse logisch strukturiert sind.2
Compliance lässt sich mit Regelkonformität übersetzen. Die Anforderung des Compliance verlangt zuerst einmal einen Überblick über die relevanten Prozesse mit all den möglichen Ausprägungen, um aufzuzeigen, wo überhaupt Regeln formuliert werden müssen. In einer heterogenen Prozesslandschaft ist eine wirksame Compliance nur schwer durchzusetzen, da es viele verschiedene, sorgsam aufgestellte Regeln geben muss. Datenschutz, Steuerfragen, IT-Sicherheit, Betrugsschutz: In all den Bereichen ist es hilfreich, wenn es nur wenige parallele Prozessvarianten gibt.Ein Hebel für mehr Effizienz ist Standardisierung.
- Ein strategisches Controlling mit gut definierten Kennzahlen kann eine Entscheidungshilfe bei der Frage nach zukünftigen Schwerpunkten und der dafür nötigen Budgetzuweisung liefern. Wohl oder übel wird solch ein Instrument an Bedeutung gewinnen.
- Subsidiarität heißt nicht primär, dass jeder machen darf, was er will, sondern, dass jeder für das verantwortlich ist, was er macht. Zu Rechten gehören auch Pflichten und Verantwortlichkeiten.3 Subsidiarität verbietet es der Leitung, wahllos einsame Entscheidungen zu treffen, sie verpflichtet aber die Einzelorganisationen auch dazu, an guten Lösungen für die Gesamtorganisation zu arbeiten und hierbei Einzelinteressen auch zurückzustellen.
- Feldhoff, Norbert: “Pastoral geht nicht ohne Geld”. Ein Gespräch mit dem Kölner Generalvikar Norbert Feldhoff. In: Herder Korrespondenz 58/1 (2004)
- Vgl. dazu auch: Dreser, Christian; Suermann de Nocker, Thomas: Wege zur digitalen Kirche – Begriffsauflösung, Einordnung und Projektvorgehen. KVI im Dialog (1 /2018)
- Vgl. dazu auch: Hinzen, Winfried; Suermann de Nocker, Thomas: Subsidiarität als Leitprinzip der kirchlichen Verwaltung. KVI im Dialog (3 /2016)