012011

Foto: Schub@: take a seat, read a book (CC BY-NC-SA 2.0)

Service & Dialog

Martin Lätzel

Buchrezension: Peukert, Helmut: Wissenschaftstheorie – Handlungstheorie – Fundamentaltheologie

Peukert, Helmut: Wissenschaftstheorie – Handlungstheorie – Fundamentaltheologie. Analysen zu Ansatz und Status theologischer Theoriebildung.

Nein, es ist keine theologische Melancholie, dass die wegeisende Dissertation von Helmut Peukert im Jahr 2009 vom Suhrkamp Verlag neu herausgegeben wurde. Man könnte ja, angesichts der Jahresangabe der Erstausgabe (1976), den Eindruck bekommen, dass es sich bei dem Werk um ein theologiehistorisch bedeutsames Werk handelt, dass die zeitgenössische Diskussion widerspiegelt und insofern auch hermeneutisch betrachtet werden muss. In der Tat verweist Peukert auf die lange Geschichte des Textes von der Herausgabe – wegen seiner Komplexität von vielen Verlagen abgelehnt – bis hin zu den Neuauflagen (zuletzt 1988) und diversen Übersetzungen.

Der Text dieser nun vorliegenden dritten Ausgabe ist nahezu unverändert. Und er ist aktuell. Peukert betont, er habe nichts zu korrigieren oder zurückzunehmen. Allerdings hat er die Ausgabe um ein Nachwort und einem ausführlichen Literaturverzeichnis bereichert, das es in sich hat.

Insofern Peukert davon überzeugt ist, dass fundamentale Theologie Wissenschaftstheorie der gesamten Theologie ist und sich dergestalt im Diskurs mit anderen Wissenschaften zu bewähren hat, sind letztlich auch neuzeitlich keine limitierenden Faktoren gesetzt. Wie vor über dreißig Jahren hat sich Theologie heute zu bewähren und sie kann dies auch weiterhin nur in den Dimensionen einer Theorie des Subjekts, der Gesellschaft und der Geschichte tun. Allein das Verständnis des Subjekts, der Gesellschaft und der Geschichte ändert sich und mit dieser Veränderung muss die Theologie und diskursfähig und an sich anfragbar bleiben. Auf der einen Seite versuchen Wissenschaft und Gesellschaft des 21. Jahrhunderts Kontingenzen zu vermeiden, alles umfassende Erklärungsmuster zu entwickeln. Auf der anderen Seite wird auf genau die Erfahrung von Kontingenz zu bestimmenden des neuen Jahrtausends, gleich zu Beginn geprägt durch 9/11 bis hin zur Erschütterung der Investmentgläubigkeit der 2008-2010er Jahre und den drohenden Folgen des Klimawandels.

Was 1975 galt, gilt leider immer noch. Unser Gesellschaftssystem schafft Verlierer, unter uns und erst recht in einer globalen Welt. Peukert beschreibt es zu recht als bedrängende Frage, Lebensmöglichkeiten für alle zu erschließen. Dies kann letztlich nur in der offenen und kommunikativen Auseinandersetzung erfolgen in der Hoffnung gegen alle Hoffnung: „Existieren in solcher Hoffnung ist nicht das Behaupten einer schon erreichten Ganzheit, sondern hoffendes Angespanntsein und Zugehen auf die Gewährung von Integrität für die anderen und erst darin auch für sich selbst. Sie ist gegenüber einem sich selbst genügenden und behauptenden Selbstsein sic offen haltende, hoffende ‚Nicht-Identität’.“ (393) Worin deutlich wird, dass Theologie heute wie ehedem die Anwaltschaft der unbedingten Solidarität zukommt.

Wie gesagt: uns liegt keine antiquarische Theologie vor. Vielmehr haben wir es in der Tat mit einem Text zu tun, der Meilensteine gesetzt und Fragen diskutiert hat, die weiterhin aktuell sind. Peukert beweist, dass Theologie redlich wissenschaftlich arbeitet und das in einer Zeit – auch hier zeigt die sich die Aktualität seiner Schrift – in der gerade von vielen Seiten der Theologie eben diese Wissenschaftlichkeit abgesprochen wird.

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