022019

Foto: Schub@: take a seat, read a book (CC BY-NC-SA 2.0)

Service & Dialog

Frank Reintgen

Buchrezension: Katholische Kirchengemeinde Maria Geburt (Hg.): voll Gott

Katholische Kirchengemeinde Maria Geburt: Aschaffenburg (Hg): voll Gott, Verlag Schnell und Steiner, Regensburg, 2019

Welche (Wirk-)Macht von Räumen, genauer hin Kirchenräumen, ausgehen kann, das zeigt das so eben erschienenes Buch „voll Gott“, das die katholische Kirchengemeinde Maria Geburt in Aschaffenburg herausgegeben hat.
Die Mitglieder der Pfarrgemeinde waren aufgerufen zu beschreiben, was sie am Wandel in Maria Geburt am meisten berührt. Das Buch enthält 58 Texte, die von unterschiedlichen Autorinnen und Autoren nach diesem Aufruf beisteuerten. Die Beiträge reichen von kurzen Meditationen bis zu Beschreibungen von Prozessen zur Annäherung an Raum und Liturgie. Das Buch sammelt auf diese Weise unterschiedliche Erfahrungen, die Gemeindemitglieder der Pfarrei Maria Geburt in Aschaffenburg nach der radikalen Neugestaltung des Kirchenraums und einer daraus resultierenden Neuausrichtung der Pastoral gemacht haben.
In den Beiträgen wird spürbar und nachvollziehbar, welches Potenzial dem neu gestalteten Kirchenraum innewohnt. Für die Leserinnen und Leser wird schnell klar, dass der Gemeinde mit der Neugestaltung der Kirche Maria Geburt und dem in der Kirche stattfindende Leben etwas Außergewöhnliches gelungen.

Anfang der 90er Jahren stand eine umfassende Renovierung der Kirche Maria Geburt an. Zu dieser Zeit trat Pfarrer Markus Kauth dort seinen Dienst an. Er drängte darauf, dem notwendigen Umbau der Kirche ein künstlerisches Gesamtkonzept zugrunde zu legen. Die Gemeinde nahm Kontakt zu Leo Zogmayer auf, einem österreichischen, nicht kirchlichen Künstler, und trat mit ihm in einen inspirierenden Dialog von Theologie und Kunst ein.
Die aus diesem Dialogprozess hervorgehenden Planungen waren nicht unumstritten. Auch seitens der Bistumsverwaltung wurde die Konzeption kritisch gesehen. Doch nach längerem hin und her bekam Zogmayer den Auftrag zur Umgestaltung der Kirche. So konnte 1999 nach einer zweijährigen Umbauphase und der völligen Umgestaltung die Kirche neu eröffnet werden.

Die Macht der (Bau)Kunst: Kunst als Auslöserin von Veränderung in Liturgie und Gemeinde

Entstanden ist ein heller, Licht durchfluteter Raum, der sich durch eine klare und stark reduzierte Formensprache auszeichnet. Von der alten Einrichtung blieb am Ende nur die Orgel und ein Kreuzrelief an der Wand. Die entstandene Leere wurde in minimalistischem Stil zeitgenössisch gestaltet. Diese Gestaltung verdankt sich einem völlig neuen, spirituellem Konzept, das den Raum bestens entspricht und neue Möglichkeiten für die liturgische Gestaltung ermöglicht.
Die Idee der „Leere“ als Raumgestaltungsprinzip, ist motiviert von negativ-theologischen Impulsen. In Maria Geburt soll Kunst hinführen zu dem bildlosen, unfassbaren und unbegreiflichen Gott, der Menschen so auch in ihrem im Alltag begegnet. Von Anfang an gehörte das Wechselspiel zwischen Kunst und Liturgie zum pastoralen Konzept.

Bis heute sucht die Gemeinde immer wieder neu nach Wegen, wie die Feier des Gottesdienstes so gestaltet werden kann, dass sie der Qualität des Raumes und des Evangeliums entspricht. So haben die Gottesdienste in Maria Geburt immer wieder stark experimentellen Charakter. Gerade das wird durch die vielen eindrucksvollen Fotografien, die das Buch enthält, ausdrucksstark illustriert. Sie lassen die tiefe Spiritualität und die ganz besondere Ästhetik, die den Raum und das liturgische Geschehen in Maria Geburt prägen, auf kunstvolle Weise sichtbar werden.

Das Buch erzählt von einem ganz eigenen Weg der Kirchenentwicklung, den die Gemeinde von Maria Geburt eingeschlagen hat.

Bis heute polarisiert der neu gestaltete Raum und die liturgischen Feiern, die in Maria Geburt stattfinden. Zeigen sich die einen hell auf begeistert, sind andere eher distanziert oder gar ablehnend. Auch das ein Beleg dafür, welche Kraft Kirchenräumen zu eigen sein kann.

Das Buch erzählt von einem ganz eigenen Weg der Kirchenentwicklung, den die Gemeinde von Maria Geburt eingeschlagen hat. Nur an wenigen anderen Ort in Deutschland wird Kunst so konsequent als Auslöserin von Veränderung in Liturgie und Gemeinde genutzt, wie in Maria Geburt. Das Buch macht deutlich, wie Kirche im städtischen Raum in einem modernen Milieu vor allem für spirituell Suchende als sogenannte Personalgemeinde neu Relevanz entfalten kann. Schon deshalb ist die Lektüre überaus anregend und lohnend.

Das Buch „voll Gott“ ist im Verlag Schnell + Steiner, Regensburg erschienen. Es ist im Buchhandel erhältlich oder kann per Mail unter „gemeinde[at]maria-geburt[.]de” bestellt werden. Es kostet 19,50 Euro Infos auch unter www.maria-geburt.de

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