Buchrezension: Halbfas, Hubertus: Glaubensverlust
Halbfas, Hubertus: Glaubensverlust. Warum das Christentum sich neu erfinden muss.
Hubertus Halbfas ist als ehemaliger Professor für Religionspädagogig vor allem durch seine theologisch und pädagogisch anspruchsvollen Religionsbücher bekannt geworden. Nun hat er unter dem Titel „Glaubensverlust“ ein Buch veröffentlicht, dass eine Menge theologischen Sprengstoff enthält.
Die Grundthese von Halbfas lautet, dass die Krise der (katholischen und evangelischen) Kirche auf eine tiefe Glaubenskrise zurückzuführen ist. Diese These an sich ist nicht neu. In der Analyse der Glaubenskrise aber unterscheidet sich Halbfas in seiner Schärfe und Klarheit wohl von den meisten aktuellen Theologen – von denen er sich auch deutlich abgrenzt. Immer wieder zeigt er die große Diskrepanz zwischen aktuellen (Natur-) Wissenschaftlichen Erkenntnissen und der kirchlichen Theologie auf, die dazu führen, dass sich zentrale Inhalte des „Fürwahrhalteglaubens“ der Kirche auflösen.
An vielen Stellen werden sich Leser dabei ertappen, dass ihre eigenen Fragen und Zweifel in einer bisher in kirchlichen Kontexten unbekannten und offenen Weise angegangen und zur Sprache gebracht werden. Und sie werden dankbar sein, dass Halbfas Wege ebnet, wie christlicher Glauben und modernes Bewusstsein miteinander zu vereinbaren sind.
Mit einer Rückbesinnung auf den historischen Jesus, der mit seinem Leben und seiner Botschaft in den Glaubensbekenntnissen der Kirche nicht vorkomme, versucht Halbfas neue Impulse für die Theologie zu erschließen. Nicht ein Glaubenssystem habe Jesus gelehrt sondern eine Lebensweise erschlossen, die nicht zu beweisen – wohl aber zu leben sei. Und in dieser Lebensweise stecke eine verändernde, humanisierende Kraft, die von der Kirche neu zu entdecken und zu erschließen sei.
An vielen Stellen polemisiert Halbfas in seinem Buch gegen die zeitgenössische Theologie und wirkt dabei manchmal allzu selbstgerecht. Und doch: das Buch hat prophetischen Charakter und kommt zur rechten Zeit. Und vielleicht muss der Prophet manchmal Dinge so zuspitzen, damit seine Botschaft gehört wird.
Selten habe ich ein Fachbuch so verschlungen und in einem Atemzug gelesen, wie dieses Buch von Hubertus Halbfas. Lange nicht mehr gab es ein solches, in einem positiven Sinne provozierendes theologisches Buch. Es löst eine heilsame Unruhe aus, sich ganz neu und radikal dem Verhältnis von Theologie, Christentum und Moderne zu stellen. Es legt den Finger in theologische Wunden, wie es lange kein Buch mehr getan hat. Johann Baptist Metz hat einmal von der Theologie als „gefährliche Erinnerung“ gesprochen. Genau eine solche Theologie entwirft Halbfas in seinem Buch. Sicher wird es aufgrund seiner Anstößigkeit auch viel Widerspruch erfahren. Aber dies kann zum Anstoß werden für einen neuen, notwendigen Aufbruch in der Theologie.