022012

Foto: Schub@: take a seat, read a book (CC BY-NC-SA 2.0)

Service & Dialog

Frank Reintgen

Buchrezension: Schrappe, Christine: Personalentwicklung im Bereich Seelsorgepersonal

Schrappe, Christine: Personalentwicklung im Bereich Seelsorgepersonal. Ein Schlüsselinstrument zur Gestaltung einer zukunftsfähigen Kirche.

Wer Personalentwicklung betreibt, betreibt Zukunftsgestaltung. Immer mehr Unternehmen erkennen, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine der wichtigsten Ressource darstellen, um sich in immer schneller ändernden Umwelten zu behaupten. Generell gilt, je größer eine Organisation ist, desto notwendiger wird strategische Personalentwicklung.

Aufgabe strategischer Personalentwicklung ist es, zukünftige bedeutsame Fähigkeiten innerhalb einer Organisation als Potenzial zu entwickeln und langfristig zu planen. Wer im (kirchlichen) Kontext strategische Personalentwicklung betreiben will bzw. muss, muss demzufolge einerseits, um Methoden und Instrumente strategischer Personalentwicklung im Kontext von komplexen Systemen bzw. lernenden Organisationen wissen. Zum anderen bedarf es aber auch einer theologischen Reflexion. Visionen, Werte und Handlungsoptionen müssen in einem kirchlichen Kontext theologisch abgesichert bzw. begründet werden. Beides gelingt Christine Schrappe, die seit 1997 als Fortbildungsreferentin im Institut für Theologisch-Pastorale Fortbildung der Diözese Würzburg arbeitet, in ihrem kürzlich erschienen Buch „Personalentwicklung im Bereich Seelsorgepersonal“ außerordentlich gut.

Schritt für Schritt entwickelt sie aus einer systemischen Perspektive heraus wesentliche Aspekte, die einem kirchlichen Personalmanagement im Bereich Seelsorgepersonal zugrunde liegen müssen. Sie weist darauf hin, dass gerade auch im kirchlichen Kontext dem Personal eine besondere Bedeutung zukommt. Denn wie kaum eine andere Organisation lebt Kirche von der Ausstrahlung, der Überzeugungskraft und Kompetenz ihres Personals. Die Transformationsprozesse aber, in denen sich Kirche nun schon seit Jahren befindet, stellen insbesondere für die pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine enorme Herausforderungen dar. In den fast überall entstehenden pastoralen Großräumen entwickeln sich neue Sozial- und Gemeinschaftsformen. Dies verändert die Rollen und Aufgaben von Pfarrern, Diakonen, Pastoral- und GemeindereferentInnen.

Schrappe geht davon aus, dass Kirche in den sich schnell ändernden Umweltkontexten nur überleben wird, wenn sie sich als lernende Organisation begreift und entwickelt. Kirche als „ecclesia semper reformanda“ befindet sich immer in einem stetigen Veränderungsprozess. Hier sieht Schrappe die neue Rolle der pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie werden mehr und mehr zu spirituellen „Change-Manager“, die Menschen an Lebensübergängen begleiten und Gemeinden unterstützen, Kirche so zu leben, dass sie gesellschaftlich anschlussfähig bleibt (bzw. wird).

Schrappe stellt organisationstheoretisch dar, welche Konsequenzen dies für die kirchliche Personalentwicklung haben müsste. Sie rezipier dabei Erkenntnisse der wissenschaftlichen Forschung zum Thema Personal- und Organisationsentwicklung. Dabei betont sie die Verantwortung und Fürsorgepflicht der Personalführenden für die Mitarbeiter. In einem Zusammenspiel von Fördern und Fordern brauche es intelligente Lern- und Arbeitsstrukturen in der Pastoral ebenso wie eine fehler- und experimentierfreundliche Unternehmenskultur. Als ehemalige Diözesanreferentin für Pastoralreferenten und -Referentinnen im Personalreferat der Diözese Würzburg weiß sie um die vielen kirchenspezifischen Widerstände gegen Personalentwicklung. Diese werden pointiert dargestellt. Auch mögliche Deutungs- und Lösungsversuche werden aufgezeigt.

Im letzten Teil des Buches sichert sie ihre Ergebnisse biblisch ab. Die organisationstheoretischen Entfaltungen der vorherigen Kapitel werden hierzu mit ausgewählten biblischen Texten konfrontiert. Schrappe nutzt die biblische Tradition als kritisch-anregendes Potential. Am Beispiel dreier alttestamentarischer Texte erarbeitet sie biblische Deutungsmöglichkeiten und Handlungsoptionen im Kontext von individuellen und gemeinschaftlichen Transformationsprozessen. Zudem verdeutlicht sie, wie aus den vielen unterschiedlichen neutestamentliche belegten Gemeindestilen der jungen Kirche eine Vielfalt divergierender Leitungsstile resultierte. Den biblischen Befund bringt sie in eine kreative Konfrontation mit gegenwärtigen Themen kirchlicher Personalentwicklung.

Das Buch schließt mit der Präsentation inspirierender, neuer Leitbilder für das Selbstverständnis von Seelsorgerinnen und Seelsorgern und benennt Schlüsselqualifikationen, die gebraucht werden, wenn pastorale Dienste zu Change-Agenten entwickelt werden sollen.

Das Buch überzeugt. Selten findet man eine so gut gelungene Kombination aus systemisch, organisationstheoretischen Überlegungen auf der einen Seite und so profunder theologischer Reflexion auf der anderen Seite.

Empfehlenswert ist das Buch für alle, denen die Weiterentwicklung der pastoralen Berufe ein Anliegen ist. Personalverantwortliche erhalten Handlungsoptionen für eine theologisch verantwortete Personalentwicklung. Im pastoralen Alltag stehende Seelsorgerinnen und Seelsorger bekommen wichtige Impulse, die Ihnen helfen können, die eigene Rolle zu klären.

Selbst wenn nicht alle der Autorin in allem zustimmen werden. Anregend und positiv herausfordernd ist das Buch alle mal!

Eine kostenlose Leseprobe können sie hier aus dem Internet als PDF-Datei herunterladen.

futur2 möglich machen

Hinter der futur2 steht ein Verein, in dem alle ehrenamtlich arbeiten.

Für nur 20 € pro Jahr machen Sie als Mitglied nicht nur die futur2 möglich, sondern werden auch Teil eines Netzwerks von Leuten, die an der Entwicklung von Kirche und Gesellschaft arbeiten.

» MEHR ERFAHREN