Buchrezension: Bernhard Pörksen / Friedemann Schulz-von Thun: Kommunikation als Lebenskunst. Philosophie und Praxis des Miteinander-Redens
Bernhard Pörksen / Friedemann Schulz-von Thun, Kommunikation als Lebenskunst. Philosophie und Praxis des Miteinander-Redens, Heidelberg: Carl-Auer Verlag; 217 Seiten; 24,95 €
Lebenskunst ist in der allgemeinen Ratgeberliteratur ein großes Thema. Ob es nun banal, im Stile der Yellow-Press daherkommt, oder philosophisch fundiert, wie Wilhelm Schmid seine Texte schreibt: Das Thema kommt an, weil es Menschen direkt betrifft, ihr Leben an- und hinterfragt. Oft basieren viele Thesen auf komplexeren philosophischen oder psychologischen Sachverhalten. Aber wie können Psychologie und Systemtheorie, Konstruktivismus und Kommunikation anwendbar gemacht werden? Wie kann, was theoretisch funktioniert und hilfreich ist, praktisch werden? Und vor allem: Wie kann alles fundiert bleiben, nicht trivial werden? Das sind Gedanken, denen sich der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen und der Kommunikationspsychologe Friedemann Schulz-von Thun in „Kommunikation als Lebenskunst“ stellen. Sie wollen „Philosophie und Praxis des Miteinander-Redens“ betreiben, um, wie sie sagen, die Inspiration der Wechselwirkung von Theorie und Praxis zu nutzen.
Das Buch ist ein Dialog und als solcher auch formatiert, nicht als einheitlicher Text, sondern wie ein E-Mail-Austausch, bei dem Fragen, Antworten und Entgegnungen untereinander aufgeführt wurden. Das kommt auf den ersten Blick manchmal etwas manieriert daher, weil es suggeriert, es handele ich um ein reales Gespräch, die Formulierungen aber derart gestaltet sind, dass sie überarbeitet sein müssen. Eine weitere Lektüre aber lehrt Besseres, nämlich Lebendigkeit und Anschaulichkeit und die Form gewährt konkreten Einblick in das Denken Friedemann Schulz-von Thuns, der eben nicht Ratgeber, sondern als Suchender, Zweifelnder und mit persönlicher Erfahrung ausgestatteter Zeitgenosse präsentiert wird.
Der Band ist also durchaus biographisch reflektiert. In drei großen Kapiteln arbeiten die beiden Gesprächspartner zu den „großen Fragen“, den „konkreten Fragen“ und den „letzten Fragen“, wie sie es nennen. Immer geht es um Fragen der interpersonalen Kommunikation, immer werden anschauliche Modelle entweder neu aufgezeigt oder jeweils neu interpretiert. Die Gespräche machen deutlich, welche Herausforderung aber auch welchen Lösungswegen die Interdependenz der systemischen Sichtweise bietet. Selten, so Schulz-von Thun, geht es um „ein Entweder-oder“, häufig um „ein Sowohl-als-auch“ (61). Der Kommunikationspsychologe formuliert den Leitgedanken seiner Arbeit als „Integration verschiedener Betrachtungsweisen, die jede für sich nur eine Teilwahrheit belichten und sich deshalb wunderbar ergänzen können“. (63) Er plädiert für die genuine Verbindung der Sichtweise der humanistischen Psychologie mit dem systemischen Denken – übrigens gegen Paul Watzlawick, wie Schulz-von Thun betont. Sein Plädoyer gilt einer Psychologie der Balance, nämlich der Klärung der äußeren und der inneren Situation. Er selber sitze zwischen allen Stühlen und kulturviert das jedoch geschickt, selbst zwischen humanistischer Psychologie und Behaviorismus. Schulz-von Thun hält, so sagt er, das „Streben nach beglückender Koexistenz“ für eine Aufgabe der Menschheit und nicht für utopisch. (138) Diesen Vorsatz sieht er sich verpflichtet und trägt, in welchen Situationen er auch immer argumentiert. Selbst den letzten Fragen von Leben und Tod stellen sich die beiden Wissenschaftler, durchaus kontrovers und verständnisvoll, doch wird auch ein Erfahrungs- und Altersunterschied deutlich. Aus der Sicht der Theologie, die angesichts wissenschaftlicher Erkenntnisse und gesellschaftlichen Wandels eh an der Schwelle zu einer neuen Reflexion und womöglich auch dogmatischen Reflexion steht, finden sich hier durchaus Ansatzpunkte, die auch pastoral Wirkung entfalten können. Hier nun kommt Schulz-von Thun auch auf das Vademekum, die Lebenskunst zu sprechen, die heutzutage so oft thematisiert wird. Für ihn stellt Lebenskunst „diejenige Lebensführung dar, die zu mir und meiner Beschaffenheit meiner Seele passt, aber eben doch von der Frage geleitet wird, was das Leben selbst an mich heranträgt und mir abverlangt“ (199). Auch hier ist es die Aufgabe eines jeden Menschen, sich mit sich selber, den eigenen Gefühlen und Antreibern ebenso auseinanderzusetzen wie den Impulsen von außen und den Herausforderungen der Kommunikation gerade dort, wo es schwierig wird. Schulz-von Thun vermag zu strukturieren. Das ist hilfreich. Es geht immer um die Gestalt, das Individuum, keine aufgepfropften Ideen, sondern um eine Art Geländer, an dem sich jede und jeder selbst entlang hangeln muss.
Das Buch ist auf jeden Fall allen zu empfehlen, die an ihrer eigenen und an einer gemeinsamen Kommunikation tagtäglich arbeiten, diese reflektieren und entwickeln wollen. Zugleich Tour d’horizon durch Geschichte und Protagonisten der Psychologie, Psychoanalyse und Philosophie. Die Autoren haben selber umgesetzt, was Bernhard Pörksen im Vorwort so treffend formuliert: „Wer sein eigenes Denken und Schreiben als Element eines großen, gesellschaftlichen Gesprächs über ein anderes, vielleicht besseres Leben begreift, wer vom ersten Satz an auf dieses Gespräch zielt, der dialogisiert auch noch im Moment des Monologs..“ (11) In diesem Sinne ist das Buch, dem Titel entsprechend, ein dialogisches Buch geworden, in das sich der Leser und die Leserin gerne einbeziehen lassen.