022015

Foto: Paxson Woelber: Bold Peak summit. Chugach Mountains, Alaska (CC BY 2.0), Bildausschnitt, Helligkeit

Statements

Stefan Vesper

Kirchenfinanzierung diffenziert betrachten und bewerten

Die Frage, wie die Kirche bzw. die Frohe Botschaft heute und perspektivisch gesellschaftliche Relevanz behalten bzw. wiedergewinnen kann, lässt sich seriös nicht ohne einen Blick auf die verfügbaren Ressourcen beantworten. Steht die Finanzierung kirchlichen Handelns auf der politischen Agenda? Zugespitzt: Was ist Ihre Antwort auf die Frage „Relevanz und Ressourcen – Kirchenfinanzierung am Scheideweg?“

Natürlich braucht die Kirche zur Finanzierung ihrer Aufgaben Geld. Dieses Geld kommt aus unterschiedlichen Quellen – eine Debatte über die Kirchenfinanzierung ist nur seriös, wenn sie diese Quellen auseinanderhält und damit eine präzise Debatte und Bewertung ermöglicht.

Als erstes ist die Selbstfinanzierung der Kirchen zu nennen. Neben einem hohen Maß an Spenden (insbesondere für karitative und weltkirchliche Zwecke) finanziert sich die Kirche durch die Kirchensteuer. Korrekt müssten wir von der “so genannten” Kirchensteuer sprechen, denn es handelt sich hier letzten Endes um nichts anderes als einen Mitgliedsbeitrag. Dieser Beitrag, dessen Höhe von der Einkommenshöhe und damit der Leistungsfähigkeit des einzelnen Kirchenmitglieds abhängt, wird vom Staat im Rahmen der Einkommenssteuererhebung eingezogen und an die Diözesen weitergeleitet. Es geht hier also nicht um Geld des Staates, sondern um eine Dienstleistung des Staates. Müssten die Kirchen die Beiträge selbst einkassieren, wäre eine enormer zusätzlicher Verwaltungsaufwand notwendig. Natürlich zahlen die Kirchen für diese von der staatlichen Steuerverwaltung erbrachte Dienstleistung einen angemessenen (nicht wenige meinen sogar: einen zu hohen) Betrag. Es ist nicht ersichtlich, warum man von dieser Regelung, die allen Beteiligten nützt, Abstand nehmen sollte, solange sie prinzipiell allen Religionsgemeinschaften, die ein solches Verfahren anwenden wollen, offen steht. Letztlich zahlt übrigens nur knapp ein Drittel der Katholiken Kirchensteuer. Kinder und Jugendliche ohne eigenes Einkommen, alte Menschen mit geringer Rente und Arbeitslose zahlen keine Lohn- und Einkommenssteuer und daher auch keine Kirchensteuer. Die Einnahmen und Ausgaben aus der Kirchensteuer werden durch den Kirchensteuerrat kontrolliert. Hier sitzen mehrheitlich Laien, die nicht im kirchlichen Dienst stehen und von den Kirchenvorständen der Gemeinden gewählt werden.

Die zweite Säule steht für direkte staatliche Leistungen aufgrund historischer Verpflichtungen des Staates gegenüber den Kirchen (z. B. Dotationen, Kirchenbaulasten, Entschädigungen für Enteignung, etc.). Diese Säule ist in der Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren sehr umstritten gewesen, da die historische, sogar im Grundgesetz verankerte Herleitung der Zahlungen an Plausibilität eingebüßt hat. Es gibt an vielen Stellen Bemühungen der Kirchen und des jeweiligen staatlichen Gegenübers (insbesondere der Bundesländer und vielfach auch der Kommunen), das komplexe historische Geflecht zu entknoten. Wo dies machbar ist und zunächst einmal eine Transparenz über die historisch gewachsenen Verflechtungen erreicht werden kann, wäre es in einem nächsten Schritt ein gutes Signal, wenn die Kirchen im Rahmen einer Verhandlungslösung einer (allmählichen) Ablösung der Staatsleistungen zustimmen können. Denn die Diskussion um vermeintliche Subventionierung der kirchlichen Haushalte ohne Gegenleistung schaden dem Ansehen der Kirche, auch wenn wir die Zahlungen historisch und rechtlich noch so gut begründen können. Weitere Infomationen – für die Katholische Kirche: http://www.dbk.de/themen/kirchenfinanzierung/#c7211 [22.09.2015] und für die Evangelischen Kirchen: http://www.ekd.de/kirchenfinanzen/ [22.09.2015].

Natürlich braucht die Kirche zur Finanzierung ihrer Aufgaben Geld. Dieses Geld kommt aus unterschiedlichen Quellen – eine Debatte über die Kirchenfinanzierung ist nur seriös, wenn sie diese Quellen auseinanderhält und damit eine präzise Debatte und Bewertung ermöglicht.

Viel wichtiger als diese Staatsleistungen sind für die Kirchen die indirekten Leistungen des Staates, z.B. durch Steuerfreistellung bei anerkannter Gemeinnützigkeit. Zu den indirekten Leistungen gehört auch die staatliche Finanzierung der Militärseelsorge, der Krankenhausseelsorge, des konfessionellen Religionsunterricht und der theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten. Es ist offenkundig, dass hier von den Kirchen eine unmittelbare, dem Gemeinwohl dienende Gegenleistung erbracht wird, die so keine staatliche Institution erbringen könnte.

Ähnlich gelagert – aber in breiten Schichten der Bevölkerung vollkommen missverstanden – ist die Refinanzierung von in kirchlicher Trägerschaft wahrgenommenen staatlichen Aufgaben, z. B. bei konfessionell gebundenen Kindertagesstätten, Ersatzschulen, sozialen Diensten, Krankenhäusern bis hin zur Begabtenförderung. Diese von freien (durchaus nicht nur konfessionellen) Trägern erbrachten Leistungen sind Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips, das als zentrales Ordnungsprinzip unseres Staates und unserer Gesellschaft auch von uns immer neu ins Bewusstsein gerufen und mit Leben gefüllt werden muss. Anders gesagt: der Staat macht viele soziale Aufgaben nicht selbst, sondern überträgt sie “freien Trägern” und refinanziert dafür große Teile ihrer Aufwendungen. In diesem System, das sich sehr bewährt hat, sind die Kirchen ein Anbieter von mehreren und werden genauso behandelt, wie die anderen.

Die vielfältigen Verknüpfungen zwischen Staat und Kirchen, die auch in Finanzströmen zum Ausdruck gebracht werden, können (und müssen!) wir auch mit Blick in die Zukunft gut begründen. Die Kooperation von Staat und Kirchen ist sehr gut für unsere Gesellschaft, ihr Nutzen ist längst nicht nur auf die Christen in unserem Land beschränkt.

Die Relevanz, die dieses kirchliche Engagement im sozialen Bereich für Staat und Gesellschaft hat, liegt auf der Hand. Würden sich die Kirchen zurückziehen, müsste die öffentliche Hand übernehmen – und es kämen deutlich höhere Kosten auf sie zu. Freilich werden die Kirchen bei abnehmenden Ressourcen nicht alle Präsenz beibehalten können. Gerade mit Blick auf diese Ressourcen sollten Staat und Kirche sorgsam miteinander umgehen, zum Wohl des Menschen.

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