022015

Foto: Paxson Woelber: Bold Peak summit. Chugach Mountains, Alaska (CC BY 2.0), Bildausschnitt, Helligkeit

Statements

Volker Beck

Kirchenfinanzen unter dem Anspruch von Transparenz und Zukunftsfähigkeit

Die Frage, wie die Kirche bzw. die Frohe Botschaft heute und perspektivisch gesellschaftliche Relevanz behalten bzw. wiedergewinnen kann, lässt sich seriös nicht ohne einen Blick auf die verfügbaren Ressourcen beantworten. Steht die Finanzierung kirchlichen Handelns auf der politischen Agenda? Zugespitzt: Was ist Ihre Antwort auf die Frage „Relevanz und Ressourcen – Kirchenfinanzierung am Scheideweg?“

Tebartz-van Elst – dieser Name weckt sofort Erinnerungen an Protz und Pomp, an Machtanmaßung und kirchliche Herrlichkeit, kurz: an all das monarchische Erbe, das die katholische Kirche mit sich trägt. Der Name Tebartz-van Elst steht für einen in der Geschichte der deutschen Bischöfe beispiellosen Finanzskandal und wirft damit ein Schlaglicht auf einen Komplex, über den nicht gerne geredet wird, weil er unangenehme Fragen nach sich zieht: Wie hält es die Katholische Kirche eigentlich mit ihrem Geld? Wir hält es die Kirche mit der Transparenz ihrer Finanzen gegenüber den Gläubigen, die Teil der Kirche sind und wesentlich zu den Einnahmen beitragen?

Im historischen Rückblick zeigt sich, dass wenn sich die weltliche Obrigkeit in den letzten Jahrhunderten für die Finanzen der Kirche interessierte, es meist um die Erschließung neuer Einnahmequellen des Staates oder Säkularisation kirchlichen Vermögens ging. Aber mit Blick auf heute ist diese Angst vor solchen Entwicklungen unbegründet: Transparenz und die Nachvollziehbarkeit von politischen Entscheidungen und Verwaltungshandeln sind die Grundlagen einer modernen demokratischen Gesellschaft. Transparenz ist Voraussetzung für die Verständlichkeit politischen Handelns, das Vertrauen in demokratische Strukturen und effektive Mitbestimmung durch mündige Bürger*innen, sie beugt Korruption und Misswirtschaft mit öffentlichen Mitteln vor. Durch die enge Verbindung mit dem Staat durch den Status der religiösen Körperschaft öffentlichen Rechts sind die Kirchen und andere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ebenfalls Adressaten des Wunsches oder der Forderung nach mehr innergemeinschaftlicher Transparenz. Der Staat hat selbst im öffentlichen Recht mit den Informationsfreiheitsgesetzen ein neues Verhältnis zur Gesellschaft und seinen Bürger*innen etabliert. Dem müssen sich diese Gemeinschaften bewusst sein und sie sollten es als Chance begreifen, nicht als Bedrohung.

Transparenz und Nachvollziehbarkeit von politischen Entscheidungen und Verwaltungshandeln sind die Grundlagen einer modernen demokratischen Gesellschaft.

Die Frage der Transparenz kirchlicher Haushalte ist wegen des Finanzskandals in Limburg auf die politische Tagesordnung gerückt. Bei der Beschäftigung mit diesem Thema zeigt sich: Die Kirchensteuereinnahmen in beiden christlichen Großkirchen werden relativ transparent verbucht, wie die jährlichen Finanzberichte der einzelnen (Erz-) Bistümer und Landeskirchen zeigen. Soweit es daneben noch weitere Haushalte gibt, ist deren Existenz schon nicht so leicht zu ermitteln, geschweige denn, die Höhe zu erfahren. Diese Haushalte, die in der Regel unter dem Begriff des „Bischöflichen Stuhls“ oder des „Domkapitels“ geführt werden, erreichen in älteren Bistümern nicht unerhebliche Höhen – das Erzbistum Köln zum Beispiel hat im „Bischöflichen Stuhl“ Kapital im Wert von 160 Mio. Euro. Dabei handelt es sich nach eigener Aussage im Wesentlichen um die Buchwerte von (in der Regel) unverkäuflichen Immobilien (zu denen auch der in der Tat unverkäufliche und eigentlich unschätzbar wertvolle Kölner Dom gehört), aber auch um Rückstellungen für die Altersvorsorge der Priester und kirchlichen Beamten. Warum ist für die Bistümer so schwierig, über die Höhe und die Verwendung des in diesen Haushalten befindlichen Kapitals Auskunft zu geben? Es ist doch begrüßenswert und vorausschauend, für die Altersvorsorge seines Personals (anders als der Staat) Vorsorge betrieben zu haben!

Die Finanzierung der christlichen Kirchen ruht vor allem auf den Einnahmen durch die Kirchensteuer. Obwohl es sich um eine „echte“ Steuer im Sinne der Abgabenordnung handelt, ist sie faktisch „nur“ ein öffentlich-rechtlich erhobener, einkommensabhängiger Mitgliedsbeitrag. Sie wird also nur von den Kirchenmitgliedern erhoben. Für die Kirchen bedeutet der aus der Steuer resultierende grundsätzlich stabile Mittelzufluss einerseits eine sehr gerechte Beteiligung ihrer Mitglieder an den Kosten und andererseits die Möglichkeit, über den Kernbereich der Verkündigung hinaus gesellschaftlich tätig zu werden. Insbesondere das Engagement für Flüchtlinge, Menschen ohne Aufenthaltsstatus, Arme und Obdachlose oder auch die Eine-Welt-Arbeit sollen hier hervorgehoben werden. Wer eine Systemänderung fordert, muss sich der Konsequenzen bewusst sein, die das nicht nur für diese Arbeit nach sich ziehen würde.

Der Sinn von Religionspolitik ist Religionsfreiheit, und nicht die Schwächung oder Zurückdrängung von Religionsgemeinschaften im Namen eines radikalen Laizismus. Auch für Religionsfreie und Atheisten gilt: Es besteht keine Staatskirche, auch keine laizistische.

Allerdings ändern sich die Zeiten: Die religiöse Landschaft in Deutschland verändert sich zunehmend,  Deutschland wird (auch religiös) vielfältiger, die Zahl der Religionsfreien steigt und die Zahl der Kirchenmitglieder beider christlichen Großkirchen schrumpft (wenn auch auf hohem Niveau) weiterhin. Das wird nicht unerhebliche Auswirkungen auf die Kirchensteuer haben – sowohl was die Höhe der Einnahmen angeht, als auch hinsichtlich der gesamtgesellschaftlichen Akzeptanz.

Ein gesellschaftlicher Mainstream, der Religion als irrelevant betrachtet oder den in der Vergangenheit durchaus existierenden Machtmissbrauch kirchlicher Autorität in gesellschaftlichen und politischen Fragen zu einem Kampf gegen die Rechte der Religionsgemeinschaften in der Gegenwart ummünzt, stellt die Legitimität der Rechte der Religionsgemeinschaften in Frage. Forderungen nach einem Verarmungsprogramm für die Kirchen segeln da unter der Fahne der Religionsfreiheit und des Laizismus. Diese Herausforderung sollte man von Seiten der Kirchen und Religionspolitik annehmen. In der Tat ist manches auch heute reformbedürftig.

Aber: Der Sinn von Religionspolitik ist Religionsfreiheit, und nicht die Schwächung oder Zurückdrängung von Religionsgemeinschaften im Namen eines radikalen Laizismus. Auch für Religionsfreie und Atheisten gilt: Es besteht keine Staatskirche, auch keine laizistische. Wo aber Religionsfreie oder Andersgläubige einschließlich ihrer Gemeinschaften benachteiligt werden, muss der Gesetzgeber im Namen der Gleichheit vor dem Gesetz und der Glaubensfreiheit handeln:

  • Die im Kalenderjahr gezahlte Kirchensteuer kann derzeit in voller Höhe bei der Einkommensteuer abgezogen werden. Während die Kirchensteuer in voller Höhe bei der Einkommenssteuer abgezogen werden kann, ist der Abzug von Spenden gedeckelt. Diese Ungleichbehandlung sollte man beenden. Künftig sollten nicht Kirchen-/gemeindesteuerpflichtige einen zusätzlichen analogen Spendenfreibetrag für religiöse, mildtätige oder gemeinnützige Zwecke erhalten.

    Eine Ablösung der Staatsleistungen nach dem Äquivalenzprinzip oder eine Umstellung auf eine transparente dauerhafte Regelung nach einer Bilanzierung aller in diesem Zusammenhang in Rede stehender Leistungen durch die Länder wäre ein Beitrag zur Befriedung dieses Konfliktfeldes.

  • Bei geringfügig Beschäftigten ist eine besondere Form der Pauschalierung für die sog. Mini-Jobs in das Einkommenssteuergesetz eingeführt worden: Der Arbeitgeber kann eine einheitliche Pauschsteuer für das aus geringfügigen Beschäftigungen erzielte Einkommen abführen. Hierin sind Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer enthalten, ohne dass es auf die Kirchenzugehörigkeit des in dieser Form Beschäftigten ankommt. Dies führt zur Besteuerung von Nichtkirchenmitgliedern. Bei Nichtmitgliedern sollte auf die Erhebung von Kirchensteuern verzichtet werden.
  • Seit 1919 fordert die Verfassung: „Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf.“ Es wäre im Interesse der Kirchen, wenn zum 100. Jubiläum dieses uneingelösten Auftrages der Verfassung der Gesetzgeber seine Hausaufgaben endlich erledigte. Denn die historischen Staatsleistungen haben ein erhebliches Verhetzungspotential: Eine Ablösung nach dem Äquivalenzprinzip oder eine Umstellung auf eine transparente dauerhafte Regelung nach einer Bilanzierung aller in diesem Zusammenhang in Rede stehender Leistungen durch die Länder wäre ein Beitrag zur Befriedung dieses Konfliktfeldes.

Die Zukunftsfähigkeit des deutschen Religionsverfassungsrechts, zu dem ja auch die Finanzfragen gehören, wird sich voraussichtlich an der Frage mitentscheiden, wie es gelingt, „den Islam“ und das Alevitentum rechtlich zu integrieren. Der Islam ist eine Religion, der dort, wo er Mehrheitsreligion ist, traditionell keine Mitgliedschaftsstruktur hat. Die vier bestehenden islamischen Verbände, die im Koordinationsrat der Muslime zusammengeschlossen sind, haben Defizite: Ihre Existenz ist nicht theologisch begründet, sondern sie schöpfen ihre Identität überwiegend aus nationalen, sprachlichen und / oder politischen Kontexten der Herkunftsländer ihrer Gründer und z.T. ihrer Mitglieder. Wenn es den muslimischen Gruppierungen in Deutschland nicht gelingt, sich eine religionsgemeinschaftliche und damit bekenntnisförmige Struktur zu geben, laufen viele rechtliche Integrationsprozesse ins Leere oder verharren im Stadium des verfassungsrechtlich fragilen Provisoriums – sei es der notwendige Aufbau eines flächendeckenden islamischen Religionsunterrichts oder der berechtigte Wunsch der Muslime nach Seelsorge in Krankenhäusern, Gefängnissen, bei der Polizei oder in der Bundeswehr. Dazu kann auch der Wunsch gehören, die im Islam obligatorische Armensteuer „Zakat“ wie die Kirchensteuer vom Staat einziehen zu lassen. Wenn all diese Prozesse jedoch juristisch scheitern oder sich auf unbestimmte Zeit verzögern, ist dies auch eine Herausforderung für die Legitimität des deutschen Modells des Verhältnisses von Staat und Religion.

Eine transparente, gesamtgesellschaftliche akzeptable Verwendung der angeblich so großen Reichtümer der Kirchen ist eine wichtige Versicherung gegen Neid- oder Systemdebatten und ein hervorragender Ausweis von Relevanz.

Bedeutet dieses Plädoyer, dass nur relevant sein kann, wer auch finanzkräftig ist? Die starke Stellung, die die christlichen Kirchen als „wichtige Kräften der Zivilgesellschaft“ in Deutschland haben, wie es im grünen Grundsatzprogramm von 2002 heißt, wird zumindest teilweise auch durch die Kirchensteuer ermöglicht. Da die Relevanz von Religion allerdings immer wieder und immer heftiger bestritten wird, kommt es auch darauf an, was die Religionsgemeinschaften mit ihrem Geld machen. Womit ich wieder bei Limburg bin: Eine transparente, gesamtgesellschaftliche akzeptable Verwendung der angeblich so großen Reichtümer der Kirchen ist eine wichtige Versicherung gegen Neid- oder Systemdebatten und ein hervorragender Ausweis von Relevanz.

 

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