012016

Foto: Jitter Buffer: physical hazard (CC BY-NC-SA 2.0), Bildausschnitt

Statements

Jan-Christoph Horn und Frank Reintgen

Ich erlebe mich in einem Kraftfeld

Unsere Gesellschaft ist geprägt von zahlreichen massiven Umbrüchen und rasanten Entwicklungen. Organisationen und Institutionen stehen unter dem massiven Druck, sich permanent an neue Umwelten anzupassen zu müssen. Organisationen, die dies nicht schaffen, stehen in der Gefahr, ihre  Relevanz zu verlieren und werden früher oder später sterben. Von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in diesen Organisationen arbeiten, wird zunehmend eine hohe Flexibilität und die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen erwartet. Uns interessiert, wie Menschen mit diesem permanenten Veränderungsdruck umgehen: Wie erleben sich Menschen persönlich in der Spannung von Sehnsucht nach Sicherheit und der Lust am Neuen und Experimentieren? Was erleben sie für sich angesichts dieser gesellschaftlichen Entwicklung als größte Herausforderung? Was hilft, sich diesen Herausforderungen zu stellen?

Frank Reintgen: Wie erleben Sie sich persönlich in der Spannung von Sehnsucht nach Sicherheit und der Lust am Neuen und Experimentieren?

Jan-Christian Horn: Wenn ich das Bild der „Spannung“ aufgreife, möchte ich antworten: Ich erlebe mich in einem Kraftfeld. Die Verbindung zwischen „Sicherheit“ und „Neu/Experimentell“ ist nicht lasch und hängt nicht durch. Aber sie zerreißt mich auch nicht. Sie lässt mich gespannt sein, gibt Energie, weckt Bereitschaft.

Denn ich kann beiden Seiten etwas abgewinnen. Sie gehören für mich zusammen, wie die sprichwörtlichen zwei Seiten einer Medaille oder das Prinzip des Ying & Yang. Die Seiten gehören nicht gegenseitig ausgespielt.

Die Verbindung zwischen „Sicherheit“ und „Neu/Experimentell“ ist nicht lasch und hängt nicht durch. Aber sie zerreißt mich auch nicht.

Ein Beispiel? Wenn ich die Kirchenentwicklung als Entwicklungsgeschichte lese, sehe ich, dass Neuaufbrüche und Entwicklungssprünge immer aus einer (geistlichen!) Gewissheit heraus entstanden sind, die die handelnden Personen ausgezeichnet hat.

Schließlich: „Sehnsucht“ und „Lust“ – um die beiden Begriffe aus der Frage aufzugreifen – sind Gefühlslagen von uns Menschen. Warum nicht beiden einen Wert geben?

Reintgen: Was erleben sie für sich persönlich angesichts dieser gesellschaftlichen Entwicklung als größte Herausforderung?

Horn: Dass es gerade eben keine gesellschaftliche, sondern zunächst immer individuelle Herausforderung ist. „Die Gesellschaft“ gibt es ja gar nicht, auch wenn oft von ihr gesprochen und irgendwas von ihr behauptet wird.

Für mich ist die größte Herausforderung also, dass ich meinen Anteil an der Balance zwischen Sicherheit und Experiment sehe. Die Aufgabe, damit klar zu kommen, kann ich niemandem abtreten. Dass es dafür Räume, Gemeinschaften und Formen gibt, ist wichtig.

Reintgen: Was hilft Ihnen, sich diesen Herausforderungen zu stellen?

Horn: Ruhig bleiben, Kontexte sehen, eine Sprache finden. Meinen Motiven und Antrieben trauen, meinen Bremsern und Erlaubern gegenüber achtsam sein. Ausprobieren, scheitern dürfen, Gelingendes bestärken. In Begegnung gehen, Erzählen, Zuhören.

 

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