012016

Foto: Jitter Buffer: physical hazard (CC BY-NC-SA 2.0), Bildausschnitt

Statements

Barbara Kruse

Eine Frage der inneren Sicherheit

Unsere Gesellschaft ist geprägt von zahlreichen massiven Umbrüchen und rasanten Entwicklungen. Organisationen und Institutionen stehen unter dem massiven Druck, sich permanent an neue Umwelten anzupassen zu müssen. Organisationen, die dies nicht schaffen, stehen in der Gefahr, ihre  Relevanz zu verlieren und werden früher oder später sterben. Von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in diesen Organisationen arbeiten, wird zunehmend eine hohe Flexibilität und die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen erwartet. Uns interessiert, wie Menschen mit diesem permanenten Veränderungsdruck umgehen: Wie erleben sich Menschen persönlich in der Spannung von Sehnsucht nach Sicherheit und der Lust am Neuen und Experimentieren? Was erleben sie für sich angesichts dieser gesellschaftlichen Entwicklung als größte Herausforderung? Was hilft, sich diesen Herausforderungen zu stellen?

„Jeder Arbeitsplatz wird überprüft.“ Und: „Wir müssen vollkommen neue Dienstleistungen entwickeln und neue Wege beschreiten, sonst können wir auf dem Markt nicht bestehen.“ Als Organisationsberaterin habe ich diese Äußerung der Geschäftsführung erst kürzlich wieder gehört. Obwohl aus meiner Sicht nicht überraschend und schon länger absehbar, führte dies bei der Großzahl der Mitarbeiter zu vollkommener Verunsicherung und Schockstarre. Bei den anderen löste die Erlaubnis, neue Wege zu denken Freude aus und brachte neue Konzepte, im Team entwickelt, in die Umsetzung.

Als Beraterin pflege ich den Außenblick, nehme das Außergewöhnliche wahr, darf, muss, will experimentieren. Gleichzeitig beobachte ich an mir selbst, dass das Alltagsgeschäft mit dem Klein-Klein so viel Aufmerksamkeit zieht, dass ich zu voll von „Altem“ bin, als dass ich „Neues“ wahrnehmen und zulassen kann. Vielleicht wäre ich genauso überrascht worden. Hier brauche ich die Unterbrechung, den Wechsel der Flughöhe.

Me & we. Ich brauche beides, das Pendeln, den Tanz zwischen den beiden Polen.

Dieses Jahr bin ich nur selten auf diese andere Flughöhe gewechselt und bin ganz unruhig geworden. Das Neue, die Anregung, das Experiment brauche ich, um aufzutanken. Mir Phänomene des Neuen und des Sterbens des Alten anspülen zu lassen. Und Projekte mit Kollegen, an diesem noch teils unscharfen Übergang zum Neuen.

In meiner Arbeit als Beraterin, im Umfeld Kirche und in unserer Gesellschaft allgemein nehme ich wahr, dass die bestehende Ordnung– teilweise brutal aufgeweicht, aufgelöst wird. Um die Muster, die neu entstehen, zu erkennen, brauche ich meine eigene Ordnung, gerade so viel, dass ich das Chaos, das ungeordnete Neue, einladen kann. Die Sicherheit und Ordnung im Außen wird aufgelöst, und ich brauche ein Gegengewicht in meinem Inneren.

Dafür brauche ich Muße, um das Neue im Außen in mein Inneres hereinzulassen. Mal eine Stunde reservieren, in der ich ungestört meine Erlebnisse und die Perlen, die angespült wurden, sortieren kann. Eine weitere Stunde, in der ich mich dazu mit anderen – meinen Schlüsselpersonen – austauschen kann. Und dann Zeit, um mit ihnen und anderen gemeinsam Neues entstehen zu lassen.

Me & we. Ich brauche beides, das Pendeln, den Tanz zwischen den beiden Polen. Nicht zu viel Ego und Ordnungsliebe, sondern gerade so viel wie nötig, um den Übergang, das unbeackerte Feld, zum Neuen auszuprobieren.

Die Herausforderungen: Muße und Weggefährten. Ein gutes Team finden. Gerade in Projekten brauche ich auch beim Kunden, in der Kundenorganisation, Menschen, die mit der äußeren Unsicherheit umgehen können und sie nutzen, idealerweise auch anderen Sicherheit geben können. Menschen, die nicht sofort zumachen, wenn etwas noch unbestimmt ist. Menschen, die gemeinsam Neues entstehen lassen wollen und keinen Ego-Trip fahren.

Mir hilft meine Verbundenheit mit Menschen, die Neues einladen. Grundlage ist meine innere Sicherheit, mein Bauchgefühl, mein Zutrauen – Gottvertrauen.

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