012019

Foto: Erik McLean/Unsplash

Praxis

Jens Albers

“Treffen sich ein Panda, ein Einhorn und eine Katze in der Kirche” – Strategische Social-Media-Kommunikation im Bistum Essen

Kirche und schlecht kopierte Handzettel – ein Image, das wir leider so schnell wohl nicht loswerden. Und wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, dann leider auch zu Recht. Unmengen kopierter Flyer, die mit großen Lettern in der Schriftart Comic-Sans gesetzt, auf das nächste Event in der Gemeinde hinweisen: Für den ein oder anderen gehört das scheinbar fest zur Marke “Kirche”.

Dabei bieten Social-Media so viele wunderbare Möglichkeiten, unsere frohe Botschaft und unser Anliegen auch auf anderen Wegen zu transportieren. Und in Zeiten, in denen jeder von Storytelling spricht: Wir haben da ein Buch, das schon voll von Plots für jede Gelegenheit ist. Wir müssen es einfach nur machen. Und genau daran scheitert es oft. Bevor eine Idee umgesetzt wird, wird ein Arbeitskreis gegründet, und wenn dieser zu seiner Entscheidung gekommen ist, ist das Thema auch schon längst wieder uninteressant.

Im Ernst: Der schlecht kopierte Handzettel ist sicherlich eines der kleinsten Probleme, mit dem wir als Marke “Bistum Essen” gerade zu ringen haben. Die vergangenen Jahre haben unserer Marke enorm zugesetzt. Wenn wir online wahrgenommen werden, dann in aller Regel, weil es einfach wieder etwas neues Unfassbares gibt, mit dem niemand gerechnet hat. Die Marke “Kirche” ist bei vielen definitiv nicht positiv besetzt. Begegnet diese Marke den Menschen auf ihrem Weg durch das Netz, hinterlässt sie oftmals ein negatives Gefühl. Von der frohen Botschaft kommt nichts an. Zu bestimmend sind die Fehler und Versäumnisse, die wir uns als Kirche in den vergangenen Jahren geleistet haben, und das Image, das Kirche insbesondere wegen ihres Umgangs mit Homosexuellen und Frauen in der Kirche anhaftet.

Mit unseren Posts wollen wir Menschen die Möglichkeit bieten, wieder ungebunden mit uns in Kontakt zu treten.

Und genau hier versuchen wir im Bistum Essen mit unserer Social-Media-Kommunikation anzusetzen. Primäres Ziel all unserer Aktivitäten ist das Reputationsmanagement. Dabei geht es uns nicht darum, Schlechtes unter den Teppich zu kehren, Hauptsache, unsere Reputation, unser Leumund, stimmt. Im Gegenteil: Wir wollen sichtbar machen, dass Kirche im Bistum Essen mehr zu bieten hat als schlecht kopierte Flyer. Wir arbeiten ehrlich an unserer Reputation, in dem wir zum einen transparent mit dem Missbrauchsskandal und Bewegungen wie Maria 2.0 umgehen. Zum anderen arbeiten wir an unsere Reputation, damit Menschen ein positives Gefühl bekommen, wenn ihnen die Marke “Bistum Essen” in den sozialen Medien begegnet. Wir wissen, dass Kirche in der heutigen Zeit für immer weniger Menschen relevant ist und wir zu vielen keinen direkten Kontakt mehr haben. Mit unseren Posts wollen wir Menschen die Möglichkeit bieten, wieder ungebunden mit uns in Kontakt zu treten. Und diesen Kontakt sollten wir nicht vergeigen, denn dann ist das Gegenüber wieder weg. Daher sind unsere Postings in der Regel so konzipiert, dass sie den „harten Kern“ an Kirchenmitgliedern nicht verschrecken, und die große Gruppe an Menschen, mit loser, offener oder ungeklärter Bindung zur Kirche im besten Fall sagt: Das hätten wir der Kirche nicht zugetraut. Und wenn der Kontakt aufgebaut ist, kann Dialog gelingen. Ein Dialog, der vielleicht auch wieder zu mehr Beziehung führt.

Eine weitere Herausforderung, vor der wir als Kirche im Bereich Social-Media stehen, ist das große Thema „Tod und Trauer“. Gerade in den vergangenen Monaten und Jahren haben die Gesellschaft immer wieder unvorstellbare Unglücke oder Katastrophen erschüttert. Ich habe das Gefühl, dass die Generation, die einen großen Teil ihrer Kommunikation über Social-Media führt, noch immer auf der Suche danach ist, wie sie in solchen Momenten ihre persönliche Trauer und Betroffenheit verarbeiten kann. Und genau hier sehen wir uns in der Pflicht, die Menschen zu unterstützen und für sie ansprechbar zu sein. Meist veröffentlichen wir in solchen Momenten einen sehr schlichten Post und geben den Menschen die Möglichkeit, darauf zu reagieren. Sei es durch einen Kommentar, ein Like oder ein Share. Direktnachrichten, die uns in diesen Momenten erreichen, werden mit einem Seelsorger gemeinsam beantwortet. Wenn wir es als Kirche schaffen, gerade in solchen Momenten den Menschen einen Ort, eine Seite, für ihre Gefühle und Gedanken zu bieten, dann ist die Chance groß, dass dies auch auf unseren Markenwert einzahlt.

Die Generation, die einen großen Teil ihrer Kommunikation über Social-Media führt, ist noch immer auf der Suche danach, wie sie in solchen Momenten ihre persönliche Trauer und Betroffenheit verarbeiten kann.

Es wäre jedoch deutlich zu kurz gedacht, wenn wir unser Engagement nur auf solche Momente beschränken würden. Einmal Hand aufs Herz: Wir alle nutzen Social-Media nicht nur, um uns zu informieren, sondern wir wollen vor allem eins: unterhalten werden.

Wir sind die mit der frohen Botschaft, und was passt da besser als Humor. Aber natürlich sind Humor und Ironie in der nonverbalen Kommunikation immer eine Gratwanderung, die man gut abschätzen sollte. Das Listicel „13-Gründe, warum niemand das Bistums Essen braucht“ und das Video, bei dem eine “Stewardess” Sicherheitseinweisungen für den Weihnachtsgottesdienst gibt, gehören deshalb zu unseren erfolgreichen Posts. “Treffen sich ein Panda, ein Einhorn und eine Katze in der Kirche” – was für viele klingt wie der Beginn eines ziemlich miesen Witzes, beschreibt mit einem Augenzwinkern, welche grundlegende Ausrichtung die Social-Media-Arbeit im Bistum Essen hat. Wir versuchen immer wieder aufs Neue, in der aktuellen Kommunikation in den diversen Kanälen einen Kontext zu finden, in dem wir auch mit unseren Inhalten und unserer Botschaft präsent sein können. Und wenn wir dafür auch einmal das Martinspferd1 in den Fokus rücken und damit große Nachfragen und Interesse an unserem Content in der Reit-Community auslösen, ist das doch wunderbar. Auch wenn ich mein persönliches Ziel, mit diesem Inhalt in der “Wendy” unterzukommen, nicht erreicht habe, so bin ich mir sicher, dass eine standardmäßige Pressemitteilung zu dem Thema ganz schnell im Papierkorb gelandet wäre.

Außerdem macht es auch verdammt viel Spaß, für eine fast 2.000 Jahre alte Organisation Social-Media-Kommunikation machen zu dürfen.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass kirchliche Festtage und Traditionen bei vielen Menschen einen gewissen Trigger auslösen, auch wenn sie keine enge Bindung zur Kirche haben. Auch hier versuchen wir anzusetzen, um mit Aktionen, unsere Themen auch außerhalb unserer Filterblase zu platzieren. Der Content entsteht in unserem kleinen Team und wird mit Bordmitteln und ohne Agentur im Rücken umgesetzt.

Ich kann mich wirklich glücklich schätzen, Kolleginnen und Kollegen sowie einen Chef zu haben, die in der Phase der Ideenfindung nicht auf die Bremse treten, sondern oft nochmal den Spiritus auspacken und ordentlich ins Feuer kippen. Wenn dann der Bischof noch selbst auf Facebook und Twitter aktiv ist und ein Feedback zum Post gibt, dann ist der Anreiz, gute neue Ideen zu entwickeln, natürlich noch höher. Unsere Wettbewerber hierbei sind nicht die anderen Glaubensgemeinschaften, sondern die großen Player in den Social-Media. Fakt ist: wenn wir unsere Filterblase verlassen wollen, streiten wir nicht mit der evangelischen oder muslimischen Gemeinde von nebenan um die Aufmerksamkeit der Menschen, sondern mit dem großen Elektrokonzern, dem Autovermieter oder dem Möbelhaus. Auch wenn das Budget vielleicht nicht riesig ist, sollten wir einfach nicht müde werden, geniale Dinge zu produzieren. Außerdem macht es auch verdammt viel Spaß, für eine fast 2.000 Jahre alte Organisation Social-Media-Kommunikation machen zu dürfen. Es ist reizvoll, nicht für ein simples Produkt Marketing zu betreiben, sondern für die frohe Botschaft. Und wenn wir uns alle ein bisschen mehr darauf einlassen, unseren Markenkern – die frohe Botschaft – auch als solche zu begreifen und zulassen, dass die mediale Vermittlung Spaß machen darf, dann wird dies auch der Marke “Kirche” ziemlich gut tun.

Weitere Beispeile aus dem Bistum Essen:

  1. Halleluja zu Ostern
  2. Hubertus zur Jagdsaison
  3. Maria und Josef und Sixt
  4. Ostersmoothies zum Smoothie-Hype: Smoothie 1 | Smoothie 2
  5. Nikolaus WhatsApp-Kanal und so sah es auf dem Handy aus

 

https://www.facebook.com/bistumessen/videos/1546694528745319/

  1. https://www.youtube.com/watch?v=FLZqZEr_gxA | https://www.facebook.com/bistumessen/videos/1136540519760724/

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